(Rom/Jerusalem) Das Heilige Land erlebt eine neue Welle der Gewalt, die wenige Stunden nach dem „Friedengebet“ losbrach, zu dem Papst Franziskus in die Vatikanischen Gärten geladen hatte. Was hat das „Friedensgebet“ also gebracht? Eine Frage, die derzeit von verschiedener Seite aufgeworfen wird.
Am 8. Juni lud Papst Franziskus, im Gefolge seines Besuchs im Heiligen Land, die Präsidenten Israels und Palästinas zu einem Friedensgebet in den Vatikan. Die improvisierte, vom Papst im Alleingang angestoßene Initiative sollte dem Friedensprozeß einen neuen Impuls geben, nachdem alle bisherigen Versuche gescheitert waren, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen. Bereits in Jerusalem war es vor der Klagemauer zu einer suggestiven Umarmung zwischen dem Papst, seinem argentinischen Freund, Rabbi Abraham Skorka und einem ebenfalls eingeflogenen argentinischen Moslemvertreter gekommen. Das Friedensgebet, an sich bereits nicht unumstritten, wurde schließlich vom moslemischen Imam überschattet, der eine Koransure rezitierte, mit der für den „Sieg über die Ungläubigen“ gebetet wird. Im Vatikan schwieg man betreten. Im Vorfeld hatten hohe Kirchenvertreter, auch das Staatssekretariat, vielschichtige Bedenken gegen die Initiative vorgebracht, die Papst Franziskus jedoch vom Tisch wischte. In einem Interview mit der katalanischen Tageszeitung La Vanguardia zeigte er sich vielmehr sichtlich stolz darauf, daß „hier im Vatikan 99 Prozent“ Bedenken hatten, sich aber am Ende das beharrliche eine Prozent, sprich er selbst, durchsetzte.
Doch auch nach dem historisch nie dagewesenen christlich-jüdisch-moslemischen „Friedensgebet“ brach im Heiligen Land nicht der erhoffte Frieden aus. Das Land stürzte vielmehr in eine neue Welle der Gewalt, die bereits Hunderte Tote forderte. Seither wird in katholischen Kreisen die Frage gestellt, was das Friedensgebet eigentlich gebracht hat. Manche fragen sogar nach dem Zusammenhang zwischen der neuen Gewaltspirale und dem „Friedensgebet“. Hat das gemeinsame Gebet Gott vielleicht gar nicht gefallen?
Die Fragen werden mit einer gewissen Verlegenheit gestellt. Manche äußern sie nur im persönlichen Gespräch. Einige stellen sie öffentlich. Zu ihnen gehört der keineswegs zimperliche spanische Kirchenhistoriker Francisco de la Cigoña, der für die Tageszeitung La Gaceta einen Blog zur Katholischen Kirche unterhält. De la Cigoña geht nicht auf metaphysische Implikationen ein, sondern zieht eine ziemlich nüchterne Bilanz des päpstlichen Versuchs, durch eine aufsehenerregende Aktion den Frieden im Heiligen Land herbeizuführen. Auch die Frage nach der transzendenten Bedeutung des gescheiterten „Friedensgebets“ zu stellen, erscheint zumindest legitim, da Papst Franziskus seine Aktion bewußt auf der religiösen und nicht etwa auf der diplomatischen Ebene angesiedelt hatte.
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Der Papst und das Heilige Land
von Francisco José Fernández de la Cigoña
Ich verstehe die ganze Sorge des Heiligen Vaters um das Heilige Land und all seine Absichten, den Frieden in diese unruhige Region zu bringen. Das gehört direkt zu seinen Aufgaben als Stellvertreter dessen, der im Heiligen Land geboren wurde, gelebt hat, gestorben und auferstanden ist.
Trotz oder gerade wegen seiner starken Medienpräsenz sollte der Papst seine Rolle aber nicht übertreiben. Sie ist sehr weit weg von der Supermans. Es schien zunächst, daß das Dreiertreffen – Vierertreffen, wenn man der Anwesenheit von Franziskus, Peres, Abbas noch jene des orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel hinzurechnet – etwas Wichtiges für die Erreichung des Friedens in diesem unruhigen Land ist.
Der ganze Schein war gut inszeniert und konnte bei manchen den Eindruck erwecken, daß da etwas Wichtiges geschieht und daß der Papst eine entscheidende Figur der internationalen Diplomatie ist. Doch in kaum mehr als 24 Stunden fiel alles auseinander. Und Juden und Palästinenser sind wieder als das sichtbar, was sie sind: feindlich gesinnte Parteien. Es sei daran erinnert, daß es schwer ist, zu sagen, wer den „ersten Stein“ warf. Waren es die Juden, als sie wenige Tage vor dem Papstbesuch zwei junge Palästinenser erschossen, oder waren es die Palästinenser, die wenige Tage danach drei junge Juden ermordeten. Es ist auch bekannt, daß die Juden in der Regel nicht mit Samthandschuhen vorgehen.
Gesegnet sei der Papst für seine Friedensbemühungen. Und für sein Gebet. Erstere scheinen aber sehr entbehrlich. Zweitere? Gott allein weiß es. Mir scheint es nicht schlecht, daß der Papst durch diese Geschichte sich vielleicht bewußt geworden ist, daß er in der großen Weltpolitik in Wirklichkeit nicht relevant ist. Sie hat gezeigt, daß Peres am Ende doch bombardieren läßt, daß im Gazastreifen nicht Abbas, sondern die Hamas das Sagen hat, daß ein argentinischer Rabbi zum Freund nicht mehr bedeutet als irgendein Cousin auf den Seychellen, und daß die Grußbotschaften und Glückwünsche zum Ramadan gar nichts bringen.
Die päpstliche Einmischung in den Konflikt hat nichts genützt und die groß inszenierte Umarmung vor der Klagemauer wirkt angesichts der Bomben und der Toten im Rückblick eher grotesk. Ich habe keinen Zweifel, daß Franziskus die Nummer mit den besten Absichten inszenierte. Doch, wie zu erwarten war, wurde er durch die Tatsachen nicht bestätigt: Komplizierte Dinge werden nicht dadurch gelöst, daß man einen Tango singt, so sentimental dieser auch klingen mag. Der Freund eines Rabbis zu sein, bringt noch nichts in Ordnung. Es kann aber durcheinander bringen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: De la Cigoña