Tränen wegen neuer „Nüchternheit“ in Wallfahrtskirche von Muxia


Brand im Marienheiligtum von Muxia am Christtag 2013
Mari­en­hei­lig­tum: Brand am Christ­tag 2013

(Madrid) Am Christ­tag, den 25. Dezem­ber 2013 brann­te die Wall­fahrt­kir­che des Mari­en­hei­lig­tums Vir­xe da Bar­ca im äußer­sten Westen Spa­ni­ens aus. Mit Trä­nen in den Augen bekla­gen Gläu­bi­ge des Ortes, daß die Restau­rie­rung ihrer Mari­en­kir­che im „Ikea-Stil“ (Faro de Vigo) erfolgte.

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Das Mari­en­hei­lig­tum liegt an der Costa da Mor­te, der Todes­kü­ste Gali­ci­ens, die vom Atlan­tik umspült wird. Wäh­rend eines Stur­mes schlug am Geburts­fest Jesu Chri­sti am frü­hen Mor­gen ein Blitz in der Kir­che ein.

Für vie­le Sant­ia­go de Com­po­ste­la-Pil­ger bil­det die Wall­fahrts­kir­che noch eine wei­te­re Etap­pe, um Finis ter­rae und den Atlan­tik zu errei­chen. Die Wall­fahrts­kir­che geht auf das 11. Jahr­hun­dert zurück. Die Mari­en­ver­eh­rung ist noch älte­ren Datums, wes­halb Muxia zu den „älte­sten und bedeu­tend­sten Wall­fahrts­or­ten Gali­ci­ens“ gezählt wird.

Hochaltar der Wallfahrtskirche von Muxia
Hoch­al­tar vor dem Brand

Wo die Gottesmutter dem Apostel Jakobus erschien

Laut der Volks­fröm­mig­keit sei die Got­tes­mut­ter hier dem Apo­stel Jako­bus erschie­nen. Der Apo­stel habe sich hier am äußer­sten Ende der damals bekann­ten Welt zurück­ge­zo­gen, um zu beten. Er sei in tie­fe Trau­rig­keit ver­fal­len wegen der Men­schen, die ihr Hei­den­tum nicht able­gen woll­ten. Da habe er in der Fer­ne im Meer ein Boot ent­deckt, das immer näher kam. Schließ­lich konn­te er auf dem Boot die Got­tes­mut­ter Maria erken­nen, die ihm Trost brach­te und ihn auf­rich­te­te, sein Mis­si­ons­werk fort­zu­set­zen. Daher der Name „Jung­frau vom Boot“.

Es waren die Bene­dik­ti­ner­mön­che der ein­sti­gen, nahe­ge­le­ge­nen Abtei San Julián de Morai­me, die der Got­tes­mut­ter und den Pil­gern die heu­ti­ge Kir­che erbau­ten. Das Gna­den­bild der Got­tes­mut­ter wird dem 15. Jahr­hun­dert zuge­schrie­ben. Um 1700 wur­de das Hei­lig­tum barockisiert.

Volksfrömmigkeit zeigt andere Bedürfnisse

Die Zerstörung
Die Zer­stö­rung

Nun bekla­gen Gläu­bi­ge den neu­en „Look“, der der Kir­che nach dem Brand ver­paßt wur­de. Das taten sie jüngst auch laut­stark dem Gene­ral­vi­kar Vic­tor Maro­ño der Erz­diö­ze­se Sant­ia­go de Com­po­ste­la kund. Die Instand­set­zung koste­te rund 740.000 Euro. Auch Bür­ger­mei­ster Felix Por­to, selbst ein Kri­ti­ker der Restau­rie­rung, konn­te die Gemü­ter kaum beruhigen.

