Die Entfernung eines großen Kardinals -


Papst Franziskus und das Silbertablett für Lehmann
Papst Fran­zis­kus und das Sil­ber­ta­blett für Lehmann

Kom­men­tar von Rober­to de Mattei*

Anzei­ge

(Rom) Der Papst hat als ober­ster Hir­te der Welt­kir­che das vol­le Recht, einen Bischof oder Kar­di­nal, auch einen bedeu­ten­den, aus sei­nem Amt zu ent­fer­nen. Berühmt ist der Fall von Kar­di­nal Lou­is Bil­lot (1846–1931), einem der füh­ren­den Theo­lo­gen des 20. Jahr­hun­derts, der 1911 vom hei­li­gen Pius X. zum Kar­di­nal kre­iert wur­de. Am 13. Sep­tem­ber 1927 gab er das Kar­di­nals­bi­rett Pius XI. zurück, mit dem er wegen der Action Fran­çai­se in Kon­flikt gera­ten war, und been­de­te sein Leben als ein­fa­cher Jesu­it in der Ordens­nie­der­las­sung von Galloro.

Ein ande­rer ekla­tan­ter Fall ist der von Josef Kar­di­nal Minds­zen­ty, der von Paul VI. wegen sei­ner Oppo­si­ti­on zur neu­en „Ost­po­li­tik“ des Vati­kans als Erz­bi­schof von Esz­t­er­gom und Pri­mas von Ungarn abge­setzt wurde.

In den ver­gan­ge­nen Jah­ren wur­den zudem vie­le Bischö­fe abge­setzt, weil sie in finan­zi­el­le oder mora­li­sche Skan­da­le ver­wickelt waren.

Gläubige haben ein Recht, nach den Gründen zu fragen

Kardinal Burke mit Pater Manelli
Kar­di­nal Bur­ke mit Pater Manel­li, Grün­der der Fran­zis­ka­ner der Immakulata

So wie nie­mand dem sou­ve­rä­nen Pon­ti­fex das Recht abspre­chen kann, jeden Prä­la­ten aus Grün­den abzu­set­zen, die er für ange­bracht hält, so kann nie­mand den Gläu­bi­gen ihr Recht neh­men, als ver­nunft­be­gab­te Wesen und als Getauf­te die Grün­de die­ser Abset­zun­gen zu hin­ter­fra­gen, beson­ders dann wenn die­se nicht aus­drück­lich genannt wer­den. Das erklärt die Bestür­zung vie­ler Katho­li­ken über die offi­zi­ell vom vati­ka­ni­schen Pres­se­amt am 8. Novem­ber ver­öf­fent­lich­te Nach­richt der Ver­set­zung von Kar­di­nal Ray­mond Leo Bur­ke vom Amt des Prä­fek­ten der Apo­sto­li­schen Signa­tur zum Kar­di­nal­pa­tron des Malteserordens.

Wenn näm­lich, wie in die­sem Fall, die Ver­schie­bung einen noch rela­tiv jun­gen Kar­di­nal (66 Jah­re) betrifft und von einem Posten größ­ter Bedeu­tung auf einen blo­ßen Ehren­po­sten erfolgt, ohne den gewohn­heits­mä­ßi­gen, wenn auch dis­ku­ta­blen Grund­satz des pro­mo­vea­tur ut amo­vea­tur ein­zu­hal­ten, dann han­delt es sich offen­sicht­lich um eine öffent­li­che Straf­ak­ti­on. In die­sem Fall ist es erlaubt, nach den Anschul­di­gun­gen zu fra­gen, die gegen den betrof­fe­nen Prä­la­ten gel­tend gemacht wer­den. Kar­di­nal Bur­ke hat sei­ne Auf­ga­be als Kar­di­nal­prä­fekt des Ober­sten Gerichts­hofs auf höchst lobens­wer­te Wei­se erfüllt. Er wird von allen als her­vor­ra­gen­der Kir­chen­recht­ler geschätzt und ist ein Mann von einem tief­grün­di­gen geist­li­chen Innen­le­ben. Und nicht zuletzt wur­de er erst kürz­lich von Bene­dikt XVI. als ein „gro­ßer Kar­di­nal“ bezeich­net. Wes­sen ist er also schuldig?

