Der Widerstand des Heiligen Bruno von Segni gegen Papst Paschalis II.


Gregor VII. (1073-1085)
Gregor VII. (1073-1085)

von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

Unter den füh­ren­den Ver­tre­tern der kirch­li­chen Erneue­rung des 11./12. Jahr­hun­derts ragt die Gestalt des Hei­li­gen Bru­no, Bischof von Seg­ni und Abt von Mon­te­cas­si­no hervor.

Bru­no wur­de um 1045 in Sole­ro bei Asti in Pie­mont gebo­ren. Nach sei­nem Stu­di­um in Bolo­gna wur­de er zum Prie­ster geweiht und in den Kle­rus von Asti inkar­di­niert. Begei­stert schloß er sich den Gre­go­ria­ni­schen Refor­men an, wünsch­te aber ein Mönchs­le­ben in Mon­te­cas­si­no zu füh­ren. Papst Gre­gor VII. (1073–1085) aus dem lan­go­bar­di­schen Geschlecht der Ald­obran­de­schi, ernann­te ihn jedoch wegen sei­ner stand­haf­ten und vor­treff­li­chen Ver­tei­di­gung des Glau­bens gegen Häre­ti­ker zum Bischof von Seg­ni und zähl­te ihn zu sei­nen treue­sten Mit­ar­bei­tern. Auch sei­ne Nach­fol­ger Vik­tor III. (1086–1087) und Urban II. (1088–1099) nah­men die Hil­fe des Bischofs von Seg­ni in Anspruch, der sein Wir­ken als Gelehr­ter mit einem uner­schrocke­nen Apo­sto­lat für den römi­schen Pri­mat verband.

Bruno war eine der bedeutendsten kirchlichen Persönlichkeiten seiner Zeit

Bru­no nahm an den Kon­zi­len von Pia­cen­za und Cler­mont teil, auf denen Urban II. den Ersten Kreuz­zug aus­rief. In den fol­gen­den Jah­ren war er Legat des Hei­li­gen Stuhls in Frank­reich und in Sizi­li­en. 1107 wur­de er unter dem neu­en Papst Pascha­lis II. (1099–1118) Abt von Mon­te­cas­si­no. Eine Auf­ga­be, die ihn zu einer der bedeu­tend­sten kirch­li­chen Per­sön­lich­kei­ten sei­ner Zeit mach­te. Der gro­ße Theo­lo­ge und Exeget, der für sei­ne her­aus­ra­gen­de Kennt­nis der Leh­re strahl­te, wie Kar­di­nal Cesa­re Baro­nio in sei­nen Anna­les schreibt (Tomus XI, annus 1079), galt im Mit­tel­al­ter als einer der besten Kom­men­ta­to­ren der Hei­li­gen Schrift (Regi­nald Gré­go­i­re: Bru­no de Seg­ni, exégà¨te médié­val et théo­lo­gien monastique, Spo­le­to 1965).

Wir sind in einer Zeit poli­ti­scher Kon­flik­te und einer gro­ßen geist­li­chen und mora­li­schen Kri­se. In sei­nem Werk De Simo­nia­cis bie­tet uns Bru­no ein dra­ma­ti­sches Bild von der ent­stell­ten Kir­che sei­ner Zeit. Schon seit der Zeit des hei­li­gen Pap­stes Leo IX. (1049–1054) „Mun­dus totus in mali­g­no posi­tus erat: es gab kei­ne Hei­lig­keit mehr; die Gerech­tig­keit war abge­kom­men und die Wahr­heit begra­ben wor­den. Es regier­te die Unge­rech­tig­keit, es herrsch­te der Geiz; Simon Magus hat­te die Kir­che im Besitz, die Bischö­fe und die Prie­ster gaben sich der Wol­lust und der Unzucht hin. Die Prie­ster schäm­ten sich nicht, sich eine Frau zu neh­men, offen die Hoch­zeit zu fei­ern und ruch­lo­se Ehen ein­zu­ge­hen. (…) Sol­cher­art war die Kir­che, sol­cher­art waren die Bischö­fe und die Prie­ster, sol­cher­art waren auch eini­ge der römi­schen Päp­ste“ (S. Leo­nis papae Vita in Pat­ro­lo­gia Lati­na, Bd. 165, col. 110).

Kampf gegen Simonie, Konkubinat der Priester und der Investiturstreit

Heiliger Bruno von Segni
Hei­li­ger Bru­no von Segni

Im Mit­tel­punkt der Kri­se stand neben dem Pro­blem der Simo­nie und des Kon­ku­bi­nats der Prie­ster die Fra­ge der Inve­sti­tur der Bischö­fe. Der Dic­ta­tus Papae, mit dem der hei­li­ge Papst Gre­gor VII. 1075 die Rech­te der Kir­che gegen die kai­ser­li­chen For­de­run­gen bekräf­tigt hat­te, stell­te die Magna Char­ta dar, auf die sich Vik­tor III. und Urban II. berie­fen. Pascha­lis II. aber gab die ent­schlos­se­ne Hal­tung sei­ner Vor­gän­ger auf und such­te mit allen Mit­teln eine Über­ein­kunft mit dem künf­ti­gen Kai­ser Hein­rich V. Anfang Febru­ar 1111 ersuch­te er den deut­schen Kai­ser in Sutri, auf das Inve­sti­tur­recht zu ver­zich­ten und bot ihm dafür den Ver­zicht der Kir­che auf alle Rega­li­en an, die zum Teil schon aus der Karo­lin­ger­zeit her­rühr­ten. Die Ver­hand­lun­gen waren erfolg­reich. Zum Zei­chen der Unter­wer­fung des Soh­nes unter den geist­li­chen Vater, knie­te Hein­rich vor dem Peters­dom nie­der und küß­te dem Papst vor aller Augen die Füße. Doch wäh­rend der fol­gen­den Kai­ser­krö­nung kam es zum Auf­ruhr, als die Bischö­fe von der Eini­gung erfuh­ren. Die Krö­nungs­ze­re­mo­nie muß­te abge­bro­chen werden.

