„Tue, was Kardinäle gewünscht haben“ – Gab es Absprachen für die Wahl Bergoglios zum Papst?


Papst Franziskus inmitten der Mitglieder des C8-Rats
Papst Fran­zis­kus inmit­ten der Mit­glie­der des C8-Rats

(Rom) Gab es im Vor­feld des Kon­kla­ve Abma­chun­gen zur Wahl von Jor­ge Mario Berg­o­glio? Muß­te der heu­ti­ge Papst von Kar­di­nä­len Bedin­gun­gen akzep­tie­ren, um sei­ne Wahl zu sichern? Wur­den Papst Fran­zis­kus im Prä­kon­kla­ve Auf­la­gen für sein Pon­ti­fi­kat gemacht?
Abma­chun­gen zur Wahl eines Pap­stes sind ille­gal und ungül­tig. Die Pra­xis gilt seit lan­gem. Seit mehr als einem Jahr­hun­dert ist das Ver­bot aus­drück­lich fest­ge­schrie­ben. Es war der hei­li­ge Papst Pius X., der die Not­wen­dig­keit dafür sah, nach­dem es bei sei­ner Wahl zu exter­ner Ein­mi­schung in die Papst­wahl gekom­men war.
Die Wirk­lich­keit sieht jedoch anders aus, meint der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster und wirft eine dra­ma­ti­sche Fra­ge auf. Ansatz­wei­se liegt die­se bereits seit dem jüng­sten Kon­kla­ve in der Luft. Genau­er gesagt, seit Kar­di­nal Wal­ter Kas­per im Vor­feld des Kon­kla­ves bestimm­te Äuße­run­gen tätig­te (sie­he Bericht Die War­nung an Bene­dikt XVI. von einem … Kas­per – Anti-Ratz­in­ger-Pon­ti­fi­kat in Pla­nung).
Die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion.

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„Ich tue das, was die Kardinäle gewünscht haben“

von San­dro Magister

„Die wahl­be­rech­tig­ten Kar­di­nä­le müs­sen sich außer­dem jeder Form von Ver­hand­lun­gen, Ver­trä­gen, Ver­spre­chen oder son­sti­ger Ver­pflich­tun­gen jeder Art ent­hal­ten, die sie bin­den kön­nen, einem oder eini­gen die Stim­me zu geben oder zu ver­wei­gern. Käme es tat­säch­lich dazu, so erklä­re ich eine sol­che Bin­dung für nich­tig und ungül­tig, auch wenn sie unter Eid ein­ge­gan­gen wor­den wäre.“

So ist es in der gel­ten­den Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Uni­ver­si Domi­ni­ci Gre­gis von Papst Johan­nes Paul II. von 1996 „über die Vakanz des Apo­sto­li­schen Stuh­les und die Wahl des Pap­stes von Rom“ festgelegt.

„Wahlkapitulationen“ verboten und nichtig

Histo­risch wer­den Wahl­ab­spra­chen als „Kapi­tu­la­tio­nen“ oder „Wahl­ka­pi­tu­la­tio­nen“ bezeich­net, wenn ver­sucht wird, die Stimm­ab­ga­be für einen bestimm­ten Kan­di­da­ten mit Gegen­lei­stun­gen zu ver­knüp­fen, die im kon­kre­ten Fall den künf­ti­gen Papst zu bestimm­ten Hand­lun­gen und Hal­tun­gen ver­pflich­ten und damit sei­nen Ent­schei­dungs­spiel­raum einschränken.

Soweit bekannt dürf­te der erste sol­cher­ma­ßen „kapi­tu­lier­te“ Papst 1352 gewählt wor­den sein, als in Avi­gnon Inno­zenz VI. aus dem Kon­kla­ve her­vor­ging, der aller­dings, kaum gewählt, alle Abma­chun­gen für ungül­tig erklärte.

In der Tat geschah es mehr­fach, daß Päp­ste nach ihrer Wahl, die mit ihren frü­he­ren Kar­di­nals­kol­le­gen getrof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen leug­nen oder für null und nich­tig erklärten.