Die Gläu­bi­gen mögen die neue „Nüch­tern­heit“ nicht. Die Volks­fröm­mig­keit zeigt ande­re Bedürf­nis­se. Der präch­ti­ge, 1717 errich­te­te Hoch­al­tar von Miguel de Romay im Stil des spa­ni­schen Barock wur­de beim Brand völ­lig zer­stört. Eini­ge Sei­ten­al­tä­re konn­ten teil­wei­se geret­tet wer­den. Unver­sehrt blieb auch das Gna­den­bild, das nur an Fest­ta­gen in fei­er­li­cher Pro­zes­si­on gezeigt wird, wäh­rend sich auf dem Hoch­al­tar eine Replik befand.

Die Got­tes­mut­ter wur­de durch die Jahr­hun­der­te von unzäh­li­gen Frau­en mit Kin­der­wunsch aufgesucht.

Kirchenkrise mit ikonoklastischen Zügen?

Das Gnadenbild der Gottesmutter auf dem Boot
Das Gna­den­bild

Nur einen Monat vor dem Brand waren Reno­vie­rungs­ar­bei­ten abge­schlos­sen wor­den. Sie waren aus sta­ti­schen Grün­den not­wen­dig gewor­den. Bei beson­ders stür­mi­scher See umbran­den die Wel­len direkt die Wall­fahrts­kir­che. Zuletzt geschah dies 2005 und weni­ge Tage nach dem Brand. Das Salz­was­ser habe tra­gen­des Mau­er­werk ange­grif­fen, hieß es damals.

Über die „Nüch­tern­heit“ gehen die Mei­nun­gen aus­ein­an­der, nicht erst seit dem cal­vi­ni­sti­schen Bil­der­sturm des 16. Jahr­hun­derts. Iko­no­kla­sti­sche Schü­be gab es im Osten bereits im 8./9. Jahr­hun­dert, die auch als Reak­ti­on auf das Bil­der­ver­bot des Islam gedeu­tet wer­den. Volks­fröm­mig­keit unter­schei­det sich zudem von Volk zu Volk. Was den einen schon zuviel ist, kann ande­ren noch zuwe­nig sein. Die Kir­che hat die­se Aus­drucks­for­men der unter­schied­li­chen Volks­see­len respektiert.

Eine calvinistisch/​baptistische Bil­der­ver­ach­tung hat auch in man­chen Ordi­na­ria­ten und Klö­stern des deut­schen Sprach­raums Über­hand gewon­nen. Not­wen­di­ge Restau­rie­run­gen sind eine belieb­te Ein­falls­pfor­te, um die Gläu­bi­gen vor über­ra­schen­de und „nüch­ter­ne“ Tat­sa­chen zu stel­len. Der Kunst- und Kul­tur­kri­ti­ker Fran­ces­co Cola­femmi­na, der das Phä­no­men unter­such­te, sieht in der moder­nen Ent­lee­rung von Kir­chen eine Meta­pher für die inne­re Lee­re und damit einen Aus­druck der aktu­el­len Glau­bens- und Kirchenkrise.

„Die Gottesmutter hat sich das nicht verdient“

Das alte Glasfenster blieb erhalten
Das alte Glas­fen­ster blieb erhalten

„Die Got­tes­mut­ter hat sich das nicht ver­dient.“ Dies und noch viel mehr sag­ten die Gläu­bi­gen dem Gene­ral­vi­kar und den Archi­tek­ten, die mit ihm nach Muxia gekom­men waren. Bür­ger­mei­ster Por­to mach­te sich schließ­lich zum Sprach­rohr der Bevöl­ke­rung: „Was wir wol­len, ist ein Hoch­al­tar, der unse­rer Mut­ter vom Boot wür­dig ist.“ Pfar­rer Manu­el Line­ro „lei­de am mei­sten“ unter der neu­en Situa­ti­on, so der Bür­ger­mei­ster. Auch er sei nicht in das Restau­rie­rungs­pro­jekt ein­be­zo­gen worden.

