Die Bischofssynode laut „Civiltà  Cattolica“ – Rückschlüsse auf Stimmung in der Kasper-Partei?


Civiltà  Cattolica mit Synodennachlese
Civil­tà  Cat­to­li­ca mit Synodennachlese

(Rom) Die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca bie­tet in ihrer neu­en Aus­ga­be eine Nach­le­se auf die Bischofs­syn­ode über die Fami­lie. Autor ist Chef­re­dak­teur Pater Anto­nio Spa­da­ro per­sön­lich. Der Bericht lie­fert inter­es­san­te Rück­schlüs­se auf die post­syn­oda­le Stim­mung im Lager um Kar­di­nal Wal­ter Kas­per. Der Tenor des Auf­sat­zes ist mode­rat und aus­glei­chend, ergreift jedoch Par­tei für Kas­pers „Öff­nun­gen“. Da die Zeit­schrift nur mit Druck­erlaub­nis des Vati­kans erschei­nen kann und Pater Spa­da­ro zum enge­ren Ver­trau­ten­kreis des Pap­stes gehört, lohnt eine gründ­li­che Ana­ly­se des Tex­tes, der bis ins päpst­li­che Arbeits­zim­mer blicken läßt. Eine sol­che Ana­ly­se kann an die­ser Stel­le besten­falls ange­sto­ßen wer­den. Das aber soll geschehen.

Unikat Civiltà  Cattolica

Anzei­ge

Die römi­sche Jesui­ten­zeit­schrift La Civil­tà  Cat­to­li­ca stellt ein Uni­kat dar, des­sen Kennt­nis erst ihre Bedeu­tung erklärt. Die seit mehr als 150 Jah­ren erschei­nen­de Zeit­schrift besitzt den Sta­tus eines offi­ziö­sen Organs des Hei­li­gen Stuhls. Alle Bei­trä­ge wer­den vor ihrer Druck­le­gung dem vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at vor­ge­legt und bedür­fen einer Druck­erlaub­nis. Dem­entspre­chend las­sen sich aus den Bei­trä­gen zumin­dest gewis­se Rück­schlüs­se auf die offi­zi­el­le Linie des Vati­kans zie­hen. Die Ver­bin­dung zwi­schen der Zeit­schrift und dem Hei­li­gen Stuhl wur­de noch ver­stärkt, seit erst­mals in der Kir­chen­ge­schich­te ein Jesu­it den Stuhl Petri ein­ge­nom­men hat. Die Civil­tà  Cat­to­li­ca ver­öf­fent­licht näm­lich aus­schließ­lich Bei­trä­ge von Jesui­ten. Die Wahl von Papst Fran­zis­kus schuf eine neue Syn­er­gie zwi­schen Pater Anto­nio Spa­da­ro, Schrift­lei­ter seit der Aus­ga­be vom 1. Okto­ber 2011, und dem Kirchenoberhaupt.

Im Sep­tem­ber 2013 ver­öf­fent­lich­te die Zeit­schrift eines jener umstrit­te­nen Inter­views von Papst Fran­zis­kus. Das Inter­view wur­de von Pater Spa­da­ro geführt. Ver­öf­fent­licht wur­de es zeit­gleich von der Civil­tà  Cat­to­li­ca, Radio Vati­kan und zahl­rei­chen Jesui­ten­zeit­schrif­ten in ver­schie­de­nen Spra­chen rund um den Glo­bus. Größt­mög­li­che Auf­merk­sam­keit war das Ziel. Es han­delt sich unter meh­re­ren um das ein­zi­ge Inter­view, das der Papst bis­her einer kir­chen­ei­ge­nen Zeit­schrift gewährte.

„Eine Kirche auf dem synodalen Weg“

Seit­her gehört Pater Spa­da­ro zum Ver­trau­ten­kreis des Pap­stes und stellt sei­ne Zeit­schrift auch stra­te­gi­schen Pla­nun­gen zur Ver­fü­gung, wie die Bischofs­syn­ode über die Fami­lie zeig­te. Am Vor­abend zum Syn­oden­auf­takt ver­öf­fent­lich­te die Zeit­schrift einen Auf­satz, der die „Öffnungs“-These von Kar­di­nal Wal­ter Kas­per unterstützte.

