Das Zweite Vatikanische Konzil – Ein ausstehender Diskurs


Das Zweite Vatikanische Konzil - ein ausstehender Diskurs
Das Zweite Vatikanische Konzil - ein ausstehender Diskurs

von Wolf­ram Schrems*

Anzei­ge

Viel­leicht bedeu­tet es wie­der­um, Eulen nach Athen zu tra­gen, wenn auf die­ser Sei­te ein Buch über das Zwei­te Vati­ca­num vor­ge­stellt wird. Man kann davon aus­ge­hen, daß eine ein­schlä­gig ver­sier­te Leser­schaft das Buch bereits kennt. Aber nach­dem es mir wich­tig erscheint, sei es hier aus­führ­lich gewürdigt.

Typische Umstände unserer Zeit

Sym­pto­ma­tisch für unse­re Zeit ist, daß die deut­sche Über­set­zung die­ses hoch­in­ter­es­san­ten Wer­kes in einem sehr jun­gen und klei­nen Ver­lag erschei­nen muß­te. Offen­sicht­lich will man in den eta­blier­ten Ver­lags­häu­sern die Wahr­heit nicht hören – und noch viel weni­ger drucken. Mit dem Car­thu­sia­nus-Ver­lag und des­sen schma­lem, aber exqui­si­tem Buch­pro­gramm ist dem Initia­tor Peter Bar­thold aber ein sehr schö­nes Pro­jekt gelungen.

Sym­pto­ma­tisch für unse­re Epo­che der Kir­chen­ge­schich­te ist, daß der Ver­fas­ser des Geleit­wor­tes, Msgr. Mario Oli­veri, Bischof von Alben­ga-Impe­ria, kürz­lich von Papst Fran­zis­kus einen Koad­ju­tor mit Nach­fol­ge­recht auf­ge­nö­tigt bekam. Der Ver­fas­ser des Vor­wor­tes, Msgr. Albert Mal­colm Ran­jith, Erz­bi­schof von Colom­bo, ist im neu­en Pon­ti­fi­kat auch nicht mehr Sekre­tär der Kon­gre­ga­ti­on für den Got­tes­dienst und die Sakra­men­ten­ord­nung. Der Orden der Fran­zis­ka­ner der Imma­cu­la­ta, der das Ver­lags­haus betreibt, in dem die ita­lie­ni­sche Ori­gi­nal­aus­ga­be erschien, steht unter einer unver­hält­nis­mä­ßig bru­ta­len kom­mis­sa­ri­schen Ver­wal­tung. Kar­di­nä­le, Bischö­fe und Ordens­leu­te, die sich zum über­lie­fer­ten Glau­ben und zur klas­si­schen Lit­ur­gie beken­nen, haben es der­zeit in der Kir­che sehr schwer. Die­se Tat­sa­chen sind den regel­mä­ßi­gen Lesern die­ser Sei­te natür­lich wohlvertraut.

Sym­pto­ma­tisch ist es schließ­lich, daß sich vie­le Men­schen, die etwas zu sagen hät­ten, erst gegen Ende ihrer Berufs­lauf­bahn oder danach zu arti­ku­lie­ren wagen. Das gilt für Poli­ti­ker, Wirt­schafts­ka­pi­tä­ne, Intel­lek­tu­el­le und Mili­tärs genau­so wie für Kir­chen­leu­te. Inso­fern fin­det man es bedau­er­lich, daß Bru­ne­ro Gherar­di­ni, gebo­ren 1925, Pro­fes­sor an der Late­ran-Uni­ver­si­tät, Pro­te­stan­tis­mus-Spe­zia­list, Kano­ni­ker der Päpst­li­chen Basi­li­ka St. Peter, Kon­sul­tor der Kon­gre­ga­ti­on für die Selig- und Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se und Mit­glied der Päpst­li­chen Aka­de­mie für die Theo­lo­gie, erst spät im Leben mit sei­nem Wider­spruch zur „offi­zi­el­len“ Bewer­tung des Zwei­ten Vati­can­ums an die Öffent­lich­keit getre­ten ist.

