Papst „irritiert“, Kasper verärgert über Widerstand gegen „neue Barmherzigkeit“


Papst Franziskus "irritiert", Kardinal Kasper verärgert über Widerstand von Kardinälen gegen "neue Barmherzigkeit"
Papst Fran­zis­kus „irri­tiert“, Kar­di­nal Kas­per ver­är­gert über Wider­stand von Kar­di­nä­len gegen „neue Barmherzigkeit“

(Rom) Kar­di­nal Wal­ter Kas­per reagier­te – nicht zum ersten Mal – sicht­lich ver­är­gert auf Kri­tik, die gegen ihn erho­ben wird. Die­ses Mal stößt ihm die Ver­öf­fent­li­chung eines Buches mit Bei­trä­gen von fünf Kar­di­nä­len, dem Sekre­tär der römi­schen Kon­gre­ga­ti­on für die Ost­kir­chen und wei­te­ren Fach­leu­ten, die sich sei­ner The­se einer ent­dog­ma­ti­sie­ren­den „neu­en Barm­her­zig­keit“ wider­set­zen, in deren Namen Kas­per wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­ne zur Kom­mu­ni­on zulas­sen möch­te. Kar­di­nal Kas­per ist über die fünf Mit­brü­der im Kar­di­nal­samt ver­är­gert und Papst Fran­zis­kus soll über die­se „irri­tiert“ sein. So „irri­tiert“, daß er Kar­di­nal Mül­ler dräng­te, sei­ne Betei­li­gung zurückzuziehen?

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Weh­lei­dig zeig­te sich Kas­per gegen­über Jour­na­li­sten, weil er von der Ver­öf­fent­li­chung des Buches aus den Medi­en erfah­ren habe müs­sen. „In mei­nem gan­zen Leben ist mir so etwas noch nicht pas­siert“, klag­te er dem Vati­ka­ni­sten Andrea Tornielli.

„Nie dagewesene Situation“

Nicht genug damit: „Wenn Kar­di­nä­le, die die eng­sten Mit­ar­bei­ter des Pap­stes sind, auf eine so orga­ni­sier­te und öffent­li­che Wei­se ein­grei­fen, befin­den wir uns zumin­dest was die jüng­ste Geschich­te angeht, vor einer nie dage­we­se­nen Situa­ti­on“. Kar­di­nal Kas­per geht in die­sen Tagen noch wei­ter. Deut­li­cher als in den ver­gan­ge­nen Mona­ten beruft er sich direkt auf Papst Fran­zis­kus, um sei­ne Posi­ti­on zu stär­ken. Dabei war es Kar­di­nal Kas­per, der mit sei­ner Rede im ver­gan­ge­nen Febru­ar vor dem Kar­di­nals­kol­le­gi­um die Feind­se­lig­kei­ten begon­nen und den Angriff gegen das Ehe­sa­kra­ment initi­iert hatte.

Aus heu­ti­ger Sicht stell­te das Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um für Kar­di­nal Kas­per eine Gene­ral­pro­be vor der Bischofs­syn­ode dar. „Ich habe kei­ne defi­ni­ti­ve Lösung vor­ge­schla­gen. Ich habe aber, nach­dem ich das mit dem Papst ver­ein­bart hat­te, Fra­gen gestellt und Über­le­gun­gen für mög­li­che Ant­wor­ten gebo­ten.“ Die Beto­nung Kas­per liegt auf „mit dem Papst vereinbart“.

Kasper und die Verschwiegenheitspflicht

Kaspers Versuchs eine Monopolstellung in der Debatte zu erreichen
Kas­pers Ver­such eine Mono­pol­stel­lung in der Debat­te zu erringen

Doch stimmt, was der deut­sche Kar­di­nal über­emp­find­lich behaup­tet, daß das Vor­ge­hen der fünf Kar­di­nä­le letzt­lich uner­hört und „nie dage­we­sen“ sei? Kas­per scheint ein kur­zes Gedächt­nis zu haben. Das Kar­di­nals­kon­si­sto­ri­um unter­lag, wie all­ge­mein in der Kir­che üblich, der Ver­schwie­gen­heits­pflicht. „Alle Kar­di­nä­le hiel­ten sich dar­an. Alle außer Kas­per“, so der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster. Nur weni­ge Wochen nach dem Kon­si­sto­ri­um erschien die Rede in Buch­form. Der Her­der Ver­lag bewarb das Erschei­nen sofort, so daß ent­spre­chen­de Abspra­chen bereits vor dem Kon­si­sto­ri­um oder im unmit­tel­ba­ren Anschluß dar­an getrof­fen wor­den sein müs­sen. Kas­per hat­te dem­nach nie die Absicht, sich an die Ver­schwie­gen­heits­pflicht zu hal­ten. Die­ser soll­ten alle ande­ren Kar­di­nä­le unter­wor­fen sein, wäh­rend er für sich in der Öffent­lich­keit eine Mono­pol­stel­lung zum The­ma bean­spruch­te. Eine Exklu­siv­stel­lung, die ihm im Kon­si­sto­ri­um bereits durch Papst Fran­zis­kus zuge­stan­den wor­den war, indem die­ser nur Kas­per damit beauf­trag­te, zum The­ma zu refe­rie­ren. Eine ein­sei­ti­ge Par­tei­nah­me, da Kas­pers hete­ro­do­xe Posi­tio­nen bekannt waren.

Die Stra­te­gie des Kar­di­nals durch­schau­end, kamen ihm der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei und Giu­lia­no Fer­ra­ra, der Chef­re­dak­teur der Tages­zei­tung Il Foglio zuvor und ver­öf­fent­lich­ten sei­ne Rede zusam­men mit einem ver­nich­ten­den Kom­men­tar de Matt­eis (sie­he Was Gott ver­eint, kann auch Kas­per nicht tren­nen – Ver­such einer para­do­xen Kul­tur­re­vo­lu­ti­on in der Kir­che). Damit hat­ten sie Kas­per den Über­ra­schungs­ef­fekt genom­men und des­sen Absicht durch­kreuzt, die öffent­li­che Dis­kus­si­on in sei­nem Sinn len­ken zu kön­nen. Um so erbo­ster reagier­te der Kar­di­nal bereits damals.

Kas­per ver­sucht den Ein­druck zu ver­mit­teln, die Glau­bens­leh­re unan­ge­ta­stet zu las­sen und „nur“ die Glau­bens­pra­xis ändern zu wol­len. De Mat­tei zeig­te hin­ge­gen in einer bril­lan­ten Ana­ly­se auf, daß Kas­pers Rede einen ein­deu­ti­gen Bruch mit dem kirch­li­chen Lehr­amt dar­stellt. Sie stellt auch einen spe­zi­fi­schen Bruch mit Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. dar, mit denen er bereits 20 Jah­re zuvor zum sel­ben The­ma einen Streit aus­ge­tra­gen hat­te, unter­le­gen war, die Sache ein­ge­se­hen und sich hin­ter die kirch­li­che Leh­re gestellt zu haben schien. Kas­per, damals Bischof von Rot­ten­burg-Stutt­gart, war vom Glau­bens­prä­fek­ten Joseph Kar­di­nal Ratz­in­ger geschla­gen, aber nicht gede­mü­tigt wor­den, wie sei­ne spä­te­re Beför­de­rung durch Johan­nes Paul II. zum Vor­sit­zen­den des Päpst­li­chen Rats zur För­de­rung der Ein­heit der Chri­sten zeig­te. Offen­sicht­lich war man in Rom der Mei­nung, der Bischof habe sich geän­dert und kön­ne durch die Ein­bin­dung in Rom end­gül­tig gebän­digt wer­den, jeden­falls im Vati­kan weni­ger Scha­den anrich­ten als in Deutschland.

Papst Franziskus über Buch der fünf Kardinale „irritiert“

Wäh­rend Kas­pers Posi­ti­on erstaunt, erstaunt an jener der fünf Kar­di­nä­le Mül­ler, Bur­ke, De Pao­lis, Brand­mül­ler und Caf­farra, die das Buch „In der Wahr­heit Chri­sti blei­ben“: Ehe und Kom­mu­ni­on in der Katho­li­schen Kir­che“ ver­öf­fent­li­chen, eigent­lich nichts. Sie ver­tei­di­gen öffent­lich, wie es ihre Pflicht ist, die zwei­tau­send­jäh­ri­ge Leh­re der Kir­che in einer zen­tra­len, die Sakra­men­te betref­fen­den Fra­ge. Sie tun dies gegen einen von Kar­di­nal Kas­per öffent­lich geführ­ten Angriff gegen die Glau­bens­leh­re. Die Empö­rung Kas­pers ist daher vor­ge­scho­ben und erklärt sich nur, wenn man in Rech­nung stellt, daß die fünf Kar­di­nä­le, Kas­pers Plä­ne gefähr­den. Immer­hin befin­det sich unter ihnen Ger­hard Kar­di­nal Mül­ler, der Prä­fekt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und damit ober­ster Glau­bens­hü­ter. Über ihn kann sich auch Papst Fran­zis­kus nicht ein­fach hin­weg­set­zen. La Croix, die halb­of­fi­zi­el­le Tages­zei­tung der Fran­zö­si­schen Bischofs­kon­fe­renz  berich­te­te am 17. Sep­tem­ber, daß Papst Fran­zis­kus über die Buch­ver­öf­fent­li­chung „irri­tiert“ sei, gera­de weil sich Kar­di­nal Mül­ler unter den Autoren befin­de. Der Papst habe, laut La Croix, Kar­di­nal Mül­ler gedrängt, sei­ne Betei­li­gung an dem Buch gegen Kas­per zurück­zu­zie­hen, was Mül­ler ablehn­te. Soll­te dem so sein, dann wäre tat­säch­lich Papst Fran­zis­kus hin­ter den Kulis­sen der eigent­li­che Strip­pen­zie­her des Angriffs auf das Ehe­sa­kra­ment im Namen der „neu­en Barmherzigkeit“.

Weitere Kardinäle meldeten sich in diesen Tagen zu Wort

Kar­di­nal Kas­per spürt in die­sen Tagen den Gegen­wind beson­ders stark. Viel­leicht stär­ker als er gerech­net hat­te. Neben den fünf von ihm kri­ti­sier­ten Kar­di­nä­len haben drei wei­te­re füh­ren­de Kar­di­nä­le, Sco­la, Ouel­let und Pell mit Auf­sät­zen in der eng­li­schen Aus­ga­be der Zeit­schrift Com­mu­nio Posi­ti­on gegen sei­ne The­sen bezo­gen. Eine ver­gleich­ba­re Ver­öf­fent­li­chung in der deut­schen Aus­ga­be hät­te Kas­per ver­hin­dert, da er selbst der Redak­ti­on ange­hört. In sei­nem jüng­sten, in der Aus­ga­be 6/​2013 (Novem­ber-Dezem­ber) ver­öf­fent­lich­ten Bei­trag schrieb Kas­per pro­gram­ma­tisch über: „Die lit­ur­gi­sche Erneue­rung – die erste und sicht­bar­ste Frucht des Kon­zils“.

Kardinal Kasper beharrt: Schulterschluß mit Papst Franziskus und Johannes XXIII.

Kar­di­nal Kas­pers Zau­ber­wort lau­tet „Barm­her­zig­keit“, die zum bes­se­ren Ver­ständ­nis bes­ser als „neue Barm­her­zig­keit“ zu bezeich­nen ist. Am 18. Sep­tem­ber wie­der­hol­te er gegen­über dem katho­li­schen ita­lie­ni­schen Radio InBlu, daß die­se neue „Barm­her­zig­keit“ der Schlüs­sel sei­nes Vor­schlags zur Über­win­dung des Kom­mu­ni­on­ver­bots für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne sei. Kas­per stellt sich dabei gezielt in eine bestimm­te Tra­di­ti­on, wirft Stich­wor­te in den Ring, in der Hoff­nung, daß die Signa­le gehört wer­den und sich Unter­stüt­zung für ihn mobi­li­siert: „Die Barm­her­zig­keit, das Herz der christ­li­chen Bot­schaft, ist ein zen­tra­les The­ma im Alten und im Neu­en Testa­ment. Vie­le Hei­li­ge haben von der Barm­her­zig­keit gespro­chen. Auch Papst Johan­nes XXIII. sag­te am Beginn der Kon­zils­ar­bei­ten, daß die Kir­che die Mit­tel der Stren­ge anwen­den muß, aber auch die Medi­zin der Barmherzigkeit.“