In der jüng­sten Aus­ga­be der Civil­tà  Cat­to­li­ca (Heft Nr. 3945 vom 1. Novem­ber 2014, S. 213–227) ist mit dem Titel „Eine Kir­che auf dem syn­oda­len Weg. Die pasto­ra­len Her­aus­for­de­run­gen zur Fami­lie“ ein Resü­mee der Bischofs­syn­ode aus der Feder von Pater Spa­da­ro erschie­nen, der Ein­blick in die nach­syn­oda­le Ein­schät­zung auf höch­ster kirch­li­cher Ebe­ne bie­tet. Man könn­te zum Teil von einer Kater­stim­mung spre­chen, liest man bestimm­te For­mu­lie­run­gen als Ärger über eine miß­lun­ge­ne „Neu­aus­rich­tung“ der kirch­li­chen Ehe- und Moral­leh­re. Dies­be­züg­lich ist Pater Spa­da­ro nicht zim­per­lich, der selbst, als von Papst Fran­zis­kus per­sön­lich ernann­ter Syn­oda­le an der Syn­ode teilnahm.

Verärgerung über teilmißglückte Synode

Papst Franziskus mit Pater Antonio Spadaro
Papst Fran­zis­kus mit Pater Anto­nio Spadaro

Der Para­graph 52 der Rela­tio Syn­odi behan­del­te die im Mit­tel­punkt der Auf­merk­sam­keit ste­hen­den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen, zu denen Kar­di­nal Kas­per „neue Wege“ for­mu­liert und gefor­dert hat­te, mit wenig ver­schlei­er­ter Unter­stüt­zung durch Papst Fran­zis­kus. Doch der Para­graph 52 erreich­te kei­ne qua­li­fi­zier­te Mehr­heit unter den Syn­oden­vä­tern. Die Abstim­mung sei „in un cer­to sen­so anoma­la, per­ché ਠcome se 74 padri su 183 ave­s­se­ro volu­to nega­re per­si­no la regi­stra­zio­ne del­la dis­cus­sio­ne di fat­to vissu­ta“, so Pater Spa­da­ro, der damit gleich eine Schuld­zu­wei­sung vor­nimmt. Das Votum sei gewis­ser­ma­ßen „anomal“, gera­de so, als hät­ten 74 von 184 Syn­oden­vä­tern sogar die tat­säch­lich erleb­te Dis­kus­si­on leug­nen wol­len. Har­te Wor­te, die erken­nen las­sen, wel­che Ver­är­ge­rung die ver­paß­te Zwei­drit­tel­mehr­heit im nähe­ren Umfeld des Pap­stes aus­ge­löst haben muß.

Auf der Syn­ode sei­en „unter­schied­li­che Kir­chen­mo­del­le“ sicht­bar gewor­den, aber auch unter­schied­li­che kul­tu­rel­le Prä­gun­gen, die „in Zügen sogar gegen­sätz­lich“ sind, je nach Her­kunfts­land oder Kon­ti­nent der Syn­oden­vä­ter, so Pater Spa­da­ro. Der nicht eine von der Kas­per-Par­tei vom ersten Syn­oden­tag an aus­ge­ge­be­ne Paro­le auf­zu­grei­fen ver­gißt, wenn er schreibt, daß man in der Syn­ode­nau­la „wirk­lich ein ‚kon­zi­lia­res‘ Kli­ma geat­met hat“.

Zwischen „voller erwachsenen Reife“ und Unreife

Die in der Debat­te auf­ge­tre­te­nen kon­trä­ren Posi­tio­nen wer­tet er nicht inhalt­lich, son­dern for­mal und spricht von „Abge­klärt­heit und Offen­heit“, die zwar die Dis­kus­si­on nicht weni­ger hart gemacht hät­ten, son­dern „im Gegen­teil es erlaubt haben, eine wirk­li­che Dyna­mik zu leben, die kei­nes­wegs ‚Verwirrung’ist, son­dern ‚Frei­heit‘: zwei Begrif­fe, die nie zu ver­wech­seln sind, will man nicht mutig die vol­le erwach­se­ne Rei­fe leben“. Eine im Zusam­men­hang mit einer Syn­ode ziem­lich kuri­os anmu­ten­de For­mu­lie­rung, will man dar­in nicht eine wohl­wol­len­de Anspie­lung auf das pro­gres­si­ve Kon­zept des „mün­di­gen Chri­sten“ erken­nen. Im Umkehr­schluß scheint Pater Spa­da­ro sagen zu wol­len, daß eine Ableh­nung, über Kas­pers „Öff­nung“ zu dis­ku­tie­ren, ein Man­gel an „vol­ler erwach­se­ner Rei­fe“ wäre.

