Im Kontext mit der Preisverleihung für zwei Kölner Kampagnen-Journalisten, die für ihren aufgebauschten ‚Kliniken-Skandal’ prämiert wurden, tischt die Wächterpreis-Dokumentationsseite haarsträubenden Unsinn zu Galileo Galilei auf, um auf die Kirche einzuschlagen. Ein Gastkommentar von Hubert Hecker.
Das Portal doczentrum.org will nach eigenem Anspruch eine Plattform sein, auf der investigativer Qualitätsjournalismus dokumentiert wird. Die Wahrheit soll „ans Tageslicht“ gebracht werden – durch sorgfältige Recherche.
Wenn es aber gegen die Kirche geht, dann scheinen alle Regeln eines seriösen Journalismus’ aufgehoben. Die kürzliche Pressepreisverleihung an zwei antikirchliche Journalisten nimmt die Seite zum Anlass, mit dumm-dreisten Thesen gegen die Kirche zu hetzen.
Skandal-Journalismus macht blind für die Wirklichkeit
Die beiden Reporter Peter Berger und Joachim Frank vom Kölner Stadt-Anzeiger hatten die so genannte ‚Kölner Klinikenaffäre’ zu einer Skandalgeschichte aufgebauscht – mit den bekannten Merkmalen wie Effekthascherei, Emotionalisierung, Übertreibung, Einseitigkeit und Verdrehung.
Auf dokzentrum.org wird seither dieser Skandalisierungs-Journalismus hochgejubelt. Mit Kommentaren zu den Kölner Vorgängen versucht man die Kerbe gegen die Kirche noch tiefer zu hauen.
Doch die Ausführungen sind eine Offenbarung über die Ignoranz der Publizisten. Die Leser werden für dumm verkauft. Unter der Überschrift ‚Der ganz Vorgang im Überblick’ verbreiten die doczentrum-Journalisten haarsträubenden Unsinn:
„Bei Galilei GALILEO, dem berühmten Mathematiker, Physiker und Astronomen, der um 1600 behauptet (und bewiesen) hatte, dass die Erde rund ist, und den die Katholische Kirche im Jahr 1633 zum Widerruf dieser These gezwungen hatte, war es ein Zeitraum von rd. 350 Jahren: Bis ihn die Katholische Kirche im Jahr 1992 rehabilitierte. Und eingestand, dass die Erde doch eine Kugel sei und Rom demnach nicht der Mittelpunkt der ganzen Welt sein könne. Im 17. Jahrhundert wäre Galileo GALILEO sonst auf dem Scheiterhaufen gelandet. Und bei lebendigem Leibe verbrannt worden. Soweit zur Achtung vor dem (individuellen) menschlichen Leben dieser mächtigen Religionsgemeinschaft.“
Neben der zweimaligen Falsch-Schreibung des Namens Galileo Galilei fällt der krause Schreibstil der Autoren auf. Die sprachlichen Formfehler korrespondieren mit dem inhaltlichen Tohuwabou.
In der kurzen Passage über Galilei ist kein einziger Halbsatz sachlich richtig
Seit der Aufklärung wird der Kirche das Märchen von der flachen Erdscheibe untergeschoben. Auch die unaufgeklärten doczentrum-Publizisten verbreiten diesen historischen Unsinn. Die Wahrheit ist, dass alle bedeutenden Gebildeten und Theologen der katholischen Kirche seit dem frühen Mittelalter von der Kugelgestalt der Erde überzeugt waren:
Die westlichen Kirchenväter des 4. und 5. Jahrhunderts wie Ambrosius und Augustinus gingen in ihren Traktaten von der Erde als Globus aus. Für den einflussreichen Theologen Isidor von Sevilla (7. Jahrhundert) war die kugelrunde Erde selbstverständlich. Die Mystikerin und Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen (1098–1179) erklärte in ihren Schriften ausdrücklich die Kugelgestalt der Erde. Thomas von Aquin, der größte Theologe des Mittelalters, bestätigte, was schon die griechischen Forscher der Antike gewusste hatten: die Krümmung der Erdoberfläche mit der logischen Folgerung, dass die ganze Erde rund wie ein Ball ist. Selbst in volkssprachlichen Texten und Bildern des 13. Jahrhunderts wurde die Vorstellung von der Erde als ‚Apfel’ oder als ‚Ei’ verbreitet. Insbesondere das Bild vom Erd-Ei, bei dem man von einer festen Schale und einem flüssigen (Glut-)Kern ausging, kam dem realen Aufbau der Erde schon sehr nahe.
