Neue Videobotschaft von Papst Franziskus an Evangelikale


Papst Franziskus mit Evangelikalen (rechts die Witwe von Tony Palmer).
Papst Fran­zis­kus mit Evan­ge­li­ka­len (rechts die Wit­we von Tony Palmer).

(Rom) In Latein­ame­ri­ka neh­men sie der Katho­li­schen Kir­che Mil­lio­nen von Gläu­bi­ge weg. Papst Fran­zis­kus hat für die Evan­ge­li­ka­len den­noch nur freund­li­che Wor­te übrig. Das ist sei­ne Art, Öku­me­ne zu betrei­ben, wie es in zwei Video­bot­schaf­ten deut­lich wird. Die neue Video­bot­schaft wur­de im ver­gan­ge­nen Okto­ber in San­ta Mar­ta auf­ge­zeich­net, wäh­rend im Vati­kan die Bischofs­syn­ode über die Fami­lie tagte.

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Das Pew Rese­arch Cen­ter von Washing­ton ver­öf­fent­lich­te vor kur­zem eine neue Erhe­bung über den Katho­li­ken­schwund in Latein­ame­ri­ka und die gleich­zei­tig rapi­de Zunah­me der Evan­ge­li­ka­len (sie­he Mas­sen­ex­odus latein­ame­ri­ka­ni­scher Katho­li­ken zu Evan­ge­li­ka­len). Der sich beschleu­ni­gen­de katho­li­sche Ero­si­ons­pro­zeß ist beeindruckend.

Katholischer Aderlaß in Lateinamerika

Latein­ame­ri­ka gilt als Schwer­punkt der Katho­li­schen Kir­che, zumin­dest was die Zahl der Gläu­bi­gen anbe­langt. Um 1950 waren 94 Pro­zent aller Latein­ame­ri­ka­ner Katho­li­ken. 1970 noch immer 92 Pro­zent. Dann aber erfolg­te ein radi­ka­ler Ein­bruch. Heu­te beken­nen sich noch 69 Pro­zent zur Katho­li­schen Kir­che. Mehr als ein Vier­tel der Katho­li­ken ging in den ver­gan­ge­nen 35 Jah­ren ver­lo­ren. Die Abwan­de­rung erfolg­te zu 90 Pro­zent in Rich­tung Evan­ge­li­ka­le. Hin­ter die­sem Sam­mel­be­griff steht eine kaum über­schau­ba­re Anzahl hete­ro­ge­ner Erweckungs­grup­pen, deren Merk­ma­le per­sön­li­che Jesus-Bezie­hung, gerin­ge Insti­tu­tio­na­li­sie­rung und cha­ris­ma­ti­sche Füh­rungs­ge­stal­ten sind.

Den Nega­tiv­re­kord ver­zeich­net Hon­du­ras. Dort bra­chen die Katho­li­ken von 94 Pro­zent auf 46 Pro­zent ein. Der Ein­bruch voll­zog sich weit­ge­hend wäh­rend der Amts­zeit von Kar­di­nal Oscar And­res Rodri­guez Mara­dia­ga, der seit 1993 Erz­bi­schof von Tegu­ci­gal­pa ist. Papst Fran­zis­kus bestell­te den Kar­di­nal trotz die­ses Makels in den C8-Kar­di­nals­rat zur Lei­tung der Welt­kir­che und mach­te ihn zu des­sen Koor­di­na­tor. Kar­di­nal Mara­dia­ga ist in den ver­gan­ge­nen andert­halb Jah­ren mehr­fach mit dem Habi­tus eines „Vize-Pap­stes“ auf­ge­tre­ten. Als sol­cher maß­re­gel­te er öffent­lich Glau­bens­prä­fekt Ger­hard Mül­ler wegen des­sen Ver­tei­di­gung des katho­li­schen Ehe­sa­kra­ments und der Unauf­lös­lich­keit der Ehe.

Aus der Pew-Stu­die geht her­vor, daß nicht laue Katho­li­ken zu den Evan­ge­li­ka­len abwan­dern, son­dern jene, die an einem aktiv prak­ti­zier­ten Glau­ben, an der Ver­tei­di­gung der katho­li­schen Ehe- und Moral­leh­re inter­es­siert sind und anti­christ­li­che gesell­schafts­po­li­ti­sche Umbrü­che wie die Lega­li­sie­rung der Tötung unge­bo­re­ner Kin­der und der der „Homo-Ehe“ ableh­nen. „Es ist das genaue Gegen­teil von Lax­heit, das Katho­li­ken zu den Evan­ge­li­ka­len zieht“, so der Vati­ka­nist San­dro Magister.

