Kritische Antwort auf Hecker – ein Beitrag zur Blasphemie-Debatte


Satire
Satire

von Cle­mens van Ryt

Anzei­ge

Kürz­lich nahm Hubert Hecker in einem Gast­bei­trag unter dem Titel „Darf Sati­re alles oder gehört ihr gele­gent­lich die Faust ins Gesicht?“ Stel­lung zur Fra­ge des Umgangs mit Blas­phe­mie. Kon­kre­ter Anlass war die Aus­ein­an­der­set­zung mit „Char­lie Heb­do“. Die berech­tig­te Kri­tik Heckers an die­ser „Sati­re-Dreck­schleu­der“ war wohl­tu­end, der Ver­gleich mit den Dem­ago­gen der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on war Auf­klä­rung im wah­ren Sin­ne des Wor­tes und der Hin­weis auf ähn­li­che Metho­den wäh­rend des Drit­ten Rei­ches eine not­wen­di­ge Mah­nung. Aller­dings gab es in dem Bei­trag auch den ein oder ande­ren Punkt, der mich stut­zig gemacht hat.

Kon­kret bezie­he ich mich auf die Aus­füh­run­gen des Autors, die den Umgang des Staa­tes mit Blas­phe­mie reflek­tie­ren. In die­sem Zusam­men­hang erwähnt Hecker den Phi­lo­so­phen Robert Spae­mann. Die­ser plä­die­re dafür, „dass die Gefüh­le der Gläu­bi­gen recht­lich geschützt wer­den soll­ten, nicht der Gegen­stand der Gefüh­le, also Gott und die Reli­gi­on. Denn dafür sei der säku­la­re Staat weder kom­pe­tent noch zustän­dig.“ Ist Hecker mit Spae­mann ein­ver­stan­den? Zumin­dest nicht voll­stän­dig, da er fort­fährt: „Eine sol­che Aus­rich­tung stößt aber auf die Schwie­rig­kei­ten, die oben bei dem The­ma sub­jek­ti­ves Belei­digt­sein erör­tert wur­den.“ Dort stellt der Autor jedoch lapi­dar fest: Das sub­jek­ti­ve Belei­digt­sein sei „nicht justi­fi­zier­bar.“ Eine grund­sätz­li­che Kri­tik an dem Gedan­ken­gang Spae­manns konn­te ich in dem Bei­trag von Hecker jeden­falls nicht fin­den. Viel­mehr gibt der Autor gegen eine „Ver­schär­fung des Blas­phe­mie­pa­ra­gra­phen“ zu beden­ken, dass „das Gesetz in isla­mi­schen Staa­ten viel­fach gegen Min­der­heits­re­li­gio­nen instru­men­ta­li­siert wird.“ Heckers Aus­füh­run­gen gip­feln im dem Satz: „Zu beden­ken ist auch, dass Jesus Chri­stus aus­drück­lich wegen ‚Got­tes­lä­ste­rung‘ ver­ur­teilt und hin­ge­rich­tet wurde.“

Was soll man nun davon hal­ten? Zwar lässt Hecker kei­nen Zwei­fel dar­an, dass sei­ner Ansicht nach „Künst­ler und Kari­ka­tu­ri­sten [, die] Reli­gi­ons­ge­mein­schaf­ten mit Ver­leum­dun­gen, Belei­di­gun­gen und Ehr­ver­let­zun­gen über­zie­hen, (…) schär­fer als bis­her in die Schran­ken gewie­sen wer­den“ soll­ten. Ange­sichts der obi­gen Aus­füh­run­gen stellt sich mir den­noch die Fra­ge, wo der Autor Gott und Reli­gi­on meta­phy­sisch eigent­lich ver­or­tet. Hält er in sei­nem Fazit doch fest: „Der säku­la­re, reli­gi­ons­neu­tra­le Staat ist für das fried­li­che Zusam­men­le­ben von Bür­gern unter­schied­li­cher Welt­an­schau­un­gen und Reli­gio­nen zustän­dig. Der Schutz von Ehre und Namen Got­tes (2. Gebot) ist den Gläu­bi­gen und der Kir­che aufgegeben.“

Es ist nicht aus­zu­schlie­ßen, dass ich Hecker miss­ver­ste­he, doch kom­me ich bei die­sen Wor­ten nicht umhin fest­zu­stel­len, dass hier fun­da­men­ta­le Prin­zi­pi­en bzw. grund­sätz­li­che Fra­gen der Bezie­hung des Staa­tes zu Gott völ­lig außer Acht gelas­sen wer­den! – Auch der säku­la­re Staat ist Gott unter­ge­ord­net, ohne den auch er gar nicht exi­stie­ren wür­de, und auch der säku­la­re Staat hat Pflich­ten gegen­über Gott. Ob er sich die­ser Pflich­ten nun bewusst ist oder nicht, ob er die­se wahr­neh­men will oder nicht, er hat sie. Dass Geset­ze miss­braucht wer­den kön­nen, um Heckers Hin­weis auf die Ver­ur­tei­lung Chri­sti noch­mals auf­zu­grei­fen, ist dabei nichts Neu­es, doch der Grund­satz, dass der Miss­brauch den Nut­zen einer Sache nicht auf­hebt, soll­te dem Autor bekannt sein. Ganz davon abge­se­hen scheint Hecker ver­ges­sen zu haben, dass das Gesetz, das die Pha­ri­sä­er hier miss­bräuch­lich ange­wen­det haben, als sol­ches bibli­schen Ursprungs ist.