Die Mög­lich­keit der meri­to­ri­schen oder for­ma­len Unzu­läs­sig­keit einer Posi­ti­on, wie sie jede Rechts­ord­nung kennt, im kon­kre­ten Fall etwa, weil in offen­sicht­li­chem Wider­spruch zur kirch­li­chen Leh­re und Ord­nung, wird von Pater Spa­da­ro nicht erwogen.

Der Schrift­lei­ter der Jesui­ten­zeit­schrift setzt ande­re Akzen­te, etwa wenn er betont, daß Papst Fran­zis­kus „die Kor­rekt­heit des syn­oda­len Ver­fah­rens bestä­tigt“ habe, „von dem man sich nicht eine voll­stän­di­ge Über­ein­stim­mung erwar­ten konn­te“. Pater Spa­da­ro zitier­te in die­sem Zusam­men­hang das „Kli­ma“ des soge­nann­ten Jeru­sa­le­mer Apo­stel­kon­zils aus der Apo­stel­ge­schich­te, wo eine „gro­ße Dis­kus­si­on“ statt­ge­fun­den habe.

„Ohne je die Wahrheit des Ehesakraments in Frage zu stellen“ und doch…

Die­se „direk­te Kon­fron­ta­ti­on Aug in Aug“, so die Civil­tà  Cat­to­li­ca, sei das, was der Papst von den Syn­oda­len gewünscht habe, denn er habe gewußt, daß alle vom „Wohl der Kir­che, der Fami­lie und der supre­ma lex, der salus ani­ma­rum“ gelei­tet sei­en. Das habe eine Dis­kus­si­on mög­lich gemacht „ohne je die grund­le­gen­de Wahr­heit des Ehe­sa­kra­ments in Fra­ge zu stel­len: die Unauf­lös­lich­keit, die Ein­heit, die Treue und die Fort­pflan­zung, das heißt, die Offen­heit für das Leben“.

Nach­dem Pater Spa­da­ro beklag­te, daß ein Teil der Syn­oden­vä­ter, sei­ner Mei­nung nach, sogar „leug­nen“ woll­ten, daß es eine Dis­kus­si­on über die wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen gege­ben habe, bringt er sei­ne Genug­tu­ung dar­über zum Aus­druck, daß das The­ma in der Schluß­bot­schaft doch vor­han­den sei, die als Gan­ze abge­stimmt wur­de und mit 158 gegen 174 Stim­men ange­nom­men wur­de. Dort heißt es: „Des­halb haben wir im ersten Teil unse­res syn­oda­len Weges über die pasto­ra­le Beglei­tung und den Zugang zu den Sakra­men­ten der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen nach­ge­dacht“. Die­ses Zitat ist als ein­zi­ges im gan­zen Auf­satz kur­siv gesetzt und damit her­aus­ge­ho­ben, was gleich­zei­tig auch betont, wel­che Hal­tung Pater Spa­da­ro und die Civil­tà  Cat­to­li­ca einnimmt.

Lob für die Relatio post disceptationem mit „frischerer und zeitgemäßerer Sprache“

Pater Antonio Spadaro, Schriftleiter der Civiltà  Cattolica
Pater Anto­nio Spa­da­ro, Schrift­lei­ter der Civil­tà  Cattolica

Pater Spa­da­ro lobt die umstrit­te­ne Rela­tio post dis­cep­t­atio­nem mit exakt jener Dik­ti­on, die auch die Kar­di­nä­le Kas­per, Schön­born und Marx in- und außer­halb der Syn­ode gebrauch­ten. „Gene­rell kön­nen wir sagen, daß die Rela­tio die Aner­ken­nung der posi­ti­ven Ele­men­te auch in den nicht per­fek­ten Fami­li­en­for­men und den pro­ble­ma­ti­schen Situa­tio­nen auf­ge­nom­men hat.“ Es wer­de dar­in gesagt, daß „das Posi­ti­ve in den nicht per­fek­ten Situa­tio­nen anzu­er­ken­nen“ sei. Die von Pater Spa­da­ro in die­sem Zusam­men­hang bemüh­ten Stich­wor­te lau­ten „Lebens­wirk­lich­keit“, „wirk­li­ches Leben“, „rea­le Geschich­te“. Damit habe die „Rela­tio eine Kir­che gezeigt, die mit ihren Ener­gien mehr dar­auf abzielt soviel Getrei­de als mög­lich zu säen anstatt Unkraut auszureißen.“

Dann kommt der Jesu­it ins Schwär­men: „Obwohl es noch ein pro­vi­so­ri­scher, zu ver­tie­fen­der und zu kor­ri­gie­ren­der Text war, löste er bei eini­gen die Freu­de über eine ‚fri­sche­re’ und zeit­ge­mä­ße­re Spra­che aus“. Das Ver­dienst des umstrit­te­nen Doku­ments sei, laut Pater Spa­da­ro, daß es „die kon­kre­te Exi­stenz der Men­schen auf­ge­grif­fen hat, anstatt abstrakt über die Fami­lie zu spre­chen, wie sie sein soll­te“. Zu die­sem posi­ti­ven Auf­grei­fen der „kon­kre­ten Exi­stenz der Men­schen“ zählt er „die Wür­di­gung der nur durch eine Zivil­ehe ver­bun­de­nen Paa­re, die Situa­ti­on der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen und ihren even­tu­el­len Zugang zu den Sakra­men­ten der Ver­söh­nung und der Eucha­ri­stie, die gemisch­ten Ehen, die Fäl­le von Nich­tig­keit, die Situa­ti­on homo­se­xu­el­ler Men­schen, die Her­aus­for­de­rung des Gebur­ten­rück­gangs und der Erziehung“.

Ablehnung des „Gradualitäts“-Prinzips vorkonziliar?

Zur von Kar­di­nal Schön­born, und dann auch ande­ren ver­tre­te­nen neu­en „Gra­dua­li­tät“ schreibt Pater Spa­da­ro, die Posi­tio­nen der Arbeits­krei­se haben vom „Mut an ver­bo­te­ne Türen zu klop­fen“ (Cir­culus Angli­cus A) bis zur „völ­li­gen Zurück­wei­sung des Prin­zips der vom Zwei­ten Vati­ca­num inspi­rier­ten ‚Gra­dua­li­tät‘ (Cir­culus Gal­li­cus B) gereicht. Ange­sichts einer inner­kirch­lich weit­ge­hend durch­ge­setz­ten Tabui­sie­rung von jeder Kri­tik am Kon­zil, das a prio­ri „posi­tiv“ zu wer­ten sei, will der Schrift­lei­ter mit sei­nem Hin­weis auf das Zwei­te Vati­ca­num den Ein­druck signa­li­sie­ren, die Kri­ti­ker der Gra­dua­li­täts-The­se sei­en im Unrecht, da vor- oder anti­kon­zi­li­ar, was wohl ohne jede „Gra­dua­li­tät“ glei­cher­ma­ßen schlimm sein muß. Nur neben­bei sei erwähnt, daß der Cir­culus Angli­cus A an der genann­ten Stel­le eigent­lich etwas ganz ande­res aus­sagt und nur „ein Mit­glied“, wie aus­drück­lich ver­merkt wur­de, auf die oben zitier­te Aus­sa­ge „dräng­te“.

Inter­es­sant ist noch die Fest­stel­lung, daß die Rela­tio post dis­cep­t­atio­nem, laut Dar­stel­lung der Civil­tà  Cat­to­li­ca „Kar­di­nal Peter Erdö mit Unter­stüt­zung des Son­der­se­kre­tärs Msgr. Bru­no For­te redi­giert hat, wie es der Ordo Syn­odi“ vor­se­he. Die Rela­tio sei auf der Grund­la­ge der Wort­mel­dun­gen ent­stan­den, die vor Syn­oden­be­ginn dem Gene­ral­se­kre­ta­ri­at zukamen.