Das Buch

Es behan­delt in neun Kapi­teln grund­sätz­li­che Fra­gen zu Bedeu­tung und Gren­zen des Kon­zils, zu sei­ner Inter­pre­ta­ti­on und zur Gesamt­be­wer­tung, und geht auf vier Ein­zel­the­men (gemäß den betref­fen­den Kon­zils­tex­ten) genau­er ein: Lit­ur­gie, Reli­gi­ons­frei­heit, Öku­me­ne und Kirche.

Dem Autor gelingt es, sein gro­ßes Wis­sen inter­es­sant, geist­reich, gele­gent­lich iro­nisch, mit tie­fem Glau­bens­sinn und schar­fem Ver­stand aufzubereiten.

Ein hohes Pro­blem­be­wußt­sein und eine gewis­se theo­lo­gi­sche Vor­bil­dung sind beim Leser vorausgesetzt.

Der Verständnisschlüssel: Die „Flucht vor Gott“ und das Wirken des Bösen

Um die eupho­risch for­mu­lier­ten und gleich­zei­tig zutiefst ver­wir­ren­den Tex­te des Kon­zils rich­tig zu ver­ste­hen, bringt Gherar­di­ni den bewuß­ten Abfall von Gott und den ver­füh­re­ri­schen Rausch des „Moder­nen“ ins Spiel:

„Vor­herr­schend war tat­säch­lich das fort­schrei­ten­de Schwä­cher­wer­den des katho­li­schen Selbst­be­wusst­seins unter dem Druck einer Kul­tur, die sich unauf­halt­sam auf der Flucht vor dem Über­na­tür­li­chen befand. Ihm gegen­über nahm, in Theo­rie wie Pra­xis, die Per­spek­ti­ve der Com­mu­nio-Kir­che Gestalt an und wur­de wirk­lich vor­herr­schend. Nicht jene der wun­der­ba­ren com­mu­nio sanc­torum, die an die klas­si­sche Theo­lo­gie gebun­den war, son­dern jene, die sich im Ant­litz einer end­lich moder­nen Kir­che erken­nen ließ. Ein end­lich gemein­sa­mes Haus, wo alle end­lich Zugang hat­ten“ (45f).

Damit ver­bun­den war eine für die „Auf­klä­rung“ typi­sche völ­li­ge Fehl­ein­schät­zung der rea­len mensch­li­chen Verfaßtheit:

„[Das Kon­zil mach­te sich] dar­an, ohne eine ange­mes­se­ne Vor­be­rei­tung das Ide­al des erwach­se­nen und eman­zi­pier­ten Chri­sten ein­zu­sen­ken (…). Dar­aus konn­te nur eine Kri­se ent­ste­hen“ (46).

Und zum heu­te längst als Maku­la­tur erwie­se­nen Opti­mis­mus der „Zuwen­dung zur Welt“:

„Ich habe anläss­lich die­ses Anthro­po­zen­tris­mus schon auf das Inter­es­se hin­ge­wie­sen, das die Kon­sti­tu­ti­on [Gau­di­um et spes], viel­mehr das Zwei­te Vati­ka­num als sol­ches, dem Men­schen wid­met. Ein Inter­es­se, durch­so­gen von nai­vem und sozu­sa­gen blin­dem Wohl­wol­len, das die Fun­die­rung der Men­schen­wür­de und die Erhö­hung ihrer Frei­heit auf vor­wie­gend natu­ra­li­sti­schen Grund­la­gen vor­nimmt, um dar­aus Fol­ge­run­gen zu zie­hen, die sich (…) schlicht gesagt als ver­hee­rend erwei­sen“ (183).

Schließ­lich ging die Fehl­ent­wick­lung auch nicht „von selbst“ von­stat­ten, son­dern bedurf­te der Ent­schei­dun­gen einer Grup­pe von Män­nern, die aus wel­chen Grün­den auch immer in die Fuß­stap­fen des Ver­rä­ters des ersten Jün­ger­krei­ses getre­ten sind:

„Es besteht eine gewis­se Logik sogar in der Orga­ni­sa­ti­on eines teuf­li­schen intel­li­gence ser­vice im Zen­trum der Kir­che selbst, der vor ‚Intri­gen, Mor­den, Kom­plot­ten‘ nicht zurück­schreckt (es sind Fak­ten, die sich mei­ner Kon­trol­le ent­zie­hen und die ich ent­neh­me aus: E. Frat­ti­ni, L’entità , Roma, Fazi Ed. 2008)“ (88f).

Der berüchtigte „Geist des Konzils“ und die mirakulöse „Hermeneutik der Kontinuität“

Gherar­di­ni kri­ti­siert den „Geist des Kon­zils“, der als Recht­fer­ti­gung für alles und jedes her­hal­ten muß – der aber auch jede Kon­ti­nui­tät mit der Geschich­te vor dem Kon­zil pre­kär und eine „Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät“ (Bene­dikt XVI.) schwer durch­führ­bar erschei­nen läßt:

„Die­ser Geist, der sogleich enthu­sia­sti­sche Zustim­mung erfuhr, wur­de von der nach­kon­zi­lia­ren Epo­che auf­ge­grif­fen, vor allem dank des Wer­kes der Pro­fes­so­ren Albe­ri­go und Mel­lo­ni aus Bolo­gna. Wie eine Her­me­neu­tik der Kon­ti­nui­tät in Anbe­tracht sol­cher Prä­mis­sen mög­lich ist, kann ich wirk­lich nicht begrei­fen“ (138).

Das Cha­os der Lit­ur­gie ist ein beson­ders aus­sa­ge­kräf­ti­ges Bei­spiel für den The­men­be­reich Kon­ti­nui­tät oder Diskontinuität:

„Auch wenn man zugibt, dass das Zwei­te Vati­ka­num für das nach­kon­zi­lia­re Cha­os im lit­ur­gi­schen Bereich nicht direkt ver­ant­wort­lich zeich­net, so tut es dies zumin­dest in indi­rek­ter Form, sowohl durch den zur Mode gewor­de­nen Ver­weis auf sei­ne Auto­ri­tät als auch durch die Anknüp­fung der lit­ur­gi­schen Neue­run­gen an den einen oder ande­ren Arti­kel [der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on Sacro­sanc­tum Con­ci­li­um] oder an die gesam­te Kon­sti­tu­ti­on“ (145).

Die falsch konzipierte „Menschenwürde“ als Grundlage einer falschen „Religionsfreiheit“

Brunero Gherardini
Bru­ne­ro Gherardini

Das The­ma der Reli­gi­ons­frei­heit, m. E. der wirk­mäch­tig­ste Punkt des Kon­zils, wur­de durch die Erklä­rung Dignita­tis hum­a­nae in ent­schei­den­der Wei­se ver­wirrt. Knapp fünf­zig Jah­re nach der Ver­ab­schie­dung die­ses ver­mut­lich schäd­lich­sten aller Kon­zils­do­ku­men­te sehen wir des­sen ver­hee­ren­de Aus­wir­kun­gen allent­hal­ben. Sämt­li­che Ver­su­che, eine inhalt­li­che Kon­ti­nui­tät mit dem vor­her­ge­hen­den Lehr­amt zu kon­stru­ie­ren, über­zeu­gen nicht. Auch hoch­ge­bil­de­te Autoren dif­fe­rie­ren in der Ana­ly­se und Beur­tei­lung die­ses schil­lern­den Doku­ments erheb­lich (Andre­as Laun, Rober­to de Mat­tei, Tho­mas Pink, zuletzt – sehr sub­til – Edmund Wald­stein, um nur eini­ge zu nennen).

Man hat das Doku­ment in Kir­che und Welt ernst­ge­nom­men: Her­aus­ge­kom­men ist eine von der kirch­li­chen Füh­rung selbst (!) ver­ord­ne­ten Selbst­auf­ga­be der katho­lisch gepräg­ten Staa­ten und Völ­ker. Jeder Ver­such, die poli­ti­sche und kul­tu­rel­le Sphä­re nach den Grund­sät­zen des Glau­bens und des Natur­rechts zu gestal­ten, wird mit Ver­weis auf das „Gewis­sen“ ande­rer, z. B. isla­mi­scher Ein­wan­de­rer, abge­schmet­tert bzw. auf­grund der erreich­ten Selbst­zen­sur von vorn­her­ein unter­las­sen. Dabei ist die uto­pisch kon­zi­pier­te „Gewis­sens­frei­heit“ das maß­geb­li­che Kri­te­ri­um. Gemäß die­ser Kon­zep­ti­on wür­den alle Men­schen auf­grund einer „Gewis­sens­ent­schei­dung“ ihre „Reli­gi­on“ aus­üben. Hier dür­fe man nicht inter­fe­rie­ren, schon gar nicht durch die welt­li­che Autorität.

Nun, man muß nur betrach­ten, wel­che skur­ri­len, lach­haf­ten oder auch grau­sa­men Prak­ti­ken die nicht- und anti­christ­li­chen „Reli­gio­nen“ vor­schrei­ben – und die sol­len aus­ge­rech­net aus „Gewis­sens­grün­den“ prak­ti­ziert werden?

Das spot­tet jeder Lebenserfahrung.

Und über­haupt: Wie­vie­le Zeit­ge­nos­sen leben denn wirk­lich – innen­ge­steu­ert – nach ihrem Gewis­sen? Doch kaum mehr als eine win­zi­ge Minderheit.

Nach­dem man aber gemäß Dignita­tis hum­a­nae jeg­li­chem Mum­pitz alle mög­li­chen Rech­te zuge­steht, ist damit der Weg der euro­päi­schen, christ­li­chen bzw. post­christ­li­chen Natio­nen auf ein Drit­te-Welt-Niveau vorprogrammiert.

Gherar­di­ni meint, daß die­se Erklä­rung zwar „in abstrak­tem Sinn (…) ein­wand­frei“ sei (eine Ein­schät­zung, die der Rezen­sent nicht teilt), hält aber fest, daß es „kein abso­lut abstrak­tes Sub­jekt“ gibt, da jedes in kon­kre­ten Umstän­den und im Zusam­men­hang mit ande­ren steht.

Er weist dar­über hin­aus dar­auf hin, daß es gegen­über der geof­fen­bar­ten Wahr­heit kei­ne legi­ti­me Neu­tra­li­tät und kein Recht auf Igno­ranz gibt:

„Man möge sich unter­des­sen dar­an erin­nern, dass nie­mand gegen­über der Wahr­heit (Gott, der Offen­ba­rung, der wah­ren Reli­gi­on) mora­lisch frei ist. Ihre Unkennt­nis, wenn sie in direk­ter Wei­se frei­wil­lig ist, inso­fern sie die Ver­wei­ge­rung des­sen, was man zu wis­sen gehal­ten ist, beinhal­tet, stellt sogar eine der schwer­sten mora­li­schen Ver­ant­wort­lich­kei­ten dar – viel­mehr: die schwer­ste (…)“ (167).

A pro­pos Unkennt­nis: Da Papst Fran­zis­kus in einer sei­ner vie­len ver­un­glück­ten Stel­lung­nah­men den „Pro­se­ly­tis­mus“ ohne wei­te­re Spe­zi­fi­ka­ti­on als „Rie­sen­dumm­heit“ (solen­ne scioc­chez­za) ver­ur­teil­te, gleich­zei­tig aber zur – eben­falls nicht wei­ter spe­zi­fi­zier­ten – „Mis­si­on“ auf­rief, ist fol­gen­de Bemer­kung Gherar­di­nis von plötz­li­cher Dringlichkeit:

„Es ist wahr, dass sich die Ver­ur­tei­lung des Pro­se­ly­tis­mus auf den­je­ni­gen erstreckt, der mit­tels Gel­des, Ver­spre­chun­gen, Ein­schüch­te­rung, Ver­leum­dung und Nöti­gung vor­geht. Es ist aber auch wahr, dass man heut­zu­ta­ge von allen Kan­zeln zum Pro­se­ly­tis­mus als sol­chem Nein sagt. Als ob er nicht zum Wesen der mis­sio­na­ri­schen Kir­che gehör­te“ (170).

Der Ökumenismus als Resultat schlampiger Analyse

Mas­siv kri­ti­siert wird die Ober­fläch­lich­keit des Öku­me­n­ede­krets Unita­tis red­in­te­gra­tio:

„Wel­cher ist also der Pro­te­stan­tis­mus von UR? (…) Die Rea­li­tät besteht dar­in, dass der Pro­te­stan­tis­mus heu­te kein ein­heit­li­ches Gesicht besitzt: er besitzt Dut­zen­de (…) In Ame­ri­ka gibt es ein gan­zes Gewim­mel von Sek­ten, die manch­mal mit der Hoch­fi­nanz und der berüch­tig­ten ‚ini­mica vis‘ von Leo XIII. [gegen die Frei­mau­rer gerich­te­tes Schrei­ben vom 8. 12. 1892] in Ver­bin­dung ste­hen: Metho­di­sten, Bap­ti­sten, Quä­ker, Mor­mo­nen, Zeu­gen Jeho­vas, Zeu­gen des sieb­ten Tages. Ja, noch ein­mal stellt sich die Fra­ge: Wel­cher ist der Pro­te­stan­tis­mus von UR?“ (199)

Schlußfolgerung des Autors

Gherar­di­ni bekämpft den nicht zu recht­fer­ti­gen­den Ver­such, „DAS Kon­zil“ als letzt­maß­geb­li­che kirch­li­che Äuße­rung hinzustellen:

„[Die übli­che Mei­nung], nach der das Zwei­te Vati­ka­num alles und alles gut gesagt hät­te, führt zu der Kon­se­quenz, dass es für uns nichts mehr zu sagen gäbe und dass alles, was man sagen woll­te, ledig­lich eine getreue Wie­der­ga­be sei­ner kon­zi­lia­ren Bestim­mun­gen sein darf, mit dem ein­zi­gen Zweck, den Anfang zu einem neu­en Leben der Kir­che, wenn nicht gar zu einer neu­en Kir­che, zu bil­den (…) In Wirk­lich­keit hat die Beto­nung des Neu­en (…) den Effekt gehabt – manch einer hat dies jedoch beab­sich­tigt – dem letz­ten Kon­zil den Cha­rak­ter des gefürch­te­ten, unmög­li­chen und bekla­gens­wer­ten Neu­be­ginns zu ver­lei­hen“ (224).

Auch wenn Gherar­di­ni das Kon­zil nicht voll­stän­dig ver­wirft, sieht er doch klar den Zusam­men­hang der Kon­zils­tex­te mit den nach­kon­zi­lia­ren Ver­wir­run­gen und nennt Namen:

„Dass dann der libe­ra­le Geist der nach­kon­zi­lia­ren Epo­che Frei­räu­me für die Befrei­ungs­theo­lo­gien und die Theo­lo­gien ‚im Geni­tiv‘ eröff­net hat­te, stellt in der Tat kein Geheim­nis dar. (…) K. Rah­ner, H. Küng, E. Schil­le­be­eckx sind die­je­ni­gen Män­ner, die, wie ich schon öfter erwähnt habe, bahn­bre­chend waren, doch um sie her­um tum­melt sich die legio aus Mk 5,9“ (228f).

Gherar­di­ni sagt damit, daß die maß­geb­li­chen Kon­zils­theo­lo­gen vom Glau­ben abge­fal­len waren. Er rückt sie in die Nähe der „Legi­on“ von Dämo­nen, die der Herr aus dem Beses­se­nen von Gera­sa austrieb.

