(Vatikan/Brüssel) Die persönliche Ernennung von Kardinal Walter Kasper zum Synodalen der Bischofssynode über die Familie verwunderte nicht. Die Ernennung von Kardinal Godfried Danneels hingegen sehr. Und dennoch entlockt sie den Medien keinen Ton. War das nicht vor kurzem noch ganz anders?
Papst Franziskus ernannte persönlich, wenig überraschend, Kardinal Walter Kasper zum Synodalen der Bischofssynode über die Familie, die am 5. Oktober in Rom beginnt. Der purpurtragende deutsche Theologe gilt als Wortführer eines radikalen Eingriffs gegen das Ehesakrament. Die Unauflöslichkeit der Ehe soll im Namen der Barmherzigkeit torpediert und die Kommunion für wiederverheiratet Geschiedene erlaubt werden. Dazu wird ein dialektischer Mechanismus bemüht, der in Zukunft ebenso gut die Kommunion „für alle“ möglich macht. In der Formel liegt zudem einer der radikalsten Angriffe gegen die Katholische Kirche. Ihr wird von Kasper unausgesprochen unterstellt, 2000 Jahre unbarmherzig mit den Menschen gewesen zu sein.
Kardinal Danneels persönlich von Papst Franziskus zum Synodalen ernannt
Weit überraschender ist die Ernennung des emeritierten Erzbischofs von Mecheln-Brüssel, Godfried Kardinal Danneels durch Papst Franziskus. Eine Suche in den Weiten des Internets erbrachte lediglich einen Artikel, der sich kritisch mit dieser Ernennung auseinandersetzt. Dabei erstaunt, daß nicht einmal in den weltlichen Medien der Hauch einer Kritik zu spüren ist. Sind auch alle nicht-katholischen Journalisten so päpstlich geworden, daß sie sich die Aussage „Wer bin ich, um zu urteilen“ zum Motto erkoren haben?
War das mit den Medien und Danneels noch vor wenigen Jahren nicht ganz anders?
2010 wurde der damalige Primas von Belgien in den Pädophilie-Skandal hineingezogen, der das Land erschütterte. Danneels wurde beschuldigt, Täter gedeckt zu haben. Die dazu erschienenen Artikel sind Legion. Das war noch, als in Rom Papst Benedikt XVI. regierte, den die Medien bei jeder sich bietenden Gelegenheit prügelten und unter Druck zu setzen versuchten.
Das liberal-laszive Klima eines Teils der belgischen Kirche war bekannt. Die Medien stellten damals jedoch keineswegs einen Zusammenhang zwischen liberaler Kirchenordnung und kriminellen sexuellen Ausschweifungen dar. Danneels wurde auch nicht als liberaler Kirchenvertreter kritisiert. Es ging darum, die Kirche und ihre Lehre an den Pranger zu stellen. Danneels und seine Verantwortlichkeit war nicht der Adressat, sondern lediglich ein Mittel zum Zweck für die Kritik an der Kirche. Symptomatisch dafür war, daß Danneels Nachfolger, der als „konservativ“ geltende Erzbischof Leonard 2010 in wenigen Wochen nach seiner Amtseinführung von den belgischen Medien mehr Schläge einstecken mußte, als der progressive Danneels in seinen 30 Amtsjahren zusammen.
Konklave 2013: Mit einem Schlag war alles anders
Noch 2013 beharrten im Vorfeld des Konklaves viele Medien darauf, mindestens drei Wähler auszuschließen. Darunter war auch der emeritierte Erzbischof von Mecheln-Brüssel. Erneut galt die Kampagne weniger Danneels, sondern der Kirche, die vor dem Konklave unter Druck gesetzt werden sollte. Die Devise lautete unverhohlen: kein Ratzinger II-Pontifikat. Danneels zog mit ernstem Blick in das Konklave ein und kam mit strahlendem Gesicht wieder heraus. Mit der Wahl von Papst Franziskus hatte sich mit einem Schlag alles geändert.
Soeben noch war Danneels als „Beleg“ angeführt worden, um die Kirche unter einen generellen Pädophilie-Verdacht zu stellen, oder noch schlimmer, krimineller Machenschaften, weil Pädo-Kriminelle gedeckt worden seien. Doch schon am Tag nach dem Konklave trat Danneels bei der Dankmesse des neugewählten Papstes in der Sixtinischen Kapelle als erster der Kardinalpriester vor, um ein Gebet zu sprechen.
