Zweimal Franziskus: der wirkliche Franziskus und der Franziskus der Medien?


Franziskus und Ordensfrauen
Fran­zis­kus und Ordensfrauen

(Rom) Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster, einer der auf­merk­sam­sten Beob­ach­ter, ist seit März über­zeugt, daß Papst Fran­zis­kus in Sachen “Öff­nun­gen“ und Bischofs­syn­ode zurück­ru­dert. Grund sei der hef­ti­ge Wider­stand dage­gen, mit dem der Papst nicht gerech­net hat­te. Ande­re Beob­ach­ter sind deut­lich zurück­hal­ten­der. Sie bestä­ti­gen die von Magi­ster genann­ten Signa­le, schlie­ßen jedoch nicht aus, daß es sich um eine „tak­ti­sche Pau­se“ han­deln könn­te. Die ange­kün­dig­te Öko-Enzy­kli­ka wird Auf­schluß geben, wel­che Ein­schät­zung zutref­fend ist.

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Unter­des­sen weist San­dro Magi­ster auf einen ande­ren Aspekt hin: das Ver­hält­nis zwi­schen Katho­li­scher Kir­che und Mas­sen­me­di­en bzw. der Dis­kre­panz zwi­schen der Wirk­lich­keit und dem Bild, das die Mas­sen­me­di­en von der Kir­che verbreiten.

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Zwei Franziskusse: der wirkliche Franziskus und der Franziskus der Medien

Die bei­den Fran­zis­kus­se ent­fer­nen sich immer mehr von­ein­an­der. Die öffent­li­che Schil­de­rung zeich­net den Papst wei­ter­hin als Revo­lu­tio­när. Die Fak­ten bewei­sen aber das Gegenteil.

von San­dro Magister

Inzwi­schen gibt es zwei Fran­zis­kus­se und die sind immer wei­ter von­ein­an­der ent­fernt: der Papst Fran­zis­kus der Medi­en und der wirk­li­che, reale.

Erste­rer ist in aller Mun­de und ging sofort mit sei­nem ersten Erschei­nen auf der Zen­tral­log­gia des Peters­doms auf Sendung.

Es ist die Geschich­te vom Papst, der die Kir­che revo­lu­tio­niert, der die Schlüs­sel der Löse- und Bin­de­ge­walt ablegt, der nicht mehr ver­ur­teilt, son­dern nur mehr ver­zeiht, mehr noch, der nicht ein­mal mehr urteilt, der einer gefan­ge­nen Mos­le­min und einem Trans­se­xu­el­len die Füße wäscht, der den Palast ver­läßt, um in die Rän­der ein­zu­tau­chen, der über­all und zu allem Bau­stel­len eröff­net, zu den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen eben­so wie zum Geld des Vati­kans, der die Grenz­po­sten des Dog­mas schließt und die Tore der Barm­her­zig­keit öff­net. Der Papst als Freund der Welt, des­sen ange­kün­dig­te Enzy­kli­ka über die „nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung“ schon gefei­ert wird, noch bevor bekannt ist, was dar­in geschrie­ben steht.

Und in der Tat gibt es eini­ges in den Wor­ten und Gesten von Jor­ge Mario Berg­o­glio, das sich für die­se Geschich­te eignet.

Der Fran­zis­kus der Medi­en ist ein biß­chen auch sei­ne eige­ne genia­le Schöp­fung, der in nur einem Vor­mit­tag auf wun­der­sa­me Wei­se das öffent­li­che Bild der katho­li­schen Kir­che von einer angeb­lich opu­len­ten und deka­den­ten Kir­che in eine „arme Kir­che für die Armen“ umge­dreht hat.

Sobald man jedoch mit der Hand grei­fen will, was das Pon­ti­fi­kat von Fran­zis­kus wirk­lich Neu­es gebracht hat, ändert sich die Musik sofort.

Die alte, ob zu recht oder unrecht geschol­te­ne Kurie besteht immer noch. An Struk­tu­ren wur­de kaum etwas ab- oder umge­baut. Die Neu­ig­keit liegt wenn schon dar­in, daß es von allem noch etwas mehr gibt: mehr Dik­aste­ri­en, mehr Büros, mehr Kosten. Die Kar­rie­re­di­plo­ma­ten, die das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil fast abge­schafft hät­te, haben mehr Macht als je zuvor, auch in Berei­chen, wo man sich eigent­lich „Hir­ten“ erwar­ten wür­de: zum Bei­spiel an der Spit­ze der Bischofs­syn­ode oder an der Spit­ze der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on. Vom „inner cir­cle“, der im direk­ten Kon­takt mit dem Papst steht, ganz zu schwei­gen. Obwohl es für ihn kei­ne defi­nier­ten Rol­len gibt, ist sein Ein­fluß enorm und ver­fügt über pene­tran­te Ver­zwei­gun­gen in die Massenmedien.

