Mit der Erklärung ‚nostra aetate’ verpflichtete das Konzil die Kirche auf ein Begegnungskonzept mit den nicht-christlichen Religionen, bei dem der eigene Wahrheitsanspruch unter den Scheffel gestellt und die anderen Religionen geschönt werden. Insbesondere beim Islam führt ein solcher Dialog auf Basis einer Konvergenztheologie zu Identitätsverlust und Verwirrung.
Ein Gastbeitrag von Hubert Hecker
Mitte Oktober 2014 wurde an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt a. M. eine Stiftungsprofessur zu „Katholischer Theologie im Angesichte des Islam“ eingerichtet. Für die Festansprache der Einrichtung konnte man den Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Jean-Louis Kardinal Tauran, gewinnen. Er hielt seine Rede unter dem Motto: „Wir sind zum Dialog verurteilt“. Zu dieser merkwürdigen Formulierung stellen sich die Fragen: Wer hat die Kirche zum Dialog verurteilt? Von wem oder was fühlt sich die Kirche unter Druck gestellt?
Dialog der Religionen als neues Superdogma
Aus dem Redekontext dieser Wendung geht hervor, dass die Konzils-„Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ als epochaler Kurswechsel zum Dialog eingestuft wird. Kirchenpolitisch ist das Diktum „verurteilt“ als ‚alternativlos’ zu lesen. Bezüglich der kirchlichen Lehrentfaltung gilt das Dialog-Gebot des Konzils damit als unumstößlich – wenn nicht unfehlbar. Eine solche dogmatische Einschätzung ist natürlich unsinnig, da das „Pastoralkonzil“ selbst mit der Texteinordnung „Erklärung“ dem Dokument eine deutlich geringere Verbindlichkeit zugesprochen hat als etwa „Dekreten“ oder gar „dogmatischen Konstitutionen“.
Was sind die Grundlinien der betreffenden Konzilserklärung?
- Die Maxime des Dokuments kann in der Forderung nach gleichwertiger Anerkennung aller Religionen dieser Welt zusammengefasst werden. Dabei setzen die heutigen kirchlichen Interpreten noch eins drauf, wenn sie fordern, die nicht-christlichen Religionen nicht gleich-gültig zu tolerieren oder zu „ertragen“, sondern sie positiv „anzunehmen“ und hochzuschätzen. Das betonte Erzbischof Ludwig Schick von Bamberg als Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz in seinem Frankfurter Redebeitrag. Das Konzil spricht gegenüber dem Islam von „Hochachtung“.
- Als Begründung für die Wertschätzung aller Religionen gelten dem Konzil die ernsthaften „geistlichen und sittlichen Güter sowie deren sozialkulturellen Werte“, insbesondere aber die gemeinsamen Schnittmengen in Glaube und Ritual mit dem Christentum. Als Gemeinsamkeiten mit dem Islam werden ausdrücklich genannt: die Anbetung des „alleinigen Gottes“, die „Barmherzigkeit“ des Schöpfers, der Stammvater Abraham, der „Prophet Jesus“, die Verehrung seiner „jungfräulichen Mutter“, Gottes Gericht, Auferweckung und Vergeltung im Gericht.
- Die Basistheorie dieser Konzilserklärung tendiert in die Nähe zu einer pluralistischen Theologie, nach der alle Religionen gleichermaßen sich bemühen, aus der „Unruhe des menschlichen Herzens“ in verschiedenen Wegen und Weisen den „verborgenen Gott“ zu suchen. Erzbischof Schick sprach ausdrücklich von der „religiösen Pluralität“ als „Quelle des Friedens in versöhnter Verschiedenheit“.
- Die angeblich alternativlose Methode des interreligiösen Dialogs besteht darin, alle Streitfragen und die „Zwistigkeiten der Vergangenheit beiseite zu legen“, um sich ganz auf die religiösen und praktischen Gemeinsamkeiten zu konzentrieren im „gegenseitigen Verstehen“.
- Als angestrebtes Ziel dieses Prozesses nennt die Konzilserklärung das Eintreten „für Schutz und Förderung von sozialer Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit für alle Menschen“ sowie „der sittlichen Güter“.
Kritikverbot und verzerrte Sicht auf den Islam
Am Beispiel des Islam fordert das Konzil von Kirche und Theologen, alle Streitfragen und kritische Anfragen an Mohammeds Religion „beiseite zu lassen“ und auszublenden.