Kei­ne unan­ge­mes­se­ne Bewertung.

Resümee

Nach­dem heu­er Gedenk­ver­an­stal­tun­gen von infla­tio­nä­rem Aus­maß und ohne inhalt­li­cher Bedeut­sam­keit zum 50. Jah­res­tag des Abschlus­ses des Kon­zils (8. Dezem­ber 1965) zu erwar­ten sind, haben wir jeden Anlaß, die­ses wich­ti­ge Buch gründ­lich zu kon­sul­tie­ren und dar­aus Kon­se­quen­zen abzu­lei­ten. Beson­ders die öster­rei­chi­schen Bischö­fe soll­ten das tun. Es wäre für alle von Nutzen.

Das Buch in deutscher Ausgabe
Das Buch in deut­scher Ausgabe

In Zei­ten enor­men Kon­for­mi­täts­drucks im Fal­schen und Revo­lu­tio­nä­ren hat ein sol­ches Buch gera­de­zu kon­ter­re­vo­lu­tio­nä­res Potential.

Sym­pto­ma­tisch für unse­re Zeit ist es dem­zu­fol­ge auch, daß in unse­ren Tagen ein „ver­fehl­tes Kon­zil“ (un con­ci­lio man­ca­to, Ranie­ro la Val­le) aus­ge­rech­net von einem Papst wie­der­auf­ge­grif­fen wird, der mit dem Jesui­ten­or­den einer Ordens­ge­mein­schaft ent­stammt, die in fünf­zig Jah­ren auf weni­ger als die Hälf­te der Mit­glie­der­an­zahl gefal­len ist (ca. 17.000).

Und die schon lan­ge nicht mehr als katho­li­sche Ver­ei­ni­gung erkenn­bar ist.

Auch die Gesell­schaft Jesu ist zugleich Täter und Opfer der Apo­sta­sie in der kon­zi­lia­ren Kir­che. Wo der Glau­be ver­schwin­det, ver­schwin­den auch Ver­nunft und rech­tes Wol­len. Die (so gut wie) lee­re Hül­le des Ordens wird im Dienst der welt­lich Mäch­ti­gen für grün­dungs­frem­de Zwecke mißbraucht.

Der Nie­der­gang von Papst­tum und Jesui­ten­or­den, der­zeit in einer ein­zi­gen Per­son ver­sinn­bild­licht, ist tragisch.

Und da der Zustand der Kir­che sich unwei­ger­lich auf den Zustand der Welt aus­wir­ken muß, sind die Irrun­gen eines ver­rä­te­ri­schen Kon­ven­ti­kels von Kir­chen­füh­rern und Theo­lo­gen naht­los auf Poli­tik und Kul­tur übergegangen.

Ein gro­ßes Lob geht an die Über­set­ze­rin, der eine sehr gut les­ba­re Text­ver­si­on gelun­gen ist. Sie hat sich auch die Mühe gemacht, zahl­rei­che wert­vol­le ergän­zen­de Erklä­run­gen als Fuß­no­ten anzu­fü­gen. Auch das Lek­to­rat hat her­vor­ra­gend gearbeitet.
Dank daher an Ver­le­ger und Über­set­ze­rin und beson­ders an den Autor, dem wir zum 90. Geburts­tag am 1. Febru­ar herz­lich gra­tu­lie­ren wollen!

Bru­ne­ro Gherar­di­ni, Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – Ein aus­ste­hen­der Dis­kurs, Deutsch von Clau­dia Bar­thold, Car­thu­sia­nus-Ver­lag, Mühlheim/​Mosel 2010, 239 S., 18.30 [A] (Orig. Con­ci­lio Ecu­me­ni­co Vati­ca­no II – UN DISCORSO DA FARE, Casa Maria­na Editri­ce, Fri­gen­to 2009)

*MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, Katechist

Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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