Die Ver­ein­ba­run­gen ver­pflich­te­ten den Gewähl­ten zum Teil Maß­nah­men zum tat­säch­li­chen Wohl der Kir­che zu tref­fen. In ande­ren Fäl­len ging es dabei mehr um per­sön­li­che Inter­es­sen oder Vor­tei­le für bestimm­te Grup­pen. Aus die­sem Grund kam man schließ­lich soweit, sie offi­zi­ell zu verbieten.

Das offi­zi­el­le Ver­bot trat mit den neu­en Bestim­mun­gen zur Durch­füh­rung des Kon­kla­ve in Kraft, die von einem hei­li­gen Papst, Pius X. mit der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Vacan­te Sede Apo­sto­li­ca von 1904 erlas­sen wurden:

„Car­di­na­les prae­te­rea absti­neant ab omni­bus pac­tion­i­bus, con­ven­tio­ni­bus, pro­mis­sio­ni­bus ali­is­que qui­bus­cum­que obli­ga­tio­ni­bus, qui­bus adstrin­gi poss­int ad suf­fra­gi­um ali­cui vel ali­qui­bus dan­dum vel non dan­dum; quae omnia et sin­gu­la, si de fac­to inter­ven­er­int, eti­am iurei­uran­do adiec­to, nulla et irri­ta, neque ad eorum obser­van­ti­am quem­quam tene­ri decer­ni­mus, et con­tra faci­en­tes ex nunc latae sen­ten­tiae excom­mu­ni­ca­tio­nis poe­na inno­da­mus“ (Vacan­te Sede Apo­sto­li­ca, 95).

Die­se Bestim­mung wur­de von allen nach­fol­gen­den Doku­men­ten, die das Kon­kla­ve betref­fen, wie­der­holt und gilt bis zum heu­ti­gen Tag, wie die erwähn­te Kon­sti­tu­ti­on von Johan­nes Paul II. zeigt.

Even­tu­el­le Kapi­tu­la­tio­nen, die vor oder wäh­rend des Kon­kla­ve ver­ein­bart wur­den, sind daher nicht nur ver­bo­ten, weil unrecht­mä­ßig, son­dern auch prak­tisch unwirk­sam, weil der Gewähl­te ver­pflich­tet ist, sie nicht ein­zu­hal­ten, auch wenn er sie selbst ver­ein­bart haben sollte.

Bedingung für Wahl Johannes XXIII. war Tardini als Kardinalstaatssekretär

Die Chro­ni­ken der Kon­kla­ve der jüng­sten Zeit wis­sen jedoch zu berich­ten, daß beim Kon­kla­ve im Okto­ber 1958 eini­ge Pur­pur­trä­ger der Römi­schen Kurie sich die Zusa­ge geben lie­ßen, daß im Fal­le der Wahl des Patri­ar­chen von Vene­dig, Ange­lo Ron­cal­li, die­ser Msgr. Dome­ni­co Tar­di­ni zum Staats­se­kre­tär macht. Und so geschah es tat­säch­lich noch am Abend der Wahl von Johan­nes XXIII. [1] Msgr. Dome­ni­co Tar­di­ni trat mit 14. Dezem­ber 1958 offi­zi­ell sein Amt als Staats­se­kre­tär an, am 15. Dezem­ber wur­de er von Johan­nes XXIII. zum Kar­di­nal kre­iert und am 27. Dezem­ber zum Bischof geweiht.

„Kapitulierte“ Paul VI. vor deutschen Kardinälen?

Beim fol­gen­den Kon­kla­ve 1963, mit­ten im Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil, sol­len die mit­tel­eu­ro­päi­schen Kar­di­nä­le mit einer „Wahl­ka­pi­tu­la­ti­on“ beschlos­sen haben, den Erz­bi­schof von Mai­land, Kar­di­nal Gio­van­ni Bat­ti­sta Mon­ti­ni zu kan­di­die­ren, die unter ande­rem die Fort­set­zung des Kon­zils zum Inhalt hatte.