Im Gespräch mit Muslimen sollen nur die vermeintlich „gemeinsamen Überzeugungen ans Licht“ gebracht werden – so Papst Franziskus Umschreibung einer Passage der Erklärung.
Beide Konzilsweisungen sind Engführungen eines offenen Dialogs. Die erste Konzilsforderung – Ausblendung aller Streitfragen – kommt einem Kritikverbot am Islam gleich. Eine solche Unterdrückung der Lehrkritik am Islam ist umso schändlicher, als im Koran die christliche Lehre massiv verfälscht wird: Einige biblische Wundergeschichten werden im Koran bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet; die bestbezeugte Passionsgeschichte der Bibel wird von Mohammed als zweifelhafte Vermutung hingestellt und der Kreuzestod Christi geleugnet. Nach islamischer Lehre sollen dieser mohammedanischen Bibeltextverdrehungen Allahs ewige Offenbarung sein. Demnach – so folgern die Muslime – müsste das biblische Original eine Fälschung sein und somit würden die Christen (wie auch Juden) einer Falsch-Schrift hinterherlaufen. Nach Konzilsweisung sollen wir Christen zu diesen Verunglimpfungen von biblischer Schrift und unserem Glauben schweigen – und uns sogar „um Verstehen bemühen“.
Ungeachtet gewisser Rücksichtnahmen auf die „Leute der Schrift“, bezeichnet Mohammed die Christen als „Ungläubige“, die von den Muslimen bekämpft werden müssten, bevor sie nach dem Tode in der Hölle braten würden (Sure 5,73ff).
Die zweite Konzilsweisung – Konzentration allein auf gemeinsame Überzeugungen – hat gefährliche Folgen für die Identitäten beider Religionen. Man verfehlt die aggressive Islam-Religion vollkommen, wenn man sie nur durch den Spalt der wenigen Gemeinsamkeit sieht. Außerdem verführt die verordnete Suche nach Gemeinsamkeiten zu einer verzerrten Sicht von Koran-Stellen, die im islamischen Kontext etwas anderes aussagen als nach christlichem Verständnis – z. B. Friede, Barmherzigkeit. Des Weiteren verleitet die Gemeinsamkeitssuche die Kirchenvertreter dazu, das spezifisch Christliche im Sinne einer Konvergenz mit der Islam-Lehre aufzugeben oder mindestens hintanzustellen.
Ein Dokument der Verwirrung
Diese Thesen sollen bei der folgenden Analyse und Erörterung der Konzilstextpassage zum Islam erläutert werden:
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und ich sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat.
Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gern beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichts, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt…“ (3. Kapitel der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen)
Sind Gott und Allah identisch?
Gleich zu Anfang steht die hochproblematische Aussage, dass die Muslime „den alleinigen Gott anbeten“. In der dogmatischen Konstitution über die Kirche wird diese Aussage noch weitergehend getroffen: Die Muslime würden „mit uns den einen Gott anbeten“. Damit wird behauptet, dass der von den Muslimen angebetete Allah identisch sei mit dem Gott und Vater Jesu Christi, den wir im Credo bekennen.
In diesem Satz zeigen sich die häretischen Fallen einer religionspolitisch motivierten Konvergenztheologie. Das Konzil beschränkt sich nicht auf die richtige Aussage, dass die Muslime in Allah einen einzigen Gott verehren (Monotheismus). Die behauptete Identität von Allah und Gott kann dagegen nur ausgesagt werden, indem das Konzil einerseits den dreieinigen Gott des christlichen Credos beiseite lässt, andererseits den islamischen Allah in seiner Willkür und Aggressivität beschönigt. Im Sinne einer vermeintlichen Gemeinsamkeit werden also die Gottesbilder beider Religionen verfälscht.
Das Konzil kann sich bei dieser Neu-Definition Gottes auf keinen Traktat und keine Analogie der 1900jährigen Theologiegeschichte berufen. In einer Fußnote wird allein auf ein Zitat von Papst Gregor VII. an einen maurischen Emir verwiesen. Es ist aber keine seriöse Beweisführung, wenn eine dogmatische Aussage belegt werden soll mit einem päpstlichen Privatbrief, in dem der Papst wegen eines Gefangenenloskaufes einen muslimischen Kriegsfürsten umschmeichelte.