Nicht min­der inter­es­sant, daß die Kom­mis­si­on für die Schluß­bot­schaft bereits tag­te, als die Arbeits­krei­se erst ihre Arbeit auf­nahm und damit deren Arbeit gar nicht berück­sich­ti­gen konn­te. Die Kom­mis­si­on bestand ursprüng­lich aus­schließ­lich aus Mit­glie­dern, die der Kas­per-The­se wohl­wol­lend gegen­über­stan­den. Erst der „afri­ka­ni­sche Unfall“ Kas­pers wäh­rend der Syn­ode führ­te dazu, daß Papst Fran­zis­kus zur Beru­hi­gung des auf­ge­wühl­ten Kli­mas, von dem Spa­da­ro nichts zu berich­ten weiß, noch zwei Mit­glie­der nachbestellte.

Von intransparenter Transparenz und anderen Unterschlagungen

In der Ver­öf­fent­li­chung der Abstim­mungs­er­geb­nis­se auch über die ein­zel­nen Para­gra­phen „hat Fran­zis­kus den gan­zen Pro­zeß trans­pa­rent gemacht, indem er den Gläu­bi­gen die Les­art und die Beur­tei­lung der Fak­ten über­ließ, auch jene, die schwe­rer zu inter­pre­tie­ren sind“. Mit kei­nem Wort erwähnt Pater Spa­da­ro hin­ge­gen den Unmut nicht weni­ger Syn­oden­vä­ter, die gera­de einen Man­gel an Trans­pa­renz kri­ti­sier­ten, bzw. der Syn­oden­lei­tung eine selek­ti­ve Trans­pa­renz vor­war­fen, mit der Kas­pers Par­tei begün­stigt wer­den soll­te. So wur­den die Wort­mel­dun­gen der Syn­oda­len im Gegen­satz zu den frü­he­ren Syn­oden nicht ver­öf­fent­licht und damit das genaue Gegen­teil von Trans­pa­renz prak­ti­ziert. Die Ver­öf­fent­li­chung der Ergeb­nis­se der Ein­zel­ab­stim­mun­gen und nicht nur das End­ergeb­nis sei erfolgt, weil Kas­pers Posi­ti­on eine leich­te, wenn auch nicht aus­rei­chen­de Mehr­heit hat­te. Wäre die­se nicht der Fall gewe­sen, hät­te es wahr­schein­lich auch die­se „Trans­pa­renz“ nicht gegeben.

„Die­ser gan­ze Pro­zeß hat die Ver­öf­fent­li­chung der Arbeits­ma­te­ria­li­en (Rela­tio und rela­tio­nes der Arbeits­krei­se) für eine grö­ße­re exter­ne Teil­ha­be außer­halb der Syn­ode not­wen­dig gemacht“, so Pater Spa­da­ro, der mit kei­nem Wort erwähnt, daß die Ver­öf­fent­li­chung der rela­tio­nes erst wider­wil­lig nach einem Auf­stand der Syn­oda­len erfolg­te. Statt des­sen heißt es im Auf­satz: „Es soll nicht ver­schwie­gen wer­den, daß die Ver­öf­fent­li­chung aller Dis­kus­si­ons­un­ter­la­gen von eini­gen als ris­kant betrach­tet wur­de, weil sie ein Bild der Kir­che in ihrer Viel­schich­tig­keit unter­schied­li­cher Posi­tio­nen lie­fer­te“. Kein Wort dar­über, daß die Ver­öf­fent­li­chung oder Nicht-Ver­öf­fent­li­chung nicht nur eine Fra­ge der Oppor­tu­ni­tät war, son­dern einen inhalt­li­chen Kon­flikt wider­spie­gel­te, weil die Ver­tei­di­ger der kirch­li­chen Ehe- und Moral­leh­re in der Nicht-Ver­öf­fent­li­chung ein Tod­schwei­gen ihrer Posi­ti­on erkann­ten, mit dem der Gegen­po­si­ti­on von Kar­di­nal Kas­per eine Mono­pol­stel­lung gesi­chert wer­den soll­te, wie dies durch Papst Fran­zis­kus bereits beim Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um im ver­gan­ge­nen Febru­ar vor­ex­er­ziert wor­den war.

So ver­steht sich von selbst, daß Pater Spa­da­ro den erho­be­nen Vor­wurf der „Mani­pu­la­ti­on“ eben­so­we­nig erwähnt, wie die noch wäh­rend der Syn­ode von Kar­di­nal Bur­ke geäu­ßer­te Kri­tik, Papst Fran­zis­kus habe durch sei­ne Hal­tung in der Gesamt­fra­ge „eine Men­ge Scha­den ange­rich­tet“. Eben­so­we­nig the­ma­ti­siert wird Kri­tik an Kar­di­nal Kas­per vor allem durch afri­ka­ni­sche Syn­oda­le. Statt des­sen lobt er, daß Papst Fran­zis­kus die Ver­öf­fent­li­chung auch jener Tei­le ver­füg­te, die kei­ne Mehr­heit erhielten.