Der gede­mü­tig­te Hein­rich for­der­te dar­auf Krö­nung und Inve­sti­tur­recht. Als Pascha­lis II. dies ver­wei­ger­te, nahm er ihn gefan­gen. Der Papst akzep­tier­te in der Gefan­gen­schaft einen demü­ti­gen­den Kom­pro­miß, der am 12. April 1111 in Pon­te Mammo­lo unter­zeich­net wur­de. Er gewähr­te Hein­rich V. das Pri­vi­leg der Inve­sti­tur der Bischö­fe mit Ring und Stab, die sowohl die welt­li­che als auch die geist­li­che Macht sym­bo­li­sier­ten und muß­te dem Sali­er die Kai­ser­krö­nung und unter Eid ver­spre­chen, ihn nie zu exkom­mu­ni­zie­ren. Letz­te­res hing mit der Exkom­mu­ni­ka­ti­on von Hein­richs Vater Kai­ser Hein­rich IV. zusam­men, der 1106 in der Exkom­mu­ni­ka­ti­on gestor­ben war. Teil des Kom­pro­mis­ses von Pon­te Mommo­lo war das See­len­heil des Vaters durch die Lösung des Banns und ihn dadurch neben sei­nen Vor­fah­ren kirch­lich begra­ben zu kön­nen. Am 13. April krön­te Pascha­lis II. im Peters­dom Hein­rich V. zum Kaiser.

Pravilegium nicht Privilegium

Gregor VII. (1073-1085)
Gre­gor VII. (1073–1085)

Die­se Zuge­ständ­nis­se und vor allem die Gefan­gen­set­zung des Pap­stes lösten eine Viel­zahl von Pro­te­sten in der gan­zen Chri­sten­heit aus, weil sie die Posi­ti­on Gre­gors VII. umstürz­te. Der Abt von Mon­te­cas­si­no pro­te­stier­te, laut dem Chro­ni­con Cas­si­nen­se (Pat­ro­lo­gia Lati­na, Bd. 173, vol. 868 C‑D), mit Vehe­menz gegen das, was er nicht ein Pri­vi­le­gi­um, son­dern ein Pra­vi­le­gi­um nann­te, und initi­ier­te eine Bewe­gung des Wider­stan­des gegen die päpst­li­che Nach­gie­big­keit. In einem Brief an Bischof Petrus von Por­to bezeich­ne­te er das Abkom­men von Pon­te Mammo­lo als „Häre­sie“ und berief sich auf die Abgren­zun­gen vie­ler Kon­zi­le: „Wer die Häre­sie ver­tei­digt, ist ein Häre­ti­ker. Nie­mand kann behaup­ten, daß das kei­ne Häre­sie sei“ (Epi­sto­la Audi­v­i­mus quod in Pat­ro­lo­gia Lati­na, Bd. 165, col. 1139 B). Direkt an den Papst schrieb Bru­no: „Mei­ne Fein­de sagen Dir, daß ich Dich nicht lie­be und daß ich schlecht über Dich rede, aber sie lügen. Ich, näm­lich, lie­be Dich, so wie ich einen Vater und einen Herrn zu lie­ben habe. Dir, und ich will kei­nen ande­ren Papst haben, habe ich zusam­men mit vie­len ande­ren Gehor­sam ver­spro­chen. Ich höre jedoch auf unse­ren Erlö­ser, der mir sagt: ‚Wer den Vater oder die Mut­ter mehr liebt als mich, ist mei­ner nicht wür­dig‘. (…) Ich muß daher Dich lie­ben, aber noch mehr muß ich den lie­ben, der Dich und mich geschaf­fen hat“ (Mt 10,37). Mit der­sel­ben respekt­vol­len Auf­rich­tig­keit for­der­te Bru­no den Papst auf, die Häre­sie zu ver­ur­tei­len, weil „jeder, der die Häre­sie ver­tei­digt, ein Häre­ti­ker ist“ (Epi­sto­la Ini­mici mei in Pat­ro­lo­gia Lati­na, Bd. 163, col. 463 A‑D).

Paschalis II. setzt Bruno ab, revidiert aber seinen Irrtum

Pascha­lis II. war empört und dul­de­te sol­che Stim­men des Wider­spruchs nicht. Er setz­te Bru­no als Abt von Mon­te­cas­si­no ab. Das Vor­bild Bru­nos führ­te jedoch dazu, daß auch vie­le ande­re Prä­la­ten mit Nach­druck vom Papst die Zurück­nah­me des Pra­vi­le­gi­ums for­der­ten. Eini­ge Jah­re spä­ter wider­rief Pascha­lis II. auf einem Kon­zil, das sich 1116 im Late­ran ver­sam­mel­te, sei­ne Zustim­mung zum Abkom­men von Pon­te Mammo­lo. Die Late­ra­nen­fi­sche Syn­ode ver­ur­teil­te das pau­pe­ri­sti­sche Ver­ständ­nis der Kir­che, wie es im Abkom­men von Sutri kon­zi­piert wor­den war. Das 1122 zwi­schen Kai­ser Hein­rich V. und Papst Calixt II. (1119–1124) geschlos­se­ne Kon­kor­dat von Worms been­de­te, zumin­dest vor­läu­fig, den Inve­sti­tur­streit. Bru­no starb am 18. Juli 1123. Sein Leich­nam wur­de in der Kathe­dra­le von Seg­ni begra­ben. Auf sei­ne Für­spra­che hin ereig­ne­ten sich sofort zahl­rei­che Wun­der. 1181 oder wahr­schein­li­cher 1183 erkann­te ihn Papst Luci­us III. als Hei­li­gen an.