Die Wall­fahrts­kir­che der Jung­frau und Got­tes­mut­ter „gehört der Kir­che, aber sie gehört auch zu jedem Haus in Muxia und zu jedem ein­zel­nen Men­schen hier “, so der Bür­ger­mei­ster. Gene­ra­tio­nen über Gene­ra­tio­nen von Ein­woh­nern von Muxia und Tau­sen­de Pil­ger hät­ten im Lauf der Jahr­hun­der­te die­se Kir­che mit ihren Spen­den und Stif­tun­gen bedacht. Das müs­se respek­tiert wer­den, so Felix Porto.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Diario gale­go/Luis­de-Pan­o­r­amio

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14 Kommentare

  1. Man­chen Moder­ni­sten wird die­ser Brand ganz recht gewe­sen sein – so haben sie die Kir­che nach ihren Vor­stel­lun­gen „umge­stal­ten“ können.

    • Mit Unter­stel­lun­gen bin ich vor­sich­tig. Die Kir­che umzu­ge­stal­ten und damit umfunk­tio­nie­ren ist aller­dings als Anlie­gen erleich­tert wor­den. Von daher also gese­hen könn­te man schon auf Gedan­ken kommen.

  2. Es gibt durch­aus noch Künst­ler, die die Alte Kunst von ehe­mals wei­ter­pfle­gen und kul­ti­vie­ren, wie zum Bei­spiel: Altar­bau und Kunst­s­chit­ze­rei: http://​www​.stuf​les​ser​.com/​de/ Zur Malerei:
    Alt­mei­ster­li­che Male­rei: http://​www​.hor​tus​-niger​.com/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​/​p​r​o​g​r​a​m​m​v​i​e​w​-​2​0​1​5​/​e​v​e​n​t​s​/​s​u​s​a​n​n​e​-​s​t​e​i​n​b​a​c​h​e​r​.​h​tml und http://www.atelier-sela.de/bilder-gem%C3%A4lde-paintings/christlich-katholisch-christlich-christian-catholic-christian/
    Ich ken­ne eine katho­li­sche Ordens­ge­mein­schaft, die einen ganz neu­en Hoch­al­tar haben schnit­zen, bema­len und ver­gol­den las­sen, der neu geweiht und auf­ge­stellt wur­de (Wenn ich die Quel­le wie­der­fin­de, dann stel­le ich hier es noch ein). Die alte Kunst von frü­her ist wie­der im Kom­men. Es ist so, dass dies von eini­gen guten Kunst­leh­rern wie­der gelehrt wird (z.B. Suan­ne Stein­ba­cher, Micha­el Fuchs u.a.), aber es ist ein sehr gro­ßer Auf­wand so eine Aus­bil­dung zu machen. Da spre­che ich aus Erfah­rung. Dar­über hin­aus braucht man da auch ein „Händ­chen“ dafür. Moder­ne, abstrak­te Kunst und Bild­haue­rei ist groß­teils leich­ter erlern­bar. Ich fin­de nicht alle moder­nen archi­tek­to­ni­schen oder künst­le­ri­schen Gestal­tun­gen total schlecht (Bei­spiel Foto­rea­li­mus Gemäl­de: http://​www​.rober​to​ber​nar​di​.com/​p​a​g​i​n​e​/​p​a​i​n​t​i​n​g​s​.​h​tml – die Bil­der sind gemalt !!). Sehr tra­gisch ist es aber, wenn an die Stel­le von guten alten Kir­chen­aus­stat­tun­gen neu­es Moder­nes gesetzt wird. Das liegt aber an den Auf­trag­ge­bern und dem Zeitgeist.
    Es ist momen­tan eine Bewe­gung in das Gan­ze gekom­men, weil es wie­der mehr Künst­ler gibt, die die Alt­mei­ster­li­che Male­rei und Bild­haue­rei wie­der­be­le­ben und auch mehr Inter­es­se in der Gesell­schaft danach wach wird. Man hat sich auch an der Moder­ne und Post­mo­der­ne satt gese­hen. So hof­fe ich, dass in der Zukunft eine grö­ße­re Aus­ge­wo­gen­heit kommt, und die Almei­ster­li­che Kunst wie­der mehr geehrt wird, sowie ihren rich­ti­gen Platz wiederfindet.

