Worin besteht die allgemeine Berufung zur Heiligkeit?


GeneralaudienzLie­be Brü­der und Schwestern,
guten Tag!

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Ein gro­ßes Geschenk des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils war es, eine auf „com­mu­nio“ – Gemein­schaft – grün­den­de Sicht der Kir­che wie­der gewon­nen und auch das Prin­zip der Auto­ri­tät und der Hier­ar­chie wie­der aus die­ser Per­spek­ti­ve her­aus ver­stan­den zu haben. Es hat uns gehol­fen, bes­ser zu ver­ste­hen, dass alle Chri­sten als Getauf­te die glei­che Wür­de vor dem Herrn besit­zen und in der­sel­ben Beru­fung, der Beru­fung zur Hei­lig­keit, ver­eint sind (vgl. Kon­sti­tu­ti­on Lumen gen­ti­um, 39–42). Jetzt fra­gen wir uns: Wor­in besteht die­se all­ge­mei­ne Beru­fung zur Heiligkeit?

Und wie kön­nen wir sie ver­wirk­li­chen? Zunächst müs­sen wir uns zu Bewusst­sein füh­ren, dass Hei­lig­keit nicht etwas ist, das wir uns beschaf­fen, das wir mit unse­ren Eigen­schaf­ten und mit unse­ren Fähig­kei­ten erlan­gen. Hei­lig­keit ist ein Geschenk, sie ist das Geschenk, das der Herr uns macht, wenn er uns mit­nimmt und uns mit sich selbst beklei­det, uns ihm gleich macht. Im Brief an die Ephe­ser sagt der Apo­stel Pau­lus, dass „Chri­stus die Kir­che geliebt und sich für sie hin­ge­ge­ben hat“, um sie „hei­lig zu machen“ (Eph das schön­ste Ant­litz: Sie bedeu­tet, sich in Gemein­schaft mit Gott, in der Fül­le sei­nes Lebens und sei­ner Lie­be wiederzuentdecken.

So ver­steht man, dass die Hei­lig­keit kein Vor­recht nur eini­ger weni­ger ist: Die Hei­lig­keit ist ein Geschenk, das ohne Aus­nah­me allen Men­schen ange­bo­ten wird. Daher ist sie das Wesens­merk­mal eines jeden Chri­sten. All das lässt uns ver­ste­hen, dass man, um hei­lig zu sein, nicht unbe­dingt Bischof, Prie­ster oder Ordens­mann sein muss: Nein, wir alle sind beru­fen, hei­lig zu wer­den! Außer­dem sind wir oft ver­sucht zu mei­nen, die Hei­lig­keit sei nur jenen vor­be­hal­ten, die die Mög­lich­keit haben, sich vom gewöhn­li­chen Leben abzu­wen­den, um sich aus­schließ­lich dem Gebet zu wid­men. Es ist aber nicht so! Eini­ge mei­nen, Hei­lig­keit bedeu­te, die Augen zu schlie­ßen und ein Gesicht auf­zu­set­zen wie auf einem Hei­li­gen­bild­chen. Nein! Das ist nicht die Hei­lig­keit! Hei­lig­keit ist etwas Grö­ße­res, etwas Tie­fe­res, das Gott uns schenkt.

Im Gegen­teil, gera­de dadurch, dass wir in der Lie­be leben und im täg­li­chen Tun unser christ­li­ches Zeug­nis geben, sind wir beru­fen, hei­lig zu wer­den – und zwar jeder in der Situa­ti­on und in dem Lebens­stand, in denen er sich befin­det. Bist du ein geweih­ter Mann, bist du eine geweih­te Frau? Sei hei­lig und lebe dei­ne Hin­ga­be und dei­nen Dienst mit Freu­de. Bist du ver­hei­ra­tet? Sei hei­lig, indem du für dei­nen Ehe­mann oder dei­ne Ehe­frau sorgst, wie Chri­stus es mit der Kir­che getan hat. Bist du getauft und unver­hei­ra­tet? Sei hei­lig, indem du auf­rich­tig und kom­pe­tent dei­ne Arbeit tust und dem Dienst an den Brü­dern Zeit wid­mest. „Aber Pater, ich arbei­te in einer Fabrik; ich arbei­te als Buch­hal­ter, immer mit Zah­len, da kann man doch nicht hei­lig sein…“ – „Doch, das kann man! Dort, wo du arbei­test, kannst du hei­lig wer­den. Gott schenkt dir die Gna­de, hei­lig zu wer­den. Gott teilt sich dir mit.“ Man kann immer an jedem Ort hei­lig wer­den, das heißt, man kann sich öff­nen für jene Gna­de, die in uns wirkt und uns zur Hei­lig­keit führt. Bist du Vater oder Groß­va­ter? Sei hei­lig, indem du dei­ne Kin­der oder Enkel mit Lei­den­schaft lehrst, Jesus ken­nen­zu­ler­nen und ihm nach­zu­fol­gen. Und man braucht viel Geduld, um ein guter Vater, ein guter Groß­va­ter, eine gute Mut­ter, eine gute Groß­mutter zu sein. Man braucht viel Geduld, und in die­ser Geduld kommt die Hei­lig­keit: indem man Geduld übt. Bist du Kate­chet, Erzie­her oder frei­wil­li­ger Hel­fer? Sei hei­lig, indem zu zum sicht­ba­ren Zei­chen der Lie­be Got­tes und sei­ner Gegen­wart unter uns wirst.

