(Rom) Die „Interviews“ des Atheisten und Freimaurers Eugenio Scalfari mit Papst Franziskus sind inzwischen ebenso berühmt wie berüchtigt. Am vergangenen 15. März war es wieder soweit. Eugenio Scalfari veröffentlichte in seinem Hausblatt La Repubblica einen Leitartikel über Papst Franziskus. Dabei zitierte er tatsächliche oder angebliche Aussagen von Papst Franziskus, die dieser bei einem der Gespräche zwischen dem katholischen Kirchenoberhaupt und dem linken, kirchenfeindlichen Meinungsmacher geäußert haben soll. Scalfari wäre nicht Scalfari, würde er mit seinem Leitartikel nicht als Hauptdeuter des argentinischen Papstes, von dessen Denken und Handeln auftreten. Das ist nur eine Seite. Die andere sind Hausaufgaben, die Scalfari dem Papst mit auf den Weg gibt. Aufgaben, die der Papst noch im Sinne des Atheisten zu erledigen hätte. Eine neue Bergogliata oder eine neue Scalfariade?
Scalfaris Parallel-Lehramt mit erhöhter Zerstörungskraft
Am 15. März ist in der Tageszeitung La Repubblica wieder das Duo Scalfari-Bergoglio aufgetreten. Ob virtuell oder real, wer weiß das schon? Entsprechend schwierig ist es, zu unterscheiden, welche als direkte Wiedergabe ausgewiesenen Zitate tatsächlich von Papst Franziskus stammen und welche von Scalfari in der Rolle eines mehr oder weniger akzeptierten päpstlichen Souffleurs. Vor allem sagt das nichts über die Breitenwirkung aus. Über eine solche verfügt Scalfari und das international. Wenn er dem Papst etwas zuschreibt, nehmen das viele Leser, aber auch Entscheidungsträger unhinterfragt als bare Münze. Um so mehr, je deutlicher sie den Positionen Scalfaris nahestehen. Da spielt es auch kaum eine Rolle, darauf hinzuweisen, daß solche privat geäußerten Meinungen des Papstes nicht Teil des päpstlichen Lehramtes sind, wenn das „inoffizielle“ Lehramt viel größere Verbreitung findet als das offizielle.
Tatsache ist, daß Scalfaris Bergogliaden ein Parallel-Lehramt fördern, das immer tiefere Furchen in den sensus fidei der Gläubigen frißt. Die nachfolgenden Auszüge aus dem Leitartikel bedürfen keines Kommentars. Sie sind von einem Kaliber, mit dem auf die katholische Glaubenslehre und die kirchliche Ordnung geschossen wird, dessen Zerstörungskraft ein neues Ausmaß erreicht hat.
Sollten die Behauptungen, die dem Papst in den Mund gelegt werden, nicht umgehend und eindeutig dementiert und richtiggestellt werden, vom Papst selbst, oder von jenen, die dazu am Heiligen Stuhl beschäftigt sind, werden sie einen noch dunkleren Schatten auf den argentinischen Papst und sein Pontifikat werfen. Auf einen Papst, um den von den Massen so viel Idolatrie betrieben wird, die für Gläubige immer mehr zum Stein des Anstoßes und der Irritation wird.
„Das, was Franziskus dem Europa der Nicht-Gläubigen sagen kann“
von Eugenio Scalfari
[…] Wem das Geschenk zuteil wurde, Papst Franziskus kennenzulernen, weiß, daß der Egoismus der gefährlichste Feind für unsere Spezies ist. Das Tier ist egoistisch, weil es nur von seinen Instinkten geleitet wird, dessen wichtigster der des Überlebens, des eigenen Überlebens ist. Der Mensch wird auch von Geselligkeit angetrieben und er fühlt daher Liebe gegenüber den anderen, gegenüber dem Überleben der Spezies, der er angehört. Wenn der Egoismus Überhand gewinnt und die Liebe für die anderen erstickt, verdunkelt er den göttlichen Funken, der in ihm ist und verurteilt sich selbst.