Widerstand gegen doktrinelle Irrtümer des Papstes zulässig und geboten

Papst Paschalis II. (1099-1118)
Papst Pascha­lis II. (1099–1118)

Jemand könn­te ein­wen­den, daß Pascha­lis II. (wie spä­ter auch Johan­nes XXII. zur Fra­ge der selig­ma­chen­den Schau) nie in eine for­ma­le Häre­sie fiel. Das ist aber nicht der Kern des Pro­blems. Im Mit­tel­al­ter wur­de der Begriff Häre­sie im wei­ten Sinn gebraucht, wäh­rend sich beson­ders nach dem Kon­zil von Tri­ent die theo­lo­gi­sche Spra­che ver­fei­ner­te und genaue theo­lo­gi­sche Unter­schei­dun­gen vor­nahm zwi­schen Pro­po­si­tio­nes (Sät­zen), die häre­tisch, der Häre­sie nahe, den Geschmack einer Häre­sie habend, irrig, anstö­ßig, läster­lich, usw. sind. Es geht nicht dar­um, die Natur der theo­lo­gi­schen Bewer­tung zu bestim­men, die auf die Irr­tü­mer von Pascha­lis II. und Johan­nes XXII. anzu­wen­den sind, son­dern fest­zu­stel­len, ob es zuläs­sig war, ihnen Wider­stand zu lei­sten. Die­se Irr­tü­mer wur­den mit Sicher­heit nicht ex cathe­dra ver­kün­det, aber die Theo­lo­gie und die Geschich­te leh­ren uns: Wenn eine Erklä­rung des Pap­stes auf dok­tri­nel­ler Ebe­ne tadelns­wer­te Ele­men­te ent­hal­ten, ist es zuläs­sig und kann es sogar gebo­ten sein, sie zu kri­ti­sie­ren, auch wenn es sich nicht um eine for­ma­le Häre­sie han­delt, die fei­er­lich aus­ge­spro­chen wur­de. Das taten der Hei­li­ge Bru­no von Seg­ni gegen Pascha­lis II. und die Domi­ni­ka­ner des 14. Jahr­hun­derts gegen Johan­nes XXII. Nicht sie irr­ten sich, son­dern die Päp­ste jener Zeit, die dann ja auch jeweils vor ihrem Tod ihre Posi­tio­nen revidierten.

Christus baut seine Kirche nicht auf Petrus, sondern den Glauben des Petrus

Zudem gilt es zu unter­strei­chen, daß genau jene, die mit der größ­ten Stand­haf­tig­keit dem Papst wider­stan­den, der vom Glau­ben abwich, die eif­rig­sten Ver­tei­di­ger der Supre­ma­tie des Papst­tums waren. Die oppor­tu­ni­sti­schen und lieb­die­ne­ri­schen Prä­la­ten jener Zeit paß­ten sich den Schwan­kun­gen der Men­schen und der Ereig­nis­se an und stell­ten die Per­son des amtie­ren­den Pap­stes über das Lehr­amt der Kir­che. Bru­no von Seg­ni hin­ge­gen stell­te, wie ande­re Herol­de der katho­li­schen Recht­gläu­big­keit, den Glau­ben des Petrus über die Per­son des Petrus und tadel­te Pascha­lis II. mit der­sel­ben respekt­vol­len Stand­haf­tig­keit, mit der Pau­lus sich an Petrus gewandt hat­te (Gala­ter 2,11–14). In sei­nem exege­ti­schen Kom­men­tar zu Mat­thä­us 16,18 erklärt Bru­no, daß das Fun­da­ment, auf dem die Kir­che steht, nicht Petrus ist, son­dern der von Petrus bekann­te Glau­ben. Chri­stus sag­te ja, daß er sei­ne Kir­che nicht auf die Per­son des Petrus bau­en wer­de, son­dern auf den Glau­ben den Petrus bekann­te, indem er sag­te: „Du bist Chri­stus, der Sohn des leben­di­gen Got­tes!“ Auf die­ses Glau­bens­be­kennt­nis ant­wor­tet Jesus: „und auf die­sen Fel­sen und auf die­sen Glau­ben wer­de ich mei­ne Kir­che bau­en“ (Com­men­ta­ria In Mat­thae­um, Pars III, cap. XVI in Pat­ro­lo­gia Lati­na, Bd. 165, col. 213).

Indem die Kir­che Bru­no von Seg­ni zu den Altä­ren erhob, bekräf­tig­te und besie­gel­te sie sei­ne Leh­re und sein Verhalten.

Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Schrift­lei­ter der Monats­zeit­schrift Radi­ci Cri­stia­ne und der Online-Nach­rich­ten­agen­tur Cor­ri­spon­den­za Roma­na, von 2003 bis 2011 stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Natio­na­len For­schungs­rats von Ita­li­en, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt erschie­nen: Vica­rio di Cri­sto. Il pri­ma­to di Pie­tro tra nor­ma­li­tà  ed ecce­zio­ne (Stell­ver­tre­ter Chri­sti. Der Pri­mat des Petrus zwi­schen Nor­ma­li­tät und Aus­nah­me), Vero­na 2013; in deut­scher Über­set­zung zuletzt: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Rup­picht­eroth 2011.

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Ars Christiana

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16 Kommentare

  1. Herr de Mat­tei sucht ver­zwei­felt nach irgend­wel­chen Par­al­le­len in der Kir­chen­ge­schich­te zur heu­ti­gen Lage.

    Das Abkom­men von Sutri ist jedoch ein poli­ti­sches Abkom­men und kei­ne Lehr­ent­schei­dung. Der Papst hat­te sich poli­tisch erpres­sen las­sen, aber kei­ne Häre­sie ver­kün­det , nicht mal etwas tat­säch­lich Häre­ti­sches getan.

    Im übri­gen soll­ten sich gera­de mon­ar­chie­beses­se­ne Tra­dis das mal auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen: was sie sonst für die „Ord­nun­gen Got­tes“ hal­ten, näm­lich den „Schul­ter­schluss von Thron und Altar“ wur­de dann tat­säch­lich von der Kir­che förm­lich verworfen.

    Fragt sich nur, war­um der Mythos von der wun­der­ba­ren Zeit des poli­tisch-christ­li­chen Mit­tel­al­ters immer noch leben­dig ist: wie es auch spä­ter Leo XIII. sag­te, war der schlimm­ste Feind und Kon­kur­rent des Papst­tums stets der römi­sche Kai­ser – ich mei­ne: der römi­sche Kai­ser des Hei­li­gen römi­schen Reiches.

    Es ist also ver­rückt, sich in die­se Zeit zurück­zu­seh­nen oder in sie eine beson­de­re poli­ti­sche Christ­lich­keit zu pro­ji­zie­ren: sie war ver­spie­gel­tes Vor­bild für das, was uns erst noch blüht.

    Eine Par­al­le­le haben wir zwar ver­steckt tat­säch­lich, aber nicht so wie de Mat­tei es hin­stel­len will.
    Das, was so vie­le als „Eine-Welt-Kir­che“ erwar­ten, gab es schon mal – unter dem erpres­se­ri­schen Vor­sitz des abend­län­di­schen Kaisers.

