Kardinal Francis George gestorben – „Ist sich Franziskus der Konsequenzen nicht bewußt?“


Francis Kardinal George (1937-2015)
Fran­cis Kar­di­nal Geor­ge (1937–2015)

(Washing­ton) Am Frei­tag ist der eme­ri­tier­te Erz­bi­schof von Chi­ca­go, Fran­cis Euge­ne Kar­di­nal Geor­ge im Alter von 78 Jah­ren gestor­ben. Seit Jah­ren kämpf­te er mit einer Krebserkrankung.

Anzei­ge

Der 1937 in Chi­ca­go (Illi­nois) gebo­re­ne Geor­ge gehör­te dem katho­li­schen Mis­si­ons­or­den der Obla­ti Mariae Imma­cu­la­tae (Obla­ten der Unbe­fleck­ten Jung­frau Maria, OMI) an. Der Kar­di­nal gehör­te zu den Wäh­lern von Papst Bene­dikt XVI.

Dem Orden trat er 1957 bei, absol­vier­te sei­ne phi­lo­so­phi­schen und theo­lo­gi­schen Stu­di­en an der Uni­ver­si­tät Otta­wa in Kana­da. 1963 wur­de er für sei­nen Orden zum Prie­ster geweiht. Anschlie­ßend erwarb er ein Lizen­ti­at an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät von Ame­ri­ca in Washing­ton D.C. und ein Dok­to­rat in Theo­lo­gie an der Uni­ver­si­tät von Tula­ne in New Orleans (Lou­sia­na).

Generalvikar der Oblatenmissionare und erster einheimischer Erzbischof von Chicago

1973/​1974 war er Pro­vin­zi­al der Obla­ten­pro­vinz des Mitt­le­ren Westens in Saint Paul (Min­ne­so­ta). Anschlie­ßend wur­de er unter dem fran­ko­ka­na­di­schen Gene­ral­obe­ren Fer­nand Jet­té zum Gene­ral­vi­kar sei­nes Ordens und als sol­cher nach Rom an das Gene­ral­haus geschickt. Nach 12 Jah­ren kehr­te Geor­ge 1986 in die USA zurück, wur­de Lei­ter des Cam­bridge Stu­di­en­zen­trums für Glau­ben und Kul­tur in Mas­sa­chu­setts und erwarb gleich­zei­tig an der Päpst­li­chen Uni­ver­si­tät Urba­nia­na in Rom ein Dok­to­rat in Ekklesiologie.

Johan­nes Paul II. ernann­te ihn 1990 zum Bischof von Yaki­ma im Staat Washing­ton. 1996 folg­te die Beför­de­rung auf den Erz­bi­schofs­stuhl von Port­land im Staat Ore­gon und bereits im Jahr dar­auf die Erhe­bung zum Erz­bi­schof von Chi­ca­go im Staat Illi­nois, einem der bedeu­tend­sten Bischofs­sit­ze der USA, mit dem seit 1924 die Kar­di­nals­wür­de ver­bun­den ist. Obwohl nicht Diö­ze­san­prie­ster wur­de er zum ersten ein­hei­mi­schen Bischof des 1843 errich­te­ten Bis­tums Chi­ca­go, das 1880 zum Erz­bis­tum erho­ben wurde.

1998 wur­de auch Erz­bi­schof Geor­ge zum Kar­di­nal mit der Titu­lar­kir­che San Bar­to­lo­meo all’Isola kre­iert und nahm als sol­cher am Kon­kla­ve von 2005 und 2013 teil.

In beson­de­rer Wei­se setz­te sich Kar­di­nal Geor­ge für die Seel­sor­ge für behin­der­te Men­schen ein. Seit 1990 gehör­te er der ent­spre­chen­den Arbeits­grup­pe der Ame­ri­ka­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz an.