Was geschieht mit dieser erloschenen Seele? Wird sie bestraft? Und wie?
Die Antwort von Franziskus ist eindeutig und klar: Es gibt keine Strafe, sondern die Auslöschung dieser Seele. Alle anderen haben Anteil an der Glückseligkeit in der Gegenwart des Vaters zu leben. Die ausgelöschten Seelen haben keinen Anteil an diesem Festmahl, mit dem Tod im Körper ist ihr Weg zu Ende und das ist die Motivation der missionarischen Kirche: die Verlorenen zu retten. Das ist auch der Grund, warum Franziskus durch und durch Jesuit ist. […]“
Franziskus: „Es gibt keine Strafe. Die Seelen werden ausgelöscht“
Dieses „Auslöschen“ bezogen auf die Seelen stelle „ein großes Problem dar“, so Chiesa e postconcilio. „Mit dem Tod im Körper endet der irdische Weg, aber die Unsterblichkeit gehört zur Teilhabe an der Herrlichkeit Gottes (Paradies) oder zur ewigen Verdammnis als Ergebnis der Zurückweisung und der Auflehnung gegen den Schöpfer und Herrn, universorum Rex.
Was erwartet ihr euch auch vom Papst der Barmherzigkeit, der die Gerechtigkeit und das Opfer Christi verbannt hat? Von dem er nicht spricht und es nicht einmal zelebriert? Was anderes bedeutet sonst jenes „es gibt kein Zurück“ seiner permanenten Reform?“, so der katholische römische Blog.
„Auf alle Fälle handelt es sich um schwerwiegende Behauptungen, die, mögen sie auch verfälscht sein, dem Papst öffentlich zugeschrieben werden. Aus diesem Grund wären sie auf eindeutige Weise zu dementieren und zwar mit maximaler Sichtbarkeit. Ebenso schwerwiegend erscheint die Trägheit jenes Teils des Klerus, der ihm nicht bedenkenlos folgt, wie jene die dies tun, wie sie es in den vergangenen 50 Jahren noch bei keinem Papst getan haben, aber um tätig zu werden auf einen feierlichen Akt des Lehramtes wartet, der nie kommen wird. In der Zwischenzeit nimmt die Verwirrung zu und mit ihr hat die „Finsternis“ freies Feld, weil bestimmte Kirchenvertreter die der Kirche anvertrauten Mittel zur Verteidigung seines mystischen Leibes abbauen. Das ist absolut schwerwiegend und wirklich dramatisch. Es ist sinnlos, auf formale Regierungsakte zu warten. Die Auflösung ist inzwischen zu einem Teil der Praxis und der freigesprochenen Worte geworden“, so Chiesa e postconcilio.
Scalfaris „Hausaufgaben“ für den Papst I: Das Priestertum abschaffen
Die tatsächlichen oder behaupteten Aussagen von Papst Franziskus sind bemerkenswert. Man erinnere sich zudem an die Weigerung von Franziskus, einmal getätigte Aussagen zu korrigieren, schon gar nicht solche Scalfaris. Stattdessen wurden die bisherigen Interviews, obwohl Scalfari enthüllte, die Antworten des Papstes selbst formuliert zu haben, dabei sich allerdings inhaltlich getreu an die päpstlichen Aussagen gehalten zu haben, im Vatikanverlag in Buchform veröffentlicht.
Bemerkenswert ist auch der Zusatz Scalfaris, mit dem er dem Papst öffentlich Hausaufgaben erteilt. Als Aufgaben, die „Franziskus nun angehen muß“, nennt Eugenio Scalfari „sehr schwierige Probleme, die bisher kaum genannt wurden“. An erster Stelle nennt der Atheist ein Problem, „das sich noch niemand gestellt hat, obwohl es offenkundig ist“ und deutet damit etwas von grundlegender Bedeutung an: „die Presbyter, das heißt, die Priester, die die Sakramente verwalten und die Macht haben, loszusprechen oder zu strafen, jene die die Sünder beurteilen.“ Scalfari behauptet dann, daß Priester und eine priesterliche Hierarchie „nur in der katholischen Kirche existieren und ihnen eine Heirat verboten ist“.
