(Rom) Msgr. Marcelo Sánchez Sorondo, ein argentinischer Kurienerzbischof, ist Kanzler der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften. Die Akademie geriet jüngst wegen der Durchführung einer internationalen Konferenz zum Klimawandel und der nachhaltigen Entwicklung in die Kritik. Kritisiert wurde vor allem die Anwesenheit von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, der von Papst Franziskus empfangen wurde und anschließend die Eröffnungsrede der Konferenz hielt, und von UNSDNS-Direktor Jeffrey Sachs (UN Sustainable Development Solutions Network), der Hauptreferent der Konferenz war. Beide sind bekannte Neo-Malthusianer, die es geradezu als Pflicht betrachten, die Weltbevölkerung zu dezimieren. Rund um die Konferenz und die angekündigte Öko-Enzyklika von Papst Franziskus wurden Fragen laut, ob sich die Katholische Kirche der Klimadoktrin, der Weltbevölkerungsdoktrin und der Abtreibungsdoktrin der UNO beugt.
In einem Interview der amerikanischen Internetseite C‑Fam versuchte Erzbischof Sánchez Sorondo die Päpstliche Akademie gegen die Kritik an der Konferenz zu verteidigen. In Wirklichkeit bestätigte der ranghohe argentinische Kurienvertreter, daß Sorgen und Kritik durchaus berechtigt sind.
Klimaskeptiker „im Sold der Mineralölindustrie“
Laut Sánchez Sorondos Worten steht jeder, der die Klimadoktrin, laut der die globale Erderwärmung menschengemacht sei, leugnet oder auch nur bezweifelt, im Sold der Mineralölindustrie. Nicht nur diese Aussage forderte den Chefredakteur der Nuova Bussola Quotidiana (NBQ), Riccardo Cascioli, zu einer Antwort an den Kurienerzbischof heraus.
„Mit anderen Worten: Das einzige Motiv, weshalb zahlreiche Wissenschaftler und Fachexperten die Haltlosigkeit dieser These zu beweisen versuchen, ist ihre persönliche Korruptheit“, so Cascioli. „Da ich selbst zu diesen Skeptikern gehöre, mehrere Bücher und zahllose Artikel über die ‚Lügen der Umweltschützer‘ geschrieben habe, fühle ich mich von Ihren verleumderischen Worten persönlich angegriffen und fordere Sie öffentlich heraus, Ihre Behauptungen zu belegen, indem Sie konkrete Beweise bringen, daß ich irgendwelche Verbindungen zur Erdölindustrie habe, die über meine ziemlich regelmäßigen Besuche von Tankstellen hinausgehen, um den Tank meines Autos aufzufüllen.“
Es sei ein großer Unterschied, ob bestimmte lächerliche Anschuldigungen von irgendwelchen Öko-Fanatikern behauptet werden, die eine politische Ideologie vertreten und jeden verunglimpfen, der sich ihren Vorstellungen nicht beugen will, oder ob ein katholischer Bischof, der einer wichtigen päpstlichen Akademie vorsteht, sich leichtfertig solche Sprüche zu eigen mache, so Cascioli.
Erzbischof Sánchez Sorondo habe damit auch Hunderte von ehrlichen Wissenschaftlern beleidigt, die ihr Leben der Erforschung von Klimaphänomenen gewidmet haben. Es sei eine anzuerkennende Tatsache, daß wir über das Klima noch so gut wie gar nichts wissen. „Sie sollten vielmehr die Thesen der ‚Klimaskeptiker‘ ernsthaft prüfen. Prüfen sollten Sie auch, ob nicht vielleicht manch einer Ihrer Öko-‚Freunde‘ ein guter Verbündeter der Erdölindustrie ist. Nur ein Beispiel: Die teils wüsten Kampagnen gegen die Atomenergie und die Nötigung zu teuren und nicht selten wenig effizienten erneuerbaren Energiequellen sind die beste Garantie für jene, die aus fossilen Brennstoffen Gewinn erzielen“, so Cascioli.
