Synode 2015 und die Ehe: Wie kann Liebe „für immer“ gelingen? Was Benedikt XVI. geantwortet hat


Papst Benedikt XVI. 2012 beim VII. Weltfamilientreffen in Mailand
Papst Bene­dikt XVI. 2012 beim VII. Welt­fa­mi­li­en­tref­fen in Mailand

(Rom) Beschleu­nig­te Schei­dungs­ver­fah­ren und Ehe­ver­trä­ge, die bereits alles für den Fall einer Schei­dung regeln sol­len. Das Mot­to lau­tet: Die Lie­be kommt, die Lie­be geht, ver­su­chen wir zumin­dest nicht zu strei­ten. Schrit­te, mit denen die zwi­schen­mensch­li­chen Bezie­hun­gen auf die Ebe­ne einer mehr oder weni­ger freund­schaft­li­chen gegen­sei­ti­gen Beob­ach­tung redu­ziert wer­den. Am 2. Juni 2012 nahm Papst Bene­dikt XVI. dazu Stel­lung, als er der Erz­diö­ze­se Mai­land einen Pasto­ral­be­such abstat­te­te und am VII. Welt­fa­mi­li­en­tref­fen teilnahm.

Anzei­ge

Von den Gläu­bi­gen wur­de er unter ande­rem gefragt, wie man sich „für immer“ lie­ben kön­ne. Der Papst erin­ner­te in sei­ner Ant­wort dar­an, daß die Kir­che die Braut­leu­te nicht fra­ge: „Bist du ver­liebt?“, son­dern „Willst du?“, „Bist du aus frei­em Wil­len bereit?“. Bene­dikt XVI. for­der­te die Gläu­bi­gen auch auf, die Ehe­vor­be­rei­tungs­kur­se nicht als kle­ri­ka­le Vari­an­te von Ehe­ver­trä­gen zu betrachten.

Aller­dings, was der Papst nicht sag­te, kla­gen katho­li­sche Braut­leu­te, zumin­dest im deut­schen Sprach­raum, daß die ver­pflich­ten­den Ehe­vor­be­rei­tungs­kur­se viel­fach nicht eine katho­li­sche Vor­be­rei­tung auf die Ehe sind, son­dern tat­säch­lich von den kirch­li­chen Ver­an­stal­tern und Refe­ren­ten miß­braucht wer­den, zu erklä­ren, wie man sich wie­der schei­den las­sen kön­ne, wel­che Ver­hü­tungs­mit­tel es gibt und sogar, wo man abtrei­ben las­sen kön­ne. Dadurch wird der Ehe­vor­be­rei­tungs­kurs in sein Gegen­teil ver­kehrt und im Ansatz, vor der Ehe­schlie­ßung, die nöti­ge Unter­wei­sung der Braut­leu­te verhindert.

Mit ein Grund, wes­halb die Kir­che sich aktu­ell mit der Fra­ge beschäf­ti­gen muß, wie mit den vie­len zer­bro­che­nen sakra­men­ta­len Ehen umge­gan­gen wer­den soll.

Ein Vor­wurf, der Kar­di­nal Wal­ter Kas­per und sei­ner „neu­en Barm­her­zig­keit“ gemacht wird, hängt genau damit zusam­men. Anstatt dort anzu­set­zen, wo Braut­leu­ten durch gute Unter­wei­sung gehol­fen wer­den kann, sich auf die dau­er­haf­te sakra­men­ta­le Ehe vor­zu­be­rei­ten, wird das Pferd von hin­ten auf­ge­zäumt. Das Augen­merk wird auf die bereits geschei­ter­ten Ehen gelegt. Durch eine Schwammd­rü­ber-Poli­tik soll der ent­stan­de­ne Scha­den durch Umin­ter­pre­ta­ti­on berei­nigt wer­den, wäh­rend gleich­zei­tig wei­ter­hin Braut­leu­te durch untaug­li­che Ehe­vor­be­rei­tungs­kur­se gezwun­gen und trotz man­gel­haf­ter Vor­be­rei­tung kirch­lich getraut werden.

Was Papst Bene­dikt XVI. den Fra­gen­den 2012 geant­wor­tet hat, ver­dient den­noch nach­ge­le­sen zu werden.

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ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.

VII. Welt­fa­mi­li­en­tref­fen
Park von Bresso
Sams­tag, 2. Juni 2012

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1. CAT TIEN (ein Mäd­chen aus Viet­nam): Hal­lo, lie­ber Papst!
Ich hei­ße Cat Tien und kom­me aus Viet­nam. Ich bin sie­ben Jah­re alt und möch­te dir mei­ne Fami­lie vor­stel­len. Das ist mein Papa, Dan, und mei­ne Mama. Sie heißt Tao. Und das ist mein klei­ner Bru­der Binh. Ich wüß­te gern etwas über dei­ne Fami­lie, und von dir, als du so klein warst wie ich …

Hei­li­ger Vater: Dan­ke, mei­ne Lie­be, und auch einen herz­li­chen Dank an dei­ne Eltern. Du fragst mich, wel­che Erin­ne­run­gen ich an mei­ne Fami­lie habe: sehr vie­le! Aber ich möch­te nur eini­ge weni­ge Din­ge sagen. Beson­ders wich­tig war für unse­re Fami­lie immer der Sonn­tag, aber der Sonn­tag begann schon am Sams­tag nach­mit­tag. Unser Vater las uns die Lesung – die Sonn­tags­le­sung – aus einem Buch vor, das damals in Deutsch­land sehr ver­brei­tet war und in dem die Tex­te auch erklärt wur­den. So begann also der Sonn­tag: wir tra­ten bereits in die Lit­ur­gie ein, in eine Atmo­sphä­re der Freu­de. Tags dar­auf gin­gen wir zur Mes­se. Ich bin in der Nähe von Salz­burg zu Hau­se, wir hat­ten also viel Musik – Mozart, Schu­bert, Haydn – und wenn das Kyrie anhob, dann war es, als wür­de sich der Him­mel auf­tun. Wich­tig war bei uns zu Hau­se natür­lich auch das gemein­sa­me Mit­tag­essen. Wir haben auch viel mit­ein­an­der gesun­gen: mein Bru­der ist ein gro­ßer Musi­ker, schon als Jun­ge hat er für uns alle kom­po­niert, und so hat die gan­ze Fami­lie gesun­gen. Unser Vater spiel­te Zither und sang dazu; das sind unver­geß­li­che Momen­te. Wir haben natür­lich auch gemein­sa­me Rei­sen und Spa­zier­gän­ge unter­nom­men; wir wohn­ten in der Nähe eines Wal­des, und die­se Spa­zier­gän­ge im Wald waren wun­der­schön: vol­ler Aben­teu­er, Spie­le, usw. Mit einem Wort: wir waren ein Herz und eine See­le, haben vie­les gemein­sam erlebt und durch­ge­stan­den, auch in schwe­ren Zei­ten, weil damals die Zeit des Krie­ges war, davor die Zeit der Dik­ta­tur und dann der Armut. Aber die­se Lie­be, die uns ver­band, die­se Freu­de auch an ein­fa­chen Din­gen, war stark, und so konn­te man auch die­se Din­ge ertra­gen und über­win­den. Das erscheint mir sehr wich­tig: daß auch klei­ne Din­ge Freu­de mach­ten, weil so das Inner­ste des Her­zens des ande­ren zum Aus­druck kam. So sind wir also auf­ge­wach­sen in der Gewiß­heit, daß es gut ist, ein Mensch zu sein, denn wir konn­ten ja sehen, daß sich die Güte Got­tes in unse­ren Eltern und Geschwi­stern wider­spie­gel­te. Und um die Wahr­heit zu sagen: wenn ich mir vor­zu­stel­len ver­su­che, wie wohl das Para­dies aus­se­hen könn­te, dann kommt mir immer die Zeit mei­ner Jugend, mei­ner Kind­heit, in den Sinn. In die­sem Kon­text des Ver­trau­ens, der Freu­de und der Lie­be waren wir glück­lich, und ich den­ke, daß es im Para­dies ähn­lich sein muß wie in mei­ner Kin­der- und Jugend­zeit. In die­sem Sinn hof­fe ich eines Tages »heim­zu­ge­hen », der »ande­ren Welt« entgegen.

