„Der Teufel ist überall, aber wir kommen alle in den Himmel“ – Synode, Medieneinfluß und halbierte Analyse


Benedikt XVI. alleine vor Beginn des Pontifikalamtes
Bene­dikt XVI. vor Beginn des Pon­ti­fi­kal­am­tes am 19. Okto­ber 2014

(Vati­kan) Das Detail eines Details der Bischofs­syn­ode war die Pres­se­mel­dung, eine Grup­pe von Kar­di­nä­len habe sich an Bene­dikt XVI. gewandt, und ihn gebe­ten, Papst Fran­zis­kus zu brem­sen, doch der deut­sche Papst eme­ri­tus habe sie abge­wie­sen mit der kurz ange­bun­de­nen Bemer­kung: „Nicht ich bin der Papst. Wen­det euch nicht an mich“. Eine kur­ze Rückblende.

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Die Nach­richt wur­de am ver­gan­ge­nen Sonn­tag, dem Tag der Abschluß­mes­se der Bischofs­syn­ode mit gleich­zei­ti­ger Selig­spre­chung von Paul VI. von La Repubbli­ca ver­öf­fent­licht. Die Schlag­zei­le lau­te­te: „Und Ratz­in­ger wies die Fron­de der Kon­ser­va­ti­ven zurück: ‚Der Papst bin nicht ich, Fran­zis­kus ent­schei­det‘. Die geschei­ter­te Mis­si­on einer Grup­pe von Kar­di­nä­len in der Resi­denz von Bene­dikt. Der sei­nen Nach­fol­ger mit einer Mit­tei­lung informiert“.

Versuchte „konservative Fronde“ Benedikt XVI. gegen Franziskus zu vereinnahmen?

Herzlicher Applaus für Benedikt XVI
Herz­li­cher Applaus für Bene­dikt XVI. beim Ein­tref­fen auf dem Peters­platz (19.10.2014)

Der Arti­kel sug­ge­riert einer­seits einen Ver­such von Kar­di­nä­len, die sich dem pro­gres­si­sti­schen Öff­nungs­ver­such wider­set­zen, Bene­dikt XVI. gegen Papst Fran­zis­kus zu mobi­li­sie­ren. Die Kate­go­ri­sie­run­gen „kon­ser­va­ti­ve Fron­de“ die­nen dem links­li­be­ra­len Blatt zur übli­chen Feind­be­nen­nung, um für die Leser­schaft klar­zu­stel­len wel­che die „gute“, sprich fort­schritt­li­che, demo­kra­ti­sche Sei­te und wel­che die „böse“, sprich reak­tio­nä­re, auto­ri­tä­re Sei­te ist. Soweit alles wie gehabt. Die ent­schei­den­de Pas­sa­ge des Arti­kels ist, daß Bene­dikt XVI. dem Ver­such eine kurz­an­ge­bun­de­ne Abfuhr erteilt und den Vor­stoß gegen­über Papst Fran­zis­kus gemel­det habe, womit er ganz bei­läu­fig sogar der Denun­zia­ti­on bezich­tigt wird.

Zunächst fällt jedoch auf, daß der Arti­kel nicht von einem Vati­ka­ni­sten der Tages­zei­tung, son­dern von Tito Clau­dio, dem Lei­ter der poli­ti­schen Redak­ti­on ver­faßt wur­de. Inzwi­schen wur­de bekannt, daß es sich bei dem angeb­li­chen Besuch der „kon­ser­va­ti­ven Fron­de“ um eine Zei­tungs­en­te han­del­te. Ob Tito Clau­dio nun die Volks­weis­heit im Ohr klingt „Schu­ster bleib bei dei­nem Lei­sten“ wis­sen wir nicht. Offen­sicht­lich lieh er sein Ohr dem fal­schen Mund, der das Buch der fünf Kar­di­nä­le Mül­ler, Bur­ke, Brand­mül­ler, De Pao­lis und Caf­farra gegen Kas­pers The­sen nahm und mit der Tat­sa­che von Bene­dikts Schwei­gen zusam­men­misch­te und noch mit einer unter­stell­ten Denun­zia­ti­on garnierte.

Oder wurde vielmehr Benedikt XVI. für Franziskus vereinnahmt?

Damit war einer jener „Genie­strei­che“ von La Repubbli­ca gelun­gen, nicht nur das direkt Geschrie­be­ne zu ver­mit­teln, son­dern noch eine unter­schwel­li­ge Bot­schaft dazu. Den „Kon­ser­va­ti­ven“ wur­de der angeb­li­che Ver­such einer Ver­ein­nah­mung von Bene­dikt XVI. gegen den amtie­ren­den Papst zuge­schrie­ben, wäh­rend mit dem Arti­kel genau die­se Ver­ein­nah­mung geschah, aller­dings für Kas­pers The­se, die auch Papst Fran­zis­kus zuge­schrie­ben wird. Das ist das berühm­te „Hal­tet den Dieb“-Geschrei. Euge­nio Scal­fa­ris Zei­tung ver­steht ihr Geschäft.