    • Ich dage­gen ken­ne eine Kir­che, nicht so weit ent­fernt. Da kommt mich das Frie­ren an – selbst im Sommer.
      Das liegt aber nicht an der Raum­tem­pe­ra­tur, son­dern an der küh­len, ja kal­ten Atmosphäre.

      • @Marienzweig — Das kann ich nach­voll­zie­hen. Die mei­sten post­mo­dern aus­staf­fier­ten Sakral­räu­me wir­ken wie vaku­um­ier­te Kühl­hal­len. In mei­nem Hei­mat­ort ist eine katho­li­sche Kir­che, die kei­ne Knie­bän­ke mehr hat (nur noch Stüh­le mit einer Klapp­knie­stüt­ze) und die 14 Bil­der des Kreuz­we­ges an den Wän­den sind in abstrak­ter Kunst gemalt, wor­in man den Inhalt nicht mehr erken­nen kann. Genau­so ist es mit dem Kreuz über dem Altar. Eine Figur oder ein Bild des Hl. Erz­engels Micha­el fehlt kom­plett. Man hat sich den Pro­te­stan­ten ange­gli­chen. Das ist an vie­len Orten so.
        Wenn man Glück hat, dann hat man im Unkreis von bis zu 25 km noch eine alte Klo­ster­kir­che, die unter Denk­mal­schutz steht, wo man in die Hl. Mes­se gehen kann.
        Ich bin auch sehr trau­rig dar­über, dass vie­le geweih­te Sakral­ge­gen­stän­de in Muse­en ein jäm­mer­li­ches Dasein fri­sten, von unver­stän­di­gen, ungläu­bi­gen Men­schen begafft wer­den und gleich­zei­tig vie­ler­orts irgend­wel­ches moder­nes Klum­pert in den Lit­ur­gien ver­wen­det wird.
        Das klei­ne Pflänz­chen der Alt­mei­ster­li­chen Kunst ist noch am wach­sen. Es wird wahr­schein­lich noch eine gewis­se Zeit brau­chen. Hier in unse­ren Regio­nen hat es noch nicht so viel Raum. Im Osten und ande­ren Welt­re­gio­nen (z.B. Indi­en) mehr. All­ge­mein den­ke ich, dass wir sowie­so auf ein Ende der post­mo­der­nen Gesell­schaft zusteu­ern, da vom mora­li­schen Gesichts­punkt unse­re Zeit auf eine Rei­ni­gung in einem Straf­ge­richt wie in Fati­ma, La Salet­te und andern­orts ange­kün­digt, hin­steu­ert. Danach wer­den die Kir­chen wie­der anders aus­se­hen und die alt­mei­ster­li­che Kunst wird wie­der zu vol­len Ehren kommen.

  3. Der Gott der Bibel ist auch ziem­lich bil­der­feind­lich, wenn wir ehr­lich sind (2. Gebot).
    Es ist wich­ti­ger, vom Hei­li­gen Geist erfüllt zu sein, als von Phantasieen.

  4. Lei­der sieht man kein Bild die­ser „neu­en Nüch­tern­heit“ hier und kann sich kein Urteil erlauben.
    Es ist aber in jedem Fall merk­wür­dig, dass nicht mal der Pfar­rer ein­be­zo­gen wur­de in die Restaurierung…

    Wir sol­len ja an sich „nüch­tern“ sein. Aus­drück­lich ist uns das gesagt wor­den, weil wir sonst Äußer­li­ches zum Fetisch machen. Das Äußer­li­che hat in sich selbst aber kei­ne Kraft und Bedeu­tung. Der Über­gang von gesun­der Fröm­mig­keit zur Eso­te­rik ist schnell voll­zo­gen, und vie­le Kon­ser­va­ti­ve ver­wech­seln Eso­te­rik mit katho­li­schem Den­ken. Sie über­hö­hen die Natur und ver­feh­len die Über­na­tur, die all die­ses Äuße­re, Irdi­sche und Natür­li­che ja an sich tat­säch­lich zurück­lässt. Das Äußer­li­che mag Aus­druck des Respek­tes und der Ehr­furcht sein, aber es ist doch nur Milch für den Glaubensanfänger.