Da jedoch die Gefahr besteht, dass ich miss­ver­stan­den wer­de und auch weil ich mir bewusst bin, dass mei­ne Aus­füh­run­gen einer Erläu­te­rung bedür­fen, möch­te ich an die­ser Stel­le auf einen frü­he­ren Bei­trag ver­wei­sen, den ich bereits an ande­rer Stel­le ver­öf­fent­lich habe. Die­ser bezieht sich zwar auf Spae­manns Blas­phe­mie-Kri­tik. Da die Grund­fra­gen jedoch die glei­chen sind (zumal Hecker eben­falls auf Spae­mann Bezug genom­men hat), schien es mir sinn­voll, ihn zur Erläu­te­rung der vor­lie­gen­den Fra­ge (leicht bear­bei­tet) im Fol­gen­den erneut zu präsentieren:

Kritische Anmerkungen zu Spaemanns Blasphemie-Kritik

Schon vor eini­ger Zeit äußer­te sich Robert Spae­mann in der FAZ zu der Fra­ge, ob Blas­phe­mie bestraft wer­den sol­le. Neben eini­gem Guten muss man auf­grund sei­ner Aus­füh­run­gen und Begrün­dun­gen jedoch lei­der sagen, dass er sich bes­ser nicht zu dem The­ma geäu­ßert hät­te! Lei­der hat es dazu bis­her wenig und nur ver­hal­te­ne Kri­tik gege­ben, wes­we­gen es mir gebo­ten schien, das The­ma – trotz der inzwi­schen dar­über ver­gan­ge­nen Zeit – noch­mals aufzugreifen.

Spae­mann beant­wor­tet die Fra­ge, ob Blas­phe­mie bestraft wer­den sol­le, mit einem kla­ren „ja“. Er dürf­te auch rich­tig lie­gen, wenn er glaubt, dass in unse­rem Rechts­sy­stem Got­tes­lä­ste­rung eher mit Hin­weis auf den belei­dig­ten Chri­sten und des­sen ver­letz­ten Gefüh­len als mit dem Hin­weis auf die Belei­di­gung Got­tes ein­klag­bar seien.

Es gibt hier jedoch ein ähn­li­ches Pro­blem wie etwa bei der Fra­ge der Reli­gi­ons­frei­heit; im vor­lie­gen­den Fall besteht es dar­in, dass Spae­mann den letz­te­ren Punk­te nicht als argu­men­tum ad homi­nem oder als ein in Hin­blick auf das deut­sche Straf­recht rein rechts­im­ma­nen­tes Prin­zip betrach­tet, son­dern – wie es scheint – als ein an sich gel­ten­des! Schließ­lich begrün­det er sei­ne Ansicht mit der The­se: „Gott braucht nicht geschützt wer­den. Er ist es, der schützt.“

Dies ist aber ein phi­lo­so­phi­sches Argu­ment, denn über die Fra­ge, ob Gott selbst geschützt wer­den müs­se oder nicht, befin­det das deut­sche Gesetz nicht. Als phi­lo­so­phi­sches Argu­ment ist es jedoch deplat­ziert: Erstens muss zwar nicht Gott, wohl aber sei­ne Ehre bei den Men­schen geschützt wer­den, die sehr wohl und offen­kun­dig ver­letzt wer­den kann und auch lau­fend ver­letzt wird. Zwei­tens könn­te man mit dem­sel­ben Argu­ment auch auf­hö­ren, Gott über­haupt anzu­be­ten, denn Gott braucht auch kei­ne Anbe­tung. Als Phi­lo­soph soll­te Spae­mann aller­dings wis­sen, dass es so etwas wie eine For­de­rung der objek­ti­ven Gerech­tig­keit gibt, und Got­tes­lä­ste­rung ist eine schwer­wie­gen­de Ver­let­zung eben die­ser Gerech­tig­keit, des suum cui­que in Hin­blick auf Gott!