2. SERGE RAZAFINBONY UND FARA ANDRIANOMBONANA (zwei jun­ge Ver­lob­te aus Madagaskar):
SERGE: Hei­li­ger Vater, wir sind Fara und Ser­ge und kom­men aus Mada­gas­kar. Wir haben uns in Flo­renz ken­nen­ge­lernt, wo wir stu­die­ren: ich Inge­nieurs­we­sen, sie Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten. Wir sind seit vier Jah­ren ver­lobt, und es ist unser Traum, nach dem Stu­di­um in unse­re Hei­mat zurück­zu­keh­ren und unse­rem Volk zu hel­fen, auch durch unse­ren Beruf.
FARA: Die im Westen vor­herr­schen­den Fami­li­en­mo­del­le über­zeu­gen uns nicht, aber uns ist klar, daß auch vie­le Tra­di­tio­na­lis­men in unse­rer Hei­mat Afri­ka auf die ein oder ande­re Wei­se über­wun­den wer­den müs­sen. Wir haben das Gefühl, für­ein­an­der geschaf­fen zu sein; des­halb wol­len wir hei­ra­ten und uns eine gemein­sa­me Zukunft auf­bau­en. Wir wol­len auch, daß jeder Aspekt unse­res Lebens von den Wer­ten des Evan­ge­li­ums gelei­tet wird.
Was aber nun die Ehe angeht, Hei­li­ger Vater: es gibt da ein Wort, das uns mehr als alle ande­ren fas­zi­niert, gleich­zei­tig aber auch erschreckt: das »für immer«…

Hei­li­ger Vater: Lie­be Freun­de, dan­ke für die­ses Zeug­nis. Mein Gebet beglei­tet euch auf die­sem Weg eurer Ver­lo­bung und ich hof­fe, daß es euch mit den Wer­ten des Evan­ge­li­ums gelingt, eine Fami­lie zu grün­den, die »für immer« ist. Sie haben die ver­schie­de­nen Arten der Ehen ange­spro­chen: wir ken­nen die »maria­ge coutumier« Afri­kas und wir ken­nen die west­li­che Ehe. Um die Wahr­heit zu sagen, gab es bis ins 19. Jahr­hun­dert hin­ein auch in Euro­pa ein ande­res vor­herr­schen­des Ehe­mo­dell, so wie jetzt auch: oft war die Ehe in Wahr­heit ein Ver­trag zwi­schen »Sip­pen«, mit dem man ver­sucht hat, die »Sip­pe« zu erhal­ten, die Zukunft zu garan­tie­ren, den Besitz zu ver­tei­di­gen, usw. Die »Sip­pe« such­te die jewei­li­gen Part­ner aus, und man hoff­te, daß sie zuein­an­der paß­ten. So war es zum Teil auch in unse­ren Dör­fern. Ich erin­ne­re mich, daß es auch in dem klei­nen Dorf, in dem ich zur Schu­le ging, oft noch so war. Dann aber folg­te ab dem 19. Jahr­hun­dert die Eman­zi­pa­ti­on des Indi­vi­du­ums, die Frei­heit der Per­son, und die Ehe war nicht län­ger auf den Wil­len ande­rer gegrün­det, son­dern auf eine eige­ne Ent­schei­dung; zuerst kommt die Ver­liebt­heit, dann die Ver­lo­bung und schließ­lich die Hei­rat. Damals waren wir alle über­zeugt davon, daß dies das ein­zig rich­ti­ge Modell wäre und daß schon die Lie­be allein die­ses »für immer« garan­tie­re, weil die Lie­be abso­lut ist, weil sie alles will, also auch die Tota­li­tät der Zeit: sie ist »für immer«. Die Wahr­heit sieht lei­der anders aus: man merkt, daß die Ver­liebt­heit zwar schön ist, aber viel­leicht nicht immer ewig währt. Und so ist es auch mit dem Gefühl: es bleibt nicht für immer. Man sieht also, daß der Über­gang von der Ver­liebt­heit zur Ver­lo­bung und dann zur Hei­rat ver­schie­de­ne Ent­schei­dun­gen und inne­re Erfah­run­gen erfor­der­lich macht. Wie gesagt: Die­ses Gefühl der Lie­be ist schön, aber es muß geläu­tert wer­den, es muß in einen Pro­zeß der Unter­schei­dung ein­tre­ten, es müs­sen also auch die Ver­nunft und der Wil­le mit ins Spiel kom­men; Ver­nunft, Gefühl und Wil­le müs­sen sich mit­ein­an­der ver­bin­den. Beim Ehe­ri­tus sagt die Kir­che nicht: »Bist du ver­liebt?«, son­dern »Willst du?«, »Bist du aus frei­em Wil­len bereit? « Und das heißt, daß die Ver­liebt­heit wah­re Lie­be wer­den muß, indem sie auch den Wil­len und die Ver­nunft auf einem Weg mit­ein­be­zieht, der der Weg der Ver­lo­bung ist, der Läu­te­rung, einer grö­ße­ren Tie­fe, so daß wirk­lich der gan­ze Mensch, mit all sei­nen Fähig­kei­ten, mit der Unter­schei­dungs­kraft der Ver­nunft und mit Wil­lens­stär­ke sagt: »Ja, das ist mein Leben.« Ich den­ke an die Hoch­zeit von Kana. Der erste Wein ist wun­der­schön: die Ver­liebt­heit. Aber er reicht nicht bis zum Schluß: es muß ein zwei­ter Wein kom­men, er muß also gären, wach­sen und rei­fen. Eine end­gül­ti­ge Lie­be, die wirk­lich »zwei­ter Wein« wird, ist schö­ner, bes­ser als der erste Wein. Und danach müs­sen wir stre­ben. Und hier ist es auch wich­tig, daß das Ich nicht iso­liert ist, das Ich und das Du, son­dern daß auch die Pfarr­ge­mein­de mit­ein­be­zo­gen wird, die Kir­che, die Freun­de. Das – die gan­ze rich­ti­ge Per­so­na­li­sie­rung, die Lebens­ge­mein­schaft mit ande­ren, mit Fami­li­en, die sich gegen­sei­tig stüt­zen – ist sehr wich­tig, und nur so, in die­ser Mit­ein­be­zie­hung der Gemein­de, der Freun­de, der Kir­che, des Glau­bens, Got­tes selbst, wächst der Wein, der für immer hält. Euch allen alles Gute!