Einigkeit bezüglich Gründe: „zu konservativ“ und uneins mit Papst Franziskus

Die Vatik­an­be­ob­ach­ter der ver­schie­den­sten Rich­tun­gen haben auf die­se Fra­ge in erstaun­li­chem Ein­klang deut­lich geant­wor­tet. Kar­di­nal Bur­ke sei schul­dig, „zu kon­ser­va­tiv“ und uneins mit Papst Fran­zis­kus zu sein. Nach der unglück­se­li­gen Rela­tio von Kar­di­nal Kas­per beim außer­or­dent­li­chen Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um vom 20. Febru­ar 2014 betrieb der ame­ri­ka­ni­sche Kar­di­nal die Ver­öf­fent­li­chung eines Buches, in dem fünf füh­ren­de Kar­di­nä­le und wei­te­re Exper­ten respekt­voll ihre Vor­be­hal­te gegen die neue vati­ka­ni­sche Linie vor­brach­ten, die die Mög­lich­keit öff­net, den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen die Kom­mu­ni­on zu gewäh­ren und die nicht ehe­li­chen Part­ner­schaf­ten anzu­er­ken­nen. Die Sor­ge der Kar­di­nä­le wur­de durch die Bischofs­syn­ode von Okto­ber bestä­tigt, bei der die gewag­te­sten The­sen auf der Ebe­ne der Ortho­do­xie sogar in die Zusam­men­fas­sung auf­ge­nom­men wur­den, die dem Schluß­be­richt vorausging.

Papst servierte Kasper und Lehmann Kardinal Burkes Kopf auf dem silbernen Tablett

Die Kardinäle Walter Kasper und Karl Lehmann
Die Kar­di­nä­le Wal­ter Kas­per und Karl Lehmann

Der ein­zi­ge plau­si­ble Grund für die Ent­fer­nung ist, daß der Kopf von Kar­di­nal Bur­ke vom Papst Kar­di­nal Kas­per und durch die­sen Kar­di­nal Karl Leh­mann, dem ehe­ma­li­gen Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, auf dem sil­ber­nen Tablett ser­viert wur­de. Es ist all­ge­mein bekannt, jeden­falls in Deutsch­land, daß die Fäden des deut­schen Wider­spruchs gegen Rom hin­ter den Kulis­sen noch immer von Leh­mann gezo­gen wer­den, dem Schü­ler von Karl Rahner.

Pater Ralph Wilt­gen ver­deut­lich­te in sei­nem Buch „Der Rhein fließt in den Tiber“ die Rol­le, die Rah­ner beim Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil vom ersten Augen­blick inne­hat­te, ab dem die euro­päi­schen Bischofs­kon­fe­ren­zen eine ent­schei­den­de Rol­le zu spie­len began­nen. Die Bischofs­kon­fe­ren­zen wur­den von ihren theo­lo­gi­schen Bera­tern beherrscht, und nach­dem unter ihnen die deut­sche Bischofs­kon­fe­renz die mäch­tig­ste war, kam ihrem füh­ren­den Theo­lo­gen, dem Jesui­ten Karl Rah­ner, die ein­fluß­reich­ste Rol­le zu.

Der Schatten Karl Rahners und seiner homo-freundlichen Enkel

Pater Wilt­gen faß­te die Kraft der pro­gres­si­sti­schen Lob­by, die sich in der „euro­päi­schen Alli­anz“ sam­mel­te, wie er sie nann­te, fol­gen­der­ma­ßen zusam­men: „Da die Posi­tio­nen der deutsch­spra­chi­gen Bischö­fe regel­mä­ßig von der euro­päi­schen Alli­anz über­nom­men wur­den und da die Posi­tio­nen der Alli­anz ihrer­seits gene­rell vom Kon­zil ange­nom­men wur­den, genüg­te es, daß es einem ein­zi­gen Theo­lo­gen gelang, daß sei­ne Ideen von den deutsch­spra­chi­gen Bischö­fe über­nom­men wur­den, damit sie vom Kon­zil sich zu eigen gemacht wur­den. Die­sen Theo­lo­gen gab es: Es war Pater Karl Rah­ner von der Gesell­schaft Jesu“.