Ja, jeder Lebens­stand führt zur Hei­lig­keit, immer! Bei dir zuhau­se, auf der Stra­ße, am Arbeits­platz, in der Kir­che, in jedem Augen­blick und in dei­nem Lebens­stand steht der Weg zur Hei­lig­keit offen. Lasst euch nicht ent­mu­ti­gen, die­sen Weg zu gehen. Gott selbst schenkt uns die Gna­de. Nur dar­um bit­tet der Herr: dass wir in Gemein­schaft mit ihm ste­hen und den Brü­dern die­nen. An die­sem Punkt kann jeder von uns sein Gewis­sen etwas prü­fen, wir kön­nen es jetzt tun. Jeder ant­wor­tet selbst, im Innern, in der Stil­le: Wie haben wir bis­lang auf den Ruf des Herrn zur Hei­lig­keit geant­wor­tet? Möch­te ich gern etwas bes­ser, christ­li­cher wer­den? Das ist der Weg der Heiligkeit.

Wenn der Herr uns ein­lädt, hei­lig zu wer­den, dann beruft er uns nicht zu etwas Schwe­rem und Trau­ri­gem… Ganz im Gegen­teil! Es ist die Ein­la­dung, an sei­ner Freu­de teil­zu­ha­ben, jeden Augen­blick unse­res Lebens mit Freu­de zu leben und dar­zu­brin­gen und ihn gleich­zei­tig zu einer Lie­bes­ga­be für die Men­schen um uns zu machen. Wenn wir das ver­ste­hen, dann ändert sich alles und bekommt einen neu­en Sinn, einen schö­nen Sinn, einen Sinn, der bei den klei­nen, all­täg­li­chen Din­gen beginnt. Ein Bei­spiel: Eine Frau geht zum Markt, um ein­zu­kau­fen, und begeg­net einer Nach­ba­rin, und sie begin­nen zu reden, und dann kommt der Klatsch, und die­se Frau sagt: „Nein, nein, nein, ich wer­de über nie­man­den klat­schen.“ Das ist ein Schritt zur Hei­lig­keit, es hilft dir, hei­li­ger zu wer­den. Zu Hau­se will dein Sohn dann ein wenig über das reden, was sei­ne Phan­ta­sie beschäf­tigt: „Ach, ich bin so müde, ich habe heu­te so viel gear­bei­tet…“ – „Setz dich hin, und höre dei­nem Sohn zu, er braucht es!“ Und du setzt sich hin, hörst ihm gedul­dig zu: Das ist ein Schritt zur Hei­lig­keit. Dann endet der Tag, wir sind alle müde, aber da ist das Gebet. Spre­chen wir ein Gebet: Auch das ist ein Schritt zur Heiligkeit.

Dann kommt der Sonn­tag, und wir gehen in die Mes­se, wir emp­fan­gen die Kom­mu­ni­on, der manch­mal eine schö­ne Beich­te vor­aus­geht, die uns etwas rei­ni­gen soll. Das ist ein Schritt zur Hei­lig­keit. Den­ken wir dann an die Got­tes­mut­ter, die so gut, so schön ist, und neh­men wir unse­ren Rosen­kranz und beten zu ihr. Das ist ein Schritt zur Hei­lig­keit. Dann gehe ich auf der Stra­ße, sehe einen Armen, einen Not­lei­den­den, ich hal­te inne, ich fra­ge ihn etwas, ich gebe ihm etwas: Das ist ein Schritt zur Hei­lig­keit. Es sind klei­ne Din­ge, aber vie­le klei­ne Schrit­te zur Hei­lig­keit. Jeder Schritt zur Hei­lig­keit macht uns zu bes­se­ren Men­schen, frei vom Ego­is­mus und von der Ver­schlos­sen­heit in sich selbst und offen gegen­über den Brü­dern und ihren Nöten.

Lie­be Freun­de, im Ersten Brief des Petrus wird die­se Ermah­nung an uns gerich­tet: „Dient ein­an­der als gute Ver­wal­ter der viel­fäl­ti­gen­Gna­de Got­tes, jeder mit der Gabe, die er emp­fan­gen hat. Wer redet, der rede mit den Wor­ten, die Gott ihm gibt; wer dient, der die­ne aus der Kraft, die Gott ver­leiht. So wird in allem Gott ver­herr­licht durch Jesus Chri­stus“ (4,10–11). Das ist die Ein­la­dung zur Hei­lig­keit! Neh­men wir sie mit Freu­de an, und unter­stüt­zen wir uns gegen­sei­tig, denn den Weg zur Hei­lig­keit geht man nicht allein, jeder für sich, son­dern man geht ihn gemein­sam, in dem einen Leib, der Kir­che, die von Jesus Chri­stus geliebt und gehei­ligt wird. Gehen wir auf die­sem Weg der Hei­lig­keit mutig voran.

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Einen herz­li­chen Will­kom­mens­gruß sage ich den Pil­gern und Besu­chern deut­scher Spra­che. Ich wün­sche euch einen schö­nen und anre­gen­den Auf­ent­halt in Rom, wie auch die Erfah­rung einer leben­di­gen und soli­da­ri­schen Gemein­schaft unter den Mit­rei­sen­den. Der Hei­li­ge Geist hel­fe euch, hei­lig zu wer­den, und gelei­te euch auf all euren Wegen.

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