Scalfari weiter: „In keiner anderen Religion existieren Priester und Zölibat und in keiner anderen Religion wurde die Doktrin in einen Codex umgewandelt. Die Juden haben ihre Schriften und ihre Vorschriften, aber die Rabbinen sind nur Lehrmeister, sie haben weder ein Sakrament noch Zölibatsverpflichtungen. Sie erklären und interpretieren die Schriften. Das ist ihre Aufgabe, nichts mehr.
Auch die Moslems haben ihre Schriften und ihre Lehre, aber von Priestern keine Spur. Vorsicht allerdings: Die verschiedenen muslimischen Sekten haben Lehrmeister, die den Koran interpretieren, aber auch Gerichte, die den niederzuringenden, weil ungläubigen Feind zu benennen haben. Potentiell sind dies Theokratien, manchmal direkte, wie im Iran, manchmal indirekte, so daß die Versuchung des Fundamentalismus stark und häufig zerstörerisch ist. Und nicht anders ist, obwohl auch sie Christen sind, bei den verschiedenen protestantischen Konfessionen, bei denen es keine Priester, sondern Hirten gibt. […]“
Scalfaris „Hausaufgaben“ für den Papst II: Den persönlichen Gott abschaffen
Als zweiten Punkt nennt Scalfari den „Kontakt zur modernen Kultur, die ihre Wurzeln in der Aufklärung hat. Diese intellektuelle Bewegung, die ihre größte Entwicklung im England und Frankreich des 18. Jahrhunderts hatte und in Diderot, Voltaire, Hume und Kant ihre höchsten Vertreter, glaubte nicht an eine absolute Wahrheit, aber an eine relative, die eine Existenz Gottes ausschließt oder als Motor der Erschaffung des Lebens zuläßt, das sich dann mittels einer autonomen Evolution und bestimmt durch autonome Gesetze entwickelt.
Der Gott der ‚Theisten‘ hatte keinerlei Attribut, das dem christlichen Gott ähnelt: er war weder barmherzig noch rachsüchtig, weder großzügig noch griff er in die Geschichte und das Schicksal ein, er stellte sich nicht die Frage nach Gut und Böse. Er war ein Motor, eine kosmische Kraft, die das Licht des Lebens an einigen Orten des Universums angezündet und sich dann zurückgezogen hat, eingeschlafen ist oder mit der Erschaffung anderen Lebens beschäftigt ist.
Wenn ein atheistischer Freimaurer mit dem Papst übereinstimmt – dies jedenfalls behauptet
Europa hat die Aufklärung als Grundlage der Moderne. Das Thema des Zweiten Vatikanischen Konzils, das Papst Franziskus sehr am Herzen liegt, ist es, die Wellenlänge zu verstehen, mit der zu diesem stark entchristlichten und daher Missionsgebiet gewordenen Europa (und Nordamerika) gesprochen werden kann. Es ist sehr wahrscheinlich, daß das von Franziskus gewollte Heilige Jahr der Beginn dieser missionarischen Aktion sein wird, mit all ihren Auswirkungen, auch schrecklich aktuellen im Sturm des Terrorismus, der Kriege und lokalen Konflikte, wachsender Gewalt, zerrütteten Familien und verzweifelten Kindern und der schlimmsten aller Sünden, der Ungleichheit, der übersehenen Armut, der Vorherrschaft von Macht und Krieg über Liebe und Frieden. Das Thema der Barmherzigkeit ist daher das nicht nur religiös, sondern auch sozial und wirtschaftlich geeignetste, um die Liebe, den Frieden und die Hoffnung gegen Macht, Krieg und Verzweiflung zurückzugewinnen.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Chiesa e postconcilio