Entgegenkommen bei islamischer Trinitätskritik
Zu Jesus Christus macht das Konzil die Einschränkung, „…den sie allerdings nicht als Gott anerkennen“. Wenn eine analoge Einschränkung bei der Gottes-Aussage fehlt – etwa in der Form: ‚… den sie allerdings nicht als dreieinigen verehren’ -, so muss man eine gezielte Ausblendung des trinitarischen Gottes durch die Konzilsväter annehmen. Als Motiv käme ein Entgegenkommen zu der anti-trinitarischen Polemik des Koran infrage:
In Sure 5,73 giftete Mohammed gegen die Trinität: „Wahrlich, dass sind Ungläubige, die sagen: Allah sei Christus, der Sohn der Maria. Sagt ja Christus selbst: ‚O ihr Kinder Israels, dient Allah, meinem und eurem Herrn.’ Wer Allah irgendein Wesen zugesellt, den schließt Allah vom Paradies aus, und seine Wohnung wird das Höllenfeuer sein… Auch das sind Ungläubige, welche sagen: ‚Allah ist der dritte / einer von dreien; denn es gibt nur einen einzigen Gott.“
In einer anderen Sure gibt Mohammed vor, eine pseudo-christliche Trinitätsvariante zu bekämpfen: „Jesus, Sohn der Maria, hast du zu den Leuten gesagt: ‚Nehmt euch außer Gott mich und meine Mutter zu Göttern?’“ (Sure 5,116). In diese Vorstellungen mögen christlich-häretische Sekten-Anschauungen eingeflossen sein.
Ablehnung der Gottessohnschaft Jesu Christi
Entscheidend ist, dass Mohammad das im 7. Jahrhundert in der Christenheit weitestgehend akzeptierte Dogma von der Göttlichkeit Christi ablehnte. Dem „gezeugten, nicht geschaffenen“ Gottmenschen Jesus Christus setzt der Koran antithetisch den ‚geschaffenen, nicht gezeugten’ Jesus entgegen: „Vor Allah ist Jesus Adam gleich, den er aus Erde erschaffen hat; er sprach ‚Werde!’ – und er wurde“ (Sure 3,60). Jesus sei unmittelbar vom allmächtigen Allah geschaffen worden wie Adam – beide also ohne irdischen Vater. Wenn der Koran die Jungfräulichkeit Marias verteidigt, dann soll damit die adamitische Geschöpflichkeit von Jesus herausgestellt werden. Im christlichen Dogma der Jungfräulichkeit Mariens ist dagegen die Göttlichkeit des Menschensohnes ausgesagt.
Das Konzil sieht darin eine Gemeinsamkeit, dass Muslime Jesu „jungfräuliche Mutter Maria ehren, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen“. Die Textanalyse hat aber gezeigt, dass der Koran die Jungfräulichkeit der Mutter Jesu zu einem Instrument macht, durch das die Göttlichkeit Christi und damit die Dreieinigkeit Gottes widerlegt werden soll. Darüber hinaus ist die leichtfertige Konzilsbehauptung von der Verehrung oder gar Anrufung Mariens für den Islam kaum zu belegen. In Wirklichkeit darf im (sunnitischen) Islam neben Allah überhaupt keine Person verehrt werden – nicht einmal der Prophet Mohammed und seine Nachfolger.
Die Ablehnung der Göttlichkeit Jesu Christi hat für den Koran die Funktion, dass er nur als Prophet und Lehrer, nicht aber als Messias und Erlöser wirken kann. In der Folge ist es logisch, dass Mohammed Christi Erlösungstod am Kreuz ebenso leugnet wie seine Auferstehung und Verherrlichung an der Seite des Vaters.
Der auferstandene Jesus wird nicht als Dominus Christus anerkannt
Laut Koran wurde Jesus zwar in den Himmel aufgenommen und sein Wiederkommen dient „als Zeichen der letzten Stunde“ des Gerichts. Aber der erhöhte Herr fungiert im Endgericht nicht als Richter, sondern tritt nach islamischer Überlieferung im Gegenteil als Zeuge wider die Christen auf: Er werde bei seiner Wiederkunft „alle Schweine töten und Kreuze zerbrechen, die Synagogen und Kirchen in Trümmern legen“. Er würde die Christen anklagen, weil sie ihn und seine Mutter Maria als gottgleich verehrt hätten – so die Version des Koranexegeten Al-Baydawi, gest. 1268.
Wenn im göttlichen Endgericht eine weitere vermeintliche Glaubensgemeinsamkeit mit dem Islam vorgestellt wird, so rückt das Konzil abermals von einem christologischen Glaubenssatz ab, dass Gott dem auferstandenen und erhöhten Herrn alle Macht und Gewalt überträgt einschließlich die des Richtens und Vergeltens.