    Den­noch ist lehr­amt­lich die Situa­ti­on in kei­ner Wei­se ver­gleich­bar mit der heutigen…

  2. Übri­gens wird die dama­li­ge Sach­la­ge in die­sem Arti­kel des Por­tal der FSSP etwas anders dar­ge­stellt: http://​www​.kath​-info​.de/​p​a​s​c​h​a​l​i​s​.​h​tml

    Das, was Pascha­lis woll­te, spricht tat­säch­lich eines der schwie­rig­sten Pro­ble­me des Abend­lan­des aus: wenn Bischö­fe zugleich auch voll­gül­ti­ge Reich­für­sten sind, dann muss der König ein Recht auf Mit­spra­che haben, wenn nicht sogar die Inve­stit­ur­ge­walt über sie, wenn man nicht ande­rer­seits des­sen „Got­tes­gna­den­tum“ in Fra­ge stel­len will.

    Pascha­lis war radi­kal und stell­te fak­tisch nichts Gerin­ge­res als das Got­tes­gna­den­tum in Fra­ge, eben­so aber auch den Wahn kirch­li­cher Krei­se, man müs­se auf Bie­gen und Bre­chen welt­li­che Gewalt haben. Wenn der Papst damals den Bischö­fen abver­langt , kei­ne welt­li­chen Ämter mehr ein­zu­neh­men, dann soll­te uns das zu den­ken geben.

    Erst spä­ter, als der Papst als Gefan­ge­ner erpresst wur­de, das Gegen­teil von dem zu unter­schrei­ben, was er eigent­lich woll­te, kam es zur „Schief­la­ge“.
    Es ist irgend­wie nicht nach­voll­zieh­bar, dies „Häre­sie“ zu nen­nen. Es bestand ja bis­lang kein Dog­ma zu dem The­ma. Außer­dem wich der Papst vom eige­nen Kurs ab (aller­dings unter Druck).
    Und dass erpress­te Geständ­nis­se und Aus­sa­gen kei­nen Aus­sag­wert, also auch kein Anzei­chen der Häre­sie sind, soll­te man doch auch meinen.

    Häre­sie ist schließ­lich eine Über­zeu­gung (!) vom Fal­schen, und dies unbeirrbar.
    Davon kann doch hier aber kei­ne Rede sein?!

    War­um nicht sehen, dass auch der hl. Bru­no hier übers Ziel hin­aus­ge­schos­sen ist? Schließ­lich ist nicht alles, was Hei­li­ge von sich geben, je als „unfehl­bar“ fest­ge­stellt worden.

    Es muss erst mal erklärt wer­den, wie­so eigent­lich der Ver­zicht auf Rega­li­en über­haupt eine „Häre­sie“ sein soll.

    Und die­se Erklä­rung bleibt de Mat­tei auf der gan­zen Linie schuldig!

  3. Auch hier wird die Sach­la­ge anders akzentuiert: 

    „Im 9. Febru­ar 1111 wur­de in einem Ver­trag zwi­schen dem Papst und Hein­rich V. in Sutri fest­ge­legt, dass der deut­sche König auf das Inve­sti­tur­recht ver­zich­tet und im Gegen­zug Pascha­lis II. Hein­rich V. zum Kai­ser krönt und die Rega­li­en zurück­gibt. Drei Tage spä­ter schei­ter­te der Ver­trag, weil die welt­li­chen und die geist­li­chen Für­sten nicht zustimm­ten. Dar­auf­hin nahm Hein­rich V. den Papst und meh­re­re Kar­di­nä­le gefan­gen. Zwei Mona­te spä­ter stimm­te Pascha­lis unter Zwang dem Ver­trag von Pon­te Mammo­lo zu, in wel­chem dem Kai­ser das Inve­sti­tur­recht zuge­spro­chen und Hein­rich die Kai­ser­krö­nung zuge­sagt wurde.

    Ein Late­r­an­kon­zil im dar­auf­fol­gen­den Jahr 1112 erklär­te den Ver­trag für nich­tig, da er unter Zwang geschlos­sen wor­den war. Im Okto­ber 1112 wur­de der Kai­ser exkom­mu­ni­ziert. Im Jah­re 1117 zog Hein­rich V. erneut gegen Rom.“ http://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​P​a​s​c​h​a​l​i​s​_II.

    Inwie­fern als hier ein „Wider­stands­recht gegen dok­tri­nel­le Irr­tü­mer eines Pap­stes“ vor­lie­gen wird immer unklarer…

    Im Grun­de ist Pascha­lis doch den Kurs gegan­gen, den spä­ter auch Pius IX. und Leo XIII. gin­gen: die Kir­che kann sehr wohl welt­li­che Besit­zun­gen haben. Ob sie sich aber mit der welt­li­chen Macht gemein machen soll – das ist eine schwie­ri­ge Fra­ge. und das Lehr­amt des 19. Jh hat immer wie­der ver­si­chert, kei­nen Anspruch auf welt­li­che Geschäf­te im Bereich der welt­li­chen herr­schaft zu erheben.

    Der dokri­nel­le Irr­tum liegt viel­mehr auf­sei­ten derer, die hier offen­bar schon vor Jahr­hun­der­ten Wider­stand lei­sten zu sol­len – wenn auch „kon­ser­va­ti­ven“ Widerstand.

    Ja – das ist eigent­lich eine der span­nend­sten Fra­gen der Kir­chen­ge­schich­te, eine der ver­spie­gelt­sten, denn an ihr hängt auch, dass in der Kir­che selbst mit dok­tri­nell oder auch in den Hand­lun­gen irren­den Hei­li­gen dem Anti­chri­sten der Weg geeb­net wird.
    Es gibt hier vie­le Rätsel.
    Eines ist ja auch dies, wie Pius X. einen so hef­ti­gen Kampf gegen den „Anti­mo­der­nis­mus“ los­tre­ten konn­te, unter poli­ti­schem Druck aber den­sel­ben aus­ge­rech­net den Pro­fes­so­ren dann NICHT­ab­ver­lang­te, die das Vati­ca­num II theo­lo­gisch vor­be­rei­te­ten: den Hoch­schul­leh­rern Deutschlands!

  4. Zeit­schnur hat Recht. Rober­to Mat­tei sucht über­all Bei­spie­le für Wider­stän­de gegen den Papst, auch wo sie, wie hier, nicht gerecht­fer­tigt sind.