Dann sind da noch die hei­ßen The­men, die die öffent­li­che Mei­nung weit mehr erhit­zen und spal­ten: die Schei­dung und die Homosexualität.

Papst Fran­zis­kus woll­te, daß man offen dar­über dis­ku­tiert und er selbst setz­te den ersten Schritt dazu mit weni­gen, genau ein­stu­dier­ten, äußerst effi­zi­en­ten Aus­sa­gen, wie jener „Wer bin ich, um zu urtei­len?“, die zum Mar­ken­zei­chen sei­nes Pon­ti­fi­kats wur­de, außer­halb und inner­halb der Kirche.

Mona­te­lang, zwi­schen den Som­mern sei­nes ersten und sei­nes zwei­ten Jah­res als Papst, ver­schaff­te Berg­o­glio jenen Män­nern und Strö­mun­gen Raum und Sicht­bar­keit, die sich für eine Reform der Fami­li­en­pa­sto­ral und der Sexu­al­mo­ral aussprechen.

Als er aber im ver­gan­ge­nen Okto­ber auf der Syn­ode fest­stell­te, daß die Wider­stän­de gegen die­se Reform unter den Bischö­fen vie­le stär­ker und umfang­rei­cher als erwar­tet sind, änder­te er die Ziel­rich­tung. Seit­her äußer­te er nicht mehr ein Wort zugun­sten der Refor­mer. Ganz im Gegen­teil. Er griff plötz­lich ver­stärkt in der öffent­li­chen Mei­nung umstrit­te­ne The­men auf: Abtrei­bung, Schei­dung, Homo­se­xua­li­tät, Ver­hü­tung, ohne sich inhalt­lich auch nur einen Mil­li­me­ter von dem zu unter­schei­den, was Paul VI., Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. dazu lehrten.

Seit Okto­ber nahm Fran­zis­kus zu die­sen The­men nicht weni­ger als 40 Mal Stel­lung und griff dabei beson­ders scharf die Gen­der-Ideo­lo­gie an und deren Ver­such, die Welt kolo­ni­sie­ren zu wol­len, obwohl sie ledig­lich ein „Aus­druck von Fru­stra­ti­on und Resi­gna­ti­on ist, die dar­auf abzielt, den Unter­schied zwi­schen den Geschlech­tern aus­zu­lö­schen, weil sie sich nicht mehr damit aus­ein­an­der­zu­set­zen ver­steht“. Den Wor­ten folg­ten Taten durch die Wei­ge­rung, den von Frank­reich ernann­ten homo­se­xu­el­len Bot­schaf­ter beim Hei­li­gen Stuhl anzuerkennen.

Auch zur Schei­dung hat Fran­zis­kus sei­ne Hal­tung ver­schärft. „Damit löst man gar nichts“, sag­te er vor kur­zem zur Idee, wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne zur Kom­mu­ni­on zuzu­las­sen, schon gar nicht, wenn sie die­se for­dern, denn die Kom­mu­ni­on  sei nicht „eine Kokar­de, eine Aus­zeich­nung. Nein.“

Er weiß, daß in die­ser Sache die Erwar­tun­gen sehr hoch sind und er weiß auch, daß er selbst die­se Erwar­tun­gen genährt hat. Aber er hat sich davon distan­ziert. Von „über­zo­ge­nen Erwar­tun­gen“ spricht er heu­te, wohl wis­send, daß er sie nicht erfül­len kann. Denn nach­dem er so sehr eine kol­le­gia­le­re Lei­tung der Kir­che des Pap­stes zusam­men mit den Bischö­fen ange­kün­digt hat­te, muß sich Fran­zis­kus zwangs­läu­fig dem Wil­len der Bischö­fe, die welt­weit in ihrer gro­ßen Mehr­heit kon­ser­va­tiv sind, anpas­sen und auf die Durch­set­zung von Refor­men ver­zich­ten, die von den mei­sten abge­lehnt werden.

Des­sen­un­ge­ach­tet ver­kau­fen die Mas­sen­me­di­en wei­ter­hin die Geschich­te vom „revo­lu­tio­nä­ren“ Papst, doch der wirk­li­che Fran­zis­kus ist davon immer wei­ter entfernt.

