Franziskus, Kardinal Hummes und der Amazonas – „Werkstatt“ eines neuen Priestertums?


Erwin Kräutler (links) mit Kardinal Claudio Hummes (3. v. l.)
Msgr. Erwin Kräutler (links) mit Kardinal Claudio Hummes (3. v. l.)

(Rom) Am ver­gan­ge­nen 7. Novem­ber wur­de Clau­dio Kar­di­nal Hum­mes in San­ta Mar­ta von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Der ehe­ma­li­ge Kar­di­nal­prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on ist heu­te Dele­gier­ter der Bra­si­lia­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz für Ama­zo­ni­en. Ist es nur die „lang­jäh­ri­ge Freund­schaft“ (Radio Vati­kan, Deut­sche Sek­ti­on), die bei­de so regel­mä­ßig zusam­men­tref­fen läßt, oder ist etwas im Busch im Amazonas? 

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Hum­mes, von 1998–2006 Erz­bi­schof von Sao Pau­lo, war es – laut Aus­sa­ge des Pap­stes – der ihm nahe­ge­legt habe, sich den Namen Fran­zis­kus zuzu­le­gen. Der neue Papst woll­te ihn jeden­falls auf der Mit­tel­log­gia an sei­ner Sei­te, als er sich erst­mals der Welt zeig­te. Kar­di­nal Hum­mes wird zum enge­ren Kreis der Papst­ma­cher die­ses Pon­ti­fi­kats gezählt.

Ja zu „Homo-Ehe“ und  Priesterinnen – Nein zu Zölibat und „vorkonziliarem Priesterbild“

Hum­mes ist aller­dings nicht nur als Papst­flü­ste­rer, son­dern auch wegen sei­ner hete­ro­do­xen Ansich­ten bekannt. Am ver­gan­ge­nen 27. Juli sprach sich der Kar­di­nal in der bra­si­lia­ni­schen Tages­zei­tung Zero Hora für die „Homo-Ehe“, für Prie­ste­rin­nen und die Abschaf­fung des Prie­ster­zö­li­bats aus. Eben­so stemm­te sich er sich gegen den Ver­such Bene­dikts XVI., den hei­li­gen Pfar­rer von Ars zum Vor­bild der Prie­ster zu machen. Ein „vor­kon­zi­lia­res Prie­ster­bild“, das Hum­mes rund­weg ablehn­te. Im Juni 2010 konn­te der Bra­si­lia­ner nur kopf­schüt­telnd stau­nen, als 17.000 Prie­ster aus der gan­zen Welt nach Rom kamen, um mit Bene­dikt XVI. unter der an der Fas­sa­de des Peters­doms aus­ge­häng­ten Dar­stel­lung des Hei­li­gen Johan­nes Maria Vian­ney an der Gebets­vi­gil und dem Pon­ti­fi­kal­amt zum Abschluß des Prie­ster­jah­res teilzunehmen.

Der Papst und das Interesse für das Amazonasbecken

Radio Vati­kan (Ita­lie­ni­sche Redak­ti­on) sprach mit dem Kar­di­nal, der über die Audi­enz berich­te­te. Hum­mes berich­te­te, daß er die 56 Diö­ze­sen und Ter­ri­to­ri­al­prä­la­tu­ren des rie­si­gen, aber dünn­be­sie­del­ten Gebie­tes besu­che. „Ich bin erneut gekom­men, um dem Papst ein biß­chen zu erzäh­len, was man dort macht, um vie­le Din­ge zu erzäh­len von die­ser wun­der­schö­nen, leben­di­gen Kir­che, die jedoch gro­ße Bedürf­nis­se hat. Es herrscht ein gro­ßer Man­gel an Mis­sio­na­ren, Mis­sio­na­rin­nen und auch mate­ri­el­le Bedürf­nis­se, weil sie nicht ein­mal das haben, was für die grund­le­gend­sten Struk­tu­ren not­wen­dig ist.“