    Zur Sache aber: Der Dic­ta­tus Papae war nie­mals offi­zi­el­les Doku­ment. Ob er über­haupt von Gre­gor VII. stammt, ist nicht klar. Er stammt aus sei­ner Brief­samm­lung und ist eher ein Doku­ment der Anmaßung.

    Die Rega­li­en waren auch nicht das Ver­mö­gen der Kir­che, son­dern an die Bischö­fe abge­tre­te­ne Königs­rech­te, wie z.B. Graf­schaf­ten. Der König konn­te nicht auf das Inve­sti­tur­recht ver­zich­ten, solan­ge die Bischö­fe durch die Rega­li­en gro­ße Macht hatten.

    Das Wir­ken Gre­gors VII. war verhängnisvoll.
    Die otto­nisch-sali­sche Reichs­kir­che war das Ide­al des Bünd­nis­ses von Thron und Altar. Der König ernann­te die Bischö­fe, aber weil die­se sei­ne stärk­ste Stüt­ze war, hat­te er ein Inter­es­se dar­an, erst­klas­si­ge Leu­te zu ernen­nen. Die­se otto­nisch-sali­sche Reichs­kir­che hat hei­li­ge Bischö­fe in Rudeln hervorgebracht.
    Nach dem Worm­ser Kon­kor­dat wur­den die Bischö­fe vom Dom­ka­pi­tel gewählt, das, aus dem ört­li­chen Adel besetzt, die Adels­in­ter­es­sen ver­trat. Aus war´s mit den hei­li­gen Bischö­fen. Wich­mann von Mag­de­burg und Kon­rad von Hoch­sta­den waren gro­ße Män­ner, aber kei­ne Heilige.
    In Ita­li­en hat­te der Kai­ser kei­nen Ein­fluß mehr auf die Bischofs­wahl. Dadurch schwand die Kai­ser­macht und Ita­li­en wur­de zum Schlacht­feld der Städte.
    Auch für das Papst­tum war das Worm­ser Kon­kor­dat ver­häng­nis­voll. Denn ohne den Kai­ser als Schutz­her­ren muss­te der Papst sei­ne Inter­es­sen sel­ber ver­fol­gen und wur­de in die welt­li­chen poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Kämp­fe Ita­li­ens hin­ein­ge­zo­gen. Die dar­aus fol­gen­de Ver­welt­li­chung führ­te zur Reformation.

    Jetzt mag man ein­wen­den, daß die Kir­che von vorn­her­ein auf welt­li­che Macht und Ver­mö­gen hät­te ver­zich­ten sol­len. Aber wären mit einer armen Kir­che, abge­schlos­sen von den welt­li­chen Gewal­ten, Nord­eu­ro­pa und Deutsch­land nicht chri­stia­ni­siert worden.
    Das Chri­sten­tum wäre die Reli­gi­on der städ­ti­schen anti­ken Mit­tel­schicht geblie­ben. Wäre das bes­ser gewesen?

    • Dass der Kai­ser eigent­lich die Auf­ga­be hat­te den Papst und die Hei­li­ge Kir­che zu schüt­zen und zu unter­stüt­zen, wur­de ja am Anfang durch die ‚Trans­la­tio Impe­rii Roma­ni‘ gefügt. In Ver­lauf der Zeit hat­ten dann vie­le Kai­ser die­se Auf­ga­be nicht mehr rich­tig wahr­ge­nom­men oder sie wur­den zu Fein­den der Päp­ste. Hil­de­gard von Bin­gen hat Kai­ser Bar­ba­ros­sa auf’s Äußer­ste gewarnt gegen den Papst und die Kir­che nicht zu agie­ren. Sie war da eine ‚Rufe­rin in der Wüste‘. Nicht alle Kai­ser waren total schlecht. Ich möch­te dar­an erin­nern, dass bei der Wahl von S.E. Kar­di­nal Gui­sep­pe Sar­to zum Papst Pius X. es an einer ein­zi­gen Stim­me hing ! Die­se Stim­me war die des römisch-katho­li­schen Kai­sers Franz Joseph I. von Habs­burg, durch des­sen Stim­me Papst Pius X. Papst wurde.

      • Wur­den die Kai­ser zu Fein­den der Päp­ste oder die Päp­ste zu Fein­den der Kaiser?
        Hein­rich III. ret­te­te das Papst­tum, das zur Selbst­rei­ni­gung nicht fähig war, aus den Hän­den des römi­schen Adels. Im Streit zwi­schen Gre­gor VII. und Hein­rich IV. tra­fen sich zwei con­ge­ni­al Überforderte.
        „Nicht alle Kai­ser waren total schlecht.“ Mir fällt außer Hein­rich IV. und Fried­rich II. von Hohen­stau­fen kein schlech­ter Kai­ser ein. Da sieht´s bei den Päp­sten schon anders aus.

      • Aber den­noch war es genau die­ser Sar­to-Papst, der gleich nach sei­ner Wahl künf­tig jede Ein­mi­schung in das Kon­kla­ve von außen ein für alle­mal verbot!

        Es ist wohl auch nicht klar, ob Sar­to wirk­lich auf­grund die­ses letz­ten Vetos der Kir­chen­ge­schich­te gewählt wor­den war.

      • @Wulfila & @zeitschnur
        Mit dem Tode von Kai­ser Karl von Habs­burg 1922 auf Madei­ra war’s sowie­so aus.
        Man­che Kai­ser hat­ten einen sehr schwa­chen Cha­rak­ter, so zum Bei­spiel Kai­ser Fer­di­nand II., der sich wäh­rend dem 30jährigen Krieg zusehr von fal­schen Bera­tern mani­upu­lie­ren ließ. Dann ist auch Franz Ste­phan I., der Mann Maria The­re­si­as und ein Frei­maue­rer, eine umstrit­te­ne Per­son. Alles in allem hät­ten sie mehr für das Volk und des­sen Wohl­erge­hen tun müs­sen, z.B. bes­se­re Bil­dung und Aus­bil­dung für alle, anstatt auf ihren Treib­jag­den und Schloß­fe­sten ihren Ver­gnü­gun­gen zu fröh­nen, von denen sie mei­stens Gicht­krank wurden.

