Argumentationsniveau und Überzeugungskraft des traditionellen Katholizismus – angesichts von Vaticanum II und des Modernismus


überlieferte Messe

In Ergän­zung zum jüngst ver­öf­fent­lich­ten Bei­trag Glau­bens­treue und theo­lo­gi­sche Stand­punk­te – ein Unter­schied, den man nicht über­se­hen darf greift Cle­mens Vic­tor Olden­dorf erneut zur Feder, um Aspek­te der Dis­kus­si­ons- und Argu­men­ta­ti­ons­fä­hig­keit der Tra­di­ti­on in der inner­kirch­li­che Debat­te zu präzisieren.

Anzei­ge

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Gast­kom­men­tar von Cle­mens Vic­tor Oldendorf.

Wenn man die Anzahl der Kom­men­ta­re, die auf einen Arti­kel bei Katho​li​sches​.info hin geschrie­ben und ver­öf­fent­licht wer­den, als Grad­mes­ser für das Inter­es­se nimmt, auf das der Bei­trag stößt, sind die Auf­sät­ze, die ich bis­her hier ver­öf­fent­licht habe, höchst erfolgreich.

Die­ser erste Ein­druck rela­ti­viert sich, wenn ich die Kom­men­ta­re inhalt­lich aus­wer­te. Regel­recht nur ver­ein­zelt sind die Stim­men, die mei­nen Über­le­gun­gen bei­pflich­ten oder sich zwar kri­tisch mit mei­nem Stand­punkt aus­ein­an­der­set­zen, ihn aber zumin­dest zutref­fend erfassen.

Vetus OrdoDa ja nicht alle Kom­men­ta­re, die jemand schreibt, auto­ma­tisch erschei­nen, wür­den aller­dings die aller­mei­sten Leser­mei­nun­gen sofort weg­fal­len, sobald die Redak­ti­on kon­se­quent nichts frei­schal­ten wür­de, was ent­we­der über­haupt nichts mit mei­nen Tex­ten zu tun hat, oder irgend­ei­nen Rand­aspekt zur Haupt­aus­sa­ge auf­bauscht und gera­de damit zeigt, weder Inten­ti­on, noch Argu­men­ta­ti­on mei­ner Bei­trä­ge kor­rekt ver­stan­den zu haben und eigen­stän­dig wie­der­ge­ben zu kön­nen. Dies führt zwar nicht not­wen­di­ger­wei­se zur Zustim­mung für eine Posi­ti­on, ist aber – nicht nur bei mir, son­dern ganz gene­rell – die grund­le­gen­de Vor­aus­set­zung, sich einer Sicht­wei­se anzu­schlie­ßen oder sie begrün­det zurückzuweisen.

Die­ser Befund ergibt sich auch, wenn ich auf mei­nen jüng­sten Bei­trag zurück­blicke, der hier publi­ziert wor­den ist. Es geht mir in allen mei­nen Ver­öf­fent­li­chun­gen um Aus­ge­wo­gen­heit und theo­lo­gisch-argu­men­ta­ti­ve Red­lich­keit, nicht um vor­ge­faß­te Parteinahme.

Zwar bin ich über­zeugt, daß das Kern­pro­blem, dem sich der tra­di­ti­ons­kon­for­me, katho­li­sche Glau­be heu­te gegen­über­sieht, nicht ein lit­ur­gi­sches ist, aber in einem noch­ma­li­gen Ver­such, mich ver­ständ­lich zu machen, möch­te ich ganz kon­kret Ein­blick geben in mei­ne lit­ur­gi­sche Praxis.

Ausschließlich überlieferter Römischer Ritus!

Novus Ordo-Standard
Novus Ordo-Stan­dard

In der Absicht, mei­ne Sonn­tags­pflicht zu erfül­len und auch, wenn ich aus from­mer Andacht werk­tags zur hei­li­gen Mes­se gehe, besu­che ich aus­schließ­lich Got­tes­dien­ste, die nach dem über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus gefei­ert wer­den. Sonn­tags mei­stens, aber nicht aus prin­zi­pi­el­len Erwä­gun­gen, bei der Petrus­bru­der­schaft, werk­tags, nicht nur man­gels ande­rer Gele­gen­heit, in jenem Prio­rat, in dem ich an den bei­den ver­gan­ge­nen Sonn­ta­gen das Hoch­amt besucht habe und übri­gens am 1. Advents­sonn­tag Zeu­ge einer groß­ar­ti­gen Pre­digt über die neun auf­ein­an­der­fol­gen­den Süh­ne­kom­mu­nio­nen am Herz-Jesu-Frei­tag gewor­den bin, zu denen der Pri­or biblisch, theo­lo­gisch und histo­risch gut fun­diert für das gera­de ange­bro­che­ne, neue Kir­chen­jahr aufforderte.

Manch­mal neh­me ich die Gele­gen­heit wahr, die Werk­tags­mes­se eines Ordens­prie­sters zu besu­chen, der als Pfar­rer ein­ge­setzt ist und ein­mal wöchent­lich im über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus zele­brie­ren kann. Da im neu­en Ritus erschwe­rend hin­zu­kommt, daß sich prak­tisch nie­mand dar­an hält, wür­de ich gege­be­nen­falls eher in die Mes­se eines Prie­sters gehen, der im Sin­ne einer pri­va­ten, theo­lo­gi­schen Mei­nung die Sedis­va­kanz­the­se ein­nimmt, als die mir erreich­ba­ren Zele­bra­tio­nen im neu­en Ritus zu besu­chen, obgleich ich selbst über­zeugt bin, daß man ein aktu­el­les Bestehen einer außer­or­dent­li­chen Sedis­va­kanz nicht strin­gent bewei­sen konn­te oder kann, und wenn, es dar­aus kei­nen Aus­weg gibt. Bis­her habe ich dies wis­sent­lich aller­dings nur ein­mal getan und auch die hei­li­ge Kom­mu­ni­on emp­fan­gen, die mir der Zele­brant, der mitt­ler­wei­le ver­stor­ben ist, nicht gespen­det hät­te, hät­te er aus der Sedis­va­kanz gleich­sam einen Glau­bens­ar­ti­kel gemacht, denn er wuß­te, daß ich die Legi­ti­mi­tät der regie­ren­den Päp­ste durch­gän­gig anerkenne.

Selbst­ver­ständ­lich wür­de ich auch an jedem ande­ren, in der Kir­che legi­tim über­lie­fer­ten und prak­ti­zier­ten Ritus teil­neh­men, doch prin­zi­pi­ell hat man einen grund­sätz­li­chen Anspruch, im Regel­fall in dem Ritus zu prak­ti­zie­ren, dem man selbst angehört.

Grund­la­ge für die­se Posi­ti­on ist eben der Unter­schied zwi­schen Glau­bens­treue und theo­lo­gi­schen Posi­tio­nen, und es ist nie­mals erfor­der­lich gewe­sen, in allen Punk­ten mit den theo­lo­gi­schen Mei­nun­gen des Prie­sters oder der Gemein­schaft, der er ange­hört, über­ein­zu­stim­men, bei dem man zur hei­li­gen Mes­se geht.

Zwei Usus, ein Ritus – de iure anzuerkennen unter Voraussetzung einer „Reform der ‚Reform‘ “

Karnevalsstimmung im Novus Ordo
Kar­ne­vals­stim­mung im Novus Ordo

Gleich­zei­tig kann ich nach­voll­zie­hen und de iure aner­ken­nen, war­um Bene­dikt XVI. den Novus Ordo als ordent­li­chen Usus bestimmt hat und den Vetus Ordo als außer­or­dent­li­chen. Die Art der Zuord­nung ist pro­ble­ma­tisch, weil bei einer „Reform der ‚Reform‘ “ der außer­or­dent­li­che Usus kir­chen­recht­lich streng­ge­nom­men am ordent­li­chen zu ori­en­tie­ren wäre, wohin­ge­gen nach all­ge­mei­ner Rezep­ti­on von Joseph Ratz­in­ger an sich das Umge­kehr­te erfor­der­lich sein müßte.

In dem Maße, wie offen­sicht­lich wird, daß es zu kei­ner sol­chen Reform kommt, wird die Ver­pflich­tung brü­chig, sach­lich einen Ritus in zwei Usus anzu­ken­nen und eben­so die Zuord­nung von ordent­lich und außer­or­dent­lich. Die Ten­denz, den Novus Ordo gleich­sam nur zere­mo­ni­ell zu triden­ti­ni­sie­ren, hät­te maxi­mal ein erster Schritt einer „Reform der ‚Reform‘ “ sein kön­nen. Bleibt man dabei ste­hen, ver­deckt man eher die Defi­zi­te der neu­en Lit­ur­gie. Bei den frü­hen luthe­ri­schen Lit­ur­gien gab es dazu übri­gens eine Ana­lo­gie, der Unter­schied war, dass die Defi­zi­te der luthe­ri­schen Lit­ur­gien, die in der äuße­ren Gestalt zuerst und ziem­lich lan­ge sogar eine star­ke Über­ein­stim­mung mit dem ererb­ten Got­tes­dienst bei­be­hiel­ten, sich zu Defek­ten aus­wuch­sen, die die sakra­men­ta­le Gül­tig­keit ver­letz­ten. Inzwi­schen ist die­ser, allein unzu­rei­chen­de, erste Schritt oben­drein bereits wie­der zurückgenommen.

Weder volle Verpflichtung, noch volles Verbot des Novus Ordo

Stift Heiligenkreuz: nach Rukriken zelebrierter Novus Ordo
Stift Hei­li­gen­kreuz: kor­rekt gefei­er­ter Novus Ordo

Trotz­dem die Gül­tig­keit der vor­schrifts­ge­mäß gefei­er­ten neu­en Lit­ur­gie nicht zu bezwei­feln ist, bin ich einer­seits über­zeugt, daß sie zu kei­nem Zeit­punkt voll ver­pflich­tend auf­er­legt wer­den konn­te. Des­we­gen tei­le ich nicht die offi­zi­el­le Linie der Petrus­bru­der­schaft, wenn kei­ne Gele­gen­heit zur alten Mes­se bestehe, sei­en die Gläu­bi­gen ver­pflich­tet (!), sonn- und fei­er­tags die neue Mes­se zu besu­chen. Dies umso mehr nicht, als die Patres der Petrus­bru­der­schaft trotz Prie­ster­man­gel nicht bereit sind, in Gemein­den des Usus, den sie als ordent­lich aner­ken­nen, in die­sem Usus aus­zu­hel­fen. Wer es zur Beru­hi­gung sei­nes Gewis­sens tun zu müs­sen glaubt, kann mei­nes Erach­tens aus­nahms­wei­se an einem kor­rekt gefei­er­ten Novus Ordo teil­neh­men. Hier wei­che ich wie­der­um vom offi­zi­el­len Stand­punkt der Pius­bru­der­schaft ab, auch, wenn ich per­sön­lich mich in einem sol­chen Aus­nah­me­fall nicht zur Teil­nah­me am Novus Ordo ver­pflich­tet füh­len würde.

Ande­rer­seits glau­be ich nicht, daß der Papst bei einer ech­ten „Reform der ‚Reform‘ “ den Novus Ordo zwangs­läu­fig von heu­te auf mor­gen wie­der ver­bie­ten muß und dies über­haupt könn­te. Ich wür­de auch nie­man­dem, der sich wirk­lich an die Vor­ga­ben des Usus recen­ti­or gehal­ten hat und hält, das Recht dazu abspre­chen, in die­sem Usus zu prak­ti­zie­ren. Denn gera­de, wenn man histo­risch den Weg betrach­tet, den die lit­ur­gi­sche Über­lie­fe­rung genom­men hat, kann es sein, daß der Novus Ordo da, wo er getreu sei­nen Rubri­ken gefei­ert wor­den ist, wäh­rend meh­re­ren Jahr­zehn­ten der got­tes­dienst­li­chen Pra­xis und Rezep­ti­on eine gewis­se Legi­ti­mi­tät erlangt hat, auch, wenn er sie ursprüng­lich nicht oder höch­stens ver­min­dert beses­sen haben dürf­te, da sei­ne Ein­füh­rung fak­tisch offen­sicht­lich gegen den über­lie­fer­ten Römi­schen Ritus gerich­tet war.

Und jetzt bin ich – salopp gesagt – gespannt, ob es mir viel­leicht doch ein­mal gelun­gen ist – am Bei­spiel der Lit­ur­gie – mei­nen Stand­punkt und den Unter­schied zwi­schen Glau­bens­treue und theo­lo­gi­schen Stand­punk­ten deut­li­cher zu machen. Sonst, und das wäre mir sehr unan­ge­nehm, kommt man nicht umhin, vie­len, von Papst Fran­zis­kus bis­her schon vor­ge­tra­ge­nen Ein­schät­zun­gen zu den katho­li­schen Tra­di­tio­na­li­sten der Sache nach zuzu­stim­men, womit unse­re intel­lek­tu­el­le Kraft und Argu­men­ta­ti­on emp­find­lich geschwächt wür­de – bis hin zur Pein­lich­keit eines Niveaus, das viel­leicht selbst noch durch­schnitt­li­che Zeu­gen Jeho­vas spie­lend überbieten.

Text: Cle­mens Vic­tor Oldendorf
Bild: MiL/​Bistum Mainz/​Conciliocaticanosecondo/​Sift Hei­li­gen­kreuz (Screen­shot)

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