(Rom) Der Publizist Tommaso Scandroglio stellte sich die Frage, wie es denn mit dem neuen Phänomen emeritierter Päpste in der Katholischen Kirche weitergehen wird. Das Schweben in Hohen Sphären beim Rückflug von Tel Aviv habe Papst Franziskus, der ohnehin nicht mit Worten geize, die Zunge besonders gelockert. Auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land sprach der Papst mit den Journalisten. Ein Thema beim lockeren 40 Minuten-Plausch war der „emeritierte Papst“.
Ein Journalist fragte Franziskus, ob auch für ihn ein Verzicht auf das Pontifikat vorstellbar wäre, und der Heiligen Vater antwortete folgendermaßen:
„Ich werde das tun, was der Herr mir zu tun sagen wird. […] Aber ich glaube, daß Benedikt XVI. kein Einzelfall sein wird. Ich denke, daß er eine Institution ist. Vor 70 Jahren gab es fast keine emeritierten Bischöfe. Und jetzt gibt es viele davon. Was passiert mit den emeritierten Päpsten? Wir müssen auf ihn als eine Institution schauen. Er hat eine Tür geöffnet, die Tür der emeritierten Päpste. Wird es weitere geben, oder nicht? Gott weiß es. Aber die Tür ist offen. Ich glaube, daß ein Bischof von Rom, der spürt, daß seine Kräfte nachlassen – denn heute lebt man lang, nicht wahr? – sich dieselben Fragen stellen muß, die sich Papst Benedikt XVI. stellte.“
Rücktritt eines Papstes nur bürokratische Frage?
So hingeworfen, scheint es, als wäre die Frage nur eine Angelegenheit der bürokratischen Praxis. Früher machte man es so und morgen hindert nichts daran, die Dinge anders zu machen.
Die Quaestio ist jedoch von ganz anderer Tragweite. Muß der Papst lebenslang im Amt bleiben? Wenn wir im Codex des Kirchenrechts (CIC) nachlesen, kann man daraus schließen, daß das von der Kirche verfolgte Ziel es ist, daß jeder Papst seine Augen als regierender Pontifex schließt und nicht als emeritierter Pontifex. Im Kirchenrecht findet sich keine Stelle die mehr oder wenig so lautet: „Der römische Papst bleibt solange im Amt bis er keine gegenteilige Entscheidung trifft.“
Die Canones 322,2 und 44,2 des CIC, die dem Verzicht auf das Petrusamt gewidmet sind, legen keine Norm fest, sondern eine Ausnahme. Kurzum, das Kirchenrecht ist darauf ausgerichtet, daß nicht nur das Munus des Nachfolgers Petri auf Lebenszeit ist, sondern auch seine Amtsausübung. Eine Bestätigung dafür kommt auch von einem Titel des Papstes, vielmehr von seinem Titel schlechthin, dem, Stellvertreter Christi auf Erden zu sein. Und wie wir wissen, nahm Christus die Ihm vom Vater anvertraute Aufgabe bis ans Kreuz wahr. Erst dann sagte Er: „Es ist vollbracht.“
Jesus erteilte Petrus keinen Auftrag auf Zeit (mit Pensionierung)
Darum noch einmal, die Frage ist nicht nur kirchlicher Art, sondern vor allem theologischer. Das Kirchenrecht schließt nicht aus, daß ein Papst, wie die Entscheidung von Benedikt XVI. zeigt, wenn er dies mit seinem Gewissen geprüft und zum Schluß gekommen ist, daß Gott ihm dies nahelegt, auf sein Amt verzichten kann, ein Amtsverzicht legitim ist. Er kann jedoch nur eine Ausnahme sein, die durch außergewöhnliche Umstände und Gründe gerechtfertigt wird. Vielmehr, soweit ist das Kirchenrecht eindeutig, darf er nicht zur Regel werden. Manche werden nun einwerfen: Die Frage des päpstlichen Amtsverzichts sei kein Dogma.
