(Rom) Bei der gestrigen Generalaudienz nahm Papst Franziskus zu den Kindern Stellung. Nachfolgend dokumentieren wir auszugsweise die wertvollen Worte. Da die offizielle deutsche Übersetzung noch nicht vorliegt, handelt es sich um eine eigene Übersetzung. In seiner italienischen Katechese sagte der Papst:
„Kinderlose Gesellschaften wie in Europa sind depressiv“
„Kinder sind die Freude der Familie und der Gesellschaft. Sie sind weder ein Problem der Reproduktionsbiologie noch eine der vielen Arten sich selbst zu verwirklichen. Und schon gar nicht sind sie ein Besitz der Eltern … Kinder sind ein Geschenk. Jedes ist einzigartig und unwiederholbar und gleichzeitig unverwechselbar mit seinen Wurzeln verbunden. Sohn und Tochter sein nach dem Plan Gottes bedeutet in sich die Erinnerung und die Hoffnung einer Liebe zu tragen, die sich selbst verwirklicht hat, gerade dadurch, daß sie das Leben eines anderen, neuen und einzigartigen Menschen entfacht hat. Für die Eltern ist jedes Kind es selbst, ganz verschieden, ganz anders. (…) So ist die Familie! Die Kinder sind verschieden, aber alle sind Kinder.
Ein Kind liebt man, weil es Kind ist, nicht weil es schön ist oder weil es so oder anders ist. Nein, sondern weil es Kind ist! Nicht weil es so denkt wie ich, oder meine Wünsche verkörpert. Ein Kind ist ein Kind: ein von uns gezeugtes Leben, das aber für ihn bestimmt ist, zu seinem Wohl, zum Wohl der Familie, der Gesellschaft, der ganzen Menschheit.
Daher rührt die tiefe menschliche Erfahrung, Sohn und Tochter zu sein, die es uns erlaubt, die Dimension der unentgeltlichen Liebe zu entdecken, die nicht aufhört uns zu erstaunen. Es ist die Schönheit, zuerst geliebt zu sein: Die Kinder sind geliebt, bevor sie geboren werden. Wie oft sehe ich Mütter auf dem Platz, die mir ihren Bauch zeigen und mich um den Segen bitten … Diese Kinder sind schon geliebt, bevor sie auf die Welt kommen. Das ist Uneigennützigkeit, das ist Liebe. Sie sind geliebt, vor ihrer Geburt, wie die Liebe Gottes, die uns immer schon zuerst liebt. Sie sind geliebt, noch bevor sie irgend etwas getan haben, um sich das zu verdienen, noch bevor sie sprechen oder denken können, ja noch bevor sie auf die Welt kommen!
Die Kindschaft ist die Grundvoraussetzung um die Liebe Gottes kennenzulernen, die die eigentliche Quelle dieses wahren Wunders ist. In die Seele eines jeden Kindes, so verwundbar es ist, legt Gott das Siegel dieser Liebe, in der seine persönliche Würde beruht, eine Würde, die nichts und niemand zerstören kann. (…)
Eine Gesellschaft von Kindern, die ihre Eltern nicht ehren, ist eine Gesellschaft ohne Ehre. Wenn man die eigenen Eltern nicht ehrt, verliert man die eigene Ehre! (…) Eine Gesellschaft, die aus Bequemlichkeit auf Kinder verzichtet, die sie vor allem als eine Sorge, eine Last und eine Gefahr sieht, ist eine depressive Gesellschaft. Denken wir an viele Gesellschaften, die wir hier in Europa kennen: das sind depressive Gesellschaften, weil sie keine Kinder wollen, keine Kinder haben, die Geburtenrate bei 1 Kind [je Frau im gebärfähigen Alter] liegt. Warum? Jeder von uns denke darüber nach und gebe eine Antwort. Wenn eine mit Kindern gesegnete Familie angeschaut wird, als sei sie eine Last, dann stimmt etwas nicht! Die Generation der Kinder muß verantwortungsbewußt sein, wie auch die Enzyklika Humanae vitae lehrt, aber mehrere Kinder haben, kann nicht automatisch eine unverantwortliche Entscheidung sein. Keine Kinder haben ist eine egoistische Entscheidung. Kinder machen die Gesellschaft jung, bereichern und vervielfältigen ihre Kräfte, schenken ihr Leben. (…)
Jesus, der ewige Sohn, der Sohn in der Zeit wurde, helfe uns, die Würde der Gotteskindschaft zu verstehen und in ihr zu leben.“
Familie Anani und ihre 16 Kinder
Papst Franziskus sprach mit seiner Analyse ein tiefes Geheimnis über die europäischen Gesellschaften aus. In der Tat vermitteln Gesellschaft in Europa den Eindruck depressiv, trübsinnig und zukunftslos zu sein. Ein „Geheimnis“, weil diese Wahrheit im Namen der individuellen Selbstbestimmung, von Egoismus und Überbevölkerungsmythen zu den großen Tabus der westlichen Gesellschaft und ihres „Wertekanons“ gehört.
Als wäre es abgesprochen gewesen, wurde gestern im italienischen Staatsfernsehen RAI vor elf Millionen Fernsehzuschauern die Familie Anani vorgestellt. Aurelio Anani (47) und seine Frau Rita (43) haben am 8. Dezember 1993, dem Hochfest Mariä Unbefleckte Empfängnis geheiratet. Sie haben heute 16 Kinder im Alter zwischen 20 Jahren und 20 Monaten. Der Familienvater arbeitet an der Akademie der bildenden Künste in Catanzaro, mit einem Gehalt von 2.200 Euro im Monat („einschließlich Kindergeld“). Die Familienmutter ist Hausfrau. Eine katholische Familie: „Als
wir unser Ja-Wort gegeben haben, war für uns klar, daß wir für das Leben offen sind, wie Gott es uns schenkt. Wir lieben jedes unserer Kinder. Jedes ist anders. Jedes ist wunderbar“, hatte Rita Anani in einem früheren Interview gesagt. Im Teatro Aurelio vor einem Millionenpublikum ließ sich die Familie gestern auch nicht durch die „obligaten“ Bemerkungen des Fernsehmoderators irritieren, mit denen (fast) alles und jeder auf eine lustig-locker-lächerliche Ebene gezogen werden soll. „Was uns besonders macht, ist Christus“, sagt Aurelio Anani ins Mikrophon.
Der Papst und die „Karnickel“
Schade, daß Papst Franziskus sich selbst im Weg steht und seine wertvollen Aussagen selbst neutralisiert. Der gestrigen Aussagen von der „Kostbarkeit“ der Kinder und ihrer äußeren und inneren Bedeutung für die Gesellschaft und die Menschheit steht der Karnickel-Sager vom 19. Januar entgegen. Auf dem Rückflug von den Philippinen nach Rom sagte Papst Franziskus wörtlich: „Manche glauben, und entschuldigen Sie den Ausdruck, daß sie, um gute Katholiken zu sein, wie die Karnickel sein müssen.“ Laut eigenen Angaben wollte der Papst damit für „verantwortungsbewußte Familienplanung“ werben. Eine Volksweisheit besagt: „Knapp vorbei ist auch daneben“. Der Papst-Sager ging in Windeseile als Schlagzeile um die Welt.
Wie viele im Teatro Aurelio und zu Hause vor den Fernsehgeräten werden beim Anblick der Familie Anani an Papst Franziskus und die Karnickel gedacht haben? Auch darin liegt das Drama dieses Pontifikats.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Rai/Der Standard (Screenshots)