Mißfallen über progressiven Außenseiter als Nachfolger

Am 20. Sep­tem­ber 2014 erfolg­te sei­ne Eme­ri­tie­rung durch Papst Fran­zis­kus und eine gro­ße Ent­täu­schung. Kar­di­nal Geor­ge mach­te kein Hehl dar­aus, mit dem von Fran­zis­kus ernann­ten Nach­fol­ger nicht zufrie­den zu sein. Der argen­ti­ni­sche Papst sorg­te mit der Ernen­nung von Bischof Bla­se Joseph Cupich, einem pro­gres­si­ven Außen­sei­ter, für einen Pau­ken­schlag, den der Obla­te Geor­ge mißbilligte.

Die Ernen­nung von Cupich auf einen der wich­tig­sten Bischofs­sit­ze wur­de als radi­ka­ler Ein­griff in den ame­ri­ka­ni­schen Epi­sko­pat gese­hen. Als Ver­such, des­sen inne­re Geschlos­sen­heit in sei­ner Aus­rich­tung, die er unter Bene­dikt XVI. erreicht hat­te, auf­zu­bre­chen. Eine Ent­schei­dung, die Fran­zis­kus im Allein­gang an der Bischofs­kon­gre­ga­ti­on vor­bei traf. Unter dem deut­schen Papst hat­te Kar­di­nal Ray­mond Bur­ke ein ent­schei­den­des Wort bei Bischofs­er­nen­nun­gen mit­zu­spre­chen. Eine Mit­spra­che, die sich aus­ge­spro­chen wohl­tu­end auf den US-Epi­sko­pat aus­wirk­te. Ein Ein­fluß, dem Papst Fran­zis­kus – auf wes­sen Drän­gen hin auch immer – nach sei­ner Wahl schnell ein Ende setz­te. Erz­bi­schof Cupich wur­de vom Papst aller­dings noch nicht mit der Kar­di­nals­wür­de bedacht. Viel­leicht nur, weil Kar­di­nal Geor­ge noch nicht das 80. Lebens­jahr voll­endet hatte.

„Ist sich Franziskus der Konsequenzen nicht bewußt?“ – Die Frage, die nicht mehr gestellt werden konnte

Der Obla­te der Unbe­fleck­ten kri­ti­sier­te nicht sei­nen Nach­fol­ger Cupich öffent­lich, dafür aber Papst Fran­zis­kus. Pünkt­lich zum Ende sei­ner Amts­zeit als Erz­bi­schof von Chi­ca­go gab er am ver­gan­ge­nen 17. Novem­ber dem Bos­ton Glo­be ein aus­führ­li­ches Inter­view. The­men waren auch das argen­ti­ni­sche Pon­ti­fi­kat und die Bischofs­syn­ode über die Fami­lie. Der Kar­di­nal äußer­te Ver­ständ­nis, daß vie­le Men­schen „besorgt“ seien.

Zur Bischofs­yn­ode sag­te Kar­di­nal Geor­ge wört­lich: „Der Papst hat gesagt, daß er jede Fra­ge gestellt sehen will, und so geschah es, also hat er bekom­men, was er woll­te, und nun muß er das in Ord­nung brin­gen. […] Es stellt sich die Fra­ge, war­um er die­se Din­ge nicht selbst klar­stellt. War­um ist es not­wen­dig, daß Apo­lo­ge­ten die Bür­de haben, die beste Inter­pre­ta­ti­on zu fin­den? Rea­li­siert er nicht die Kon­se­quen­zen eini­ger sei­ner Stel­lung­nah­men, oder sogar sei­ner Hand­lun­gen? Rea­li­siert er nicht die Aus­wir­kun­gen? Viel­leicht nicht. Ich weiß nicht, ob er sich all der Kon­se­quen­zen bewußt ist, die eini­ge der Din­ge, die er gesagt und getan hat, nach sich zie­hen und die für Zwei­fel im Ver­stand der Leu­te sor­gen.“ Er wol­le den Papst dies ger­ne fra­gen, soll­te er je dazu die Gele­gen­heit haben, so Geor­ge. Der­zeit kön­ne er wegen sei­ner Krebs­be­hand­lung nicht rei­sen, sag­te er dem Bos­ton Glo­be.

Kar­di­nal Geor­ge soll­te kei­ne Gele­gen­heit mehr haben, Rom zu besu­chen und dem Papst sei­ne Fra­ge stel­len zu können.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: InfoVaticana

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!