Papst Franziskus: „Wind von Pfingsten“ möge über Bischofssynode wehen, damit sie den „Schrei des Volkes“ hört


Eröffnung der Bischofssynode 2014 durch Papst Franziskus im Petersdom in Rom
Eröffnung der Bischofssynode 2014 durch Papst Franziskus im Petersdom in Rom

(Vati­kan) Mit zwei Anspra­chen gab Papst Fran­zis­kus bei der Gebets­vi­gil am Vor­abend und bei der Pre­digt zur Eröff­nung der Bischofs­syn­ode den 191 Syn­oden­vä­tern eini­ges mit auf den Weg. Dar­aus erge­ben sich zwei Fra­gen:  Was sag­te der Papst? Und vor allem: Was mein­te der Papst damit genau? Was meint er kon­kret im Zusam­men­hang mit der Bischofs­syn­ode und deren Fra­ge­stel­lun­gen, wenn er die „Hir­ten“ mit den „Win­zern“ aus dem Gleich­nis Jesu gleich­setzt, die Got­tes „Traum“ von sei­nem Volk „ver­ei­teln“ und den Menschen„unerträgliche Lasten auf die Schul­tern“ legen? Und was, wenn er sagt, daß der „Schrei des Vol­kes“ ertönt, und sich die Hir­ten den „Geruch“ des Vol­kes aneig­nen und des­sen Wil­len ergrün­den und sich schließ­lich vom „Wind von Pfing­sten“ anrüh­ren las­sen sol­len, um „krea­ti­ve“ (…) „neue und unge­ahn­te Mög­lich­kei­ten“ zu entdecken?

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Mit einem Pon­ti­fi­kal­amt im Peters­dom eröff­ne­te Papst Fran­zis­kus am heu­ti­gen Vor­mit­tag die Außer­or­dent­li­che Bischofs­syn­ode über die Fami­lie. Zwei Wochen lang wer­den 191 Syn­oden­vä­ter und 60 Bera­ter und Beob­ach­ter zum The­ma Fami­lie und Ehe dis­ku­tie­ren. Grund­la­ge ist ein Arbeits­pa­pier, das vom stän­di­gen Sekre­ta­ri­at der Syn­ode unter dem Vor­sitz von Gene­ral­se­kre­tär Loren­zo Kar­di­nal Bal­dis­se­ri, einem engen Ver­trau­ten des Pap­stes, erar­bei­tet wur­de. Täg­lich soll eine Pres­se­er­klä­rung über den Ver­lauf der Bischofs­syn­ode informieren.

Pontifikalamt im Petersdom – Der „Traum Gottes“

In sei­ner Pre­digt sprach der Papst vom Wein­berg als „Traum Got­tes“. Die­ser „Traum“ sei „sein Volk: Er hat es gepflanzt und er pflegt es mit gedul­di­ger und treu­er Lie­be, damit es ein hei­li­ges Volk wird, ein Volk, das vie­le gute Früch­te der Gerech­tig­keit bringt.“ Doch „sowohl in der alten Weis­sa­gung als auch im Gleich­nis Jesu wird der Traum Got­tes vereitelt.“

Jesus wen­de sich mit sei­nem Gleich­nis „an die Füh­rungs­schicht“: „Das ist die Auf­ga­be der Füh­ren­den im Volk: den Wein­berg mit Frei­heit, Krea­ti­vi­tät und Fleiß zu pfle­gen.“ Mit der „Füh­rungs­schicht“ meint der Papst die Hir­ten und ver­gleicht die­se mit den Win­zern, die den Wein­berg „an sich geris­sen haben; in ihrer Gier und ihrem Hoch­mut mei­nen sie, mit ihm zu machen, was sie wol­len, und so neh­men sie Gott die Mög­lich­keit, sei­nen Traum von dem Volk, das er sich erwählt hat, zu verwirklichen.“

Der Papst geht noch wei­ter in sei­ner Ankla­ge an die Hir­ten: „Und um die­se Gier zu befrie­di­gen, laden die schlech­ten Hir­ten den Men­schen uner­träg­li­che Lasten auf die Schul­tern, die zu tra­gen sie sel­ber aber kei­nen Fin­ger rüh­ren (vgl. Mt 23,4).“

Die Bischofs­syn­ode sei dazu da, „den Wein­berg des Herrn bes­ser zu pfle­gen und zu hüten, an sei­nem Traum, sei­nem Plan der Lie­be für sein Volk mit­zu­ar­bei­ten. In die­sem Fall ver­langt der Herr von uns, uns um die Fami­lie zu küm­mern, die von Anfang an ein wesent­li­cher Bestand­teil sei­nes Lie­bes­plans für die Mensch­heit war.“

„Führungsschicht“ – „gierige Winzer“ – „Hirten“

Dann mein­te der Papst an die Syn­oden­vä­ter gerich­tet: „Wir sind alle Sün­der, und auch für uns kann es die Ver­su­chung geben, aus Gier, die in uns Men­schen immer vor­han­den ist, den Wein­berg ‚an uns zu rei­ßen‘. Der Traum Got­tes kol­li­diert stets mit der Heu­che­lei eini­ger sei­ner Die­ner. Wir kön­nen den Traum Got­tes ‚ver­ei­teln‘, wenn wir uns nicht vom Hei­li­gen Geist lei­ten las­sen.“ Was aber meint Papst Fran­zis­kus, wenn er sagt, sich vom „Hei­li­gen Geist lei­ten las­sen“? „Der Geist schenkt uns die Weis­heit, die über das rei­ne Wis­sen hin­aus­geht, um groß­her­zig in wah­rer Frei­heit und demü­ti­ger Krea­ti­vi­tät zu arbeiten.“

„Brü­der, um den Wein­berg gut zu pfle­gen und zu hüten, ist es nötig, daß unse­re Her­zen und unse­re Gedan­ken in der Gemein­schaft mit Jesus Chri­stus bewahrt sind durch den ‚Frie­den Got­tes, der alles Ver­ste­hen über­steigt‘ (Phil 4,7). So wird unser Den­ken und Pla­nen mit dem Traum Got­tes über­ein­stim­men: sich ein hei­li­ges Volk her­an­zu­bil­den, das ihm gehört und die Früch­te des Rei­ches Got­tes bringt (vgl. Mt 21,43).“

Gebetsvigil am Petersplatz für die Bischofssynode über die Familie
Gebets­vi­gil am Peters­platz für die Bischofs­syn­ode über die Familie

Der Papst tätig­te damit kei­ne inhalt­li­che Äuße­rung zu den im Vor­feld der Bischofs­syn­ode heiß dis­ku­tier­ten Fra­gen, allen vor­an der Zulas­sung wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ner zur Kom­mu­ni­on oder die Aner­ken­nung einer Zweit­ehe durch die Kirche.

Am gest­ri­gen Sams­tag nahm Papst Fran­zis­kus an einer Gebets­vi­gil auf dem Peters­platz für einen „guten Ver­lauf“ der Bischofs­syn­ode teil. Zu ihr hat­te die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz ein­ge­la­den. Mehr als 80.000 Men­schen waren gekom­men, vor allem Fami­li­en. In den Zeug­nis­sen, leuch­te­te die katho­li­sche Glau­bens­leh­re auf. Dar­un­ter befand sich auch ein kirch­lich getrau­tes Paar, das sich zivil­recht­lich schei­den hat­te las­sen, doch nach sechs Jah­ren wie­der zusammenfand.

In sei­ner Rede sag­te der Papst: „Bereits das con­ve­ni­re in unum um den Bischof von Rom ist ein Gna­de­n­er­eig­nis, in dem sich die bischöf­li­che Kol­le­gia­li­tät auf einem Weg der geist­li­chen und pasto­ra­len Urteils­fä­hig­keit manifestiert.“

Pulsschlag der Zeit Gehör schenken – „Geruch“ der Menschen von heute wahrnehmen

Und an die Syn­oden­vä­ter gewandt: „Um zu erfor­schen, was heu­te der Herr von Sei­ner Kir­che wünscht, müs­sen wir dem Puls­schlag die­ser Zeit Gehör schen­ken und den „Geruch“ der Men­schen von heu­te wahr­neh­men, bis wir von ihren Freu­den und Hoff­nun­gen, ihren Trau­rig­kei­ten und Sor­gen durch­drun­gen sind (vgl. Gau­di­um et spes, Nr. 1). Dann wer­den wir mit Glaub­wür­dig­keit die Fro­he Bot­schaft über die Fami­lie vor­brin­gen können.“

Und wei­ter: „Vom Hei­li­gen Geist erbit­ten wir für die Syn­oden­vä­ter vor allem die Gabe des Hörens“. Die in Rom ver­sam­mel­ten Bischö­fe müß­ten „auf Gott hören, bis sie mit Ihm den Schrei des Vol­kes hören“; „auf das Volk hören, bis sie den Wil­len ein­at­men, zu dem Gott uns ruft“.

