(Caserta/Vatikan) Das Treffen mit Pastor Giovanni Traettino wurde vom Vatikan als „Privatbesuch“ angekündigt. Nachträglich doppelte der Heilige Stuhl den Besuch, um die Katholiken Casertas nicht vor den Kopf zu stoßen. Der Besuch bei seinem „Freund“ Traettino wurde absehbar zu einem internationalen Treffen mit führenden Evangelikalen und Pfingstlern aus aller Welt. Mehr als 300 ausgewählte Gäste waren von Traettino nach Caserta geladen worden. Besonders stark war die Präsenz aus den USA. Nicht dabei war der keltisch-anglikanische Bischof Tony Palmer, der eine Woche zuvor mit dem Motorrad tödlich verunglückt war. Palmer war maßgeblicher Architekt des „Privattreffens“ in Caserta.
Inzwischen veröffentlichte der Heilige Stuhl den Text der Ansprache, die Papst Franziskus vor den versammelten Evangelikalen hielt. Es fällt ohnehin schwer, zwischen den offiziellen und privaten Handlungen des Papstes zu unterscheiden, ebenso zwischen päpstlichem Lehramt und privaten Aussagen. Eine ungewöhnliche Zweigleisigkeit, die Papst Franziskus einführte, wobei diskutiert wird, welcher der beiden Teile der authentischere ist.
„Privatgespräch“ oder Teil des Lehramtes?
Mit der Veröffentlichung des Textes will der Vatikan offensichtlich Spekulationen darüber entgegenwirken, was der Papst tatsächlich gesagt hat und was nicht. Solche Spekulationen lösten bereits mehrfach die päpstliche Telefonseelsorge aus, ebenso die nicht minder zahlreichen außerprotokollarischen Audienzen, die der argentinische Papst neben den offiziellen gewährt, und über deren Inhalt einseitig nur die Besucher berichten. Von den umstrittenen Interviews mit dem Atheisten Eugenio Scalfari ganz zu schweigen.
In der Tat wurden gestern von den offiziellen katholischen Nachrichtenagenturen KNA und KAP Redepassagen veröffentlicht, die in ihrer Akzentuierung über das hinausgingen, was der Papst tatsächlich gesagt hatte (siehe eigener Bericht Papst bittet Pfingstler um Vergebung: „Katholiken, die vom Teufel besessen waren“).
Der offizielle Text bestätigt, daß Papst Franziskus alle häretischen Schismen innerhalb der Christenheit auf Neid und Eifersucht reduziert, die vom Teufel verursacht werden. Martin Luther als eifersüchtiger Neider? Der Papst nahm keine Schuldzuweisung vor und lastete sie damit allen gleichermaßen auf.
Schismen in der Kirchengeschichte auf Neid und Eifersucht reduzierbar?
Laut dem nun veröffentlichten Text des Heiligen Stuhls sagte der Papst unter anderem (Übersetzung Giuseppe Nardi):
[…] „Und es ist nicht der Heilige Geist, der die Entzweiung macht! Er macht etwas, was dem einigermaßen ähnelt, aber nicht die Entzweiung. Es ist nicht der Herr Jesus, der die Entzweiung macht! Wer die Entzweiung macht ist der Neider, der König des Neides, der Vater des Neides: der Zwietracht sät, Satan. Der sich in die Gemeinschaften einmischt und die Entzweiung macht, immer! Vom ersten Moment an, vom ersten Moment des Christentums an, gab es in der christlichen Gemeinschaft diese Versuchung. „Ich bin von diesem“, „Ich bin von jenem“, „Nein! Ich bin die Kirche, du bist die Sekte!… Und so ist der Gewinner er, der Vater der Entzweiung. Nicht der Herr Jesus, der für die Einheit gebetet hat (Joh 17), Er hat gebetet!
Was macht der Heilige Geist? Ich habe gesagt, daß er eine andere Sache macht, von der man vielleicht denken könnte, daß sie Entzweiung ist, aber es nicht ist. Der Heilige Geist macht die „Vielfalt“ in der Kirche. Der erste Brief an die Korinther, Kapitel 12. Er macht die Vielfalt! Und diese Vielfalt ist so reich, so schön. Dann aber macht derselbe Heilige Geist die Einheit, und so ist die Kirche eine in der Vielfalt. Und um ein schönes Wort eines Evangelikalen zu verwenden, das ich sehr mag, eine „versöhnte Vielfalt“ vom Heiligen Geist. Er macht beide Dinge: er macht die Vielfalt der Charismen und dann macht er die Harmonie der Charismen. Deshalb haben die ersten Theologen der Kirche, die ersten Väter – ich spreche vom 3. oder 4. Jahrhundert – gesagt: „Der Heilige Geist, Er ist die Harmonie“, weil Er diese harmonische Einheit in der Vielfalt macht. […]
Auf diesem Weg haben wir viele Male das gleiche getan wie die Brüder des Joseph als uns Eifersucht und Neid getrennt haben. Sie kamen zuerst, um ihren Bruder zu töten – Ruben ist es gelungen, ihn zu retten – dann, um ihn zu verkaufen. Auch der Bruder Johannes hat über diese traurige Geschichte gesprochen. Diese traurige Geschichte, in der das Evangelium für einige wie eine Wahrheit gelebt war und nicht bemerkten, daß hinter diesem Verhalten häßliche Dinge standen, Dinge nicht vom Herrn, eine schlimme Versuchung der Spaltung. Diese traurige Geschichte, in der man auch dieselbe Sache der Brüder des Joseph machte: die Denunziation, die Gesetze dieser Leute: „das geht gegen die Reinheit der Rasse…“ Und diese Gesetze wurden von Getauften beschlossen! Einige von jenen, die dieses Gesetz machten und einige von jenen, die die pfingstlerischen Brüder verfolgt und denunziert haben, weil sie „enthusiastisch“ waren, fast „verrückt“, daß sie die Rasse vernichten, einige waren Katholiken…
Ich bin der Hirte der Katholiken: ich bitte Euch dafür um Vergebung! Ich bitte Euch um Vergebung für jene katholischen Brüder und Schwestern, die nicht verstanden haben und die vom Teufel versucht wurden und diese gleiche Sache der Brüder des Joseph machten. Ich bitte den Herrn, daß er uns die Gnade schenke, einzusehen und zu vergeben… Danke!“ […]
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Lettera43