(Moskau) Das Regietheater kann einem zuweilen den höchsten Musikgenuß in einem Opernhaus verleiden. Intendanten und Regisseure, die sich selbst in Szene setzen und über Musik, Komponist, Librettist und deren Intentionen hinwegtrampeln mit der „Leichtfüßigkeit“ von Elefanten in einem prächtigen Rosengarten.
Eigentlich wollte das russische Nowosibirsk mit einer Tannhäuser-Inszenierung Richard Wagner ehren. Doch der Theaterregisseur Timofej Kuljabin meinte die „katholischste“ aller Wagner-Opern mit einer „Jesus-Sex-Szene“ (Die Welt) verunstalten zu müssen. Mit dem Erlösungsmotiv in Verbindung mit der katholischen Kirche tun sich ungläubige Regisseure natürlich schwer. Intellektuelle Redlichkeit würde es verlangen, einen Auftrag abzulehnen, mit dem man sich nicht identifizieren kann. In der Regel verzichten die Regiekünstler nicht, toben sich dann aber durch„Dekonstruktion“ an den Werken aus.
Nach Protesten des Publikums und der orthodoxen Kirche wurde die Nowosibirsker Inszenierung abgesetzt und Theaterintendant Boris Mesdritsch entlassen. Er hatte Kuljabins Gotteslästerung verteidigt und sich geweigert, sich öffentlich für die Verletzung religiöser Gefühle zu entschuldigen.
Gibt es ein „Recht“ auf Gotteslästerung?
Kuljabin selbst gibt sich uneinsichtig und reklamiert für sich das „Recht“ Gott, die Religion und die religiösen Gefühle der Christen beleidigen zu können. Eine Anzeige wegen Gotteslästerung hatte ein Gericht in Nowosibirsk abgewiesen.
Seither inszeniert sich Kuljabin als Verteidiger des „gesunden Menschenverstandes“ und als Opfer von „Ultra-Radikalismus“, „Zensur“ und „Bevormundung“. Zweifel an Kuljabins gesundem Menschenverstand bestehen allemal.
Die Tageszeitung Die Welt schlug sich umgehend auf die Seite der „künstlerischen Freiheit“ und denunzierte Kritiker der Gotteslästerung und Tannhäuser-Verunglimpfung als „militante orthodoxe Aktivisten“. Im Handumdrehen fanden sich altbekannte Allianzen von linksliberaler Schickeria und alt-kommunistischen Seilschaften zur Verteidigung einer egozentrischen „Freiheit“.
Unbekannter Regisseur wurde für deutsches Feuilleton über Nacht zum „bejubelten Jungstar“
Der 30jährige Kuljabin war bis zum Tannhäuser-Skandal in Rußland zwar Insidern bekannt, außerhalb aber gänzlich unbekannt. Seit er seine Gotteslästerung auf die Bühne stellte, mutierte er über Nacht selbst für deutsche Kulturjournalisten zum „Star“. Das Feuilleton der FAZ machte ihn gar zum „viel bejubelten Jungstar“.
Was Kuljabin zum medialen Liebling katapultierte, ist ein Tannhäuser, der den Film „Venusgrotte“ über Jesus im Bordell dreht. Tannhäuser ist der Filmregisseur, Jesus einer der Darsteller , der von halbnackten Prostituierten umgeben ist. Beworben wird der Streifen auf der Bühne mit einem großen Filmplakat, das Jesus zwischen zwei Frauenbeinen zeigt.
Protest von Metropolit Tichon
Metropolit Tichon von Nowosibirsk erstattet im vergangenen Februar bei der Staatsanwaltschaft wegen Gotteslästerung. Der Untersuchungsrichter stellte sich auf die Seite von Regisseur und Intendant und dekretierte, daß die religiösen Symbole im „künstlerischen Kontext“ verwendet worden seien.
Mesdritsch bot dem Erzbischof eine öffentliche Diskussion über Kuljabins Tannhäuser-Inszenierung an. Metropolit Tichon fühlte sich gefoppt und wandte sich schriftlich an den Gouverneur von Nowosibrisk. In dem Brief erklärte er, daß eine öffentliche Diskussion nur dann Sinn mache, wenn die Aufführung in der derzeitigen Inszenierung ausgesetzt werden.
Nowosibirsker Intendant abgelöst
Vor dem Opernhaus sammelten sich Christen zu Protest und Gebet. Neuer Intendant von Nowosibirsk wurde der Intendant des Petersburger Michailowskij-Theaters Wladimir Kechman. Kechman hatte in der wochenlangen Diskussion Kuljabins Tannhäuser Gotteslästerung attestiert und ihn dafür kritisiert. Es sei nicht Auftrag staatlicher Bühnen, Menschen zu beleidigen und als Plattform zur Selbstinszenierung Einzelner zu dienen.
Das Lenkom- und das Bolschoi-Theater in Moskau haben Kuljabin hingegen angeboten, auf ihren Bühnen inszenieren zu können „was er will“. Auch das ist eine Form, die „Freiheit der Kunst“ zu verteidigen oder mit anderen Worten ausgedrückt, die Abneigung gegen das Christentum zu bekunden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Kanal 24 (Screenshots)