50 Jah­re nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil liegt noch immer der Schat­ten Rah­ners über der Katho­li­schen Kir­che und drückt sich zum Bei­spiel in den homo­se­xu­el­len-freund­li­chen Posi­tio­nen eini­ger sei­ner Schü­ler aus, die jün­ger als Leh­mann und Kas­per sind, wie Erz­bi­schof Rein­hard Kar­di­nal Marx von Mün­chen-Frei­sing und Erz­bi­schof Bru­no For­te von Chieti-Vasto.

Die äquidistante Einseitigkeit von Papst Franziskus

Papst Fran­zis­kus äußer­te sich gegen bei­de Rich­tun­gen, sowohl den Pro­gres­sis­mus als auch den Tra­di­tio­na­lis­mus, ohne aller­dings zu klä­ren, wor­in die­se bei­den Eti­ket­tie­run­gen bestehen. Wenn er sich auch mit Wor­ten von bei­den Polen distan­ziert, die sich heu­te in der Kir­che gegen­über­ste­hen, zeigt er in den Taten für den „Pro­gres­sis­mus“ jedoch größ­tes Ver­ständ­nis, wäh­rend er auf das, was er „Tra­di­tio­na­lis­mus“ nennt, die Axt nie­der­ge­hen läßt.

Die Abset­zung von Kar­di­nal Bur­ke hat eine ver­gleich­ba­re exem­pla­ri­sche Bedeu­tung, wie die statt­fin­den­de Zer­stö­rung der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta. Vie­le Beob­ach­ter haben Kar­di­nal Braz de Aviz die Absicht zuge­schrie­ben, den Orden zer­schla­gen zu wol­len. Heu­te aber ist für alle erkenn­bar, daß Papst Fran­zis­kus mit die­ser Ent­schei­dung völ­lig über­ein­stimmt. Es geht nicht um die Fra­ge der über­lie­fer­ten Mes­se, die weder Kar­di­nal Bur­ke noch die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta aus­schließ­lich zele­brie­ren, son­dern um ihre nicht kon­for­me Hal­tung gegen­über der heu­te vor­herr­schen­den Kirchenpolitik.

Gleich­zei­tig unter­hielt sich der Papst lan­ge mit den Ver­tre­tern der soge­nann­ten „Volks­be­we­gun­gen“ ultra­mar­xi­sti­scher Rich­tung, die sich vom 27.–29. Okto­ber in Rom ver­sam­mel­ten und ernann­te einen offen hete­ro­do­xen Prie­ster, wie Pater Pablo d’Ors, zum Con­sul­tor des Päpst­li­chen Kulturrats.

Priester der Piusbruderschaft auf dem Weg in den Petersdom
Prie­ster der Pius­bru­der­schaft auf dem Weg in den Petersdom

Welche Folgen wird die aktuelle Kirchenpolitik zeitigen?

Es stellt sich die Fra­ge, wel­che Fol­gen die­se Poli­tik haben wird, wenn man die bei­den Grund­sät­ze bedenkt: den phi­lo­so­phi­schen Grund­satz der Hete­ro­ge­ne­se der Zie­le, laut dem bestimm­te Aktio­nen das Gegen­teil des Beab­sich­tig­ten her­vor­brin­gen, und den theo­lo­gi­schen Grund­satz des Wir­kens der Vor­se­hung in der Geschich­te, wes­halb laut den Wor­ten des Hei­li­gen Pau­lus omnia coope­ran­tur in bonum (Röm 8,28). Alles im ewi­gen Plan Got­tes führt zum Guten.

Der Fall Bur­ke und der Fall der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta, wie auch – auf einer ande­ren Ebe­ne – der Fall der Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. sind Anzei­chen eines ver­brei­te­ten Unbe­ha­gens, die die Kir­che wirk­lich wie ein Schiff erschei­nen las­sen, das abdrif­tet. Aber selbst wenn es die Pius­bru­der­schaft nicht gäbe, die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta auf­ge­löst oder „umer­zo­gen“ wären und Kar­di­nal Bur­ke zum Schwei­gen gebracht wäre, wäre die Kir­chen­kri­se um kei­nen Deut weni­ger schwerwiegend.