      • @ Jean­ne d’Arc

        Aber erst dann war es aus – 1922, lan­ge nach Sarto…

        Anson­sten: ich kann kei­ne gött­li­che Ord­nung dar­in erken­nen, dass der Kai­ser und der Papst zwin­gend zusam­men­ge­hö­ren müssten.
        Das Papst­tum hat Jesus selbst als Fels gestif­tet. Von einer welt­li­chen „Schutz­herr­schaft“ steht nir­gends geschrie­ben. Das ist eher eine heid­ni­sche Vor­stel­lung, die dann chri­stia­ni­siert wurde.
        Im Hei­den­tum ist der König „gött­li­chen Geschlechtes“.
        Man weiß nicht recht, ob das Got­tes­gna­den­tum nicht letzt­end­lich eine heid­nisch inspi­rier­te Idee ist.
        Der Schrift jeden­falls ist es voll­kom­men fremd.
        Die Feind­schaft des Kai­sers beglei­tet das Leben Jesu bis zum Tod.

        Aller­dings dach­ten vie­le Chri­sten, es sei das ange­kün­dig­te tau­send­jäh­ri­ge Frie­dens­reich mit der kon­stan­ti­ni­schen Wen­de ange­bro­chen und wer­te­ten daher die Bezie­hung zwi­schen Kir­che un Welt posi­tiv. Schon mit der Zer­stö­rung Roms durch die Goten geriet die­ser Wahn emp­find­lich ins schleu­dern und danach schrieb der hl. Augu­sti­nus „De civi­ta­te Dei“, das eine äußerst kri­ti­sche Ein­lei­tung über welt­li­che Köni­ge hat. Nach dem Jahr 1300 spä­te­stens war aber klar, dass es wohl damit doch nichts war, jeden­falls nicht richtig…und die Kir­che blieb hart­näckig zurück­hal­tend mit jeder Aus­sa­ge zum Mil­lena­ris­mus, was eben auch zur Zurück­hal­tung gegen­über der „Schutz­macht“ gehört…

        Der hei­li­ge Tho­mas legt dar, dass außer bei den Gal­li­ern und den Römern die Reli­gi­on immer dem König unter­wor­fen war. Er sieht in dem Aus­nah­me­phä­no­men, dass die Vor­se­hung hier bereits auf den Vor­rang der Braut Chri­sti vor dem „Schutz­her­ren“ hin­ge­wirkt hätte.

        Fak­tum ist aber, dass auch die Sal­bung des Kai­sers nur eine abge­lei­te­te Wür­de war, in der ein klei­nes Fleck­chen des Amtes der Hir­ten auf ihn abfiel. Der König/​Kaiser möch­te Bischö­fe inve­stie­ren zeit­wei­se – abset­zen durf­te er sie zum dama­li­gen Zeit­punkt nicht. 

        In einem idea­len Gemein­we­sen müss­te der König nach dem hl. Tho­mas der sein, der nichts für sich selbst und alles für sei­ne Unter­ta­nen will, ihnen vor­an­geht und im Krieg an vor­der­ster Front kämpft – das ist der „welt­li­che“ schwa­che Abglanz vom Hir­ten­amt, das aber des­we­gen den­noch nicht dem König zukommt.
        Wäre man in einer idea­len Welt, in der ein herr­scher so ist, bedürf­te es aller­dings auch kei­ner Unter­schei­dung mehr zwi­schen dem König und dem Papst.

        Und an die­ser Span­nung krankt auch das gan­ze Kon­strukt: das Chri­sten­tum ist rea­li­stisch und weiß um die schwä­che des Men­schen und dar­um, dass das Reich Got­tes jetzt noch nicht in bese­li­gen­der Anschau­ung durch­führ­bar ist.

        Der hl. Pau­lus sagt, das jede Regie­rungs­ge­walt von Gott komt, inso­fern sie ein natür­li­ches und not­wen­di­ges Orga­ni­sa­ti­ons­be­dürf­nis erfüllt. Merh nicht. Ein Got­tes­gna­den­tum lässt sich dar­aus nicht ableiten.
        Das war halt so ent­stan­den, aber zwin­gend war es nicht.

      • Ergän­zung:
        Sie (die Kai­ser) hät­ten vor allem das voll­kom­men kata­stro­pha­le Stän­de­we­sen umän­dern müs­sen ! Die­ses ent­sprach ja fast 1 zu 1 dem indi­schen Kasten­sy­stem. Wenn sie die Stän­de als Grup­pen, die neben­ein­an­der und nicht über­ein­an­der ste­hen, defi­niert und umge­än­dert hät­ten, dann wären uns mit Sicher­heit die vie­len Toten der Revo­lu­tio­nen und das kom­mu­ni­sti­sche Desa­ster erspart geblieben.

      • @ Jean­ne d’Arc

        Das Hin­du-Kasten-System ist aller­dings über­haupt nicht durch­läs­sig. Kein Mit­glied einer Kaste kann die­sel­be je ver­las­sen. Das Kasten­sy­stem ist regel­recht rassistisch.

        Das war bei den Stän­den nicht so her­me­tisch. Es gab immer wie­der „Aus­weich­mög­lich­kei­ten“. Zum Bei­spiel bei der Grün­dung der Städ­te und dem Zuzug der Men­schen vom Land in die Stadt. Und die Mög­lich­keit, dass ein rei­cher oder fürst­li­cher Bur­sche eben doch ein Mäd­chen aus einem ande­ren Stand hei­ra­tet hat sich als lite­ra­ri­scher Topos schon für das Mit­tel­al­ter niedergeschlagen.

      • @zeitschnur
        Das, was Sie beschrei­ben, sind ver­ein­zelt weni­ge Aus­nah­men, die es wohl gege­ben hat. Das Gros der Men­schen war aber trotz­dem in sei­nem ‚Stand‘ gefan­gen und Bil­dung war auch nicht für alle frei zugänglich.

  5. “ wie es auch spä­ter Leo XIII. sag­te, war der schlimm­ste Feind und Kon­kur­rent des Papst­tums stets der römi­sche Kai­ser – ich mei­ne: der römi­sche Kai­ser des Hei­li­gen römi­schen Reiches.“

    Das war eben falsch. Kai­ser und Papst waren bei­de Tei­le ein- und der­sel­ben Ord­nung. Nach­dem das Papst­tum das Kai­ser­tum nie­der­ge­wor­fen hat­te, wur­de es zum Gefan­ge­nen des Fran­zo­sen­kö­nigs. Das Atten­tat von Ana­g­ni hät­te selbst Fried­rich II. nie­mals gewagt.