Dem ist entgegenzuhalten, daß Jesus Christus bei der Beauftragung des Petrus nichts davon sagte, daß es sich um einen Auftrag auf Zeit handelt. Petrus dachte, als er für seine Zeit bereits im vorgerückten Alter war, nicht an einen „Amtsverzicht“ aus Altersschwäche. Man darf annehmen, daß er darin einen Verrat an Christus gesehen hätte.
Dem ist auch entgegenzuhalten, daß nicht alles, was nicht als Dogma definiert ist, deshalb erlaubt ist. Es ist auch kein Dogma, daß man 100 Jahre alt werden muß, und doch scheint es, als befänden sich die meisten in einem Wettrennen, dieses Ziel unbedingt zu erreichen. Anders ausgedrückt: Daß die Dauer des Petrusdienstes lebenslänglich zu sein hat, leitet sich nicht von einer positivistischen Norm göttlichen Rechts ab, sondern ist konstitutiver Teil der Natur des Petrusamtes. Das Ziel, auf das das Petrusamt ausgerichtet ist, ist immer das Wohl der Kirche. Daher kann auch die Ausnahme eines Amtsverzichts nur mit derselben Zielrichtung erfolgen, nämlich zum Wohl der Kirche.
Papst Franziskus und ein administratives Verständnis des Petrusamtes
Papst Franziskus scheint in seinem Höhenplausch den Blickwinkel auf den Kopf zu stellen. Die Berufung auf Lebenszeit wird von ihm zur Ausnahme erklärt und der Rücktritt zu einer Art juridischer Kategorie des Kirchenrechts erhoben. Franziskus spricht wörtlich vom „emeritierten Papst“ als einer „Institution“. Eine Institution ist eine normative Größe, die eine eigenständige rechtliche Wirklichkeit darstellt. Sollen Priester mit 70, Bischöfe mit 75, Kardinäle (als Papstwähler) mit 80 und Päpste mit 85 aus dem Amt scheiden?
Warum schlägt Papst Franziskus eine solche Lösung vor? Vielleicht aus zwei Gründen. Erstens scheint es, daß er sein Munus als Papst als rein administrativen Charakter zu verstehen scheint, so als wäre er irgendein Angestellter unter vielen anderen, als würde er eine Funktion bekleiden, die ihres transzendenten Wesens entkleidet und daher gewissermaßen entsakralisiert ist. Papst Franziskus scheint das Petrusamt wie irgendein beliebiges anderes menschliches Amt zu sehen, und da nur menschliches Amt, kann es auch wie jedes andere menschliche Amt enden. Alle gehen wir früher oder später in Pension, lautet die horizontale Perspektive.
Zweitens, weil laut einer gewissen immanenten Sichtweise, es die Praxis ist, die die Regeln/Institutionen schafft und nicht umgekehrt. Eine Sichtweise, in der die Norm durch die Fakten gebogen wird. Gemäß diesem Denken genügt eine Ausnahme – im konkreten Fall der Amtsverzicht eines Papstes – um aus der Ausnahme eine Regel zu machen.
Papstrücktritt Teil der Heilsökonomie oder Ausdruck, daß sie ins Stottern geraten ist?
Der Papst erwähnt, daß es vor 70 Jahren noch keine emeritierten Bischöfe gab, die Geschichte der Kirche dann aber einen anderen Weg eingeschlagen hat. Im Laufe der Kirchengeschichte hat das Papsttum verschiedene Ausdrucksformen gefunden, die jedoch nichts an seiner Natur änderten, sondern danach trachteten, diese noch sichtbarer zu machen. Vor allem waren alle auf die Heilsökonomie ausgerichtet. Damit stellt sich nach den Aussagen in luftiger Flughöhe von Papst Franziskus, mit denen er Rücktritte von Päpsten zur selbstverständlichen Norm erhoben und dies mit dem ebenso lapidaren wie banalen Hinweis „denn heute lebt man lang“, die Frage: Ist auch der Verzicht auf das Petrusamt und die Einführung pensionierter Päpste auf die Heilsökonomie ausgerichtet oder signalisiert es, daß diese ins Stottern geraten ist?
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana