(Rom) Kardinal Walter Kasper oder Kardinal Carlo Caffarra? “Auch Papst Franziskus distanziert sich vom Ersten und nähert sich dem Zweiten. Und hält an Kardinal Müller fest. Und fördert den Afrikaner Sarah. Alles entschiedene Verteidiger der katholischen Ehelehre.“ Mit diesen Worten leitet der Vatikanist Sandro Magister seine jüngste Analyse zur bevorstehenden Bischofssynode über Ehe und Familie ein.
Magister gehört zu den aufmerksamsten Beobachtern Roms. Zeichnet sich in Rom ein Umschwung ab? Wurde eine Tür aufgestoßen, die nun wieder geschlossen werden soll? Noch rechtzeitig? Oder zu spät? Magister benennt nicht die Gründe für einen angeblichen Umschwung in der Haltung von Papst Franziskus.
Tatsache ist, daß die Aussagen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Reinhard Kardinal Marx, auf der Pressekonferenz am 26. Februar zum Abschluß der DBK-Frühjahrsvollversammlung nicht nur dem Glaubenspräfekten Gerhard Kardinal Müller aufgestoßen sind, sondern ganz „unverdächtigen“ hohen und höchsten Kirchenvertretern, auch aus dem Umfeld von Papst Franziskus. Ob das auch für den Papst persönlich gilt, ist nicht bekannt.
Kardinal Marx setzte eine unverhohlene Schisma-Drohung als Druckmittel ein, um von der bevorstehenden Bischofssynode die von ihm und Kardinal Kasper formulierte „Öffnung“ zur Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion und zur Anerkennung der Homosexualität zu erzwingen. Da nicht die Synode, sondern der Papst im Anschluß an die Synode Entscheidungen trifft, galt die Drohung letztlich dem Papst. Es soll deswegen Anfang März in Santa Marta zu einem lautstarken Unmutsausbruch eines lateinamerikanischen Papst-Vertrauten in Anwesenheit von Franziskus gekommen sein.
Wir dokumentieren Magisters Momentaufnahme in deutscher Übersetzung. Die Zwischentitel wurden von der Redaktion eingefügt.
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Synodenbörse: Kasper fallend, Caffarra steigend
von Sandro Magister
„Damit löst man gar nichts“, sagte Papst Franziskus in Bezug auf die Idee, die Kommunion den wiederverheirateten Geschiedenen zu geben. Schon gar nicht, wenn diese sie „wollen“, sie fordern. Denn die Kommunion ist nicht „eine Kokarde, eine Auszeichnung. Nein.“
In seinem jüngsten großen Interview hat Jorge Mario Bergoglio die Erwartungen auf eine substanzielle Veränderung in Doktrin und Pastoral der katholischen Ehe, die er selbst indirekt genährt hatte, auf Eis gelegt.
Papst Franziskus erteilt „überzogenen Erwartungen“ Absage
„Überzogene Erwartungen“ hat er sie genannt, ohne die Thesen von Kardinal Walter Kasper überhaupt zu erwähnen, die er in der Vergangenheit mehrfach hochleben hat lassen, von denen er sich aber nun distanziert zu haben scheint.
Gleichzeitig schaut Papst Franziskus seit einiger Zeit mit wachsender Aufmerksamkeit und Wertschätzung auf einen anderen Theologen-Kardinal, der sich beim „Evangelium der Ehe“ in völliger Übereinstimmung mit der Tradition befindet: den Italiener Carlo Kardinal Caffarra, Erzbischof von Bologna.
Als Professor der Moraltheologie war Caffarra ein Experte in den Bereichen Ehe, Familie und Zeugung. Aus diesem Grund wollte ihn Johannes Paul II. an der Spitze des Päpstlichen Instituts für Studien zu Ehe und Familie, das er 1981 im Gefolge der Bischofssynode von 1980 über die Familie an der Lateranuniversität errichtete.
Papst beruft Vertreter des Instituts für Studien zu Ehe und Familie
Es sorgte daher für Aufsehen, daß alle Mitarbeiter dieses Instituts, das sich seither weltweit ausgebreitet hat, von der ersten Session der Synode über die Familie ausgeschlossen blieben.
Nun ist diese Lücke geschlossen worden, denn am vergangenen 14. März ernannte Papst Franziskus den stellvertretenden Direktor des Päpstlichen Instituts Johannes Paul II. für Studien zu Ehe und Familie, Professor José Granados, zum Consultor des Generalsekretariats der zweiten und letzten Session der Synode im kommenden Oktober.
Was Caffarra anbelangt: Sollte ihn die Italienische Bischofskonferenz im kommenden Mai nicht zu einem ihrer vier Delegierten für die Synode wählen, wird sicher der Papst dafür sorgen, ihn unter die Synodenväter einzureihen, wie er es bereits für die vorherige Session getan hatte.
Nähert sich Franziskus Anti-Kasper-Front?
Der Erzbischof von Bologna ist einer der fünf Anti-Kasper-Kardinäle, die ihre Position im Buch “In der Wahrheit Christi bleiben“ gesammelt, in zehn Sprachen übersetzt und im Vorfeld der vergangenen Synode veröffentlicht haben, in Italien im Verlag Cantagalli.
Und er war sofort einer der entschiedensten und argumentativ fundiertesten Kritiker der aufsehenerregenden Rede, die Kasper beim Konsistorium von Ende Februar 2014 gehalten hat. „Aus Bologna in Liebe: Hört auf damit!“, titelte damals die Tageszeitung Il Foglio. In diesem Interview vom 15. März 2014 sagte Caffarra zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene unter anderem:
„Wer dieser Annahme ist, hat auf eine sehr einfache Frage nicht geantwortet: Was ist mit der ersten geschlossenen und vollzogenen Ehe? Die dargebotene Lösung läßt denken, daß die erste Ehe bestehen bleibt, aber es noch eine zweite Form des Zusammenlebens gibt, die von der Kirche legitimiert wird. Es gibt also eine außereheliche Ausübung der menschlichen Sexualität, die von der Kirche als legitim betrachtet wird. Damit aber leugnet man die tragende Säule der kirchlichen Sexuallehre. An dieser Stelle könnte sich jemand fragen: Warum billigt man dann nicht das freie Zusammenleben? Und warum nicht homosexuelle Beziehungen? Das ist nicht nur eine Frage der Praxis. Hier wird die Lehre berührt. Unvermeidlich. Man kann zwar sagen, daß man es nicht tut, aber man tut es. Nicht nur das. Man führt eine Gewohnheit ein, die langfristig folgende Idee im Volk, nicht nur dem christlichen festsetzen wird: Es existiert keine absolut unauflösliche Ehe. Und das ist mit Sicherheit gegen den Willen des Herrn.“
Der jüngste Anlaß, bei dem Kardinal Caffarra in einer Ansprache zu Ehe und Familie eindeutig Stellung nahm, war am vergangenen 12. März eine Tagung an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom.
Kardinal Müller warnt vor „subtiler christologischer Häresie“
Es gilt aber weitere Ereignisse in Erinnerung zu rufen, die eine wachsende Annäherung von Papst Franziskus an die Front der Kasper-Kritiker erkennen läßt.
Dazu gehört, daß der Papst Kardinal Gerhard Müller, den Ranghöchsten unter den fünf Purpurträgern des Anti-Kasper-Buchs, an der Spitze der Glaubenskongregation beläßt, der mit größter Standhaftigkeit vor jener „subtilen christologischen Häresie“ warnt, die im Versuch steckt, die Lehre von der pastoralen Praxis zu trennen in der Illusion, man könne letztere ändern, ohne erstere anzurühren und damit die Zweitehe gutheißen, aber an der Unauflöslichkeit der Ehe festzuhalten. Man sehe dazu die Ansprache von Kardinal Müller zum Beginn der Vollversammlung der Internationalen Theologischen Kommission am 1. Dezember 2014.
Kardinal Sarah: „Zwangsvorstellungen bestimmter westlicher Kirchen“
Zweitens berief Papst Franziskus in einer seiner wenigen wichtigen Ernennungen an der römischen Kurie in jüngster Zeit Kardinal Robert Sarah aus Guinea an die Spitze der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Der Kardinal ist Autor des Gesprächsbuchs „Dieu ou rien. Entretien sur la foi“ (Gott oder nichts), das in Frankreich bei Fayard erschienen ist, in dem er kategorisch die Idee zurückweist, wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion zu gewähren. Eine Idee, die er für eine „Zwangsvorstellung bestimmter westlicher Kirchen“ hält, „die sogenannte ‚theologisch verantwortungsvolle und pastoral angemessene‘ Lösungen aufzwingen wollen, die radikal der Lehre Jesu und dem Lehramt der Kirche widersprechen“.
Kardinal Sarah sagt darin zudem – und gibt damit Kardinal Müller völlig Recht:
„Die Idee, das Lehramt in einen schönen Schrein zu setzen und damit von der pastoralen Praxis zu trennen, die dann je nach Umständen Moden und Leidenschaften entwickeln kann, ist eine Form von Häresie, eine gefährliche schizophrene Pathologie.“
Und nachdem er ausführte, daß die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen „eine drängende Herausforderungen für die Kirchen Afrikas und Asiens ist“, erklärt er:
„Ich bekräftige feierlich, daß die Kirche von Afrika sich jeder Form von Auflehnung gegen das Lehramt Christi und der Kirche widersetzen wird.“
Erzbischof Kurtz: Sorge tragen, „daß wir dem wahren Lehramt der Kirche treu bleiben“
Tatsächlich vertreten alle bisher von den jeweiligen Bischofskonferenzen zu Synodalen der bevorstehenden Bischofssynode gewählten afrikanischen Kardinäle und Bischöfe die unnachgiebige Position von Kardinal Sarah mit der einzigen Ausnahme des ghanaischen Erzbischofs von Accra, Charles Palmer-Buckle, der im Westen dafür von einigen Kreisen besonders hervorgehoben wird.
Ebenso ist anzumerken, daß auch die Bischöfe Osteuropas entschlossene Positionen einnehmen, darunter in vorderster Linie die Bischöfe Polens. Das gleiche gilt für die vier Synodenväter, die von der Amerikanischen Bischofskonferenz gewählt wurden: die Erzbischöfe Joseph Kurtz, Charles Chaput, Daniel DiNardo und José H. Gómez.
Selbst der „Gemäßigtste“ der vier, Erzbischof Kurtz, betonte ganz auf der Linie von Kardinal Müller, daß „es sehr wichtig ist, daß es keinen Bruch zwischen der Art wie wir beten und glauben und der Art unserer pastoralen Fürsorge gibt. Es gibt eine berechtigte Sorge, daß wir dem wahren Lehramt der Kirche treu bleiben. Das wird meine Haltung sein, die ich auf der Synode einnehmen werde.“
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo/MiL/Caffarra.it/Portale Famiglia