    • Leo XIII. in sei­nem lehr­amt­li­chen Schrei­ben „Anni ingres­si sumus“ sagt jedoch etwas anderes: 

      „So hat­te sich der trau­ri­ge Hass gegen die Braut Chri­sti von einem Jahr­hun­dert auf das ande­re ver­erbt, als das Kai­ser­tum in die Geschich­te ein­trat. Arg­wöh­nisch und gewalt­tä­tig, eifer­süch­tig auf frem­de Grö­ße, moch­te auch die eige­ne noch so viel durch sie gewin­nen, rich­te­te es einen Angriff nach dem andern gegen die Kir­che, such­te es ihre Frei­heit zu kne­beln, ihre Rech­te sich sel­ber anzumaßen.“

      Die soge­nann­te „otto­nisch-sali­sche Reichs­kir­che“ ist eine unter Histo­ri­kern umstrit­te­ne Sache. Die Sug­ge­sti­on, es hät­te ein „System“ bestan­den, wird viel­fach bezwei­felt, und dies mit guten Grün­den – es ist eine ideo­lo­gi­sche Deu­tung der sehr viel spä­ter Nach­ge­bo­re­nen. Kritk z.B. bei Timo­thy Reuter.

      Gra­vie­ren­der ist die Fra­ge, die Sie auf­wer­fen, @ wul­fi­la, ob ohne die Ver­bin­dung von Thron und Altar eine so effi­zi­en­te Chri­stia­ni­sie­rung statt­fin­den hät­te können.

      Für mich offen­bart die­se Fra­ge, dass es kei­nen Ide­al­zu­stand geben konn­te und kann, was die poli­ti­sche Posi­ti­on der Braut Chri­sti betrifft. Heißt es doch ande­rer­seits ganz klar und hart: Wenn die Welt euch liebt, hasst ihr Gott!
      Ja, ohne den römi­schen Kai­ser wäre das Evan­ge­li­um nicht so schnell ver­brei­tet wor­den, aber im römi­schen Kai­ser­tum samt dem adap­tie­ren­den Papt­tum war und ist der Anti­christ verborgen.

      Es ist defin­tiv nicht Bestand­teil der Leh­re der Kir­che, dass Kai­ser und Papst zusam­men­ge­se­hen wer­den müssten.
      Eben das ist eine roya­li­sti­sche Ideo­lo­gie, die dem Evan­ge­li­um in sei­ner War­nung vor dem Stre­ben nach welt­li­cher Macht, ziem­lich dreist ent­ge­gen­steht. Jesus nennt Petrus, als er ihm so kom­men will „Satan“. Und mit dem The­ma ver­such­te schon der Satan per­sön­lich Jesus in der Wüste.

      Das Böse sei schon am Wir­ken, sag­te der Hl. Paulus.
      Aber es wirkt nicht nach dem sim­peln Strick­mu­ster, dem heu­te so vie­le Katho­li­ken anhän­gen: hier ist das böse Böse und dort das Gute.
      Das Böse durch­wirkt eben­so wie das Gute als Sau­er­teig das Welt­gan­ze und es ist kaum zu erken­nen, was nun wovon durch­wirkt wurde.

      Ange­sichts die­ser Lage, die auch erklärt, war­um Jesus in sei­nem Gleich­nis vom Unkraut und Wei­zen sowohl das Reich Got­tes als auch die Welt hier auf Erden als die­sen Acker ansieht, gibt es für den Chri­sten nur einen rich­ti­gen Weg: Distanz zu all sol­chen poli­ti­schen Kon­struk­tio­nen – so und so her­um. Das war auch der Weg der mysti­schen Abtö­tung, wie sie die größ­ten Leh­rer der Kir­che dar­ge­legt hat­ten, Johan­nes vom Kreuz und The­re­sia von Avila.

      Damit folgt man auch den Wei­sun­gen, die sei­ner­zeit Leo XIII. gege­ben hatte!

      • Lie­be Zeitschnur.

        Die Schutz­herr­schaft des Kai­sers über die Kir­che bzw. das Papst­tum wur­de Karl dem Gro­ßen bzw. Otto dem Gro­ßen vom Papst ange­tra­gen, da die­ser mit den Lan­go­bar­den und dem römi­schen Adel nicht mehr allein klar kam. Man beden­ke den Bitt­gang Leos III. zu Karl in Pader­born. Schutz­herr­schaft bedeu­te­te damals wie heu­te eben auch Herr­schaft. Dazu kommt, daß der König eben kein gewöhn­li­cher Laie war, son­dern sich als „Vica­ri­us Chri­sti“ ver­stand. Er wur­de gesalbt. Die­se Sal­bung, wel­che Hein­rich I. noch ablehn­te, hat­te die Kir­che ja gewollt.
        Das Leben Jesu wird nicht von der Feind­schaft des Kai­ser­tums beglei­tet. Chri­stus sagt: „Gebt dem Kai­ser, was des Kai­sers ist, und Gott, was Got­tes ist.“ Die­se Tren­nung ver­such­te das hoch­mit­tel­al­ter­li­che Papst­tum zu ver­wi­schen, und sich könig­li­che Rech­te anzu­ma­ßen. Dadurch kam es zum Streit mit dem Kai­ser. Leos XIII. Äuße­rung ist wohl eher der Kul­tur­kampf­si­tua­ti­on sei­ner Zeit zuzu­schrei­ben als der histo­ri­schen Realität.
        „Got­tes­gna­den­tum“ passt übri­gens zum Hoch­mit­tel­al­ter nicht, da der König der Deut­schen (bzw. Fran­ken) gewählt wur­de. Die Abstam­mung von den Göt­tern war bei den Fran­ken im Gegen­satz zu den Angel­sach­sen nie ein Thema.
        Beim Inve­sti­tur­streit kommt auch der Rechts­grund­satz „Veni­re con­tra fac­tum pro­pri­um“ zur Gel­tung. Der Fran­ken­kö­nig hat­te die Bischö­fe ein­ge­setzt, geschützt und aus­ge­stat­tet, weil er sie als sei­ne Sach­wal­ter betrach­te­te. Woll­te die Kir­che das ändern, hät­te sie eben auf ALLE vom König über­tra­ge­nen Rech­te ver­zich­ten müssen.
        Auch hier wie­der das Pro­blem: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“
        Ein ähn­li­ches Ver­hal­ten lag bei den islän­di­schen Eige­nir­chen vor (das ist beson­ders gut doku­men­tiert). Ursprüng­lich zuge­sag­te Rech­te wur­den unter Hin­weis auf das Kir­chen­recht ent­zo­gen. So mach­te man sich Fein­de und setz­te sich dem berech­tig­ten Vor­wurf der Macht­gier aus. Man schaue sich auch Dan­tes Angrif­fe gegen die Päp­ste sei­ner Zeit an. Alles, was nach Dan­te gegen das Papst­tum geschah, hat­te sich die­ses selbst zuzuschreiben.