„Rückkehr zum Ursprung christlicher Erfahrung öffnet neue, ungeahnte Möglichkeiten“

Gleich­zei­tig zum „Hören“, rief der Papst zur „Bereit­schaft zu einem ehr­li­chen, offe­nen und brü­der­li­chen“ Dia­log auf, „der uns dazu führt, uns mit pasto­ra­lem Ver­ant­wor­tungs­be­wußt­sein der Fra­gen, die die­ser Epo­chen­wan­del mit sich bringt anzu­neh­men. Las­sen wir es zu, daß sie sich in unser Herz ergie­ßen, ohne je den Frie­den zu ver­lie­ren, son­dern mit der gelas­se­nen Zuver­sicht, daß der Herr zu gege­be­ner Zeit es nicht dar­an feh­len las­sen wird, zur Ein­heit zurück­zu­füh­ren. Berich­tet uns die Kir­chen­ge­schich­te, wie wir wis­sen, nicht viel­leicht von vie­len ähn­li­chen Situa­tio­nen, die unse­re Väter mit beharr­li­cher Geduld und Krea­ti­vi­tät zu über­win­den wußten?“

Das „Geheim­nis“ lie­ge in einem „Blick“, so der Papst, so sei die „drit­te Gabe“, um die es zu bit­ten gel­te, „wenn wir wirk­lich unse­re Schrit­te auf dem Boden der heu­ti­gen Her­aus­for­de­run­gen über­prü­fen wol­len“, den „Blick fest auf Jesus Chri­stus gerich­tet“ zu las­sen. „Wenn wir uns sei­ne Art zu den­ken, zu leben und mit Men­schen umzu­ge­hen, zu eigen machen, wer­den wir uns nicht schwer­tun, die Arbeit der Syn­ode in Hin­wei­se und Wege für die Seel­sor­ge der Per­son und der Fami­lie zu gie­ßen. Denn jedes Mal, wenn wir zum Ursprung der christ­li­chen Erfah­rung zurück­keh­ren, öff­nen sich neue und unge­ahn­te Möglichkeiten.“

„Wind von Pfingsten möge uns kreative Liebe schenken“

Die­se drei Din­ge, das Hören, die syn­oda­le Dis­kus­si­on über die Fami­lie, sel­bi­ge geliebt mit dem Blick Chri­sti, „wer­den eine Gele­gen­heit der Vor­se­hung sein, mit der wir nach dem Bei­spiel des hei­li­gen Fran­zis­kus die Kir­che und die Gesell­schaft erneu­ern. Mit der Freu­de des Evan­ge­li­ums wer­den wir den Gleich­schritt einer ver­söhn­ten und barm­her­zi­gen Kir­che, arm und Freun­din der Armen, wie­der­fin­den. Eine Kir­che, die imstan­de ist, „ihre Trüb­sa­le und Mühen, inne­re glei­cher­ma­ßen wie äuße­re, durch Geduld und Lie­be zu besie­gen“ (Lumen gen­ti­um, Nr. 8).

„Möge der Wind von Pfing­sten über der Syn­oden­ar­beit wehen, über der Kir­che, über der gan­zen Mensch­heit. Möge er die Kno­ten lösen, die die Men­schen dar­an hin­dern, sich zu begeg­nen. Möge er die blu­ten­den Wun­den hei­len und die Hoff­nung neu ent­fa­chen. Es gibt so vie­le Men­schen ohne Hoff­nung! Möge er uns jene krea­ti­ve Lie­be schen­ken, die es mög­lich macht zu lie­ben, wie Jesus geliebt hat. Und unse­re Ver­kün­di­gung wird die Leben­dig­keit und die Dyna­mik der ersten Mis­sio­na­re des Evan­ge­li­ums wiederfinden.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Giornalettismo/​Avvenire

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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