3. FAMIIE PALEOLOGOS (eine Fami­lie aus Griechenland)
NIKOS: Kali­s­pe­ra! Wir sind Fami­lie Paleo­lo­gos. Wir kom­men aus Athen. Ich hei­ße Nikos, und das ist mei­ne Frau Pania. Das sind unse­re bei­den Kin­der, Pav­los und Lydia. Vor ein paar Jah­ren haben wir unser gan­zes Hab und Gut in eine Com­pu­ter­fir­ma inve­stiert, die wir mit zwei Teil­ha­bern gegrün­det haben. Mit dem Beginn der der­zei­ti­gen schlim­men Wirt­schafts­kri­se ist auch die Zahl unse­rer Kun­den geschrumpft, und die, die uns geblie­ben sind, zögern die Zah­lun­gen immer mehr hin­aus. Wir kön­nen nur mit Mühe und Not die Gehäl­ter unse­rer bei­den Ange­stell­ten bezah­len, für uns Teil­ha­ber bleibt kaum etwas übrig: jeden Tag, der ver­geht, haben wir weni­ger, um den Unter­halt unse­rer Fami­li­en zu bestrei­ten. Und so wie uns geht es vie­len, Mil­lio­nen ande­rer Men­schen. Die Leu­te, denen man in der Stadt begeg­net, schau­en anein­an­der vor­bei; jeder miß­traut jedem, man hat kei­ne Hoff­nung mehr.
PANIA: Obwohl wir wei­ter an die Vor­se­hung glau­ben, fällt es auch uns schwer, an eine Zukunft für unse­re Kin­der zu den­ken. Es gibt Tage und Näch­te, Hei­li­ger Vater, in denen wir uns fra­gen, wie wir es schaf­fen sol­len, die Hoff­nung nicht zu verlieren.
Was kann die Kir­che all die­sen Leu­ten, all die­sen Per­so­nen und Fami­li­en sagen, die kei­ne Per­spek­ti­ven mehr haben?

Hei­li­ger Vater: Lie­be Freun­de, dan­ke für die­ses Zeug­nis, das mich und uns alle mit­ten ins Herz getrof­fen hat. Was kön­nen wir ant­wor­ten? Wor­te sind nicht genug. Wir müß­ten etwas Kon­kre­tes tun, und wir alle lei­den dar­un­ter, daß wir unfä­hig sind, etwas Kon­kre­tes zu tun. Betrach­ten wir zuerst die Poli­tik: mir scheint, daß der Sinn für Ver­ant­wor­tung in allen Par­tei­en wach­sen müß­te, damit sie nicht Din­ge ver­spre­chen, die sie nicht hal­ten kön­nen, nicht nur Stim­men für sich selbst sam­meln, son­dern ver­ant­wort­lich sind für das Wohl aller, und damit sie ver­ste­hen, daß Poli­tik immer auch eine mensch­li­che, mora­li­sche Ver­ant­wor­tung Gott und den Men­schen gegen­über beinhal­tet. Denn sonst lei­den die ein­zel­nen natür­lich und müs­sen, oft ohne jede Mög­lich­keit, sich zu ver­tei­di­gen, die Situa­ti­on akzep­tie­ren, so wie sie ist. Den­noch kön­nen wir auch hier sagen: sehen wir zu, daß jeder sein Mög­lich­stes tut, daß er an sich, sei­ne Fami­lie, an die ande­ren denkt mit gro­ßem Ver­ant­wor­tung­be­wußt­sein und in dem Wis­sen, daß Opfer not­wen­dig sind, um wei­ter­zu­kom­men. Drit­ter Punkt: Was kön­nen wir tun? Das ist mei­ne Fra­ge, in die­sem Moment. Ich den­ke, daß Part­ner­schaf­ten zwi­schen Städ­ten, Fami­li­en, Pfar­rei­en hilf­reich sein könn­ten. In Euro­pa haben wir der­zeit ein gan­zes Netz von Part­ner­schaf­ten, aber es han­delt sich um einen kul­tu­rel­len Aus­tausch, der zwar gut und sehr nütz­lich ist – was wir aber brau­chen, ist viel­leicht eine ande­re Art von Part­ner­schaft: daß eine Fami­lie aus dem Westen, aus Ita­li­en, Deutsch­land, Frank­reich… wirk­lich die Ver­ant­wor­tung über­nimmt, einer ande­ren Fami­lie zu hel­fen. Und das gilt auch für die Pfar­rei­en, die Städ­te: sie müß­ten wirk­lich Ver­ant­wor­tung über­neh­men, kon­kre­te Hil­fe lei­sten. Und ihr könnt sicher sein: ich und vie­le ande­re beten für euch, und die­ses Beten ist nicht nur das Spre­chen von Wor­ten, son­dern es öff­net das Herz für Gott und schafft so auch Raum für die Krea­ti­vi­tät, die uns Lösun­gen fin­den läßt. Hof­fen wir, daß uns der Herr hel­fe, daß euch der Herr immer hel­fe! Danke.

4. FAMILIE RERRIE (eine Fami­lie aus Amerika)
JAY: Wir leben in der Nähe von New York. Ich hei­ße Jay, stam­me aus Jamai­ca und bin Buch­hal­ter. Das ist mei­ne Frau Anna, sie ist Sup­p­lenz­leh­re­rin. Und das hier sind unse­re sechs Kin­der, die zwei bis zwölf Jah­re alt sind. Sie kön­nen sich also sicher leicht vor­stel­len, Hei­li­ger Vater, daß unser Leben ein stän­di­ger Wett­lauf gegen die Zeit ist, daß es an Mühen, an Kom­pli­ka­tio­nen, bei­lei­be nicht fehlt… Auch bei uns in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten hat es ober­ste Prio­ri­tät, den Arbeits­platz nicht zu ver­lie­ren. Das aber erfor­dert eine Fle­xi­bi­li­tät bei den Arbeits­zei­ten, die oft zu Lasten der Fami­lie geht. ANNA: Ja, es ist nicht immer ein­fach… Man hat den Ein­druck, Hei­li­ger Vater, daß die Insti­tu­tio­nen und Fir­men einem das Abstim­men der Arbeits­zeit auf die Zeit für die Fami­lie nicht gera­de leichtmachen.
Hei­li­ger Vater, wir kön­nen uns gut vor­stel­len, daß es auch für Sie nicht ein­fach ist, bei Ihren zahl­rei­chen Ver­pflich­tun­gen noch Zeit für die Ruhe zu fin­den. Kön­nen Sie uns einen Rat geben, wie wir die­se not­wen­di­ge Har­mo­nie fin­den kön­nen? Wie kann man den Fami­li­en in die­ser Flut von Anrei­zen, die in unse­rer heu­ti­gen Gesell­schaft auf uns ein­drin­gen, hel­fen, die Fei­er­ta­ge nach dem Her­zen Got­tes zu feiern?