Barm­her­zig­keit ist der Gegen­stand jenes Buches, das Papst Fran­zis­kus gleich bei sei­nem ersten Ange­lus und damit einer der aller­er­sten Reden über­haupt als Papst lob­te und allen die Lek­tü­re emp­fahl. „Barm­her­zig­keit: Grund­be­griff des Evan­ge­li­ums – Schlüs­sel christ­li­chen Lebens“, 2012, eben­falls bei Her­der erschie­nen und im sel­ben Jahr auch in spa­ni­scher Über­set­zung ver­öf­fent­licht, und damit auch Kar­di­nal Jor­ge Mario Berg­o­glio zugäng­lich gemacht worden.

Kaspers Barmherzigkeit: Lob vom Papst – Kritik von Pater Lanzetta

Barmherzigkeit laut Kasper
Die Barm­her­zig­keit laut Kasper

Man könn­te rück­blickend in jener päpst­li­chen Aus­sa­ge bereits den chro­no­lo­gi­schen Start­schuß zur Bischofs­syn­ode über die Fami­lie sehen. Soll­te das Lob bereits in die­sem Zusam­men­hang aus­ge­spro­chen wor­den sein, dann müß­te in der Tat davon aus­ge­gan­gen wer­den, daß die Zulas­sung der wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen eine Wahl­ka­pi­tu­la­ti­on im Kon­kla­ve dar­stell­te und eine der Bedin­gun­gen war, die zur Wahl des Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires führten.

Durch das päpst­li­che Lob auf­merk­sam gemacht, wird inzwi­schen auch Kas­pers Buch einer genaue­ren Über­prü­fung und Kri­tik unter­zo­gen. Eine Auf­ga­be die der jüngst habi­li­tier­te Pater Ser­a­fi­no Maria Lan­zet­ta über­nom­men hat. Der Lei­ter der Zeit­schrift Fides Catho­li­ca ver­öf­fent­lich­te die umfas­sen­de Buch­kri­tik „Die Barm­her­zig­keit laut Kar­di­nal Kas­per“.

Keine Barmherzigkeit für Franziskaner der Immakulata – „Neue Barmherzigkeit“ bei Jesuiten von America

Pater Lan­zet­ta gehört den Fran­zis­ka­nern der Imma­ku­la­ta an, „jenem blü­hen­den Orden, der unter die­sem Pon­ti­fi­kat unter kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung gestellt und zer­schla­gen wird, eine Maß­nah­me, deren Grün­de unklar sind, wäh­rend hin­ge­gen sicher ist, daß sie ohne jede Barm­her­zig­keit erfolgt“, so San­dro Magister.

Über die neue Barm­her­zig­keit hielt Kar­di­nal Kas­per bereits am ver­gan­ge­nen 1. Mai eine Lec­tio am Bos­ton Col­lege, die anschlie­ßend in der Wochen­zei­tung der New Yor­ker Jesui­ten Ame­ri­ca abge­druckt wur­de. Am 12. Mai folg­te zudem ein Video-Inter­view Kas­pers mit Pater Matt Mal­o­ne SJ, dem Schrift­lei­ter die­ser Zeit­schrift. In einem mit 22. Sep­tem­ber datier­ten Leit­ar­ti­kel von „Ame­ri­ca geben die Jesui­ten der Redak­ti­on ohne Wenn und Aber zu erken­nen, daß sie sich die Mei­nung Kas­pers zu eigen gemacht haben. Natür­lich im Namen der „Barm­her­zig­keit“.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Il Foglio/​Fanpage

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