Falschmeldung – In den USA gibt es nicht mehr Atheisten und Agnostiker als Katholiken


Katholiken in den USA
Katho­li­ken in den USA

(Washing­ton) Das US-ame­ri­ka­ni­sche Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut Pew Rese­arch Cen­ter (Prc), der dritt­größ­te Think Tank in der Bun­des­haupt­stadt Washing­ton, gab im ver­gan­ge­nen Monat bekannt, daß es in den USA inzwi­schen mehr Athe­isten und Agno­sti­ker als Katho­li­ken gebe. Eine Nach­richt, die von zahl­rei­chen Medi­en in gro­ßer Auf­ma­chung wei­ter­ver­brei­tet wur­de. Inzwi­schen wur­den jedoch Zwei­fel an den Pew-Zah­len laut. Die Wirk­lich­keit sieht ganz anders aus, so die bei­den Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­ler J. Gor­don Mel­ton und Rod­ney Stark.

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Am 12. Mai ver­öf­fent­lich­te das Pew Forum on Reli­gi­on & Public Life unter dem Titel America’s Chan­ging Reli­gious Land­scape die Aus­wer­tung von Erhe­bun­gen zur Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit der US-Bür­ger. Pew ver­glich einen Zeit­raum, der weit­ge­hend die Amts­zeit des amtie­ren­den US-Prä­si­den­ten umfaßt. Wäh­rend Barack Oba­mas Amts­zeit habe die Zahl der nicht-christ­li­chen Reli­gi­ons­an­ge­hö­ri­gen (Juden, Mos­lems, Bud­dhi­sten, Hin­dus und Ange­hö­ri­ge ande­rer Welt­re­li­gio­nen) um 25 Pro­zent zuge­nom­men. Die Zahl der Evan­ge­li­ka­len sta­gnie­re, die Zahl der Katho­li­ken sei um mehr als 12 Pro­zent zurück­ge­gan­gen, die der histo­ri­schen pro­te­stan­ti­schen Kon­fes­sio­nen sogar um fast 19 Pro­zent. Stark gewach­sen sei hin­ge­gen die Zahl der Athe­isten und Agno­sti­ker mit einer Zunah­me um gan­ze 41 Pro­zent. Da die katho­li­sche Kir­che die größ­te Reli­gi­ons­ge­mein­schaft der USA dar­stellt, lag den Medi­en vor allem an einem Ver­gleich mit ihr, ein­schließ­lich einer mehr oder wenig deut­lich wahr­nehm­ba­ren Genug­tu­ung über deren Deklassierung.

Die Pew-Zahlen – doch auch die „Großen“ können manchmal irren

Laut Pew bekann­ten sich 2014 25,4 Pro­zent der US-Bür­ger als Evan­ge­li­ka­le (2007: 26,3 Pro­zent), 22,8 Pro­zent als Athe­isten und Agno­sti­ker (2007: 16,1 Pro­zent), 20,8 Pro­zent als Katho­li­ken (2007: 23,9 Pro­zent), 14,8 Pro­zent als klas­si­sche Pro­te­stan­ten (2007: 18,1 Pro­zent) und 5,9 Pro­zent als Ange­hö­ri­ge einer nicht-christ­li­chen Reli­gi­on (2007: 4,7 Pro­zent). Der Anteil der Chri­sten unter den US-Ame­ri­ka­nern sei dem­nach von 78,4 Pro­zent auf 70,6 Pro­zent gesunken.

Das Pew Rese­arch Cen­ter gehört zwar in Sachen Reli­gi­on zu den nam­haf­te­sten Ein­rich­tun­gen, doch auch die Gro­ßen kön­nen manch­mal irren.

Das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut sum­mier­te in der Kate­go­rie „Athe­isten und Agno­sti­ker“ alle, die bei der Befra­gung zur Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit „kei­ne“ anga­ben. Dar­in ent­hal­ten sind auch alle, die irgend­ei­ne „irre­gu­lä­re“ Reli­gio­si­tät außer­halb insti­tu­tio­na­li­sier­ter Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten prak­ti­zie­ren. Sie kön­nen aber weder als Agno­sti­ker und schon gar nicht als Athe­isten bezeich­net wer­den. Auch die Chri­sten, die ihre Gemein­schaft aus irgend­wel­chen Unstim­mig­kei­ten ver­las­sen, ver­grö­ßern in der Regel nicht die Rei­hen der Reli­gi­ons­lo­sen. Sie stel­len unter jenen, die Pew vor­schnell als Athe­isten und Agno­sti­ker aus­weist, sogar die Mehr­heit. Um genau zu sein, ist die Zahl der Athe­isten und Agno­sti­ker stagnierend.