Hei­li­ger Vater: Das ist eine gute Fra­ge, und ich glau­be, die­ses Dilem­ma zwi­schen den bei­den Prio­ri­tä­ten ver­stan­den zu haben: die Prio­ri­tät des Arbeits­plat­zes ist von grund­le­gen­der Bedeu­tung, und dann ist da noch die Prio­ri­tät der Fami­lie. Wie kann man die­se bei­den Prio­ri­tä­ten unter einen Hut brin­gen? Ich kann nur ver­su­chen, Ihnen den ein oder ande­ren Rat zu geben. Erster Punkt: Es gibt Fir­men, die Fami­li­en – an Geburts­ta­gen, usw. – gewis­se Zuge­ständ­nis­se machen, also ver­su­chen, etwas Frei­heit zu gewäh­ren. Am Ende zahlt sich das auch für die Fir­ma aus, weil es die Lie­be zur Arbeit, zum Arbeits­platz, ver­stärkt. Hier möch­te ich also die Arbeit­ge­ber auf­for­dern, an die Fami­lie zu den­ken und auch nicht zu ver­ges­sen, dabei zu hel­fen, daß die­se bei­den Prio­ri­tä­ten in Ein­klang mit­ein­an­der gebracht wer­den kön­nen. Zwei­ter Punkt: Mir scheint, daß man natür­lich auch eine gewis­se Krea­ti­vi­tät zei­gen muß, und das ist nicht immer ein­fach. Man könn­te der Fami­lie wenig­stens ein­mal am Tag eine Freu­de, eine Über­ra­schung machen, den eige­nen Wil­len zurück­stecken, um gemein­sam Fami­lie zu sein; die Bereit­schaft zei­gen, die Näch­te, die Dun­kel­heit zu über­win­den, die wir bereits ange­spro­chen haben, und an die­ses gro­ße Gut zu den­ken, das die Fami­lie ist. So kann man auch in der größ­ten Sor­ge jeden Tag etwas Gutes geben, die bei­den Prio­ri­tä­ten mit­ein­an­der in Ein­klang brin­gen. Und dann ist da schließ­lich der Sonn­tag, der Fei­er­tag: ich hof­fe, daß der Sonn­tag in Ame­ri­ka ein­ge­hal­ten wird. Der Sonn­tag scheint mir also sehr wich­tig zu sein, der Tag des Herrn, und als sol­cher auch »Tag des Men­schen«, weil wir frei sind. Das war im Schöp­fungs­be­richt die ursprüng­li­che Absicht des Schöp­fers: daß an einem Tag alle frei sein soll­ten. In die­ser Frei­heit des einen für den ande­ren, für sich selbst, ist man frei für Gott. Und so den­ke ich, daß wir so die Frei­heit des Men­schen ver­tei­di­gen, indem wir den Sonn­tag und die Fei­er­ta­ge als Tage des Herrn und somit als Tage für den Men­schen ver­tei­di­gen. Alles Gute! Danke.

5. FAMILIE ARAUJO (eine bra­si­lia­ni­sche Fami­lie aus Por­to Alegre)
MARIA MARTA: Hei­li­ger Vater, wie über­all auf der Welt nimmt auch in Bra­si­li­en die Zahl der geschei­ter­ten Ehen immer mehr zu. Ich hei­ße Maria Mar­ta, mein Mann Man­oel Ange­lo. Wir sind seit 34 Jah­ren ver­hei­ra­tet und bereits Groß­el­tern. Als Ärz­te und Fami­li­en­the­ra­peu­ten begeg­nen wir vie­len Fami­li­en und kön­nen fest­stel­len, daß es Paa­ren, die in einer Kri­se stecken, immer schwe­rer fällt, zu ver­ge­ben und Ver­ge­bung zuzu­las­sen. In ver­schie­de­nen Fäl­len konn­ten wir aber auch den Wunsch sehen, eine neue Ver­bin­dung ein­zu­ge­hen, etwas, das von Dau­er ist, auch für die Kin­der, die aus die­ser neu­en Ver­bin­dung hervorgehen.
MANOEL ANGELO: Eini­ge die­ser wie­der­ver­hei­ra­te­ten Paa­re wür­den sich ger­ne wie­der an die Kir­che annä­hern, aber wenn sie sehen, daß man ihnen die Sakra­men­te ver­wei­gert, ist ihre Ent­täu­schung groß. Sie füh­len sich aus­ge­schlos­sen, durch ein unwi­der­ruf­li­ches Urteil gebrand­markt. Die­ses gro­ße Leid ver­letzt die Betrof­fe­nen zutiefst; es schlägt Wun­den, die auch Teil der Welt wer­den, und es sind auch unse­re Wun­den, Wun­den der gesam­ten Menschheit.
Hei­li­ger Vater, wir wis­sen, daß die­se Situa­tio­nen und die­se Per­so­nen der Kir­che sehr am Her­zen lie­gen: was kön­nen wir ihnen sagen, wel­che Zei­chen der Hoff­nung kön­nen wir ihnen geben?

