(Rom) Papst Franziskus entfernte die Nummer Zwei der Apostolischen Nuntiatur in Italien nicht nur von seinem Posten, sondern entließ ihn ganz aus dem Diplomatischen Dienst. Eine ungewöhnliche Entscheidung, weil gegen den Gesandten und Priester nichts vorliegt. Weder wurde er irgendetwas beschuldigt noch wurde er in irgendeiner Sache verurteilt. Als Kirchenrechtler verteidigte er einen ehemaligen Priester in einer ziemlich unapettitlichen Angelegenheit. Mehr aber auch nicht. Der Vatikanist Sandro Magister verfaßte zum Vorfall einen Artikel mit der Überschrift: „Wer bin ich, nicht zu urteilen“. Dabei scheint es auch darum zu gehen, den Apostolischen Nuntius in Italien, Msgr. Bernardini zu treffen, dem der Papst wenig freundlich verbunden ist.
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„Wer bin ich, nicht zu urteilen“
Msgr. Luca Lorusso, 52 Jahre alt, verläßt nicht nur die Apostolische Nuntiatur in Italien, sondern überhaupt den Diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls, um in seine Heimatdiözese Taranto in Apulien zurückzukehren. Besser gesagt, er wird gegangen. Msgr. Lorusso war bisher die Nummer Zwei an der päpstlichen Botschaft bei der Republik Italien, die von Erzbischof Adriano Bernardini geleitet wird. Msgr. Bernardini war von 2003–2011 Nuntius in Argentinien, wo er ein notorisch schlechtes Verhältnis zum damaligen Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Kardinal Bergoglio hatte. Nachfolger Lorussos an der Botschaft in Rom wird der 44jährige Msgr. Giorgio Chezza aus der Diözese Nardò-Gallipoli, der bisher Dienst an der Apostolischen Nuntiatur im geschundenen Syrien leistete, wohin er 2012 entsandt worden war.
Die Entfernung von Msgr. Lorusso aus dem Diplomatischen Dienst ist die eklatanteste Bewegung im Rahmen der jährlichen Personalentscheidungen des Diplomatischen Corps des Vatikans.
Papst kündigte Entlassung an
Eklatant, aber nicht unerwartet. Sie wurde von Papst Franziskus persönlich am vergangenen 6. März öffentlich in der Aula Nervi des Vatikans vor den Bischöfen und dem Klerus der Diözese Rom angekündigt, die zum traditionellen Treffen in der Fastenzeit mit dem Papst zusammenkamen.
Bei dieser Gelegenheit sagte der Papst gleich nach der Begrüßung durch den Kardinalvikar Agostino Vallini und noch vor Beginn der eigentlichen Ansprache überraschend:
„Ich war sehr betroffen und habe den Schmerz nicht nur von einigen von Euch, sondern vom gesamten Priesterstand darüber geteilt, wegen der Anschuldigungen, die gegen eine Gruppe von Euch erhoben wurden. Ich habe mit einigen von Euch gesprochen, die beschuldigt wurden und habe den Schmerz dieser ungerechten Verwundungen gesehen, ein Wahnsinn, und ich will öffentlich sagen, daß ich der Priesterschaft nahe bin, weil hier die Beschuldigten nicht sieben, acht oder fünfzehn sind, sondern die gesamte Priesterschaft. Ich will Euch um Entschuldigung bitten, nicht so sehr als Euer Bischof, sondern als Leiter des Diplomatischen Dienstes, als Papst, weil einer der Ankläger im Diplomatischen Dienst steht. Das wurde nicht vergessen. Man studiert das Problem, damit diese Person entfernt wird. Man sucht den Weg dafür. Es handelt sich um eine schwerwiegende Ungerechtigkeit und dafür bitte ich Euch um Entschuldigung.“
Papst Franziskus nannte damals keine Namen, doch die Hinweise waren eindeutig. Diese Ausführungen des Papstes sind in der offiziellen Veröffentlichung seiner Ansprache nicht enthalten.
Lorusso Rechtsbeistand eines pädophilen Ex-Priesters
Im Frühjahr 2013 wurde Patrizio Poggi, ein Ex-Priester, der in den Laienstand zurückversetzt und bereits wegen sexuellen Mißbrauchs von fünf Minderjährigen im Alter von 14 und 15 Jahren in den 90er Jahren zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war, bei der italienischen Polizei vorstellig. Nach Verbüßung seiner Strafe aus dem Gefängnis entlassen, erstattete er Anzeige gegen ein Dutzend römischer Kleriker, darunter auch den persönlichen Sekretär des Kardinalvikars und beschuldigte diese gleicher Verbrechen. Auch in diesem Zusammenhang war die Rede von einer „Homo-Lobby“ im Vatikan.
Die Anzeige wurde von Msgr. Lorusso, seinem kanonischen Rechtsbeistand in der Frage seiner Wiederzulassung zum Klerikerstand, die bei der Glaubenskongregation anhängig ist, unterstützt. Lorusso behauptete, daß seine Anschuldigungen glaubwürdig und begründet seien. Bei den polizeilichen Ermittlungen kam jedoch das Gegenteil heraus. Die Staatsanwaltschaft sah darin falsche Anschuldigungen, die Teil eines „schäbigen Komplotts“ seien. Der Ex-Priester habe seine Rückkehr in den Klerikerstand erzwingen wollen durch Erpressung. Zudem habe er sich fälschlich als Richter ausgegeben, um Jugendliche für Sexualverkehr anzulocken. Poggi wurde deshalb wegen des Verdachts der schweren Verleumdung und der versuchten Erpressung in Untersuchungshaft genommen. Der verurteilte Ankläger gab unter anderem zu Protokoll, in seiner Studentenzeit an einem Kleinen Seminar in Florenz vom damaligen Regens sexuell mißbraucht worden zu sein.
Eisiges Klima
Dadurch, daß Poggi von Msgr. Lorusso verteidigt wurde, geriet unerwartet, indirekt die Apostolische Nuntiatur bei der Republik Italien in den Strudel hinein, der damals bereits seit einem Jahr die Diözese Rom erschütterte. Das eisige Verhältnis zwischen Nuntius Bernardini und dem Papst ist dabei nicht zu unterschätzen. Bernardini galt in seiner Zeit in Argentinien als führender Widerpart zum Erzbischof von Buenos Aires. Der Nuntius ließ in dieser Zeit gegen den Willen Bergoglios 35 Bischöfe für Argentinien ernennen. Zudem drängte Bernardini gerade zu den nicht verhandelbaren Werten auf Standhaftigkeit. Bergoglio hat ihm das nie verziehen und scheint nachtragend.
Der unappetitlichen Anzeige Poggis schienen kirchlicherseits zunächst keine Konsequenzen zu folgen. Etliche Monate später brachte sie Papst Franziskus unerwartet persönlich zu Wort und dies vor Hunderten erstaunten Priestern und Bischöfen, samt der Ankündigung, daß Msgr. Lorusso aus seinem Amt entfernt werden wird. Eine erstaunlicher Akt, den Rechtsbeistand eines Täters, Angeklagten oder Anklägers zu belangen.
Msgr. Lorusso nahm als Gesandter zusammen mit Nuntius Bernardini am vergangenen 18. Februar am traditionellen Empfang der italienischen Botschaft beim Heiligen Stuhl teil, mit dem an die Unterzeichnung der Lateranverträge erinnert wird. Am 6. März erfolgte die ungewöhnliche öffentliche Verurteilung durch den Papst. Nun wurde die päpstliche Verurteilung exekutiert.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Settimo Cielo