Die Angriffe waren mit einem Schlag hinweggefegt, als hätte es die wutschnaubenden Skandalschlagzeilen der Medien, die keulenschwingenden modernen areligiösen Moralapostel, die Hausdurchsuchungen im erzbischöflichen Palais, die Beschlagnahme von Aktenbergen, ja selbst die pietätlose Schändung von Bischofsgräbern durch eine medial angefeuerte, außer Rand und Band geratene Staatsanwaltschaft und eine mit Brecheisen anrückende Polizei nie gegeben.
Zielscheibe der Medienkampagne „Pädophilie-Skandal“ war Benedikt XVI.
Mit einem Mal endete das mediale Gewitter über Danneels und einen weiteren Kardinal, der auf Twitter besonders aktiv ist. „Ich hätte nie gedacht, daß es bis zur gestern erfolgten Ernennung kommen könnte, und sei es nur aus Respekt vor Benedikt XVI., der damals der eigentliche Adressat der Angriffe war“, so Chiesa e Postconcilio am Dienstag. Aus heutiger Sicht kann in der Tat und ohne Zweifel gesagt werden, daß es bei dem 2010 auf internationaler Ebene in den Medien explodierten Pädophilie-Skandal weder um das behauptete Thema und noch weniger um die Opfer ging. Die Medienkampagne, denn eine solche war es, hatte eine ganz andere Zielscheibe im Visier: Papst Benedikt XVI.
Heute, da der deutsche Papst aus dem Rennen ist, ist jede Ernennung möglich, selbst die Unmöglichste und niemand erhebt auch nur den geringsten Einspruch dagegen. Wie war das noch mit den Opfern, deren Schicksal sich angeblich so viele und so lautstark auf ihre moralingeschwellt Brust geheftet hatten?
Dabei gab es weltweit keine weltliche oder religiöse Institution, die mit solcher Klarheit und solchem Nachdruck das skandalöse Phänomen der Pädophilie in ihren Reihen bekämpfte, wie die Katholische Kirche unter Benedikt XVI. Wen kümmert´s!
Kampf gegen Pontifikat Benedikts XVI. setzte am 19. April 2005 ein
Tatsache ist, hier liegt der Beweis auf dem Tisch, daß das Pontifikat des deutschen Papstes ganz anders verlaufen wäre, wenn die Massenmedien und jene, die Einfluß auf sie haben (und wer sonst noch alles außerhalb und innerhalb der Kirche) am 19. April 2005 nicht am grünen Tisch entschieden hätten, ihm Prügel zwischen die Beine zu werfen.
Die persönliche Ernennung von Kardinal Danneels durch Papst Franziskus, ausgerechnet um über die Familie zu sprechen, ist einer jener Punkte, die nicht zusammenpassen. Oder nur zu gut zusammenpassen? Danneels war 2005 am Abend der Wahl Benedikts XVI. „erschüttert“ (Domenico Savino) und blieb dem traditionellen Abendessen der Kardinäle für den neugewählten Papst fern. 2013 gehörte er, laut eigenem Bekunden, zur Wahlallianz, die Jorge Mario Bergoglio zum Papst kürte. Trotz Verschwiegenheitspflicht wußten bereits am 14. März alle belgischen Medien von Danneels zu berichten, daß er für Bergoglio gestimmt hatte.
„Homo-Ehe“-Danneels darf nun über Familie mitbestimmen
Die progressive Haltung des belgischen Kardinals ist bekannt, auch in Sachen Ehesakrament und wiederverheiratet Geschiedene. Im Juni, keine drei Monate nach dem Konklave und noch anderthalb Monate vor der päpstliche Pressekonferenz auf dem Rückflug von Rio de Janeiro, forderte Danneels die Zulassung der „Homo-Ehe“.
Schuldet der Papst dem Kardinal etwas? Oder Freunden des Kardinals? Oder ist es die gemeinsame Nähe beider Purpurträger zum 2012 verstorbene Jesuiten Carlo Maria Kardinal Martini, der sich selbst als Ante-Papst sah? Als Papstanwärter also, wobei das Wortspiel elegant zum Ausdruck bringen sollte, daß Martini sich als progressiven Gegenpapst zu Johannes Paul II. sah, ohne dies explizit zu sagen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons