Katholische Scheidung? Aber nennt es nicht Scheidung – Papst Franziskus zur Rota Romana


Papst Franziskus an der Rota Romana
Papst Fran­zis­kus an der Rota Romana

(Rom) In sei­ner Anspra­che am gest­ri­gen Frei­tag zur Eröff­nung des neu­en Gerichts­jah­res der Sacra Rota Roma­na gab Papst Fran­zis­kus dem Ober­sten Gerichts­hof eine neue Rich­tung vor. Eine Vor­ga­be, die als Wink für alle Kir­chen­ge­rich­te gilt. Zusam­men­fas­send könn­te man sagen, daß zwar nicht von einer kirch­li­chen Schei­dung die Rede sein sol­le, daß man die­ser fak­tisch aber deut­lich näherrückt.

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Die päpst­li­chen Vor­ga­ben fügen sich in das Gesamt­bild einer pro­gres­si­ven Ehe­agen­da, die die welt­li­che Pra­xis von Schei­dun­gen und Zweit­ehen mit der Kir­che irgend­wie in Ein­klang zu brin­gen ver­sucht. Für unter­schied­li­che „Lebens­ab­schnitts­part­ner­schaf­ten“ muß das Ehe­sa­kra­ment und die damit ver­bun­de­ne Unauf­lös­lich­keit der Ehe dia­lek­tisch umge­deu­tet wer­den. Ein Gewaltakt. 

Kurz vor Beginn der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie ernann­te Papst Fran­zis­kus im Sep­tem­ber 2014 eine Kom­mis­si­on, deren Auf­ga­be es ist, ein beschleu­nig­tes und ver­ein­fach­tes Pro­ce­de­re für Ehe­nich­tig­keits­ver­fah­ren zu erarbeiten.

Wie in ande­ren Fäl­len ging Fran­zis­kus gestern nicht auf Details ein. So sag­te er auch nicht, daß künf­tig viel­leicht eine Instanz genü­gen könn­te, wo seit mehr als 250 Jah­ren erst nach gleich­lau­ten­den Nich­tig­keits­ent­schei­dun­gen zwei­er Instan­zen eine Ehe für nich­tig zu betrach­ten ist.

Soziologische Analyse mit sozialpopulistischem Einsprengsel

Papst Fran­zis­kus for­der­te einen kosten­lo­sen Zugang zu kir­chen­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren. Neben die­sem sozi­al­po­pu­li­sti­schen, in der Sache aber belang­lo­sen Muß des argen­ti­ni­schen Pon­ti­fi­kats wies der Papst jedoch in eine ganz neue Rich­tung. Die Kir­chen­ge­rich­te soll­ten die Kri­te­ri­en erwei­tern, die zu einer Nich­tig­keits­fest­stel­lung füh­ren kön­nen. Kon­kret begrün­de­te der Papst die hohe Zahl der schei­tern­den Ehen mit einem zu gerin­gen Glau­ben. Dem Papst ging es dabei aber weni­ger um die Ana­ly­se, die zu Ände­run­gen am Anfang, näm­lich vor der Ehe­schlie­ßung füh­ren müß­te. Er ziel­te auf das Ende ab: man­geln­der Glau­be und damit unzu­rei­chen­des Ehe­ver­ständ­nis soll­ten künf­tig von den Kir­chen­ge­rich­ten welt­weit als Nich­tig­keits­grund im Sin­ne von Canon 1099 Berück­sich­ti­gung finden.

Scheitern der Ehe verlangt „Umkehr“ der Kirche nicht der Eheleute?

Wört­lich sprach der Papst von einem „schwer­wie­gen­den Defi­zit“ im Ver­ständ­nis der Ehe und leg­te sozio­lo­gi­sche Über­le­gun­gen vor. Was er damit mein­te sag­te er im Anschluß: „Auch hier besteht die Not­wen­dig­keit zu einer pasto­ra­len Umkehr in den kirch­li­chen Struk­tu­ren.“ Die „kirch­li­chen Struk­tu­ren“ müs­sen „umkeh­ren“. Die vie­len schei­tern­den Ehen mutier­ten in den Wor­ten des Pap­stes zu einem struk­tu­rel­len Pro­blem der Kir­che, nicht der Ehe­leu­te. Der Papst sag­te als Aus­fluß sei­ner Ana­ly­se nicht, daß die Prie­ster Braut­leu­te genau­er vor­be­rei­ten und deren Glau­ben näher prü­fen soll­ten, bevor sie sie zum Ehe­sa­kra­ment zulas­sen. Er sag­te auch nicht, daß die Ehe­leu­te umkeh­ren müßten.

„Heil der Menschen nicht in juristischer Engführung einschließen“

Und an die Rich­ter gewandt: „Das ist eure schwie­ri­ge Auf­ga­be, wie die aller Rich­ter in den Diö­ze­sen: das Heil der Men­schen nicht in juri­sti­schen Eng­füh­run­gen ein­schlie­ßen.“ Mit kei­nem Wort erwähn­te der Papst ein offen­sicht­li­ches Ver­sa­gen bei der Zulas­sung zum Ehe­sa­kra­ment, wenn sovie­le geschei­ter­te Ehen auf ein man­geln­des Ehe­ver­ständ­nis durch man­geln­den Glau­ben zum Zeit­punkt der Ehe­schlie­ßung zurück­ge­hen. Damit erhal­ten die päpst­li­chen Anwei­sun­gen an die Kir­chen­ge­rich­te eine Schlag­sei­te, die das Wort „Schei­dung“ zwar ener­gisch zurück­weist, aber de fac­to einer kirch­li­chen Schei­dung ziem­lich naherückt.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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