Sanchez Sorondo: „Abtreibung eine Folge des Klimawandels“
Andere Aussagen von Erzbischof Sánchez Sorondo irritieren noch weit mehr. Auf die Frage, ob die Päpstliche Akademie und er persönlich Kenntnis davon hatten, daß Jeffrey Sachs ein führender Unterstützer der Abtreibungsdoktrin ist, antwortete der Kurienerzbischof lapidar: „Es gibt nicht nur das Abtreibungsdrama“, sondern auch viele Formen moderner Sklaverei: Menschenhandel, Zwangsarbeit, Prostitution, Organhandel, die alle miteinander in Zusammenhang stünden.
Wörtlich sagte Sánchez Sorondo: „Die Klimakrise verursacht die Armut und die Armut führt zu neuen Formen der Sklaverei und erzwungener Wanderungsbewegungen und zur Droge und das alles kann zur Abtreibung führen“.
Die Antwort erstaunt in mehrerlei Hinsicht. Unter anderem weil sie ebensogut von einem Marxisten stammen könnte und weil sie einen Kausalzusammenhang konstruiert, der an Unkenntnis und Naivität kaum zu überbieten, jedenfalls für den Kanzler einer Päpstlichen Akademie geradezu erschreckend ist. Letztlich wäre demnach, laut Erzbischof Marcelo Sánchez Sorondo, Abtreibung eine Folge des Klimawandels, und Frauen, die abtreiben lassen, durch den Klimawandel in die Armut gedrückt worden.
Cascioli: „Bei allem Respekt, was für ein Schwachsinn“
„Bei allem Respekt: Bei all dem Schwachsinn, den ich in den vergangenen Jahren über den Klimawandel gelesen habe, übertrifft dieser alles, und es wäre eigentlich zum Lachen, wenn es nicht so tragisch wäre“, so Cascioli. 50 Millionen Abtreibungen jährlich sind ein Blutbad, für das es nichts Vergleichbares in der Menschheitsgeschichte gibt. „Ein Blutbad, das einige, darunter auch Ihr ‚Freund‘ Sachs als zentrales Menschenrecht fordern und Sie erklären es sogar zu einer direkten Folge des Klimawandels.“
In der Welt würden leider viele Verbrechen begangen, deren Ursache – wenn schon – die Ursünde und nicht der Klimawandel ist: „Die Abtreibung ist aber das schlimmste von allen, sowohl was ihr Ausmaß als auch ihre Natur anbelangt. Die vorsätzliche Vernichtung des verletzlichsten, schutzlosesten Geschöpfs“, so Cascioli. Von einem „verabscheuungswürdigen Verbrechen“ spricht das Zweite Vatikanische Konzil. Eine Formulierung, die von allen Päpsten seither aufgegriffen und wiederholt wurde. Auch Papst Franziskus machte sie sich am 11. April 2014, wenn auch nicht vor großem Publikum zu eigen, als er eine Lebensrechtsorganisation in Audienz empfing.
„Reproduktive Gesundheit“ = Abtreibung = „verabscheuungswürdiges Verbrechen“
„Damit wird den anderen Verbrechen gegen die Person nichts von ihrer Schwere genommen, doch die Ursachenabfolge ist umzudrehen: Von wegen Klimawandel, wenn schon beginnt alles mit der Tötung der Kinder im Mutterleib“, so Cascioli, denn es gehe den Neo-Malthusianern um die Dezimierung der Weltbevölkerung.
Im weiteren erklärte Erzbischof Sánchez Sorondo in einem intensiven Dialog mit Jeffrey Sachs und Ban Ki-moon zu stehen und daß im Entwurf für die Ziele der nachhaltigen Entwicklung kein Wort von Abtreibung oder Bevölkerungskontrolle stehe. Mag sein. Dafür finden sich dort die Formulierungen wie „Familienplanung“, „Sexualplanung“, „reproduktive Gesundheit“ und „reproduktive Rechte“. Formulierungen, die einige Regierungen – laut Erzbischof Sánchez Sorondo – „wie Paul VI. im Sinne von verantworteter Vater- und Mutterschaft interpretieren können“.