Hei­li­ger Vater: Lie­be Freun­de, dan­ke für eure so kost­ba­re Arbeit als Fami­li­en­the­ra­peu­ten. Dan­ke für alles, was ihr tut, um die­sen leid­ge­prüf­ten Men­schen zu hel­fen. In Wahr­heit ist die­ses Pro­blem der wie­der­ver­hei­ra­te­ten Geschie­de­nen heu­te eines der gro­ßen Lei­den der Kir­che. Und wir haben kei­ne Patent­re­zep­te. Das Lei­den ist groß, und wir kön­nen nur die Pfar­rei­en, die ein­zel­nen dabei unter­stüt­zen, die­sen Per­so­nen zu hel­fen, das Leid ihrer Schei­dung zu tra­gen. Ich wür­de sagen, daß es natür­lich sehr wich­tig wäre, vor­zu­beu­gen, also schon ab dem Beginn der Ver­liebt­heit zuzu­se­hen, daß die­se zu einer gut über­leg­ten, rei­fen Ent­schei­dung wird. Wich­tig ist auch die Betreu­ung wäh­rend der Ehe, damit die Fami­li­en nie allein sind, son­dern auf ihrem Weg wirk­lich beglei­tet wer­den. Und dann müs­sen wir, was die­se Per­so­nen betrifft, sagen – wie Sie es bereits getan haben –, daß die Kir­che sie liebt, daß sie die­se Lie­be aber sehen und füh­len müs­sen. Es scheint mir eine gro­ße Auf­ga­be einer Pfar­rei, einer katho­li­schen Gemein­de zu sein, wirk­lich alles nur Mög­li­che zu tun, damit sie sich geliebt und akzep­tiert füh­len, damit sie spü­ren, daß sie kei­ne »Außen­ste­hen­den« sind, auch wenn sie nicht die Abso­lu­ti­on und die Eucha­ri­stie emp­fan­gen kön­nen: sie müs­sen sehen, daß sie auch so voll­kom­men in der Kir­che leben. Viel­leicht ist, wenn schon die Abso­lu­ti­on bei der Beich­te nicht mög­lich ist, ein stän­di­ger Kon­takt mit einem Prie­ster, mit einem geist­li­chen Beglei­ter, wich­tig, damit sie sehen kön­nen, daß sie beglei­tet, geführt wer­den. Sehr wich­tig ist es auch, daß sie spü­ren, daß die Eucha­ri­stie wahr ist, daß sie an ihr Anteil haben, wenn sie wirk­lich in Gemein­schaft mit dem Leib Chri­sti tre­ten. Auch ohne den »leib­li­chen« Emp­fang des Sakra­ments kön­nen wir mit Chri­stus in sei­nem Leib geist­lich ver­eint sein. Das zu ver­ste­hen zu geben, ist wich­tig. Daß sie tat­säch­lich einen Weg fin­den, ein Leben des Glau­bens zu füh­ren, mit dem Wort Got­tes, mit der Gemein­schaft der Kir­che, und daß sie sehen, daß ihr Lei­den ein Geschenk an die Kir­che ist, weil sie so allen die­nen, auch um die Sta­bi­li­tät der Lie­be, der Ehe zu ver­tei­di­gen; und daß die­ses Lei­den nicht nur eine kör­per­li­che und psy­chi­sche Qual ist, son­dern auch ein Lei­den in der Kir­chen­ge­mein­schaft für die gro­ßen Wer­te unse­res Glau­bens. Ich den­ke, daß ihr Lei­den, wenn es wirk­lich inner­lich ange­nom­men wird, ein Geschenk an die Kir­che sein kann. Sie müs­sen wis­sen, daß sie gera­de so der Kir­che die­nen, im Her­zen der Kir­che sind. Dan­ke für euren Einsatz.

Text: Paix Liturgique/​Giuseppe Nardi
Bild: Una Fides

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