Fakt ist: Bene­dikt XVI. ist weder ein Denun­zi­ant noch hat er Kar­di­nä­le, die ihn um Hil­fe gegen Umbruch­ver­su­che baten, zurück­ge­wie­sen. Fakt ist, daß er ver­ein­nahmt wird, aber nicht von einer „kon­ser­va­ti­ven Fron­de“. Fakt ist auch, daß er sich bis zu einem gewis­sen Grad ver­ein­nah­men läßt durch sei­ne Auf­trit­te in der Öffent­lich­keit. Er könn­te auch in dem von ihm gewähl­ten Exil für die Welt unsicht­bar blei­ben. Der Fak­tor der Petri­ni­schen Kon­ti­nui­tät scheint ihm jeden­falls das zen­tra­le Anlie­gen zu sein, ganz unab­hän­gig von dem, was ande­re dadurch noch sug­ge­rie­ren mögen.

Armin Schwibachs halbierte Analyse

Papst Franziskus begrüßt Benedikt XVI
Papst Fran­zis­kus begrüßt Bene­dikt XVI. (19.10.2014)

Der Vati­ka­nist Armin Schwi­bach beschrieb am 20. Febru­ar im Bei­trag „Medi­en­gezwit­scher, Mani­pu­la­tio­nen und die Wirk­lich­keit“ das Spiel von La Repubbli­ca und von jenen Unbe­kann­ten, die Tito Clau­dio auf die fal­sche Fähr­te setz­ten. Um so erstaun­li­cher ist es, wie Schwi­bach, Lehr­be­auf­trag­ter an der Päpst­li­chen Athe­nae­um Regi­na Apo­sto­lorum und Vati­ka­nist von nicht uner­heb­li­chem Gewicht für den deut­schen Sprach­raum, vor dem Gesamt­zu­sam­men­hang die Augen zu ver­schlie­ßen scheint und damit prompt das Ziel ver­fehlt. Schuld sei­en nur die bösen Medi­en, denn bei Schwi­bach blei­ben sogar die inner­kirch­li­chen „Erneue­rer“ namen­los, denen der „gro­ße Coup“ letzt­lich ver­sagt blieb. Ange­sichts der Posi­ti­on, die Wiens Erz­bi­schof Chri­stoph Kar­di­nal Schön­born und Mün­chens Erz­bi­schof Rein­hard Kar­di­nal Marx bei der Syn­ode ein­nah­men, ver­wun­dert die­se Zurück­hal­tung nicht. Statt des­sen dankt Schwi­bach artig Papst Fran­zis­kus für sei­ne „gro­ße und denk­wür­di­ge und ‚wun­der­schö­ne‘ (P. Feder­i­co Lom­bar­di)“ Abschluß­re­de bei der Synode.

Die Posi­ti­on und das Han­deln der „Erneue­rer“ wer­den weder beim Namen genannt noch einer kri­ti­schen Über­prü­fung unter­zo­gen. Schon gar nicht wer­den Hal­tung und Vor­ge­hens­wei­se von Papst Fran­zis­kus ana­ly­siert. Das ist ent­schie­den zu wenig für einen Mann von der Intel­li­genz Schiw­bachs. Denn die Din­ge, wie er genau weiß, ereig­nen sich auch in der Kir­che nicht im luft­lee­ren Raum. Es gibt Mei­nun­gen, Strö­mun­gen, Zusam­men­schlüs­se, unter­schied­lich moti­vier­te han­deln­de Akteu­re, offe­ne und gehei­me Stra­te­gien, ehr­li­che Mak­ler und intri­gan­te Gestal­ten, unter­schied­lich inten­tio­nier­te Dia­lek­tik, ehr­li­che Rede und ver­schlei­ern­de Spra­che. Wer dies aus­blen­det, igno­riert sowohl die Kir­chen­ge­schich­te als auch die Natur des Men­schen und kann schwer­lich die Wirk­lich­keit erfas­sen, auch nicht die der Kir­che, und jeden­falls nicht für ande­re zusam­men­fas­send darstellen.

„Der Teufel ist überall, aber wir kommen alle in den Himmel“

Letzt­lich gilt es die rich­ti­ge Gewich­tung wie­der­her­zu­stel­len: Die Medi­en sind und blei­ben letzt­lich sekun­där, maß­geb­lich sind die Ver­ant­wor­tungs­trä­ger in der Kir­che. Des­halb abschlie­ßend: Der infla­tio­nä­re Ver­weis auf den Hei­li­gen Geist zur Recht­fer­ti­gung von Ent­schei­dun­gen, nicht durch die Medi­en, son­dern durch kirch­li­che Ent­schei­dungs­trä­ger, erin­nert zuwei­len mehr an die bereits erwähn­ten, der Ablen­kung die­nen­den „Hal­tet den Dieb“-Rufe. Mit ande­ren Wor­ten und einer über­ra­schen­den Prä­zi­si­on faß­te jüngst eine glau­bens­treue Frau ihre Ein­drücke des der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kats zusam­men: „Der Teu­fel ist über­all, aber wir kom­men alle in den Him­mel“. Wie immer man dazu ste­hen mag, igno­rie­ren kann und soll­te man sol­che Ent­wick­lun­gen nicht.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: papale/​MiL/​Timone

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