        „Es ist defin­tiv nicht Bestand­teil der Leh­re der Kir­che, dass Kai­ser und Papst zusam­men­ge­se­hen wer­den müss­ten.“ Aber es war gei­sti­ge Rea­li­tät. Als der Papst unab­hän­gig wur­de vom Kai­ser, wur­de der Kai­ser bzw. der König unab­hän­gig vom Papst. Es geschah „die Ent­zau­be­rung der Welt“ und der Fran­zo­sen­kö­nig unter­warf sich den Papst mit allen Folgen.

        Es blei­be dabei: Ohne die otto­ni­schen und sali­schen Kai­ser, spe­zi­ell Hein­rich III., wäre das Papst­tum schon im 11. Jahr­hun­dert unter­ge­gan­gen. Und mit dem Inve­sti­tur­streit begann eine Ent­wick­lung der Tren­nung, wel­che bis heu­te ver­häng­nis­voll ist.

      • @ wul­fi­la

        Nun ja – Sie haben sich da auf eine Deu­tung fest­ge­legt, soll­ten sich aber im Kla­ren sein dar­über, dass sie dem Kurs des Lehr­am­tes (Pap­stes) teil­wei­se dia­me­tral entgegensteht.

        Als Katho­lik habe ich bei so etwas Bauchweh…

        Die Fra­ge nach den Krö­nungs-/bzw. Sal­bungs­or­di­nes bei Königen/​kaisern ist ja umstrit­ten. dass aber der König nicht die Herr­schaft über den papst und die Bischö­fe haben dürf­te, geht auch aus den bekann­ten Ordi­nes hervor.

        „Emp­fan­ge die Königs­kro­ne der Herr­schaft, die Dei­nem Haupt zwar von den unwür­di­gen, doch von den Hän­den der Bischö­fe auf­ge­setzt wird; beden­ke, dass sie die Herr­lich­keit und Ehre der Hei­lig­keit und das Werk der Tap­fer­keit sinn­fäl­lig aus­drückt; Dir sei bewusst, dass Du durch sie Teil­ha­ber an unse­rem Bischofs­amt wirst…“ (Main­zer Ordo 962)

        Dar­aus geht klar her­vor, dass der König, was die geist­li­che Sei­te sei­nes Amtes betrifft, unter den Bischö­fen steht und von ihnen Teil­ha­be zuge­spro­chen erhält, aber nicht in dem Sinn, dass er nun deren herr­scher wäre…In die­sem Ordo geht es dar­um, dass er tat­säch­lich „äußer­lich“ tap­fer die Gemein­schaft schützt. Und dies wie­der­um weist der Bischof dem König zu – nicht umgekehrt.

        Und um letz­te­res geht es.

        Die Fra­ge, wie die Sach­la­ge um Karls den Gro­ßen ein­zu­schät­zen sei, ist eben­falls umstrit­ten. Um Karl her­um wur­de aus­drück­lich bereits der Macht­an­spruch aus­ge­spro­chen, der dann Gegen­stand der lehr­amt­li­chen Kri­tik wur­de. Cathuulf schreibt z.B. an Karl: „Ipse (Gott) te exal­ta­vit in hono­rem glo­riae reg­ni Euro­pae.“ Wenn also Gott selbst Karl kon­kur­rent zum Papst ein­ge­setzt hat als herr­scher über ganz Euro­pa, dann ist dar­in sowohl ein Got­tes­gna­den­tum (das ja nicht zwin­gend ein Erb­kö­nig­tum sein muss!) aus­ge­drückt als auch der erwähn­te Machtanspruch.

        Von Hein­rich III. wird berichtet:
        „Nach dem Sieg über die Ungarn bei Men­fö 1044 hielt er noch auf dem Schlacht­feld eine Dan­kes­fei­er ab, warf sich als erster bar­fuß und im härenem Büßer­ge­wand vor dem mit­ge­führ­ten Split­ter des hei­li­gen Kreu­zes auf die Knie und zog wenig spä­ter obwohl Sie­ger in glei­chem Büßer­ha­bit in Regens­burg zum Hof­tag ein. Als jedoch ihm gegen­über die hohe Wür­de des Prie­ster­tums betont wur­de, fuhr er auf: auch er sei mit hei­li­gem Öle geweiht.“ (zitiert nach Horst Fuhr­mann: Deut­sche Geschich­te im hohen Mit­tel­al­ter. Göt­tin­gen 2003 (Van­den­hoeck & Ruprecht). S. 51)

        Und der hl. Tho­mas hat jeg­li­chen Anspruch, wie auch Sie ihn anschei­nend sich zu eigen gemacht haben, abgewehrt:

        „Das Amt die­ses König­tums (des könig­li­chen Prie­ster­tum aller Gläu­bi­gen) ist, damit das Reich des Gei­stes vom Irdi­schen geschie­den sei, nicht den Köni­gen der Erde, son­dern den Prie­stern über­ant­wor­tet wor­den und vor allem dem höch­sten Prie­ster, dem Nach­fol­ger Petri, dem irdi­schen Stell­ver­tre­ter Chri­sti, dem Papst zu Rom, dem alle Köni­ge des christ­li­chen Vol­kes unter­ge­ben sein müs­sen wie Jesus Chri­stus dem Herrn.“ (De regi­mi­ne principium)

        Nie­mand weiß, was gesche­hen wäre, wenn die Für­sten sich NICHT über die Kir­che gestellt hätten…

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