Von argentinischen Katholiken und Evangelikalen

Die evan­ge­li­ka­len Kon­ver­ti­ten erwei­sen sich, laut Erhe­bung, als viel dyna­mi­scher in der Ver­kün­di­gung und Ver­tei­di­gung des christ­li­chen Glau­bens. Selbst im Ein­satz für die Armen zei­gen sich Unter­schie­de. Wäh­rend die Katho­li­ken „neu­tral“ Hil­fe zukom­men las­sen und fer­tig, ver­bin­den die Evan­ge­li­ka­len ihre sozia­le Für­sor­ge damit, den Armen den christ­li­chen Glau­ben nahezubringen.

Der Abstand zwi­schen Katho­li­ken und Evan­ge­li­ka­len zeigt sich eben­so in der reli­giö­sen Pra­xis. 41 Pro­zent der argen­ti­ni­schen Evan­ge­li­ka­len beten täg­lich und gehen jeden Sonn­tag zum Got­tes­dienst. Das glei­che gilt nur für neun Pro­zent der argen­ti­ni­schen Katho­li­ken. Argen­ti­ni­en bil­det mit Chi­le und Uru­gu­ay das Schluß­licht an prak­ti­zier­tem katho­li­schem Glau­ben in Latein­ame­ri­ka. Argen­ti­ni­ens Evan­ge­li­ka­le ste­hen zudem, laut Pew-Stu­di­en, Papst Fran­zis­kus am distan­zier­te­sten gegen­über. Die Grün­de dafür wären geson­dert zu erheben.

Es ist ver­ständ­lich, daß Jor­ge Mario Berg­o­glio, der die­sen Ein­bruch als Erz­bi­schof von Bue­nos Aires vor Ort erleb­te, nun als Papst han­deln will. In Argen­ti­ni­en fehl­ten ihm offen­bar zün­den­de Ideen. Auf römi­scher Ebe­ne scheint er vor­erst auf höch­ster Ebe­ne nur zu wie­der­ho­len, was er bereits in Bue­nos Aires ver­such­te, als er sich im Namen des „Dia­logs“ häu­fi­ge Stell­dich­eins mit allen Kon­fes­sio­nen und Reli­gio­nen gab. Außer der Auf­wer­tung sei­ner zum Teil obsku­ren Gesprächs­part­ner, die sich plötz­lich in den Medi­en gleich­wer­tig neben dem Pri­mas von Argen­ti­ni­en abbil­den las­sen konn­ten, waren kei­ne sicht­ba­ren Erfol­ge zu erkennen.

Evangelikale sind größte Konkurrenz für Katholische Kirche, nicht Lutheraner und Calvinisten

Tony Palmer mit Papst Franziskus im Juni 2014
Tony Pal­mer mit Papst Fran­zis­kus im Juni 2014

Die Vor­gän­ger­päp­ste pfleg­ten mehr höf­li­che Begeg­nungs­di­plo­ma­tie als Öku­me­ne, oder schrie­ben den „Refor­mier­ten“ eini­ges ins Stamm­buch, wie Bene­dikt XVI. 2011 in Erfurt. Sie taten dies aber nur gegen­über den offi­zi­el­len Refor­ma­ti­ons­kir­chen. Die Evan­ge­li­ka­len exi­stier­ten für sie nicht. Anders Papst Berg­o­glio. Er drängt mit Nach­druck auf Kon­tak­te zu den Evan­ge­li­ka­len, wäh­rend er die lan­des­kirch­li­chen Pro­te­stan­ten wie Luthe­ra­ner und Cal­vi­ni­sten links lie­gen­läßt. Außer Höf­lich­kei­ten hat er für die histo­ri­schen Kir­chen der Refor­ma­ti­on nicht viel übrig. Das beruht übri­gens auf Gegen­sei­tig­keit. Auch Luthe­ra­ner und Cal­vi­ni­sten geben sich distan­ziert gegen­über Rom. Ganz anders die Evangelikalen.

Die Stra­te­gie von Papst Fran­zis­kus scheint ziem­lich klar zu sein. Die Refor­ma­ti­ons­ge­mein­schaf­ten sind kei­ne Kon­kur­renz für die Katho­li­sche Kir­che. Ihr Zustand im Westen ist noch pre­kä­rer. Berg­o­glio hat die größ­te Kon­kur­renz der Katho­li­schen Kir­che in den Evan­ge­li­ka­len erkannt. Er will sie nicht bekämp­fen, son­dern sie sich zum Freund machen.

Erstaun­li­cher­wei­se gibt es in dem hete­ro­ge­nen evan­ge­li­ka­len Sam­mel­becken beacht­li­che Tei­le, die ihrer­seits sehr wohl­wol­lend in Rich­tung Rom blicken. Dafür sind ver­än­der­te gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Grün­de ver­ant­wort­lich. Die geist­lich ver­damp­fen­den Refor­ma­ti­ons­kir­chen kön­nen der Ent­christ­li­chung nichts mehr ent­ge­gen­stel­len, was zu einer groß­an­ge­leg­ten Umschich­tung inner­halb des Pro­te­stan­tis­mus führ­te. Gleich­zei­tig ent­deck­te der neue Pro­te­stan­tis­mus in bestimm­ten Berei­chen Gemein­sam­kei­ten mit der Kate­holi­schen Kir­che. Gemein­sam­kei­ten im Bereich der nicht ver­han­del­ba­ren Wer­te, die auf Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. zurück­ge­hen, aber bemer­kens­wer­ter­wei­se unter Papst Fran­zis­kus eine kon­kre­te Annä­he­rung zei­ti­gen, der zu eben die­sen The­men zum Zeist­geist schielt.

Bis­he­ri­ger Höhe­punkt der Annä­he­rung war am ver­gan­ge­nen 27. Juli sein Besuch in der Kir­che des evan­ge­li­ka­len Pastors Gio­van­ni Traet­ti­no in Caser­ta. Ein Anlaß, zu dem 300 teils füh­ren­de Evan­ge­li­ka­le aus aller Welt ein­ge­flo­gen wur­den, beson­ders aus den USA. Das hat sei­nen Grund. Denn das evan­ge­li­ka­le Kern­land sind die Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­ri­ka. Von dort aus wur­de die Bewe­gung seit den 80er Jah­ren mit beson­de­rem Erfolg nach Latein­ame­ri­ka exportiert.

Evangelikale blicken freundlich nach Rom – Papst will sie sich zu Freunden machen

Was heißt, sich die Evan­ge­li­ka­len zum Freund zu machen? Der kana­di­sche Pre­di­ger Bri­an Stil­ler, Glo­bal Ambassa­dor of the World Evan­ge­li­cal Alli­ance (WEA), gab nach dem Vor­be­rei­tungs­tref­fen für Caser­ta am 19. Juni bekannt, daß Papst Fran­zis­kus expli­zit betont habe, Evan­ge­li­ka­le nicht zum katho­li­schen Glau­ben bekeh­ren zu wol­len. Papst Fran­zis­kus sprach in Caser­ta von der Öku­me­ne als „Ein­heit in der Viel­falt“, einer Art viel­ge­sich­ti­ger Welt­kir­che. Ein Gesicht wäre die Katho­li­sche Kir­che, wäh­rend die ande­ren christ­li­chen Deno­mi­na­tio­nen die gleich­wer­ti­gen ande­ren Gesich­ter wären. Eine Vor­stel­lung, die aller­dings dem bis­he­ri­gen Kir­chen­ver­ständ­nis wider­spricht. Wie Fran­zis­kus die­se „neue“ Sicht­wei­se mit der katho­li­schen Leh­re in Ein­klang brin­gen will, ist nicht klar. Gesagt hat er dazu noch nichts. Vor allem wäre es die voll­stän­di­ge Über­nah­me des pro­te­stan­ti­schen Ökumeneverständnisses.

Tat­sa­che ist, daß Fran­zis­kus demon­stra­tiv den Kon­takt zu den Evan­ge­li­ka­len sucht, was an der Anzahl der Tref­fen mit evan­ge­li­ka­len Ver­tre­tern deut­lich wird, die sogar die eben­so über­durch­schnitt­lich häu­fi­gen Begeg­nun­gen mit jüdi­schen Ver­tre­tern über­run­den. Die mei­sten der Tref­fen fin­den infor­mell statt und damit am offi­zi­el­len Pro­to­koll vor­bei. Sie wer­den nicht in der Liste der Audi­en­zen ver­zeich­net und oft erst eini­ge Zeit spä­ter bekannt.

