Salafisten- und Dschihadisten-Prediger locken junge Muslime mit phantastischen Paradies-Erzählungen in die islamistischen Kampfzonen. Was ist von den Lohnversprechungen für Kampf-Märtyrer zu halten?
Ein Gastkommentar von Hubert Hecker
Der Spiegel berichtet in der Nummer 39/2014 von drei jungen Aussteigern aus Hamburg, die zu Einsteigern in den IS-Terrorismus wurden. Alle drei kommen aus muslimischen Familien, ohne sich zunächst an die Scharia-Regeln zu halten. Auf einer Urlaubsreise werden Achmet und seine Freunde zu praktizierenden Moslems. Wenig später beginnt die Radikalisierung durch Salafisten-Prediger wie Pierre Vogel: Scharia sei die einzig gültige Rechtsordnung – auch in Deutschland. Dieben gehöre die Hand abgehackt. Ungläubigen sei der Tod zu wünschen.
Islam soll sich lohnen
Vorerst müssen die Islam-Novizen eine Menge Ge- und Verbote lernen und vor allem praktizieren. Wer etwa nicht vorschriftsmäßig fastet, kommt nie ins Paradies. Alle Gebete sind strikt nach Form und Ritual zu verrichten, sonst werden sie nicht angerechnet. Denn alle ihre Taten, so glaubt das Trio, werden von Allahs Engeln überwacht und registriert. Ein Engel auf der rechten Schulter notiert die guten Taten, der Engel zur Linken listet die Fehler auf. Frauen auf die Beine zu starren wird ebenso negativ vermerkt wie unzureichendes Fasten. Mit zusätzlichen Gebetsformeln kann das Konto jedoch wieder aufgestockt werden. Das gibt „viele Extrapunkte“, glauben die drei laut Spiegel-Bericht.
In etwa vier Dutzend Suren behauptet der Koran den engen Zusammenhang zwischen irdischen Werken und Himmelslohn bzw. Höllenstrafen. Jedenfalls wird dem Koran-Leser klargemacht, dass aus seinen guten Werken der himmlische Lohn erwächst. Diese jenseitige Tarif-Sicherheit spielt für die Motivation der Selbstmord- und Kampf-Märtyrer eine wesentliche Rolle.
Das Ausmalen der Himmelsfluren und die drastischen Höllenpredigten Mohammeds bewirken vielfach bei Moslems, dass sie sich aus äußerlicher Motivation an die Vorschriften und Gebote halten. Almosen wird gegeben, damit man nicht in die Hölle kommt – so suggeriert es Sure 7,44. Also nicht um der Armen willen werden die Gaben gespendet, aus Nächstenliebe etwa – christlich gesprochen -, sondern weil das entsprechende Gebot himmlisch oder höllisch sanktioniert wird.
Eine lohngetriebene und strafvermeidende Handlungsmaxime ist dagegen aus der christlichen Bibel nicht zu entnehmen. Zwar verweist Jesus an einigen Stellen die nach irdischem Lohn Heischenden auf den himmlischen Vater, der die Taten belohnen werde. Aber die Struktur der ‚christlichen Verfassung’ in der Bergpredigt ist darauf ausgerichtet, die Vielzahl der altjüdischen Vorschriften auf das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe zu orientieren, den Antrieb zum Gutestun in die Innerlichkeit zu verlegen sowie auf die entscheidenden Intentionen der Herzenskräfte des Menschen hinzuweisen (vgl. Mt 15,15ff).
Gleichwohl bleibt es die biblische Botschaft, dass der jenseitigen Rettung und Erlösung der einzelnen Menschen eine irdische Lebensform des gottgefälligen Tuns und Strebens entsprechen muss.
Zurück zu den himmlisch-höllischen Vor- und Nachstellungen im Koran
Neben dem verlockenden Lohnkonto als Paradies-Vorsorge wird im Islam auch ein Droh-Szenario über den diabolischen Engel zur Linken aufgebaut. Nach Sure 50,18ff wird in der Todesstunde der linke Engel dem Menschen auf dem Weg zum Gericht alle seine bösen Taten ins Ohr schreien. Allein die Vorstellung vom Anklage-Engel steigert schon im Leben von Muslimen die Angst vor Tod und Gericht ins Unermessliche.
Es gibt nur einen Weg, dieser Spießruten-Drangsal des höllischen Quälgeistes zu entkommen: die Selbstopferung im Kampf-Tod des Dschihads.
Hatte nicht Mohammed selbst den Kampftod im Krieg gegen die Ungläubigen als höchst erstrebenswert hingestellt? Es heißt in Sure 9,52: „Eins der beiden schönsten Dinge wird uns treffen: Sieg oder Märtyrertod“ – Sieg und irdische Beute oder Kampftod und Paradiesbelohnung.
Im Umfeld der islamistischen Hamburger Taqwa-Moschee wurden die drei Jugendlichen für den islamischen Dschihad in Syrien heiß gemacht. Die Imame versprachen jedem Freiwilligen paradiesische Belohnung. Wer als Kampf-Märtyrer sterbe, käme direkt in den siebten Himmel. Er könnte neben dem Propheten schmausen, Wein trinken und Huris vernaschen.
Nach dem gleichen Muster gehen die IS-Werber der Gruppe Scharia4Belgium vor, die zurzeit in Antwerpen vor Gericht stehen. Der Führer der Gruppe erklärte den Tod auf dem Schlachtfeld als höchste Form der Selbstopferung für Allah. Daher sei dem Kampf-Märtyrer „der höchste Platz im Paradies garantiert“ – ebenso „70 oder 100 Jungfrauen“.
Islamisches Paradies als Übersteigerung irdischer Genüsse
Während in den unteren Himmelsgärten nur Gläubige mit einem mittleren Werke-Konto bei Kräutern und Zwerggewächsen vorlieb nehmen müssten, wird der siebte Himmel von Mohammed als prächtiger Oasen-Garten vorgestellt mit großen Schatten-Bäumen und tiefhängenden Früchten. Obst, Fleisch und Geflügel werden im Überfluss gereicht; es kreisen Becher mit Wein, der den Kopf nicht schmerzt. Die Gewänder der Gläubigen sind aus grünem Samt und reiner Seide. Sie sitzen auf golddurchwirkten Kissen und tragen silberne Armreifen. Schöne Kellner-Jünglinge in stetiger Jugendblüte laden im himmlischen Schlaraffenland zur ewigen Feier ein. Ebenso warten Jungfrauen mit schwellendem Busen und großen schwarzen Augen den Gläubigen auf (vgl. Sure 56, 76 und 78).
Paradies bedeutet für die Muslime offenbar eine Steigerung irdischer Genüsse. Der „Himmel“ wird als eine märchenhafte Aufbauschung von irdischem Sinnenrausch und Leibeswonnen ausgemalt. Teilweise – etwa bezüglich Alkohol – wird das Paradies als eine dialektische Übersteigerung der lebensstrengen Beduinengemeinschaft gesehen.
Der christliche Himmel bedeutet: Gott allein genügt
Die christliche Bibel hat den Himmel stets nur zurückhaltend beschrieben, teils mit Vergleichen (Hochzeitsmahl, himmlisches Jerusalem), teils mit Metaphern (Licht, Leben, Ausruhen). Paulus betont das Nichtwissen und Anderssein des Zustands nach dem Tode. In der Johannes-Apokalypse wird der Himmel mit der Negation irdischen Leids umschrieben: keine Tränen, Trauer, Klage, Mühsal und vor allem kein Tod.
Diese Zurückhaltung der biblischen Autoren hat etwas mit dem christlichen Verständnis von Gott zu tun. Im „Himmel“ lassen die Seligen alle irdischen und leiblichen Genüsse hinter sich. Insbesondere wird „bei der Auferstehung weder geheiratet noch verheiratet (vgl. Mt 22,30). Denn: „Gott allein genügt“ (Theresia von Avila). Weder Sonne noch Mond braucht die himmlische Stadt, da die Herrlichkeit Gottes sie erleuchtet (Apokalypse). Die Nähe zum liebenden Gott, die Liebe Gottes selbst ist der „Himmel“, eine personale Beziehung, eher ein Zustand als ein Ort.
Wie kann das sein?
Gott ist nach christlicher Theologie reine Liebe, die sich im trinitarischen Verhältnis zeigt: Gott Vater und Gott Sohn lieben sich gegenseitig, der Hl. Geist, der von beiden ausgeht, stellt die göttliche Liebe dar. Es ist diese alles durchglühende und verwandelnde Liebe Gottes, die die Schöpfung ins Leben rief und die am Ende der Zeiten zur Auferweckung der Toten ruft. Die Teilhabe an dieser trinitarischen Liebe ist der Himmel der erlösten Christen.