Und wei­ter: „Wir wis­sen, wie sehr er [Papst Fran­zis­kus] die Ange­le­gen­heit des Ama­zo­nas­beckens schätzt und wie auf­merk­sam er dar­auf ach­tet, wel­che gro­ße Ver­ant­wor­tung die Kir­che in Ama­zo­ni­en hat.“

Der Kar­di­nal sag­te zwar nichts dar­über, doch „scheint es unwahr­schein­lich, daß bei die­ser Gele­gen­heit wegen ‚des gro­ßen Man­gels an Mis­sio­na­ren und Mis­sio­na­rin­nen‘ nicht auch über die Zulas­sung der viri pro­ba­ti zur Prie­ster­wei­he gespro­chen wur­de“, so Secre­tum meum mihi.

Verhandlungen über Priesterweihe für viri probati?

Zehn Tage vor der Hum­mes-Audi­enz bei Papst Fran­zis­kus berich­te­te der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti von einer Mit­tei­lung aus Bra­si­li­en, die „eine regel­rech­te Revo­lu­ti­on in der Kir­che“ wäre. Die Bra­si­lia­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz füh­re mit der von Papst Fran­zis­kus ein­ge­setz­ten neu­en Füh­rung der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on Gesprä­che über die Prie­ster­wei­he ad expe­ri­men­tum für viri pro­ba­ti, um den Prie­ster­man­gel im Ama­zo­nas­ge­biet zu beheben.

„Gesprä­che“ mit der Kon­gre­ga­ti­on, die Kar­di­nal Hum­mes führt, der seit andert­halb Jah­ren zwi­schen Bra­si­li­en und Rom hin und her pen­delt. Kar­di­nal Mau­ro Pia­cen­za, der die Wei­he von viri pro­ba­ti ablehn­te, wur­de vom neu­en Papst als Prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on zu sei­nem 69. Geburts­tag ent­las­sen. An sei­ne Stel­le setz­te Fran­zis­kus sei­nen Ver­trau­ten, den Diplo­ma­ten Benia­mi­no Stel­la, den er im ver­gan­ge­nen Febru­ar auch zum Kar­di­nal kreierte.

Kar­di­nal Hum­mes sag­te im Gespräch mit Radio Vati­kan, dem Papst lie­ge das Ama­zo­nas­ge­biet „sehr am Her­zen“, wie die regel­mä­ßi­gen Audi­en­zen zei­gen würden.

Das Amazonasbecken als „Werkstatt“ für ein neues Priestertum?

„Ama­zo­ni­en könn­te die erste Welt­ge­gend sein, in der es im latei­ni­schen Ritus Prie­ster mit Fami­lie gibt“, so Mar­co Tosat­ti. Das Ama­zo­nas­becken als „Werk­statt“ für ein neu­es Priestertum?

Hum­mes hat­te bereits als Kar­di­nal­prä­fekt der Kle­rus­kon­gre­ga­ti­on unter Johan­nes Paul II. ver­sucht, die Wei­he von viri pro­ba­ti vor­an­zu­trei­ben, schei­ter­te aller­dings mit sei­ner Absicht und wur­de wegen sei­nes defi­zi­tä­ren Ver­ständ­nis­ses des Prie­ster­tums von Bene­dikt XVI. abge­löst. Im Gegen­satz zu sei­nem Nach­fol­ger Fran­zis­kus, tat dies der deut­sche Papst nicht brüsk, son­dern jeweils nach Ende einer regu­lä­ren Amtszeit.

Neben Hum­mes tritt vor allem der öster­rei­chi­sche Mis­si­ons­bi­schof Erwin Kräut­ler CSSP von der Ter­ri­to­ri­al­prä­la­tur Xin­gu als Ver­fech­ter breit­ge­fä­cher­ter Prie­ster­wei­hen auf. Bischof Kräut­ler, in Öster­reich ein Lieb­ling des lin­ken Spek­trums, läßt in den Medi­en zu Hau­se nichts anbren­nen, was sein Selbst­bild­nis als libe­ra­ler (im nord­ame­ri­ka­ni­schen Sinn), welt­of­fe­ner, sozi­al enga­gier­ter Bischof festi­gen könnte.