Abraham als Stammvater der Muslime
Die These von den drei abrahamitischen Religionen bzw. von Abraham als gemeinsamem Glaubensurvater von Christen und Muslimen ist eine weitere Formel im interreligiösen Dialog. Auch diese Vorstellung entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine Fata Morgana des Konzils. Jedenfalls beansprucht der Koran Abraham als monotheistischer Vorfahre der Muslime, der mit der Erbauung der Kaaba den Grund für den Islam gelegt hätte. Dem Wort Christi: „Ehe Abraham wurde, bin ich.“ hält Mohammed entgegen: Thora und Evangelium wären erst nach dem (muslimischen) Abraham herabgesandt worden.
Gottes Himmel und Barmherzigkeit nur für Muslime
Das Konzil findet weitere Worte der Hochachtung der islamischen Lehre vom „barmherzigen“ Gott. Damit wird den Christen vorgegaukelt, als wenn Allah allen Menschen Barmherzigkeit und Gnade zeigen würde. In Wirklichkeit verkündet der Koran an zahlreichen Stellen Allahs gnadenlosen Krieg und Fluch sowie unbarmherzige Gewalt und Höllenstrafen gegen Andersgläubige.
Ähnlich verhält es sich mit der „Auferweckung aller Menschen“: Ja, Muslime sollen auferweckt werden zum Eingehen ins Paradies, aber die Nicht-Muislime kommen ausnahmslos in den tiefsten Höllenpfuhl, wo ihnen die Haut in Streifen abgezogen würde.
Auf dem Weg zu einem synkretistischen Chrislam?
Papst Gregor VII. sah sich damals im 12. Jahrhundert gezwungen, einem muslimischen Fürsten mit Glaubensgemeinsamkeiten zu schmeicheln, um Christen aus der Sklaverei der islamischen Seeräuber loskaufen zu können. Das Konzil verschleudert dagegen freiwillig für das Linsengericht des interreligiösen Dialogs zentrale christliche Glaubenssätze wie die Trinitätslehre, die Gottessohnschaft Christi auf Erden sowie die universale Herrschaft des erhöhten Christus. Schlimmer noch ist der Verdacht: Das Konzil gibt wesentliche Teile der katholischen Glaubensidentität auf, um sich dem Islam anzubiedern, anzupassen. Auffällig ist insbesondere die Herabstufung des ‚Dominus Christus’ und damit tendenziell dessen Angleichung an den Prophetenstatus Mohammeds. Steht dahinter etwa der illusorische Glaube an eine Konvergenz der beiden Religionen – letztlich zu einem synkretistischen „Chrislam“, bei dem Mohammed und Christus als gleichwertige Propheten anzusehen wären?
Der Islam betont seinen Wahrheitsanspruch und den Irrtum anderer Religionen
Seit 50 Jahren steht nun dieses großzügige Dialogangebot des Konzils mit der Tendenz zur Selbstverleugnung, um dem Islam eine „Brücke der Gemeinsamkeiten“ zu bauen. Wie haben bisher die islamischen Autoritäten darauf reagiert?
Bei den Gebetstreffen in Assisi wie auch bei dem letztjährigen „Friedensgebet“ in den vatikanischen Gärten wiederholten die eingeladenen Imame stets das grundlegende Glaubengebet des Islam, Sure 1, dass die eigene Wahrheit betont und den Irrtum aller anderen Religionen herausstellt: „Allah, dem Herrn aller Weltenbewohner. Führe uns den rechten Weg … nicht den Pfad jener, über die du zürnst und die in die Irre gehen.“ Und dann aus der 2. Sure: „Sie sagen zu uns: ‚Seid Juden oder Christen, dann seid ihr auf dem rechten Weg.’ Darauf erwidert: ‚Nein, wir befolgen die Lehren Abrahams und folgen seiner Religion. … Wir glauben an das, was Allah Abraham, Ismael und Isaak, Moses, Jesus und anderen Propheten (an Weisungen) gegeben hat.’“ Und: „Allah ist Herr über Ost und West“ (Sure 2, 136f). Die Islam-Vertreter geben im Dialog-Situationen nichts von ihrem koranischen Glaubensgut auf.