Den Nach­weis erbrach­te eine zeit­gleich mit der Pew-Ver­öf­fent­li­chung abge­hal­te­ne Tagung des Insti­tu­te for the Stu­dy of Reli­gi­on (ISS) der Bay­lor Uni­ver­si­ty von Waco im Staat Texas. Nuo­va Bus­so­la Quo­ti­dia­na führ­te zum The­ma mit zwei füh­ren­den inter­na­tio­na­len Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­lern ein Dop­pel-Inter­view, mit J. Gor­don Mel­ton (Grün­der des Insti­tu­te for the Stu­dy of Ame­ri­can Reli­gi­on der Uni­ver­si­ty of Cali­for­nia in San­ta Bar­ba­ra) und Rod­ney Stark (Ordi­na­ri­us für Sozi­al­wis­sen­schaf­ten an der Bay­lor Uni­ver­si­ty und Co-Direk­tor des ISS). Meh­re­re Publi­ka­tio­nen von Rod­ney Stark wur­den in ande­re Spra­chen über­setzt, dar­un­ter „Got­tes Krie­ger. Die Kreuz­zü­ge in neu­em Licht“ auch ins Deut­sche. Wäh­rend Mel­ton ein Metho­dist ist, bezeich­net sich Stark als „unab­hän­gi­gen Chri­sten“. Mit ein Grund, wes­halb er die Kate­go­ri­sie­rung des Pew Insti­tuts kritisiert.

Folgt man dem Pew Rese­arch Cen­ter, dann gibt es mehr US-Ame­ri­ka­ner, die Athe­isten und Agno­sti­ker sind, als Katholiken …

Mel­ton: Das ist eine ver­zerr­te Dar­stel­lung der gesam­mel­ten Ergeb­nis­se. Das ame­ri­ka­ni­sche Chri­sten­tum befin­det sich seit einem Jahr­hun­dert in kon­ti­nu­ier­li­chem Wachs­tum. Nichts sagt uns, daß es auch so wei­ter­ge­hen wird. Wir wis­sen aber, daß die­se Reli­gi­on die­ses Land tief durch­drun­gen und geprägt hat und daß es nur weni­ge nicht-reli­giö­se Men­schen gibt. Was die Katho­li­ken betrifft, so waren sie das gan­ze ver­gan­ge­ne Jahr­hun­dert hin­durch die größ­te Kir­che des Lan­des. Heu­te sind sie drei­mal so stark wie ihr größ­ter Riva­le, die Bap­ti­sten. Das wirk­li­che Pro­blem der Katho­li­ken ist heu­te in Wirk­lich­keit das der Beru­fun­gen. Es gibt nicht mehr aus­rei­chend Prie­ster im Ver­hält­nis zur Zahl der Gläu­bi­gen. Aller­dings war die Situa­ti­on vor 20 Jah­ren noch schlim­mer. Wo blei­ben also die Athe­isten in die­sem Bild? Erst­mals erho­ben wur­den sie 1944 und mach­ten zwi­schen vier und fünf Pro­zent der Bevöl­ke­rung aus. Ihr Pro­zent­an­teil hat sich nicht ver­än­dert. Er liegt auch heu­te noch genau dort. Die Zahl der Athe­isten hat in abso­lu­ten Zah­len zuge­nom­men, im sel­ben Ver­hält­nis wie die Gesamt­be­völ­ke­rung gewach­sen ist. Zu den­ken, daß man sie mit der Zahl der Katho­li­ken gleich­set­zen könn­te, ist gera­de­zu dumm.