    Allei­ne die Tat­sa­che, dass sie mei­nen, durch eine Neu­in­stal­la­ti­on des Alten (Äußer­li­chen) käme der Geist, den sie als frü­her ein­mal anwe­send ver­mu­ten, zurück, offen­bart die­ses fal­sche Den­ken, das über­haupt nicht christ­lich ist.

    Es ist aber mög­lich, dass vie­le mit dem, was hier „Nüch­tern­heit“ genannt wird, v.a. eine gestal­te­ri­sche Herz­lo­sig­keit meinen.

    Die­se Pro­ble­ma­tik, dass sich die Kunst am Indu­strie­de­sign ori­en­tiert, das Funk­tio­na­le selbst zum Fetisch macht, also letzt­end­lich gar nicht so weit weg von den Tra­di­tio­na­li­sten ist, die Äußer­lich­kei­ten mit „Geist“ auf­la­den, der aber nicht in ihnen sein KANN nach unse­rem Glau­ben. Hin­zu kommt häu­fig, dass mit der Abstrak­ti­on in sol­cher Kunst auch noch eine Dekon­struk­ti­on des­sen gemacht wird, was man dar­stellt. Das soll­te aber in reli­giö­ser Kunst nicht sein.

    Ver­su­che, „wie frü­her“ zu bau­en (@ Jean­ne d’Arc) sind daher auch nicht die Lösung! Das hat man schon im 19. Jh mit der Neu­go­tik und Neu­ro­ma­nik ver­sucht. Vie­les (nicht alles) war schon damals gekün­stelt, kit­schig und trotz alles äußer­lich dem Alten Ähn­li­chen seelenlos.

    Schon im 20. Jh war der Inbe­griff des „Alten“ für die mei­sten Men­schen wie­der­um nur die see­len­lo­se Adap­ti­on des 19. Jh vom „Alten“. Das ist neben vie­len ande­ren Grün­den (!) mit dar­an schuld, dass man nach dem Kon­zil älte­stes Kunst­schät­ze aus den Kir­chen warf – man hat­te längst ein­ge­übt, mit ihnen nichts mehr anfan­gen zu kön­nen – auch schon vor 100 Jahren.
    Das künst­le­risch typisch „Katho­li­sche“ ist dem­nach bis heu­te sehr oft ein unsäg­li­cher Kitsch. Tut mir leid. Denn ande­rer­seits muss Kunst sogar zwin­gend nüch­tern sein, sonst ist sie nur Selbstbefriedigung.