Pas­send zu sei­ner Gedan­ken­füh­rung behaup­tet Spae­mann, dass es sich bei Blas­phe­mie nicht um ein „Offi­zi­al­de­likt han­deln kann, bei dem es nicht dar­auf ankommt, ob irgend­je­mand sich wirk­lich belei­digt fühlt.“ Er mag auch hier Recht haben, wenn er von der fak­ti­schen Rechts­si­tua­ti­on spricht, doch auch nur dann. Denn wenn es Gott gibt, ist er objek­tiv! Wenn Er aber objek­tiv ist, gel­ten Ihm gegen­über die objek­ti­ven For­de­run­gen der Gerechtigkeit!

Gott ist jedoch nicht irgend­wer, son­dern der Schöp­fer von Him­mel und Erde! Damit ist Got­tes­lä­ste­rung aber eine Art Maje­stäts­be­lei­di­gung gegen­über dem Schöp­fer, mit allen Fol­gen, die – wenig­stens theo­re­tisch – für ein Rechts­sy­stem dar­aus erwach­sen. Die Argu­men­ta­ti­on Spae­manns, dass der Tat­be­stand der Blas­phe­mie in unse­rem Straf­recht kei­nen Platz habe, weil die Chri­sten prin­zi­pi­ell zwar bereit sein müss­ten, für das Bekennt­nis zu Gott ihr eige­nes Leben zu las­sen, nicht aber das Leben des ande­ren, hat mit der Fra­ge selbst eigent­lich nichts zu tun und ist unsinnig!

Recht hät­te Spae­mann, wenn es Gott gar nicht gäbe. In dem Fall müss­te man tat­säch­lich allein auf die Gefüh­le und Befind­lich­kei­ten der Gläu­bi­gen Rück­sicht neh­men, denn mit der Got­tes­lä­ste­rung wür­de dann gewis­ser­ma­ßen nur deren „Kul­tur­gut“ ver­un­glimpft. Doch schon dem Chri­sten selbst geht es um etwas ganz ande­res, was Spae­mann aller­dings nur andeutet.

Gin­ge es ihm näm­lich nur um eine per­sön­li­che Belei­di­gung könn­te man gar noch auf die Idee kom­men, ihn mit dem Hin­weis auf das Hin­hal­ten der rech­ten Wan­ge wie­der nach Hau­se zu schicken. In Wirk­lich­keit geht es ihm jedoch um Gott, des­sen Ehre – wenn es schon nicht anders geht – er dadurch zu ver­tei­di­gen sucht, dass er auf sei­ne eige­nen Rech­te auf­merk­sam macht. In die­sem Sin­ne macht er näm­lich sein Recht gel­tend, in sei­nen reli­giö­sen Gefüh­len nicht ver­letzt zu wer­den. Die­se Gefüh­le haben ihre Ursa­che jedoch eben im Eifer für die Ehre Gottes.

Wie weit die Bestra­fung von Blas­phe­mie als sol­cher in der Pra­xis, zumal in der plu­ra­li­sti­schen Welt von heu­te und über­haupt in einem lai­zi­sti­schen Staat, was wir zumin­dest fak­tisch nun ein­mal mehr oder weni­ger haben, tat­säch­lich ein­ge­for­dert wer­den kann oder in wel­chem Umfang es über­haupt sinn­voll ist, sie ein­zu­for­dern, ist eine ganz ande­re Fra­ge. Und nur in Hin­blick dar­auf, wie man die­se Fra­ge beant­wor­tet, wäre Spae­manns Ansicht, dass „sich die Reli­gi­ons­ge­setz­ge­bung aus guten Grün­den auf den Schutz der Gefüh­le der Gläu­bi­gen, nicht auf den Gegen­stand der Gefüh­le“ bezie­he, zu recht­fer­ti­gen, nicht aber als Prin­zip! Andern­falls wird Gott zu einer Fra­ge sub­jek­ti­ven Gefühls degra­diert (übri­gens auch eine Form von Gotteslästerung!).

Doch das ist dann letzt­lich nichts ande­res als ein imma­nen­ter Athe­is­mus, da man nicht bereit ist, die Kon­se­quen­zen aus der Exi­stenz und dem Wesen Got­tes zu zie­hen; ähn­lich wie wenn jemand zwar die Gott­heit Chri­sti aner­kennt, aber leug­net, dass Maria Got­tes­mut­ter ist: Auch ein sol­cher ist nicht bereit, die Kon­se­quen­zen, die sich aus der einen Leh­re erge­ben, anzu­er­ken­nen und auf die ande­re anzu­wen­den; damit leug­net er zwar nicht beken­nend, wohl aber impli­zit die Gott­heit Christi.

So ver­leug­net auch impli­zit, wer die Fra­ge der Straf­bar­keit von Blas­phe­mie prin­zi­pi­ell zu einer Fra­ge der Belei­di­gung von Gott­gläu­bi­gen her­ab­stuft, die Exi­stenz und das Wesen Got­tes überhaupt.

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