Die katholischen Gläubigen kämpfen mit Siegesgewißheit einen zuversichtlichen Kampf

Der Herr gab die Ver­hei­ßung, daß das Boot des Petrus nie ken­tern wird, nicht dank der Geschick­lich­keit des Steu­er­manns, son­dern wegen des gött­li­chen Bei­stan­des für die Kir­che, die – wie man sagen könn­te – inmit­ten der Stür­me lebt, ohne sich je von den Wel­len über­flu­ten zu las­sen (Mt 8,23–27; Mk 4.35–41; Lk 8,22–25).

Die katho­li­schen Gläu­bi­gen las­sen sich nicht ent­mu­ti­gen: sie schlie­ßen die Rei­hen, rich­ten ihren Blick auf das immer­gül­ti­ge, unver­än­der­li­che Lehr­amt der Kir­che, das mit der Tra­di­ti­on über­ein­stimmt, sie suchen Stär­kung in den Sakra­men­ten, sie beten wei­ter und han­deln in der festen Über­zeu­gung, daß in der Geschich­te der Kir­che, wie im Leben der Men­schen, der Herr erst ein­greift, wenn alles ver­lo­ren scheint.

Was von uns ver­langt wird, ist nicht resi­gnier­te Untä­tig­keit, son­dern ein zuver­sicht­li­cher Kampf in der Gewiß­heit des Sie­ges. Und gegen­über Kar­di­nal Bur­ke wagen wir, auch mit Blick auf neue Prü­fun­gen, die ihn sicher erwar­ten, die Wor­te von Pro­fes­sor Pli­nio Cor­rea de Oli­vei­ra zu wie­der­ho­len, die er am 10. Febru­ar 1974 zu Kar­di­nal Minds­zen­ty sag­te, als „die hei­lig­sten Hän­de der Erde die Säu­le umstie­ßen und gebro­chen zu Boden stürz­ten“: „Mag der Erz­bi­schof auch gestürzt sein und sei­ne Diö­ze­se ver­lo­ren haben, sei­ne mora­li­sche Gestalt als guter Hir­te, der sein Leben für sei­ne Her­de gibt, ist bis zu den Ster­nen gewachsen.“

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*Rober­to de Mat­tei, Histo­ri­ker, Vater von fünf Kin­dern, Pro­fes­sor für Neue­re Geschich­te und Geschich­te des Chri­sten­tums an der Euro­päi­schen Uni­ver­si­tät Rom, Vor­sit­zen­der der Stif­tung Lepan­to, Schrift­lei­ter der Monats­zeit­schrift Radi­ci Cri­stia­ne und der Online-Nach­rich­ten­agen­tur Cor­ri­spon­den­za Roma­na, von 2003 bis 2011 stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Natio­na­len For­schungs­rats von Ita­li­en, von 2002 bis 2006 außen­po­li­ti­scher Bera­ter der ita­lie­ni­schen Regie­rung, Autor zahl­rei­cher Bücher, zuletzt erschie­nen: Vica­rio di Cri­sto. Il pri­ma­to di Pie­tro tra nor­ma­li­tà  ed ecce­zio­ne (Stell­ver­tre­ter Chri­sti. Der Pri­mat des Petrus zwi­schen Nor­ma­li­tät und Aus­nah­me), Fede e Cul­tu­ra, Vero­na 2013; in deut­scher Über­set­zung sind u.a. erschie­nen: Das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil – eine bis­lang unge­schrie­be­ne Geschich­te, Edi­ti­on Kirch­li­che Umschau, Rup­picht­eroth 2011; Die Tür­kei in Euro­pa – Gewinn oder Kata­stro­phe?, Resch Ver­lag, Grä­fel­fing 2010; Pli­nio Cor­ràªa de Oli­vei­ra – Der Kreuz­rit­ter des 20. Jahr­hun­derts, mit einem Vor­wort von Alfons Maria Kar­di­nal Stick­ler SDB, Öster­rei­chi­sche Gesell­schaft zum Schutz von Tra­di­ti­on, Fami­lie und Pri­vat­ei­gen­tum, Wien 2004

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di (die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion)
Bild: CNN (Screenshot)/eucharistandmission/Bistum Mainz (Screenshot)/30giorni

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