Die mei­sten Tref­fen fin­den im Gäste­haus San­ta Mar­ta statt. Der Besuch in Caser­ta, wo erst­mals ein Papst eine evan­ge­li­ka­le Gemein­schaft auf­such­te, war der sicht­bar­ste Moment. Der argen­ti­ni­sche Papst hat neben Audi­en­zen im Vati­kan und Gegen­be­su­chen noch einen wei­te­ren Kanal gefun­den, um mit den Evan­ge­li­ka­len zu kom­mu­ni­zie­ren: die Video­bot­schaf­ten. Ein Kanal, der für evan­ge­li­ka­le Fern­seh­pre­di­ger geläu­fig ist.

Zwei sol­cher Video­bot­schaf­ten gibt es inzwi­schen. Deren Inhalt scheint in kei­nem vati­ka­ni­schen Doku­ment auf und wur­de auch nie über einen offi­zi­el­len kirch­li­chen Kanal ver­öf­fent­licht. Wenn sie den­noch bekannt wer­den, dann durch die Emp­fän­ger, die sie begei­stert im Inter­net weiterbreiten.

Die beiden Videobotschaften von Februar und Oktober

Papst Franziskus und Evangelikale verstehen sich
Papst Fran­zis­kus und Evan­ge­li­ka­le ver­ste­hen sich

Das jüng­ste Tref­fen zwi­schen dem Papst und ein­fluß­rei­chen evan­ge­li­ka­len Ver­tre­tern fand wäh­rend der Bischofs­syn­ode über die Fami­lie statt. Fran­zis­kus emp­fing die Wit­we von Tony Pal­mer und eine Rei­he von des­sen nähe­ren und wei­te­ren Mit­ar­bei­tern im evan­ge­li­ka­len Dach­ver­band Com­mu­ni­on of Evan­ge­li­cal Epis­co­pal Churches (CEEC). Tony Pal­mer, der sich selbst Bischof nann­te, kam am ver­gan­ge­nen 20. Juli bei einem Motor­rad­un­fall in Groß­bri­tan­ni­en ums Leben. Er hat­te maß­geb­lich das Tref­fen von Caser­ta vor­be­rei­tet, an dem er selbst nicht mehr teil­neh­men konnte.

Tony Pal­mer war es, der weni­ge Mona­te vor­her die erste Video­bot­schaft des Pap­stes an eine Kon­fe­renz füh­ren­der Evan­ge­li­ka­ler der USA auf­ge­zeich­net hat­te, als er vom Fran­zis­kus emp­fan­gen wur­de. Der Orga­ni­sa­tor der Kon­fe­renz war der Fern­seh­pre­di­ger Ken­neth Cope­land, einer der welt­weit ein­fluß­reich­sten Evan­ge­li­ka­len. Cope­land ver­tritt die „Pro­spe­ri­täts­theo­lo­gie“, die auch als „Wohl­stands­theo­lo­gie“ ver­stan­den wird. Cope­land wur­de mit ande­ren Evan­ge­li­ka­len und Pal­mer am ver­gan­ge­nen 19. Juni vom Papst im Vati­kan empfangen.

Die erste Video­bot­schaft des Pap­stes hat­te eine Län­ge von vier Minu­ten. Die zwei­te, neue Video­bot­schaft wur­de beim Tref­fen im Okto­ber auf­ge­zeich­net. An der Sei­te des Pap­stes sit­zen die Wit­we von Tony Pal­mer, Emi­lia­na Pal­mer sowie Robert Wise, der als „Bischof“, die Nach­fol­ge Pal­mers ange­tre­ten hat.

Das evan­ge­li­ka­le Tref­fen im ver­gan­ge­nen Febru­ar, bei dem die erste Video­bot­schaft des Pap­stes gezeigt wurde.

Das Tref­fen mit der Wit­we von Tony Pal­mer und Ver­tre­tern des Dach­ver­ban­des Com­mu­ni­on of Evan­ge­li­cal Epis­co­pal Churches im ver­gan­ge­nen Okto­ber in San­ta Marta.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo/​Secretum meum migi (Screen­shot)

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