Päpstliche Ermutigung für (radikale) Moslems
Papst Johannes Paul II. hat sicherlich mit seiner persönlichen Frömmigkeit, seinem Eintreten für Familie und Lebensschutz das Profil der Kirche in diesen Punkten geschärft. Aber in seiner Religionen-Politik setzte er zahlreiche Gesten der Verwirrung – etwa wenn er öffentlich eine Prachtausgabe des Korans küsste. Er ließ weitere Befürchtungen von Relativismus aufkommen lassen, als er muslimische Jugendliche in ihrem Islam-Glauben bestärkte und ermunterte. Man hatte den Eindruck, dass Johannes Paul II. noch über die Konzilserklärung hinausging – sowohl bei der Selbstverleugnung des Eigenen als auch in der Anbiederung an zweifelhafte Muslim-Führer. Erschreckend war es zu sehen, als der Papst bei seinem Sudan-Besuch 1993 den Radikalmuslim und bin Laden-Förderer Hassan Al-Turabi umarmte, der für die Ausrottung von etwa einer Millionen Christen im Südsudan verantwortlich gemacht wurde. Gleichwohl rief ihm der Papst in der Sprache Mohammeds zu: „Möge Allah den Sudan segnen!“.
Wahrheitsrelativismus führt zur Aufgabe der christlichen Mission
Die Kehrseite dieser „Hochschätzung“ aller Religionen besteht in der diskreten oder auch ganz offenen Ablehnung des Missionsauftrags der Christen. Das Konzil hatte diese Tendenz vorbereitet mit der Erklärung, nach der alle Religionen an dem „Strahl der (göttlichen) Wahrheit“ teilhätten. Papst Johannes Paul II. verstärkte diesen Wahrheitsrelativismus mit dem Bild, dass das Licht Gottes wie in den Farben des Prismas in allen Religionen aufscheine. In dem Aufruf zum Missionssonntag 2003 etwa wurde die christliche Mission zu einem „Aufbrechen von Lebenskraft“ verwässert „die durch Gottes guten Geist bereits in jedem Menschen und in der Schöpfung offen oder verborgen grundgelegt“ sei. Im Stile der New-Age-Philosophie würden Christen zu „Missionarinnen und Missionaren einer neuen Zeit, die das Wirken des einen Geistes in vielen Kulturen, Sprachen und Religionen“ erkannt hätten und benennen würden.
Konversion, Bekehrung, Taufe? Eine Riesendummheit für Papst Franziskus
Papst Franziskus scheint in die gleiche Richtung zu gehen. Er spricht zwar von dem „Missionarischen“ der Kirche und einzelnen Christen, meint damit aber nur ein „christliches Lebenszeugnis in Wort und Tat“. Die zentrale Aussage in Jesu Missionsbefehl lautet, die Heiden mit Lehre und Beispiel durch die Taufe zu Jüngern Christi zu machen. Dieses Herzstück der christlichen Mission taucht in Franziskus’ Reden und Aufrufen nicht auf. Er will das Missionarische auf den Aspekt des „Gesandtseins“ und der ergebnisoffenen „Bewegung“ auf andere hin reduzieren. In seinem Interview mit dem italienischen Atheisten Scalfari sagte der Papst: „Proselytismus? Eine Riesendummheit!“. Ein missionarisches Zeugnis mit dem Ziel der Konversion, also Bekehrung und Taufe, lehnt Franziskus offensichtlich ab. Das besagte Interview mit dem Neu-Heiden/Atheisten Scalfari war insofern ein Exempel für ein nicht-missionarisches Dialog-Gespräch ausschließlich zur Klärung der Standpunkte.
Verwirrung und Widersprüche kirchlichen Verlautbarungen zum Islam
Speziell zum Islam malt Papst Franziskus das geschönte Islambild des Konzils noch weiter aus. Der Papst dekretiert einen „wahren Islam“. Damit vergrößert er die Verwirrung, die die Konzilserklärung mit den Hinweisen auf Teilwahrheiten und ganze Wahrheiten angerichtet hat. Franziskus stellt einen harmlos-idyllischen Islam als „authentisch“ dar, der aber mit den tatsächlichen Glaubensgrundlagen in Koran und Scharia sowie dem politisch-religiösen System des Islam wenig zu tun hat.