Päpstliche Akademie ignoriert UNO-Weltbevölkerungs- und Frauenkonferenzen
„Offensichtlich ignorieren Sie völlig die Geschichte der internationalen UNO-Konferenzen und die Entstehungsgeschichte und damit wirkliche Bedeutung dieser Begriffe. Wahrscheinlich haben Sie auch nie etwas von der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 gelesen und auch nie etwas über die harten Kämpfe, die seit Jahren in jeder UNO-Kommission und ebenso in der Europäischen Union über „reproduktive Gesundheit und Rechte“ ausgetragen werden. Daher wissen Sie auch nicht, daß das Konzept der ‚reproduktiven Gesundheit‘ eigens für die Verbreitung von Abtreibung und Verhütung eingeführt wurde, ohne sie beim Namen nennen zu müssen. Und genau mit diesem Zweck fügte man sie in die Gesundheitsprogramme ein.
Offensichtlich haben Sie auch keine Ahnung, daß die ‚reproduktive Rechte‘ die ‚Selbstbestimmung‘ der Frau über ihren Körper meint und damit das ‚Recht‘, ihre ungeborenen Kinder nach Belieben töten lassen zu können. Ebenso ein zügelloses Verlangen nach künstlicher Befruchtung in allen Varianten, einschließlich der Vernichtung unzähliger, ‚überschüssiger‘ Embryonen, der Leihmutterschaft für Frauen, die zu alt sind, für eigene Kinder, für Frauen, die sich durch eine Schwangerschaft ihren Körper nicht ‚entstellen‘ lassen wollen und natürlich neuerdings vor allem für Schwule, die sich ihren ‚Kinderwunsch‘ erfüllen wollen“, so der NBQ-Chefredakteur.
„Sie wissen also von dem allem und noch viel mehr rein gar nichts. Das aber erscheint ziemlich unglaubwürdig angesichts der Position, die Sie bekleiden. Gerade deshalb ist die Ignoranz – denn darum handelt es sich – in Ihrem Fall kein mildernder, sondern ein erschwerender Umstand. Im übrigen möchte ich Sie bitten, mir mitzuteilen, welche Regierungen ‚reproduktive Gesundheit‘ im Sinne von ‚verantworteter Elternschaft‘ interpretieren, damit ich meine Wissenslücke schließen kann.“
„Kuba und Nordkorea haben bestes ökologisches Gleichgewicht“
Cascioli greift noch einen weiteren Punkt in Sánchez Sorondos Interview auf. „Sie stellen es als gesichert hin, daß Armut eine Folge des (menschengemachten) Klimawandels sei und erwarten sich eine Lösung durch ein globales Abkommen zur Klimapolitik. Die Dinge liegen aber ganz anders: Die Verletzlichkeit durch extreme meteorologische Phänomene, die es immer gab, nimmt durch verbesserte ökonomische, hygienische und sanitäre Bedingungen ab. Durch den Zwang zu einer Politik, die mit der Ausrede Klimawandel die Entwicklung verhindert, werden ganze Völker in der Armut gehalten und andere in die Armut zurückgedrückt. Nicht von ungefähr sind, laut WWF-Berichten, die Länder mit dem besten ökologischen Gleichgewicht Kuba und Nordkorea.“ Sanchez Sorondo solle sich die Frage stellen, wer ein Interesse an einer solchen Politik habe.
Schleichende Zustimmung der Kirche zu Politik der Geburtenkontrolle „gar nicht so unbewußt“?
Der NBQ-Chefredakteur kommt zu folgendem Schluß: „Abschließend noch ein kleiner Zweifel: Ich habe in einem Artikel bereits die Behauptung aufgestellt, daß sich die Kirche unbewußt in Richtung Anerkennung der Geburtenkontrolle bewegt, indem sie einer ökologischen Mode hinterherrennt, und sich gar nicht bewußt wird, daß genau das das Ziel der ‚Herren des Klimas‘ ist. Das ist bereits schwerwiegend genug. Seit ich jedoch Ihr Interview gelesen habe, hege ich den schrecklichen Zweifel, daß diese schleichende Zustimmung zu einer Politik der Geburtenkontrolle gar nicht so unbewußt stattfindet. Ich hoffe wirklich, durch die Fakten widerlegt zu werden“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: NBQ/meteoweb/MiL (Screenshots)