Auch bei der Schätzung des Erdumfangs näherte man sich mit Werten zwischen 36.000 und 46.000 Kilometern dem tatsächlichen Erdumfang von 40.075 an. Der französische Kardinal Pierre d’Ailly machte um 1410 in seinem Buch ‚Imago Mundi’ den Vorschlag, von Europa aus westwärts zu segeln, um in den Fernen Osten zu kommen. Dieses Buch war eine der Inspirationen für Christoph Kolumbus bei seinen Seefahrtsplänen über den Atlantik.
Englische Theologen hatten schon im 14. Jahrhundert die damalige Rätselfrage gelöst, warum die Menschen den Fahrtwind der rasenden Rotationsgeschwindigkeit der Erde nicht spüren: Der Bischof und Philosoph Nicolas Oresme erklärte, dass sich die Atmosphäre mit der Erdkugel mitdrehe. Diese Erkenntnis war eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Fraunberger Domherr Nikolaus Kopernikus seine Theorie vom heliozentrischen Weltbild entwickeln konnte. Übrigens widmete der Kanonikus Kopernikus sein Buch „De revolutionibus orbium coelestium“ dem damaligen Papst Paul III. An den römischen und spanischen Universitäten wurde zum Ende des 16. Jahrhunderts die Theorie des heliozentrischen Weltbildes neben der des Ptolemäus’ gelehrt. Für die Kalenderreform des späteren Papstes Gregor XIII. spielten die Berechnungen Kopernikus ebenfalls eine wichtige Rolle.
Wenn die dokzentrum-Autoren behaupten, der Streit um die Gestalt der Erde als Kugel oder Scheibe sei erst zur Zeit Galileis entschieden worden, sind sie hinterm Mond oder 1500 Jahre zu spät dran. Es ist auch ein Armutszeugnis für journalistische Recherche, wenn sie einen so offensichtlichen Geschichtsirrtum verbreiten.
Jedenfalls wurde Galileo Galilei nicht zum Widerruf der Erdkugelthese „gezwungen“. Nach der Forderung der kirchlichen Behörden sollte er seine heliozentrische Welt-Theorie als Hypothese und nicht als gesicherte Tatsachen publizieren. Denn Galilei konnte damals seine Thesen zu den Planeten-Bahnen und der Rotation der Erde genauso wenig zwingend beweisen wie vor ihm Nikolaus Kopernikus. Was Galilei als Beweis für die rotierende Umlaufbahn der Erde ansah, das Auftreten von Ebbe und Flut, war sogar sachlich falsch.
Die gebotene Zurückhaltung bei Tatsachenbehauptungen, die Galilei abverlangt wurde, sollte nach dem deutschen Pressekodex auch heute noch die Grundregel für seriösen Journalismus sein. Davon sind die doczentrum-Publizisten genauso weit entfernt wie von der historischen Wahrheit.
Es wirft ein trübes Licht auf den „Wächter-Preis der Tagespresse“, wenn die begleitende Dokumentationsseite wilde Spekulationen an die Stelle von Informationen durch sorgfältige Recherche setzt. Die Seite ist eher eine Blamage für die Journalistenzunft.
Sie drohen mit noch größerem Unsinn
Weiter behaupten die Wächterpreis-Autoren fälschlich, dass Kardinal Joachim Meisner seine „moraltheologische Position revidierte“. In Wirklichkeit bekräftigte der Kölner Oberhirte die katholische Lehre, dass ein Präparat mit Abtreibungswirkung auf eine befruchtete Eizelle nicht erlaubt ist, da ein menschlicher Embryo in jeder Phase schutzwürdig bleibt. Nur ein Präparat zur Befruchtungsverhinderung sei vertretbar, wenn es ein solches gebe.
Schließlich drohen die Publizisten der Plattform, mit defizitärer Recherche und Darstellung bis Anfang Juli 2014 einen noch „größeren Themenkanon ausführlich zu dokumentieren: Die katholische Kirche und ihr Verhältnis zu einem der menschlichsten aller Menschendinge: zur Sexualität“.
Nach den Plattheiten, die sie in ihrem kurzen „Überblick“ verbraten, dürfte dabei „noch größerer“ Unsinn herauskommen.
Text: Hubert Hecker
Bild: Wikicommons