Nachdem der Papst aus Koran, Islam und muslimischer Eroberungsgeschichte jegliche Gewalt wegretuschiert hat, können es sich die Vatikan-Vertreter leicht machen, wenn sie die gegenwärtigen Dschihad-Kriege arabischer und anderer Muslime weltweit als Missbrauch des „wahren“, also des lieben und geschönten Islams beklagen. Ganz allgemein fordern sie, dass Religion und Religionsvertreter „niemals Gewalt rechtfertigen“ dürften. Zugleich halten der Papst und hohe Kirchenleute es für „gerechtfertigt“, den Vormarsch der ISlamischen Terrormilizen mit militärischer Gewalt zu stoppen. Die Verwirrung ist perfekt: Der Papst lehnt Gewalt im Namen der Religion ab, zugleich fordert er als Oberhaupt der Kirche Gewalt gegen eine andere Religionsgruppe.
Illusionen und Verdrehungen zum Islam in Schule und Hochschule
Pater Tobias Specker, Stiftungsprofessor für Katholische Theologie im Angesicht des Islam geht im Sinne der Konzilserklärung auf die „Suche nach gemeinsamen Themen“. Damit glaubt er, „der Gewalt der fundamentalistischen Kurzschlüssigkeit“ entgegen wirken zu können (Der Sonntag 19. 10. 2014). Er denkt dabei an eine „interreligiös verantwortete Schöpfungstheologie, die dem Menschen als Abbild und Stellvertreter Gottes eine unverlierbare Würde zuspricht“. Welch eine Illusion bezüglich Thema und Wirkung: Allein schon für die Wortwahl „Abbild Gottes“ würde Prof. Specker in Saudi-Arabien, Pakistan und anderen islamischen Ländern vor den Kadi gezerrt und wegen Gotteslästerung zur Auspeitschung verurteilt werden.
Ein einseitig-geschönte Bild vom Islam wird auch den Kindern im katholischen Religionsunterricht vermittelt – vielfach zu Lasten des Christentums. Im ‚Religionsbuch für das 5./6. Schuljahr’ von Hubertus Halbfass wird der Religionsstifter Mohammed auf zehn Seiten überschwänglich gefeiert. Von Jesus berichtet Halbfas in distanzierter Weise auf acht Seiten, dass er „der Jude“ gewesen sei. Jesus wird im gleichen Schulbuch ausschließlich als Prophet und Lehrer dargestellt, also wie der Islam ihn sieht.
In dem verbreiteten Religionsbuch „Zeit der Freude“ von Werner Trutwin wird die Gewalt-Geschichte des Islam mit drei dürren Zeilen angedeutet, während die Christenheit auf einer ganzen Seite angeklagt wird für Kriege und Unterdrückung der Muslime. Bezeichnend ist die Behandlung von Al-Andalus: Von dem islamischen Eroberungskrieg gegen Spanien, Überfälle, Versklavung und Unterdrückung von Christen erfahren die deutschen Schüler nichts. Die spätere „reconquista“ Spaniens durch christliche Könige und Ritter wird ebenfalls nicht als ‚Rückeroberung’ dargestellt, sondern als aggressiver Erstschlag der Christen: Christliche Heere hätten im Jahre 1492 unter Anrichtung von „Blutbädern“ die „Muslime aus Spanien vertrieben“.
Verdrängen und Beschweigen der Gewaltansätze des Islam
Angesichts der aktuellen Gewaltstrategien des salafistischen Islam, die sich auf Mohammed, Koran und Hadith beruft, wäre gerade eine kritische Konfrontation der Muslim-Führer mit ihrer gewalthaltigen Schriften und Traditionen umso wichtiger. Denn wie soll sich ein moderater Islam in Europa etablieren können, wenn die Gewaltansätze in Urschrift und Geschichte des Islam nicht offengelegt und kritisiert werden?
Aiman Mazyek, Vorsitzender im Zentralrat der Muslime, konnte in einer aus Steuermitteln finanzierten „Aufklärungsschrift“ von 2011 unwidersprochen behaupten: „Der Islam mit seiner 1400jährigen Geschichte belegt ja nur allzu deutlich, dass er friedliche Absichten hat, niemand kann das leugnen.“ Solche Frechheiten an Geschichtsklitterung kann sich der Mann nur erlauben, weil u. a. Kirche und Katholiken durch das Konzil gehalten – sogar „verurteilt“ – sind, über die Kriege, Überfälle, Gewalttätigkeiten, Versklavungen und Unterdrückungen des Islam in der Vergangenheit den Mantel des Schweigens zu decken.
Text: Hubert Hecker
Bild: Holy Family Parish/AsiaNews