    Schwie­ri­ges Thema…

    • @zeitschnur —- Da bin ich mal wie­der etwas ande­rer Mei­nung. Ein goti­scher Hoch­al­tar, der in müh­se­lig­ster und fein­ster Klein­ar­beit kunst­voll aus­ge­ar­bei­tet wur­de, ist kein „Kitsch“. Das ist die Ver­ge­gen­wär­ti­gung unse­rer hei­li­gen katho­li­schen Tradition.
      Mat­thi­as Grü­ne­wald hat den Isen­hei­mer Altar mit dem Auf­er­ste­hungs­bild Jesu Chri­sti und die Stupp­a­cher Madon­na unter gött­li­cher Inspi­ra­ti­on aus­ge­fer­tigt. Selbst die Andachts­ge­gen­stän­de aus Pla­stik von Läden in Wall­fahrts­or­ten sind für mich kein „Kitsch“, son­dern die Ver­ge­gen­wär­ti­gung der über­na­tür­li­chen Gegen­wart der dar­ge­stell­ten Hei­li­gen und gött­li­chen Personen.
      Die Archit­ke­tur ist ein ande­rer Punkt. Man kann Gebäu­de durch­aus geschmack­voll und modern bau­en, ohne dass sie phan­ta­sie- und see­len­los wir­ken. Hier ein Bei­spiel: http://​www​.mymo​dern​met​.com/​p​r​o​f​i​l​e​s​/​b​l​o​g​s​/​i​n​s​i​d​e​-​t​h​e​-​s​p​e​c​t​a​c​u​l​a​r​-​b​u​r​j​-al oder hier: http://​www​.mymo​dern​met​.com/​p​r​o​f​i​l​e​s​/​b​l​o​g​s​/​l​o​t​u​s​-​b​u​i​l​d​i​n​g​-​p​e​o​p​l​e​s​-​p​a​r​k​-​s​t​u​d​i​o​5​0​5​?​c​o​n​t​e​x​t​=​t​a​g​-​a​r​c​h​i​t​e​c​t​ure
      Die zwei Bei­spie­le sind auf die Schnel­le her­aus­ge­sucht. Es gibt sicher noch ein­drucks­vol­le­re. In eine moder­ne­re sakra­le Archi­tek­tur las­sen sich durch­aus im Chor­ge­stühl älte­re Kunst­for­men wie ein goti­scher Hoch­al­tar mit Gesprän­ge und Figu­ren von der Mut­ter­got­tes, den Engeln und von Hei­li­gen ein­brin­gen. Das lie­ße sich alles auf­ein­an­der abstim­men. Auch farb­lich mit Licht­wir­kun­gen der Fen­ster usw. Das bedeu­tet Tra­di­ti­on und Inno­va­ti­on kunst- und geschmack­voll mit­ein­an­der zu verbinden.

      • Hier geht eini­ges durcheinander:

        1. Ich habe nicht behaup­tet, dass eine goti­sche Kathe­dra­le Kitsch sei! Bit­te genau­er lesen.

        2. Ob Grü­ne­wald unter gött­li­cher Inspi­ra­ti­on mal­te wis­sen wir nicht wirk­lich. Vor­sicht mit sol­chen Aus­sa­gen. In jedem Fall sind die Bil­der geni­al, wenn auch an der Gren­ze zum Aus­drück­ba­ren – v.a. die Auf­er­ste­hung. Es gehört viel­leicht auch ein wenig Demut dazu: wer von uns könn­te den Auf­er­ste­hungs­leib „visua­li­sie­ren“? Das rückt gefähr­lich nahe an die­se eso­te­ri­schen Ver­klä­rungs­bil­der. Ich sage nicht nicht, dass Grü­ne­wald dort schon ange­langt war. Soweit wür­de ich nicht gehen, aber man lan­det hier schnell im Reich des Irr­tums. Unse­re Kunst ist und bleibt natür­lich, so sehr sie sich auch erhe­ben will zu Gott. Gott selbst oder das Gött­li­che kann man nicht dar­stel­len. Nicht umsonst war­nen uns die 10 Gebo­te davor.

        3. Die Bil­der­dis­kus­si­on in der Kir­che hat­te durch­aus um wich­ti­ger Klä­run­gen wil­len ihre Berech­ti­gung. Das Kon­zil von Tri­ent hat 1563 in der 25. Ses­sio defi­ni­niert, was gel­ten soll. Ich zitie­re das in einem neu­en Kom­men­tar­feld unten:

      • Tri­ent, 25. Ses­sio, Dezem­ber 1563: Cum catho­li­ca ecclesia

        „erner dass die Bil­der Chri­sti, der Jung­frau Got­tes­ge­bä­re­rin und ande­rer Hei­li­gen beson­ders in den Tem­peln gehal­ten und bei­be­hal­ten und ihnen die gebüh­ren­de Ehre und Ver­eh­rung erwie­sen wer­den müs­se, nicht als ob geglaubt wer­den dür­fe, dass den­sel­ben eine Gott­heit oder eine Kraft inne­woh­ne, wegen wel­cher sie ver­ehrt wer­den sol­len oder als ob ihnen etwas zu erbit­ten oder das Ver­trau­en auf die Bild­nis­se zu set­zen sei, wie ehe­mals die (Psalm 134, 15.16.18) Hei­den taten, wel­che ihre Hoff­nung auf die Göt­zen­bil­der set­zen, son­dern weil die Ehre, die ihnen erwie­sen wird, sich auf das Abge­bil­de­te bezieht, wel­ches die­sel­bi­gen dar­stel­len, so dass wir durch die Bild­nis­se, die wir küs­sen und vor denen unser Haupt ent­blö­sen und uns beu­gen, Chri­s­tum anbe­ten und die Hei­li­gen ver­eh­ren, derer Abbild durch jene vor­ge­stellt wird, was auch durch die Beschlüs­se der Kon­zi­li­en, beson­ders aber der zwei­ten Syn­ode von Niz­äa wider die Bil­der­stür­mer sank­tio­niert wor­den ist. Beson­ders sorg­fäl­tig aber sol­len die Bischö­fe das leh­ren, dass durch die in Gemäl­den oder andern Bild­nis­sen aus­ge­drück­ten Geschich­ten der Geheim­nis­se unse­rer Erlö­sung das Volk in den denk­wür­di­gen und beharr­lich zu ver­eh­ren­den Arti­keln des Glau­bens unter­wie­sen und befe­stigt, sodann aber gro­ßer Nut­zen aus allen hei­li­gen Bil­dern geschöpft wer­de, nicht nur weil das Volk dadurch an die Wohl­ta­ten und Gna­den­ge­schen­ke, die ihm von Chri­stus zuer­teilt wur­den erin­nert wird, son­dern auch weil durch die Hei­li­gen den Gläu­bi­gen die Wun­der Got­tes und heil­sa­me Bei­spie­le vor Augen gestellt wer­den, damit sie Gott für die­sel­ben Dank sagen, ihr Leben und ihre Sit­ten nach de, Vor­bild der Hei­li­gen ein­rich­ten und zur Anbe­tung und Lie­be Got­tes und zum Stre­ben nach Fröm­mig­keit auf­ge­mun­tert wer­den. Wenn aber jemand etwas die­sen Beschlüs­sen Wider­spre­chen­des lehrt oder glaubt, der sei im Banne.

        Allein wofern bei die­sen hei­li­gen und heil­sa­men Beob­ach­tun­gen irgend eini­ge Miss­bräu­che ein­ge­schli­chen sind. So wünscht der hei­li­ge Kir­chen­rat sehn­lichst, dass die­sel­bi­gen durch­aus abge­stellt wer­den, so dass kei­ne Bild­nis­se fal­scher Leh­re und sol­che, wel­che den Unge­bil­de­ten Anlass zu gefähr­li­chen Irr­tü­mern geben könn­ten, auf­ge­stellt wer­den sol­len. Und wo es sich trifft, dass man Geschich­ten und Erzäh­lun­gen der Hei­li­gen Schrift äußer­lich dar­stellt und abbil­det, weil dies dem unge­lehr­ten Volk frommt. Da soll das Volk belehrt wer­den, dass die Gott­heit nicht des­we­gen abge­bil­det wer­de, als ob sie mit leib­li­chen Augen gese­hen oder mit Far­ben oder Bil­dern aus­ge­drückt wer­den könnte.“

        http://www.kathpedia.com/index.php?title=Cum_catholica_ecclesia_%28Wortlaut%29

      • 4. Dar­aus folgt, dass die Bil­der­fra­ge nicht unpro­ble­ma­tisch ist und auch nicht war ‑auch nicht in der guten alten Zeit.