„Mutige pastorale Entscheidungen“

Pater Spa­da­ro betont als Neue­rung, daß im ange­nom­me­nen Teil des Schluß­be­richts „posi­ti­ve Ele­men­te“ auch in Zivil­ehen und ohne Trau­schein zusam­men­le­ben­den Paa­ren aner­kannt wür­den und die Rede von „muti­gen pasto­ra­len Ent­schei­dun­gen“ sei. Dazu gehört auch, daß Pater Spa­da­ro unver­kenn­bar eine „Öff­nung“ der Kir­che gegen­über Homo­se­xu­el­len ver­tritt. Mit kei­nem Wort erwähnt er auch nur ansatz­wei­se Kri­tik am sünd­haf­ten Ver­hal­ten Homo­se­xu­el­ler, betont aber aus­drück­lich, daß die „Will­kom­mens­hal­tung“ einen Ein­satz der Nähe bedeu­te, „der auch imstan­de ist, unge­rech­te und gewalt­tä­ti­ge Dis­kri­mi­nie­run­gen anzu­kla­gen“. Homo­se­xu­el­le, wer­den nur als ver­tei­di­gungs- nicht aber als kri­tik­wür­dig benannt.

Pater Spa­da­ro berich­tet, daß die drei Para­gra­phen zu den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen und den Homo­se­xu­el­len zwar abge­lehnt wur­den, nicht ohne zu erwäh­nen, daß sie aber „eine sat­te Mehr­heit“ erhal­ten haben. Dabei unter­stellt er den Ver­tei­di­gern der kirch­li­chen Ehe- und Moral­leh­re wahr­heits­wid­rig „weni­ger geneigt zur pasto­ra­len Annah­me die­ser Men­schen zu sein“.

Das Feldlazarett, das sich selbst belagert

Schließ­lich macht sich der Jesui­ten­schrift­lei­ter das von Papst Fran­zis­kus wie­der­holt vor­ge­tra­ge­nen Bild von der Kir­che als „Feld­la­za­rett“ zu eigen: „Vie­le Men­schen sind ver­letzt, die von uns Nähe erbit­ten, die von uns erbit­ten, wor­um sie Jesus baten: Nähe, unmit­tel­ba­re Nähe“. Es drängt sich die Fra­ge auf, ob das wirk­lich alles ist, was die Men­schen von Jesus erba­ten und noch mehr, ob das alles ist, wozu Jesus zu den Men­schen ging. Vor allem bliebt aus­ge­klam­mert, daß die „vie­len Ver­letz­ten“ auch jene vor­aus­set­zen, die ver­let­zen, ein­schließ­lich der Fra­ge, ob die Dar­stel­lung der Men­schen nur unter dem Blick­win­kel von „Ver­letz­ten“ der mensch­li­chen Natur und der beschwo­re­nen „Lebens­wirk­lich­keit“ gerecht wird. Wohl kaum.

Den­noch unter­läßt es Pater Spa­da­ro nicht, einen Sei­ten­hieb aus­zu­tei­len. Er sagt nicht gegen wen, doch sind die Adres­sen hin­läng­lich bekannt. Denn das Bild der Kir­che als „Feld­la­za­rett“ sei „das Gegen­teil einer bela­ger­ten Festung“. Nach der Wahl von Papst Fran­zis­kus wur­de damit mit dem Fin­ger auf Bene­dikt XVI. gezeigt. Das sei nicht „bloß eine schö­ne poe­ti­sche Meta­pher: aus ihr kann ein Ver­ständ­nis des Auf­trags der Kir­che kom­men und auch der Bedeu­tung der Heils­sa­kra­men­te“, heißt es im Auf­satz. Die simp­le Tat­sa­che, daß sich nie­mand selbst bela­gern kann, son­dern nur von Drit­ten bela­gert wer­den kann und dabei feind­li­che Absicht Vor­aus­set­zung ist, zeigt die Halt­lo­sig­keit des Vergleichs.