1978 erzähl­te man hin­ge­gen, daß Kar­di­nal Giu­sep­pe Siri dazu bewo­gen wer­den soll­te, im Fal­le sei­ner Wahl zum Papst, sei­nen Gegen­spie­ler im Kon­kla­ve, Kar­di­nal Gio­van­ni Benel­li zum Kar­di­nal­staats­se­kre­tär ernen­nen zu müs­sen. Wäh­rend man eben­so erzähl­te, daß der Patri­arch von Vene­dig, Albi­no Lucia­ni zum Papst gewählt wür­de, wie es dann tat­säch­lich geschah, wenn man die Garan­tie erhal­te, daß er den gefürch­te­ten Benel­li nicht zum Staats­se­kre­tär ernen­nen wür­de. [2]Msgr. Benel­li war 1967 von Papst Paul VI. zum Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs, dann 1977 zum Erz­bi­schof von Flo­renz ernannt und zum Kar­di­nal erho­ben wor­den.

Welche Bedingungen stellten Kardinäle vor dem Konklave?

C8-Kardinalsrat mit Papst Franziskus
C8-Kar­di­nals­rat mit Papst Fran­zis­kus – Eine Wahlkapitulation?

Im Kon­kla­ve das Jor­ge Mario Berg­o­glio wähl­te, soll es for­mal kei­ne Ver­ein­ba­run­gen oder Eides­lei­stun­gen zwi­schen den Kar­di­nä­len gege­ben haben.

Den­noch bekann­te Papst Fran­zis­kus mehr­fach, sich an eini­ge Wei­sun­gen gebun­den zu füh­len, die von Kar­di­nä­len im Lau­fe der Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen im Prä­kon­kla­ve geäu­ßert wurden.

So wie­der­hol­te er es auch jüngst deut­li­cher als sonst in einem Inter­view, das er Fran­ca Gian­sol­da­ti gab und das am 29. Juni in der Tages­zei­tung Il Mess­ag­ge­ro ver­öf­fent­licht wur­de. Dar­in sag­te er:

„Beim Pro­gramm [zur Lei­tung der Kir­che] fol­ge ich dem, was die Kar­di­nä­le bei den Gene­ral­kon­gre­ga­tio­nen vor dem Kon­kla­ve gewünscht haben. Ich gehe in die­se Rich­tung. Der Rat der acht Kar­di­nä­le, ein exter­nen Orga­nis­mus, stammt von dort. Er wur­de gewünscht, um dabei zu hel­fen, die Kurie zu refor­mie­ren. Eine im übri­gen nicht leich­te Sache, weil man einen Schritt macht, aber sich dann her­aus­stellt, daß man dies und jenes machen muß und wenn es vor­her ein Dik­aste­ri­um gab, sind es dann vier. Mei­ne Ent­schei­dun­gen sind das Ergeb­nis der Prä­kon­kla­ve-Tref­fen. Kei­ne Sache habe ich allei­ne gemacht.“

Öffnete „demokratisch-synodaler Ansatz“ Weg für Bergoglio?

Auf die Fra­ge, ob er dar­in einem „demo­kra­ti­schen Ansatz“ folgt, ant­wor­te­te der Papst:
„Es waren Ent­schei­dun­gen der Kar­di­nä­le. Ich weiß nicht, ob man von einem demo­kra­ti­schen Ansatz spre­chen kann, ich wür­de mehr von einem syn­oda­len spre­chen, wenn die­ses Wort für die Kar­di­nä­le auch nicht pas­send ist.“

Soweit, was Papst Berg­o­glio sag­te. Der Form nach wird es kei­nen Kap­tu­lier­ten oder kei­ne Kapi­tu­la­ti­on, wie immer man es nen­nen will, gege­ben haben. In der Sub­stanz aber ist man nicht weit davon entfernt.

Der Rat der acht Kar­di­nä­le, den Fran­zis­kus gehor­samst errich­tet hat, ver­sam­melt sich genau in die­sen Tagen erneut im Vatikan.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo/​Lettera47

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1 Msgr. Dome­ni­co Tar­di­ni trat mit 14. Dezem­ber 1958 offi­zi­ell sein Amt als Staats­se­kre­tär an, am 15. Dezem­ber wur­de er von Johan­nes XXIII. zum Kar­di­nal kre­iert und am 27. Dezem­ber zum Bischof geweiht.
2 Msgr. Benel­li war 1967 von Papst Paul VI. zum Sub­sti­tut des Kar­di­nal­staats­se­kre­tärs, dann 1977 zum Erz­bi­schof von Flo­renz ernannt und zum Kar­di­nal erho­ben worden.
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