Diese gottzentrierte Glückseligkeit der Christen unterscheidet sich himmelweit von dem koranischen Schlaraffenland des Islam, in dem Allah keine Rolle spielt. Wie sollte auch Allah die leiblichen Genüsse und erotischen Wonnen mit den 72 Huris noch steigern können?
Einen Jungfrauen-Harem für jeden Kampf-Märtyrer
„Bei Huris mit großen schwarzen Augen werden sie wohnen“, verspricht Mohammed in Sure 55 und 56, „Jungfrauen mit keusch gesenktem Blick, weder von Menschen noch von Dschinnen vorher berührt, Frauen einer besonderen Schöpfung: Wir machten sie zu Jungfrauen, von ihren Gatten, welche im gleichen Alter sind, stets gleich geliebt.“
Die Huris als himmlische Schöpfungen Allahs sind ewig gleich bleibend jung und schön. Damit die Männer bei den 72 Huris nicht vorzeitig schlapp machen, bleiben auch sie auf ewig 30 Jahre jung und ihre Potenz wird aufs 70fache gesteigert – so weiß es die islamische Tradition.
Wo bleiben eigentlich die irdischen Gattinnen der Araber-Männer, wenn die neu „mit Jungfrauen vermählt“ werden? Verheiratete Frauen kommen in den zahlreichen Himmelssuren nicht oder nur am Rande vor. Verständlich, dass sie gegenüber den Huris-Gespielinnen keine Chancen haben im himmlischen Harem ihrer ehemaligen Gatten.
Verzückung durch paradiesische Pedal-Erotik
Auch Achmet und seine Freunde waren von der Aussicht, als junge Kampf-Märtyrer in den Besitz von 72 Jungfrauen zu kommen, hochmotiviert für den Dschihad in Syrien. Besonders beeindruckt hat sie die Geschichte von dem orientalischen Bauern, die sie dem Spiegel-Reporter erzählen:
Der Mann hatte die attraktivste Frau im Dorf geheiratet. Gleichwohl bat er Allah, ihm eine der paradiesischen Jungfrauen zu zeigen. Allah gewährte ihm zwar nur einen Blick auf einen jungfräulichen Fuß, doch dieser Fuß erschien dem Bauern so unvorstellbar schön, dass er seine Frau nie mehr anrührte.
Was ist die Moral von der Geschichte? Es würde sich lohnen, für den Islam zu töten und zu sterben.
Der Dschihad Kampf ist aber nicht nur lohnend, sondern auch Pflicht
Der Islam-Gelehrte Fadhlallah Mahalati drückt es so aus: „Ein Gläubiger, der zusieht, wie der Islam mit Füßen getreten wird und nichts dagegen unternimmt, wird in der untersten Schicht der Hölle landen – neben den Juden. Aber jener, der ein Gewehr in die Hand nimmt, einen Dolch, ein Küchenmesser oder auch nur einen Kieselstein, um damit den Feinden des Glaubens zu schaden und sie zu töten, der kann sich seines Platzes im Paradies sicher sein.“
Schon die Schulkinder in den islamischen Ländern werden auf Märtyrerkampf und Paradieslohn eingeschworen. Eine Analyse von 40 Schulbüchern in arabischen Ländern ergab, dass die Beteiligung am Dschihad unter Einsatz des Lebens für die Kinder als Pflicht dargestellt wird: „Wörtlich bezeichnen die Texte das Kampf-Märtyrertum als ein ‚profitabeles Geschäft’, bei dem der Gläubige seine Seele an Allah verkauft und dafür einen Platz im Paradies sicher hat“ (FAZ 18. 1. 02). Ebenfalls wird den Schulkindern schon mit Höllenstrafen gedroht, wenn man sich weigern würde, zum Kampftod für den Islam bereit zu sein – so ein Text für die fünfte Klasse.
Von den drei jungen Strebern nach erotischem Märtyrerlohn hat bisher nur einer den Abflug in die islamistische Kampfzone geschafft. Der Höhenflug von Achmet und seinem Freund scheiterte schon am Boden daran, dass seine misstrauisch gewordene Tante die Pässe aus dem fertig gepackten Reisekoffern nahm: Aus der Traum vom schnellen Paradies! Auch wenn ihn noch manchmal die Sehnsucht nach dem jungfräulichen Fuß einer Huri verzückt – Achmet versucht wieder auf dem Boden der zivilen Realität zu landen.
Text: Hubert Hecker
Bild: Tempi/Pierre Vogel auf Youtube (Screenshot)