Die Fähigkeit zu falschen Fragen

Das Kampf­feld sei­en heu­te eini­ge Her­aus­for­de­run­gen, die die Fami­lie betref­fen. Dabei nennt Spa­da­ro unter ande­ren „Paa­re ohne Trau­schein, die die Fra­ge der sozia­len Insti­tu­tio­na­li­sie­rung ihrer Bezie­hun­gen auf­wer­fen“; eben­so „homo­se­xu­el­le Per­so­nen fra­gen sich, war­um sie nicht ein Leben sta­bi­ler affek­ti­ver Bezie­hung als prak­ti­zie­ren­de Gläu­bi­ge füh­ren kön­nen“. Ant­wor­ten gibt der Schrift­lei­ter kei­ne, son­dern will durch die Auf­li­stung einen gro­ßen Hand­lungs­be­darf signa­li­sie­ren. Des­halb the­ma­ti­siert Spa­da­ro weder den Wider­spruch einen nicht-insti­tu­tio­nel­len Weg insti­tu­tio­na­li­sie­ren zu wol­len noch die falsch gestell­te und damit irre­füh­ren­de Fra­ge­stel­lung fik­ti­ver Homosexueller.

„In Wirk­lich­keit aber ist das wah­re Pro­blem, die wirk­lich töd­li­che Wun­de der Mensch­heit heu­te, daß die Per­so­nen sich immer schwe­rer tun aus sich selbst her­aus­zu­ge­hen und Treue­pak­te mit einem ande­ren Men­schen abzu­schlie­ßen, selbst einem gelieb­ten. Es ist die­se indi­vi­dua­li­sti­sche Mensch­heit, die die Kir­che vor sieht. Und die erste Sor­ge der Kir­che muß die sein, nicht die Türen zu schlie­ßen, son­dern sie zu öff­nen, das Licht anzu­bie­ten, das in ihr wohnt, hin­aus­zu­ge­hen um einem Men­schen ent­ge­gen­zu­ge­hen, der, obwohl er glaubt, kei­ne Heils­bot­schaft zu brau­chen, sich oft ver­äng­stigt und vom Leben ver­letzt wie­der­fin­det. Wenn die Kir­che wirk­lich die Mut­ter ist, behan­delt sie ihre Kin­der nach ihrer „barm­her­zi­gen Liebe“.“

„Synodaler Weg“ steht erst „ganz am Anfang“

Spä­te­stens beim letz­ten Satz fragt man sich stau­nend, in wel­cher Kir­che Pater Spa­da­ro eigent­lich auf­ge­wach­sen und Prie­ster gewor­den ist: „Eini­ge Syn­oden­vä­ter haben sich die Fra­ge gestellt, ob es eine „sakra­men­ta­le Öko­no­mie geben kann, die unrett­ba­re Situa­tio­nen vor­sieht, die dau­er­haft vom Zugang zum Sakra­ment der Ver­söh­nung ausschließen?“

Der „syn­oda­le Weg“ sei beschrit­ten. Das sei erst „ganz der Anfang“ gewe­sen, resü­miert der Chef­re­dak­teur der Jesui­ten­zeit­schrift. Der Ablauf der Bischofs­syn­ode ver­setz­te dem Kas­per-Lager einen uner­war­te­ten Dämp­fer. Das läßt sich auch bei Pater Spa­da­ro her­aus­le­sen. Gemäß einer posi­ti­vi­sti­schen Grund­sicht, die gewöhn­lich Fort­schritt­gläu­bi­gen inne­wohnt, scheint man die teil­miß­glück­te Bischofs­syn­ode als Betriebs­un­fall zu betrach­ten und beim begon­ne­nen „syn­oda­len Weg“ auf den Fak­tor Zeit zu setzen.

Reue, Umkehr, Buße schei­nen ver­ges­se­ne Fremd­wör­ter eines Voka­bu­lars aus dunk­ler Vor­zeit. Der Rück­blick von Pater Spa­da­ro auf die Bischofs­syn­ode bleibt ein in der Spra­che auf Zurück­hal­tung wert­le­gen­der Text, der den Ein­druck einer mode­ra­ten, aus­ge­wo­ge­nen Posi­ti­on ver­mit­teln möch­te, der er inhalt­lich aber nicht ist.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons/​Civiltà  Cattolica/​Gesuitinews

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