(Chicago) Am vergangenen 17. April starb der emeritierte Erzbischof von Chicago, Francis Kardinal George nach einem längeren Krebsleiden. Im April 2014 hatte er den Heiligen Stuhl gebeten, die Suche nach einem Nachfolger zu beginnen. Im September erfolgte die Emeritierung und im November die Inthronisation seines Nachfolgers, Blase Joseph Cupich als Nachfolger (siehe Kardinal Francis George gestorben – „Ist sich Franziskus der Konsequenzen nicht bewußt?“).
Kardinal George machte kein Hehl daraus, mit der Wahl seines Nachfolgers durch Papst Franziskus nicht zufrieden gewesen zu sein. Der Grund dafür findet sich in folgendem Text, den der Kardinal 2012 auf der Internetseite seines Erzbistums und der erzbischöfichen Zeitung veröffentlichte.
Der Text entstand während des Präsidentschaftswahlkampfes jenes Jahres, der über ein zweites Mandat von US-Präsident Barack Obama entscheiden sollte. Die katholischen Bischöfe der USA, allen voran auch Kardinal George, versuchten im Wahlkampf auf ein Thema aufmerksam zu machen, das sie als Schlüsselthema für die nächste Zukunft erkannten: die Religionsfreiheit. Gegen den Chor der liberalen Medien, warnten die Bischöfe mit Unterstützung von Papst Benedikt XVI. vor einer allgemein bereits wahrnehmbaren Einschränkung der freien Religionsausübung.
Eine Entwicklung, für die sie maßgeblich die Amtsführung von Barack Obama verantwortlich machten, den sie als religionsfeindlichsten und lebensfeindlichsten Präsidenten der US-Geschichte identifizierten. Nachfolgend in deutscher Übersetzung der Text von Kardinal Francis George, der bereits zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung von amerikanischen Katholiken als prophetisch bezeichnet wurde.
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Die falsche Seite der Geschichte
von Francis Kardinal George OMI
[…] „Die Ewigkeit tritt in die Geschichte der Menschen häufig auf unverständliche Weise ein.
Gott macht sichere Zusagen, aber ohne genaue Zeitangabe.
Die Pilger, die das Heiligtum von Fatima aufsuchen, betreten einen enormen Platz mit seitlich dem Ort der Erscheinungen, der durch eine kleine Kapelle gekennzeichnet ist, mit einer großen Kirche an einem anderen Ende, einer großen Anbetungskapelle am gegenüberliegenden Ende und einem Pilgerzentrum mit Beichtgelegenheit.
Knapp außerhalb dieses zentralen Hauptraumes wurde ein Abschnitt der Berliner Mauer aufgestellt. Ein greifbares Zeugnis für das, wovon Maria vor fast einem Jahrhundert gesprochen hat.
Der Kommunismus in Rußland und den Satellitenstaaten ist zusammengebrochen, wenn auch noch viele Folgen seiner Sünden unter uns sind.
Der Kommunismus zwang ein Modell auf, das sich in einem zentralen Grundsatz zusammenfassen läßt: Gott existiert nicht. Der Säkularismus ist sein Gefährte und Genosse, nur etwas präsentabler.
Es ist eine Ironie der Geschichte, daß sich vor wenigen Wochen Rußland mit der Mehrheit der Länder vereint hat, um sich den USA und Westeuropa zu widersetzen, die die Tötung eines ungeborenen Kindes zu einem universalen Recht erklären wollten.
Wer befindet sich in diesem Moment auf der falschen Seite der Geschichte?
Der derzeitige Wahlkampf hat ein antireligiöses, in wesentlichen Teilen ausdrücklich antikatholisches Ressentiment an die Oberfläche gebracht, das in Jahrzehnten in diesem Land gewachsen ist.
Die Säkularisierung unserer Kultur ist eine Frage, die die aktuelle Politik oder den Ausgang dieser Wahlen, so wichtig sie auch sind, an Bedeutung bei weitem überragt.
Vor einigen Jahren versuchte ich im Gespräch mit einer Gruppe von Priestern, völlig außerhalb der derzeitigen politischen Debatte, auf anschauliche Weise zum Ausdruck zu bringen, wohin eine völlige Säkularisierung unserer Gesellschaft eines Tages führen könnte.
Ich antwortete auf eine Frage, es gab nichts Schriftliches, doch meine Worte wurden vom Smartphone eines Anwesenden festgehalten und verbreiteten sich auf Wikipedia und anderswo.
Ich sagte – wie korrekt wiedergegeben wurde – , daß ich mir erwarte, in einem Bett zu sterben, daß aber mein Nachfolger in einem Gefängnis sterben werde und sein Nachfolger als Märtyrer auf einem öffentlichen Platz.
Es wurde allerdings der Schlußsatz unterschlagen über den Nachfolger eines möglichen Märtyrerbischofs: „Sein Nachfolger wird die Reste einer abgewirtschafteten und verkommenen Gesellschaft aufsammeln und helfen, langsam wieder eine Zivilisation aufzubauen, so wie es die Kirche viele Male im Laufe der Geschichte getan hat.“
[…] Gott ist es, der die Welt trägt in guten wie in schlechten Zeiten.
Die Katholiken glauben, zusammen mit vielen anderen, daß nur eine Person die Geschichte überwunden und freigekauft hat: Jesus Christus, der Sohn Gottes, Retter der Welt und Haupt seines mystischen Leibes, der Kirche.
Jene, die sich zu Füßen seines Kreuzes und seines leeren Grabes sammeln, ihre Nationalität spielt keine Rolle, stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.
Jene, die Lügen über ihn verbreiten und seine Jünger verfolgen, in welcher Epoche auch immer, können sich zwar der Illusion hingeben, etwas Neues zu bringen, doch enden sie damit, lediglich Varianten einer alten Geschichte zu bringen, jene der Sünde und der menschlichen Unterdrückung.
In der Sünde liegt nicht der geringste „Fortschritt“, auch nicht wenn sie als etwas „Erleuchtetes“ präsentiert wird.
[…]
Text: Francis Kardinal George/Catholic New World
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL