Franziskanerorden vor dem Bankrott? Millionen in der Schweiz beschlagnahmt, Maxi-Betrug in Italien


Franziskaner in Assisi
Fran­zis­ka­ner in Assisi

(Assisi/​Rom) Die Infor­ma­tio­nen sind noch spär­lich und die Sach­la­ge ist ziem­lich undurch­sich­tig. Die Schlag­zei­le aber lau­tet: Steht Fran­zis­ka­ner­or­den (OFM) vor dem Bank­rott? Wel­che Rol­le spiel­te Pater Rodri­guez Car­bal­lo? Die Trans­ak­tio­nen erfolg­ten wäh­rend sei­ner Amts­zeit als Gene­ral­mi­ni­ster des Ordens. 2013 wur­de er von Papst Fran­zis­kus zum Sekre­tär der Ordens­kon­gre­ga­ti­on berufen.

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Welt­weit gibt es knapp mehr als 14.000 Fran­zis­ka­ner, die neben Mino­ri­ten (OFMConv) und Kapu­zi­nern (OFMCap) einen der drei Zwei­ge des direkt auf den Hei­li­gen Franz von Assi­si zurück­ge­hen­den ersten Orden bil­den. Cha­rak­te­ri­sti­sche Merk­ma­le sind der gro­be brau­ne Habit mit dem wei­ßen Strick und das Tau-Sym­bol, das soge­nann­te Antoniuskreuz.

„Finanzloch“ in Italien – Geldwäsche in der Schweiz?

Drei Mona­te wur­den die Ordens­kon­ten der Gene­ral­ku­rie über­prüft. Laut dem ita­lie­ni­schen Wochen­ma­ga­zin Pan­ora­ma steht das Ergeb­nis nun fest: Es gebe ein „Finanz­loch“ von etli­chen Mil­lio­nen Euro. Der Orden, bes­ser gesagt die Ordens­lei­tung, sei hoch­ver­schul­det und ris­kie­re den Bankrott.

Aus­ge­gan­gen waren die Über­prü­fun­gen, nach­dem die Schwei­zer Staats­an­walt­schaft im ver­gan­ge­nen Okto­ber Kon­ten des Fran­zis­ka­ner­or­dens mit meh­re­ren Dut­zend Mil­lio­nen Euro beschlag­nahm­te. Sie sei­en, so der Ver­dacht, in Unter­neh­men inve­stiert wor­den, die der Geld­wä­sche dienen.

Die Inve­sti­tio­nen in der Schweiz wur­den in der Amts­zeit von José Rodri­guez Car­bal­lo als Gene­ral­mi­ni­ster getä­tigt. Rodri­guez Car­bal­lo war von 2003–2013 119. Gene­ral­mi­ni­ster des Ordens. Am 6. April 2013 wur­de er von Papst Fran­zis­kus zum Sekre­tär der Ordens­kon­gre­ga­ti­on beru­fen. Als sol­cher erlang­te er sofort trau­ri­ge Berühmt­heit wegen der kom­mis­sa­ri­schen Ver­wal­tung eines ande­res fran­zis­ka­ni­schen Ordens, der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta. Die Ernen­nung Rodri­guez Car­bal­los war die erste wich­ti­ge Per­so­nal­ent­schei­dung des der­zei­ti­gen Pontifikats.

Laut Pan­ora­ma droht der Bet­tel­or­den des „Pover­el­lo“ von Assi­si von einem Schul­den­berg erschla­gen zu wer­den und zah­lungs­un­fä­hig zu sein. Kon­kret geht es um zwei unter­schied­li­che Fehl­ent­wickun­gen, die mög­li­cher­wei­se mit­ein­an­der in Zusam­men­hang ste­hen. Ein­mal besteht der Ver­dacht der geziel­ten Miß­wirt­schaft in Ita­li­en, indem sich ordens­frem­de Per­so­nen mög­li­cher­wei­se mit Hil­fe von Ordens­an­ge­hö­ri­gen berei­cher­ten. Zum ande­ren geht es um Kon­ten in der Schweiz, die von der Staats­an­walt­schaft beschlag­nahmt wurden.

Generalökonom des Ordens abgesetzt

Das Minus auf­grund von Miß­wirt­schaft sei unter ande­rem durch den Umbau des Hotels Il Can­ti­co in der Via Gre­go­rio VII in Rom ange­häuft wor­den. Die Hotel­lei­tung hat­te der bis­he­ri­ge Gene­ral­öko­nom des Ordens, Pater Gian­car­lo Lati inne. Inzwi­schen wur­de er von Pater Sil­vio De La Fuen­te abge­löst. Offi­zi­ell „aus gesund­heit­li­chen Grün­den“, wie der Orden ver­lau­ten ließ. Das Öko­no­mat des Ordens steht im Mit­tel­punkt der Ermittlungen.

Der Orden befin­de sich wegen „finan­zi­el­ler Schwie­rig­kei­ten in einer kri­ti­schen Situa­ti­on“, so der seit 2013 amtie­ren­de neue Gene­ral­mi­ni­ster Pater Micha­el Perry.