Die Dis­kre­panz zwi­schen Wirk­lich­keit und Medi­en­dar­stel­lung stellt eine Kon­stan­te in der jün­ge­ren Kir­chen­ge­schich­te dar. Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil ist ein makro­sko­pi­sches Bei­spiel dafür, wie Bene­dikt XVI. noch in sei­nen letz­ten Anspra­chen aufzeigte

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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2 Kommentare

  1. Nicht direkt zum Arti­kel, aber unbe­dingt einen Hin­weis wert, ist fol­gen­des Buch, dass ich in den letz­ten zwei Tagen gele­sen habe:
    Rai­ner Beck­mann, „Das Evan­ge­li­um der ehe­li­chen Treue“, fe-Medi­en­ver­lag; 9,80 Euro.
    Der ein oder ande­re wird es schon ken­nen. Des­sen unge­ach­tet gilt mei­ne Emp­feh­lung all jenen, die es noch nicht gele­sen haben oder bis­her unschlüs­sig über­legt haben, ob sich eine Anschaf­fung lohne…
    Zunächst dach­te ich mir beim Durch­le­sen der Buch­emp­feh­lun­gen im Pro­spekt des fe-Medi­en­ver­la­ges: Was kann man schon groß erwar­ten von die­sem Buch? Da schreibt ein fru­strier­ter geschie­de­ner Mann sei­ne Tren­nungs­ge­schich­te auf.
    Aber was ich dann lesen durf­te, ist wirk­lich bril­lant. Beck­mann ist ganz und gar nicht fru­striert. Er lebt und argu­men­tiert aus dem Glauben.
    Schritt­wei­se wider­legt er in sei­nem Buch Kas­pers sämt­li­che Schein­ar­gu­men­te und The­sen. Übirg bleibt ein ein­zi­ger Wider­spruch inner­halb der Argu­men­ta­ti­on Kaspers.
    Dem Juri­sten (!) Beck­mann gelingt es, auf 144 Sei­ten klar und inhalts­reich in die Tie­fe der Bedeu­tung des Ehe­sa­kra­men­tes zu gehen und er legt dar, war­um es für ihn als ver­las­se­nem Ehe­mann, nach 25 Jah­ren Ehe und 4 Kin­dern, kei­ne Opti­on ist, sich eben­falls wie­der auf Part­ner­su­che zu begeben.
    Er sagt, er wol­le die Tür offen hal­ten. Denn soll­te sich sei­ne Frau, die inzwi­schen mit einem ande­ren Mann zivil­recht­lich ver­hei­ra­tet ist, auch auf­grund sei­nes Zeug­nis­ses, Gebe­tes und sei­ner Treue zum Sakra­ment eines Tages ument­schei­den (umkeh­ren!), wol­le er ihr nicht sagen müs­sen, wenn sie vor sei­ner Tür ste­he: „Ich wür­de dich lie­bend gern her­ein­bit­ten, aber im Wohn­zim­mer sitzt meie Frau.“
    Ich kann die­ses Buch unein­ge­schränkt wei­ter­emp­feh­len. Es soll­te m.E. in der Ehe­pa­sto­ral ein­ge­setzt wer­den. Zudem einer Ehe­pa­sto­ral, die es de fac­to gar nicht mehr gibt, das von den mei­sten Pfar­rern „sträf­lichst ver­nach­läs­sigt“ und zumeist auf For­ma­lia der Gestal­tung des Hoch­zeits­ta­ges ver­kürzt wor­den ist.
    Es lohnt sich zur Abrun­dung des bis­her geführ­ten Dis­kur­ses über die Zulas­sung der wie­der­verh. Geschie­de­nen, weil es auf­zeigt, dass Leh­re und Pra­xis, Lehr­amt und Pasto­ral nicht aus­ein­an­der­fal­len dür­fen und wel­che Ent­schie­den­heit es sowohl von sei­ten der Hir­ten als auch der Gläu­bi­gen abver­langt. Ein Buch, dass Wege auf­zeigt und ganz ganz viel Mut macht.

  2. Ob nun F. eine Art dia­lek­ti­sches Spiel­chen spielt, also:

    Erst stra­te­gisch gewitzt die Anti­the­se (Frak­ti­on Kas­per & Co),
    dann unklar die The­se („…löst gar nichts“)
    und auf dem zwei­ten Syn­do­den­tref­fen 2015 dann eine Synthese
    à la „Wir machen ab heu­te alles anders und doch genau­so wie bisher.

    Aber nichts Genau­es weiß man natür­lich nicht…außer einem:

    Je mehr spe­ku­liert wird, desto ver­wor­re­ner wird die Lage.

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