(Washington/Rom) Laut Berichten von US-Medien beabsichtigt der Vatikan zum Reformationsjahr 2017 mit den Evangelikalen ein gemeinsames „Dialogpapier“ zu veröffentlichen. Ziel der Erklärung soll ein „gemeinsames Bekenntnis zur Mission“ sein, wie der Boston Globe berichtete.
2017 feiert die protestantische Welt 500 Jahre „Reformation“ durch die Wittenberger Thesen Martin Luthers. 2017 feiern die katholischen Charismatiker auch 50 Jahre „Erweckung“ durch die „Geisttaufe“.
Laut dem Papst-Biographen und Journalisten Austen Ivereigh im Boston Globe, soll das gemeinsame Dokument zur „Reformation“ drei Schwerpunkte enthalten: „das von den Kirchen geteilte sogenannte nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis, das Kernstück der ‚Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre‘ von 1999 und ein Bekenntnis zur gemeinsamen Verkündigung auf Grundlage des Evangeliums“, wie die KAP berichtete.
Tony Palmer übergab Papst Franziskus Text-Entwurf
Laut Ivereigh habe der vor kurzem verstorbene keltisch-anglikanische Bischof Tony Palmer am 24. Juni in Rom bei einem der Treffen des Papstes mit evangelikalen Vertretern den Entwurf für eine gemeinsame Erklärung übergeben. Der Titel des Dokuments lautet: „Declaration of Faith in Unity for Mission“. Ein geeigneter Anlaß für die öffentlichkeitswirksame Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung wäre, so Palmer und andere evangelikale Fernsehprediger, das Jahr 2017 wegen des Reformationsgedenkjahres (1517) und des im selben Jahr begangenen 50-Jahr-Jubiläums der Entstehung der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche (1967).
Seit Jahresbeginn sandte Papst Franziskus eine ganze Reihe von wohlwollenden Signalen in Richtung Evangelikale und Pfingstler aus. Dazu gehören mehrere inoffizielle Treffen im Vatikan, eine Video-Botschaft und am 28. Juli der „Privatbesuch“ des Papstes bei einer evangelikalen Denomination in Caserta. Dabei richtete das katholische Kirchenoberhaupt eine Vergebungsbitte an 300 aus der ganzen Welt geladene evangelikale Vertreter.
Verhältnis Katholische Kirche-Evangelikale in Lateinamerika
Die päpstlichen Bemühungen werden von Beobachtern mit dem gespannten Verhältnis zwischen der Katholischen Kirche und den evangelikalen Freikirchen in Lateinamerika in Zusammenhang gebracht. Seit einigen Jahrzehnten werben evangelikale Gruppen der katholischen Kirche Massen von Gläubigen ab. Eine Bewegung, die von den USA aus erfolgt und immer wieder auch mit politischen Interessen der USA in ihrem „Hinterhof“ in Verbindung gebracht wird. Religionssoziologen sehen in der evangelikalen Ausbreitung einen unter mehreren Versuchen, als verläßliche Bündnisform den American Way of Life zu exportieren.
Mission oder Missionsverzicht?
Kritiker werfen dem Papst vor, die Heilsnotwendigkeit der Katholischen Kirche preiszugeben und unterschiedslos alle Gruppen anzuerkennen, die sich christlich nennen oder nominell auf Christus berufen. Papst Franziskus gab mehrfach zu verstehen, daß er auf eine Bekehrung zum katholischen Glauben verzichtet. Damit stellt sich die Frage, was eine gemeinsame Erklärung mit den Evangelikalen gerade zum Thema Mission zum Inhalt haben könnte. Ein gemeinsames Bekenntnis zur Missionierung der Nicht-Christen oder eine offizielle Anerkennung eines gegenseitigen Missionsverzichts? Mit der einseitigen Einbettung der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1999 in das katholisch-evangelikale „Dialogpapier“ würde zudem die vom Rang her für die Katholische Kirche bedeutendere und vor allem verbindlichere Erklärung Dominus Iesus von 2000 übergangen.
Bereits 2013 war vom Päpstlichen Rat für die Förderung der Einheit der Christen und dem Lutherischen Weltbund (LWB) zum „Reformationsjubiläum“ ein katholisch-lutherisches Dialogpapier veröffentlicht worden, dessen Relevanz jedoch im kaum wahrnehmbaren Bereich geblieben ist. Von Lutherischer Seite wurde mit Blick auf das „Lutherjahr“ 2017 in Abständen bereits mehrfach eine gegenseitige Anerkennung des „Abendmahls“ eingefordert.
500 Reformation, 50 Jahre Charismatische Erneuerung – Und 100 Jahre Fatima?
Im Jahr 2017 jährt sich nicht nur zum 500. Mal die „Reformation“ und zum 50. Mal die Entstehung der charismatischen Bewegung in der Katholischen Kirche, sondern auch zum 100. Mal die Marienerscheinung von Fatima. Ein Jubiläum, das bisher in Rom unbeachtet blieb.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: unavox.it