        5. Es ist hier sehr viel offen! Ich will das erklären:

        Heu­te wird man wohl nicht mehr ganz so schnell ein Bild direkt mit dem Hei­li­gen ver­wech­seln – soll­te man mei­nen. Obwohl ich auch da gera­de in Tra­di­k­rei­sen schon erschrecken­de Erfah­run­gen machen muss­te. Gera­de die­se Men­schen schrei­ben all­zu­leicht eben doch Gegen­stän­den und Bil­dern gött­li­che Wir­kun­gen zu und über­schrei­ten die Gren­ze zum Aber­glau­ben ganz schnell. Das war es wohl auch, was die Väter von Tri­ent im Auge hatten.

        Das moder­ni­sti­sche Dilem­ma ist ein ganz anderes!

        Die Fra­ge ist immer, wofür man Räu­me „leer“ macht. Es gibt in der Kir­che sehr wohl von Anfang an den Hang zu sol­cher Lee­re, um eben Gott Platz zu machen, sich ganz von IHm fül­len zu las­sen, Ihm den Weg nicht voll­zu­stel­len durch den Ramsch, den man in from­mer Gefall­sucht sich selbst erzeugt.
        Im 19. Jh ist vie­les in die ande­re Rich­tung ent­gleist – man stell­te sakra­le Räu­me der­ma­ßen zu mit allelei Gerüm­pel, Kitsch und Zwei­fel­haf­tem, dass die Bewe­gun­gen des 20. Jh teil­wei­se sogar Berech­ti­gung hatten.

        Ande­rer­seits mach­te man die Räu­me auch leer, weil man sich selbst Platz machen und Gott ent­fer­nen wollte.

        Ein Pau­schal­ur­teil ist also unzulässig!

        Das Zusam­men­stop­peln von Ver­satz­stücken aus der „alten“ Tra­di­ti­on mag Ihnen rich­tig erschei­nen – künst­le­risch ist es jeden­falls unhalt­bar. Es wür­de nicht ein­mal den Namen des „Epi­go­na­len“ verdienen.
        Ihm fehlt immer der inne­re Zusammenhalt.
        Das bringt also gar nichts außer eine Absto­ßung von sen­si­blen und künst­le­risch gebil­de­ten Men­schen, die die Unecht­heit und Gekün­stelt­heit dann lei­der auch auf den hier ver­tre­te­nen Glau­ben über­tra­gen und fliehen.

        Es hat ja durch­aus respek­ta­ble Ver­su­che gege­ben, eine moder­ne, zeit­ge­mä­ße und doch tra­di­tio­nel­le sakra­le Kunst zu ent­wickeln. Zum Bei­spiel die Beu­ro­ner Kunst­schu­le, die noch nicht ver­schwun­den und im übri­gen auch bes­ser als ihr Ruf ist . Mei­nes Wis­sens wur­de sie auch von Pius X. unter­stützt. Eben­so von der gro­ßen Edith Stein und spä­te­ren Sr. Benedicta.
        Man muss ohne­hin bei Pius X. genau hin­se­hen – er war abso­lut kein Ver­äch­ter moder­ner Kunst, woll­te aber inner­halb des Sakra­len kei­nen Tra­di­ti­ons­bruch, aber auch nicht die­sen unsäg­li­chen über­la­de­nen Katholkitsch.

        Durch die Zeit­wir­ren und viel­leicht auch feh­len­de Nei­gun­gen zum Künst­le­ri­schen (die Pius X. ja hat­te!) kamen die Nach­fol­ger nicht mehr dazu, sich mit dem The­ma wei­ter zu befassen.
        Und nach dem Kon­zil war es zu spät.

        Hier wäre noch viel auszuloten!

      • Ich den­ke auch, dass sich eine Kir­che moder­ner Bau­art und den­noch bau­lich anspre­chend gestal­tet, mit der Wahr­heit einer zwei­tau­send­jäh­ri­gen Geschich­te ver­bin­den ließe.
        Es müss­te dies sogar ein wun­der­schö­nes Bau­werk wer­den, wenn bei­des zusam­men­ge­führt wür­de: Geschich­te und Gegenwart.
        Gegen­wart allein ist zu dürftig!

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