Die Schwei­zer Ermitt­lun­gen müs­sen sich erst noch bestä­ti­gen. Soll­te die Beschlag­nah­mung stich­hal­tig sein, stellt sich die Fra­ge nach den Ver­ant­wort­lich­kei­ten. Fest steht, daß mehr als 14.000 Brü­der welt­weit zu lei­den haben, weil eini­ge weni­ge an der Ordens­spit­ze falsch gehan­delt haben.

Ordensfremde Personen und Ordensangehörige unter Verdacht

Unter Ver­dacht ste­hen meh­re­re Per­so­nen, “die nicht Ordens­an­ge­hö­ri­ge“ sind. Die Rede ist von einem Maxi-Betrug. Nach den inter­nen Über­prü­fun­gen heißt es im Orden, daß die Kon­troll- und Sicher­heits­me­cha­nis­men bei den Finanz­an­ge­le­gen­hei­ten „zu schwach“ oder „kom­pro­mit­tiert“ gewe­sen sei­en. Eine genaue­re Klä­rung, was und wer nicht funk­tio­niert hat, wird angestrebt.

Zudem „scheint es eine gewis­se Anzahl zwei­fel­haf­ter Finanz­ope­ra­tio­nen durch Brü­der gege­ben haben, denen die Obsor­ge über die Finan­zen anver­traut wor­den war“, so der Gene­ral­mi­ni­ster. „Umfang und Trag­wei­te die­ser Ope­ra­tio­nen haben die finan­zi­el­le Sta­bi­li­tät der Gene­ral­ku­rie in gro­ße Gefahr gebracht“.

Wie es scheint, haben sowohl eini­ge Brü­der als auch ordens­frem­de Per­so­nen den Orden ins Zwie­licht geführt und gro­ßen finan­zi­el­len Scha­den ange­rich­tet. Gene­ral­mi­ni­ster Per­ry wand­te sich nach Abschluß der inter­nen Über­prü­fun­gen an die zustän­di­gen Behör­den in Ita­li­en. Die „zustän­di­gen kirch­li­chen Stel­len“ wur­den eben­so informiert.

Staatliche Behörden und Vatikan informiert – Bettelbrief an Provinziale

Der Gene­ral­mi­ni­ster bat unter­des­sen alle Ordens­pro­vin­zia­le um „eine Finanz­hil­fe“ für die Gene­ral­ku­rie „um den Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen nach­kom­men und vor allem die hohen Pas­siv­zin­sen tra­gen zu können“.

Die Ordens­lei­tung beauf­trag­te eine „qua­li­fi­zier­te Ant­walts­kanz­lei“, um die nöti­gen Schrit­te ein­zu­lei­ten. Nach der Abset­zung des bis­he­ri­gen Gene­ral­öko­noms wur­de an des­sen Stel­le Pater Pas­qua­le Del Pez­zo nach Rom geru­fen. Als Son­der­de­le­gat unter­ste­hen ihm nun alle wirt­schaft­li­chen und finan­zi­el­len Auf­ga­ben an der Generalkurie.

Er ver­ste­he die „Ent­täu­schung“ vie­ler Mit­brü­der, so Gene­ral­mi­ni­ster Per­ry. Es sei eine „Ermu­ti­gung“, dem Bei­spiel von Papst Fran­zis­kus zu fol­gen, der mit einem „Appell zur Wahr­heit und Trans­pa­renz in den Finanz­ak­ti­vi­tä­ten der Kir­che und der Gesell­schaft“ auf­ge­for­dert hatte.

In den über alle Erd­tei­le ver­streu­ten Fran­zis­ka­ner­klö­stern herrscht gro­ßes Erstau­nen. „Ich muß den Inhalt des Schrei­bens“ des Gene­ral­mi­ni­sters „gründ­lich ver­tie­fen“, sag­te Pater Rosa­rio Gugliot­ta, der Kustos der Por­tiunku­la-Kapel­le und der Basi­li­ka San­ta Maria degli Ange­li in Assi­si, der bedeu­tend­sten Kir­che des Franziskanerordens.

Welche Verantwortung trägt Ex-Generalminister Rodriguez Carballo?

Kuri­en­erz­bi­schof Pater José Rodri­guez Car­bal­lo war Gene­ral­mi­ni­ster, als die zwie­lich­ti­gen Finanz­trans­ak­tio­nen mit dem Ordens­ver­mö­gen durch­ge­führt wur­den. Als Sekre­tär der Ordens­kon­gre­ga­ti­on unter­zeich­ne­te er zusam­men mit Kar­di­nal­prä­fekt Joao Braz de Aviz die neu­en „Richt­li­ni­en“ zur Ver­wal­tung der Ordens­ver­mö­gen gegen einen locke­ren Umgang. Anfang August wur­den sie veröffentlicht.

Auch er wird ordens­in­tern Rede und Ant­wort ste­hen müs­sen. Ob sich auch die Schwei­zer Justiz mit ihm befas­sen wird, steht noch nicht fest.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: VaticanInsider

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