Papst Fran­zis­kus ver­schärf­te Anfang Novem­ber die Pen­sio­nie­rungs­be­stim­mun­gen für Bischö­fe. Eine Neu­re­ge­lung, die in Win­des­ei­le von Kar­di­nal Sar­di ein­ge­for­dert wur­de, um die Abschie­bung von Kar­di­nal Bur­ke zum Mal­te­ser­or­den durch­zie­hen zu kön­nen. Bischof Kräut­ler, der am 12. Juli sein 75. Lebens­jahr voll­ende­te, steht hin­ge­gen nicht auf der Liste der päpst­li­chen Pen­siona­bi­li.

Nein zu Gebet um Berufungen – Ja zu Strukturreformen

Xin­gu ist die flä­chen­größ­te Diö­ze­se Bra­si­li­ens. Auf einem Gebiet, das so groß ist wie die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, leben aber nur knapp 400.000 Men­schen. In der Prä­la­tur gibt es 800 „Basis­ge­mein­schaf­ten“ und 27 Prie­ster. Mit der Seel­sor­ge ist seit der Errich­tung von Xin­gu im Jahr 1934 als Apo­sto­li­scher Admi­ni­stra­ti­on, dann als Ter­ri­to­ri­al­prä­la­tur die Kon­gre­ga­ti­on der Mis­sio­na­re vom Kost­ba­ren Blut (CPPS) betraut. Bevor Erwin Kräut­ler 1981 die Ter­ri­to­ri­al­prä­la­tur über­nahm, hat­te sie bereits sein Onkel Erwin Kräut­ler geleitet.

Am ver­gan­ge­nen 4. April wur­de Kräut­ler von Papst Fran­zis­kus emp­fan­gen. Der Mis­si­ons­bi­schof dräng­te dabei auf die Prie­ster­wei­he von viri pro­ba­ti, um die seel­sorg­li­che Betreu­ung Gläu­bi­gen sicher­zu­stel­len. Dazu schlug Kräut­ler dem Papst vor, „Zöli­bat und Eucha­ri­stie­fei­er zu ent­kop­peln“. Daß eine Eucha­ri­stie­fei­er von einem zöli­ba­t­ä­ren Prie­ster abhän­gen sol­le, „da mache ich nicht mit“, erklär­te Kräut­ler damals der öster­rei­chi­schen Tages­zei­tung Die Pres­se.

Wür­de Kräut­ler etwas die Kir­chen­ge­schich­te ken­nen, wüß­te er, daß die der­zei­ti­ge Situa­ti­on im Ama­zo­nas nicht anders ist, als sie irgend­wann in jedem neu chri­stia­ni­sier­ten Gebiet war. Im Früh­mit­tel­al­ter und Hoch­mit­tel­al­ter war die Lage selbst in sei­ner Hei­mat Öster­reich genau dieselbe.

Über den Papst sag­te der öster­rei­chi­sche Mis­sio­nar, er wol­le „einen Pro­zeß in Gang brin­gen“, denn „die­ser Pro­zeß war bis­her nicht erlaubt. Bene­dikt XVI. hat gesagt, wir beten um Prie­ster­be­ru­fun­gen. Bei die­sem Papst ist es anders“. Jetzt wür­den Türen aufgehen.

Ganz links­ge­strickt, kann Bischof Kräut­ler mit Gebet um Prie­ster­be­ru­fun­gen nichts anfan­gen, son­dern setzt auf Strukturreformen.

Was ist also im Busch im Ama­zo­nas­becken? Mit Kar­di­nal Hum­mes und Bischof Kräut­ler zie­hen in der Fra­ge zwei Män­ner am glei­chen Strick und Papst Fran­zis­kus läßt sich auf­fal­lend oft über den Ama­zo­nas infor­mie­ren. Man wird sehen warum.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: padrescasados/​Noticia da terra/​Prelatura Xingu

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