Stark: Weni­ge von jenen, die sagen, sich in kei­ner Reli­gi­on wie­der­zu­er­ken­nen, sind in Wahr­heit Athe­isten oder Agno­sti­ker. Die gro­ße Mehr­heit der Befrag­ten, die mit „kei­ne Reli­gi­on“ ant­wor­ten, geben näm­lich gleich­zei­tig an, an das Para­dies zu glau­ben, an Schutz­en­gel, an Wun­der, usw. Mit „kei­ne Reli­gi­on“ wol­len vie­le sagen, daß sie nicht die ört­li­che Kir­che besu­chen. Wenn man sie aber gefragt hät­te, ob sie sich als Chri­sten bezeich­nen wür­den, hät­te die gro­ße Mehr­heit mit „Ja“ geant­wor­tet. Was den Rück­gang der Katho­li­ken anbe­langt, so behaup­tet nur das Pew Rese­arch Cen­ter einen sol­chen. Kein ande­res Sta­ti­stik­in­sti­tut konn­te bis­her einen sol­chen feststellen.

Laut Pew Rese­arch Cen­ter befin­det sich der klas­si­sche Pro­te­stan­tis­mus in einer tie­fen Kri­se. Stimmt das?

Mel­ton: Ja, dem ist so seit Ende der 1960er Jah­re. Und obwohl er noch sehr ein­fluß­reich ist, kann nie­mand sagen, ob die pro­te­stan­ti­schen „Mehrheits“-Kirchen die­sen Nie­der­gang stop­pen oder die­se Ent­wick­lung sogar wie­der umdre­hen können.

Stark: Das Pew Rese­arch Cen­ter soll­te gele­gent­lich auch etwas ande­res als nur die eige­nen Sta­ti­sti­ken lesen. Es wür­de fest­stel­len, daß die klas­si­schen (also libe­ra­len) Pro­te­stan­ten seit einem Jahr­hun­dert zurück­ge­hen. In den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten hat sich nur das Tem­po die­ses Rück­gangs erhöht. Ganz anders ist das bei den kon­ser­va­ti­ven Pro­te­stan­ten, die sich in einem schnel­len Wachs­tum befin­den. Die Pro­te­stan­ten, die libe­ra­le Gemein­schaf­ten ver­las­sen, hören nicht auf zu glau­ben. Sie wen­den sich viel­mehr tra­di­tio­nel­le­ren Gemein­schaf­ten zu, eben den Evangelikalen.

Stimmt es, daß in den USA die nicht-christ­li­chen Reli­gio­nen wachsen?

Mel­ton: Ja, es gibt zwei Mil­lio­nen Bud­dhi­sten und fast eben­so vie­le Hin­dus. Die Zahl der Mos­lems ist viel­dis­ku­tiert. Sicher ist, daß es min­de­stens 2,5 Mil­lio­nen gibt. Das Wachs­tum der Nicht-Chri­sten hat 1965 ein­ge­setzt, dem­sel­ben Jah­re, in dem in der Volks­re­pu­blik Chi­na das Chri­sten­tum zu wach­sen begann.

Stark: Die­ses Wachs­tum ist jeden­falls sehr lang­sam und hängt mit der Ein­wan­de­rung zusam­men, nicht mit Kon­ver­sio­nen. Die anti­re­li­giö­sen Vor­ur­tei­le der Medi­en füh­ren dazu, daß Sta­ti­sti­ken über einen Nie­der­gang des reli­giö­sen Bekennt­nis­ses auf­ge­bla­sen, die Kor­rek­tu­ren irri­ger Anga­ben hin­ge­gen igno­riert wer­den. Schlag­zei­len über den angeb­li­chen Nie­der­gang des Chri­sten­tums wie­der­ho­len sich seit 50 Jah­ren. Sie kon­zen­trie­ren sich vor allem auf einen Rück­gang der Gläu­bi­gen unter der Jugend. Es stimmt, daß vie­le, sobald sie das Eltern­haus ver­las­sen, auf­hö­ren, die Kir­chen zu besu­chen. Doch in jeder Gene­ra­ti­on keh­ren die Men­schen wenn sie älter wer­den, mit der Ehe­schlie­ßung, der Geburt der Kin­der wie­der in die Kir­chen zurück und die Zahl der Prak­ti­zie­ren­den wächst. Ich habe ent­spre­chen­de Stu­di­en min­de­stens 20 Mal in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­öf­fent­licht, doch nie­mand beach­tet sie…

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vati­can Insider

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