Papst Franziskus: „Schenke uns die Kraft, jeden Tag Baumeister des Friedens zu sein“


Papst Franziskus Simon Peres Mahmud Abbas
Papst Franziskus mit Shimon Peres und Mahmud Abbas in den Vatikanischen Gärten

ANRUFUNG DES FRIEDENS

Anzei­ge

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Vati­ka­ni­sche Gärten
Sonn­tag, 8. Juni 2014

Mei­ne Her­ren Prä­si­den­ten,

mit gro­ßer Freu­de begrü­ße ich Sie und möch­te Ihnen und den ehren­wer­ten Dele­ga­tio­nen, die Sie beglei­ten, den glei­chen herz­li­chen Emp­fang berei­ten, den Sie mir auf mei­ner gera­de been­de­ten Pil­ger­rei­se im Hei­li­gen Land erwie­sen haben.

Ich dan­ke Ihnen aus tief­stem Her­zen, dass Sie mei­ne Ein­la­dung ange­nom­men haben, hier­her zu kom­men und gemein­sam von Gott das Geschenk des Frie­dens zu erfle­hen. Ich hof­fe, dass die­se Begeg­nung der Beginn eines neu­en Weges auf der Suche nach dem sei, was eint, um das zu über­win­den, was trennt.

Und ich dan­ke Eurer Hei­lig­keit, ver­ehr­ter Bru­der Bar­tho­lo­mä­us, dass Sie hier bei mir sind, um die­se bedeu­ten­den Gäste zu emp­fan­gen. Ihre Teil­nah­me ist ein gro­ßes Geschenk, eine wert­vol­le Unter­stüt­zung, und sie ist ein Zeug­nis für den Weg, den wir als Chri­sten auf die vol­le Ein­heit hin beschreiten.

Ihre Anwe­sen­heit, mei­ne Her­ren Prä­si­den­ten, ist ein gro­ßes Zei­chen der Brü­der­lich­keit, das Sie als Söh­ne Abra­hams voll­zie­hen, und ein Aus­druck kon­kre­ten Ver­trau­ens auf Gott, den Herrn der Geschich­te, der heu­te auf uns schaut als auf Men­schen, die ein­an­der Brü­der sind, und uns auf sei­ne Wege füh­ren möchte.

Die­se unse­re Begeg­nung zur Bit­te um den Frie­den im Hei­li­gen Land, im Nahen Osten und in der gan­zen Welt wird beglei­tet vom Gebet unzäh­li­ger Men­schen, die ver­schie­de­nen Kul­tu­ren, Hei­mat­län­dern, Spra­chen und Reli­gio­nen ange­hö­ren – Men­schen, die für die­se Begeg­nung gebe­tet haben und die jetzt mit uns in der fle­hent­li­chen Bit­te selbst ver­eint sind. Es ist eine Begeg­nung, die dem bren­nen­den Wunsch all derer ent­spricht, die sich nach dem Frie­den seh­nen und von einer Welt träu­men, in der Män­ner und Frau­en als Geschwi­ster leben kön­nen und nicht als Geg­ner oder als Feinde.

Mei­ne Her­ren Prä­si­den­ten, die Welt ist ein Erbe, das wir von unse­ren Vor­fah­ren emp­fan­gen haben, aber sie ist auch eine Leih­ga­be unse­rer Kin­der – Kin­der, die müde und erschöpft sind von den Kon­flik­ten und danach ver­lan­gen, den Anbruch des Frie­dens zu errei­chen; Kin­der, die uns bit­ten, die Mau­ern der Feind­schaft nie­der­zu­rei­ßen und den Weg des Dia­logs und des Frie­dens zu beschrei­ten, damit Lie­be und Freund­schaft triumphieren.

Vie­le, all­zu vie­le die­ser Kin­der sind unschul­di­ge Opfer von Krieg und Gewalt gewor­den – Pflan­zen, die in vol­ler Blü­te aus­ge­ris­sen wur­den. Es ist unse­re Pflicht, dafür zu sor­gen, dass ihr Opfer nicht ver­geb­lich sei. Möge die Erin­ne­rung an sie uns den Mut zum Frie­den ein­flö­ßen, die Kraft, um jeden Preis beharr­lich den Dia­log fort­zu­set­zen, die Geduld, Tag für Tag das immer feste­re Netz eines respekt- und fried­vol­len Zusam­men­le­bens zu knüp­fen, zur Ehre Got­tes und zum Wohl aller.

Um Frie­den zu schaf­fen, braucht es Mut, sehr viel mehr, als um Krieg zu füh­ren. Es braucht Mut, um Ja zu sagen zur Begeg­nung und Nein zur Aus­ein­an­der­set­zung; Ja zum Dia­log und Nein zur Gewalt; Ja zur Ver­hand­lung und Nein zu Feind­se­lig­kei­ten; Ja zur Ein­hal­tung der Abma­chun­gen und Nein zu Pro­vo­ka­tio­nen; Ja zur Auf­rich­tig­keit und Nein zur Dop­pel­zün­gig­keit. Für all das braucht es Mut, eine gro­ße Seelenstärke.

Die Geschich­te lehrt uns, dass unse­re allei­ni­gen Kräf­te nicht aus­rei­chen. Mehr als ein­mal waren wir dem Frie­den nahe, doch dem Bösen ist es mit ver­schie­de­nen Mit­teln gelun­gen, ihn zu ver­hin­dern. Des­halb sind wir hier, denn wir wis­sen und glau­ben, dass wir der Hil­fe Got­tes bedür­fen. Wir las­sen nicht von unse­ren Ver­ant­wort­lich­kei­ten ab, son­dern wir rufen Gott an als Akt höch­ster Ver­ant­wor­tung unse­rem Gewis­sen und unse­ren Völ­kern gegen­über. Wir haben einen Ruf ver­nom­men, und wir müs­sen ant­wor­ten – den Ruf, die Spi­ra­le des Has­ses und der Gewalt zu durch­bre­chen, sie zu durch­bre­chen mit einem ein­zi­gen Wort: „Bru­der“. Doch um die­ses Wort zu sagen, müs­sen wir alle den Blick zum Him­mel erhe­ben und uns als Söh­ne eines ein­zi­gen Vaters erkennen.

An ihn wen­de ich mich im Geist Jesu Chri­sti und bit­te zugleich um die Für­spra­che der Jung­frau Maria, Toch­ter des Hei­li­gen Lan­des und unse­re Mutter.

Herr, Gott des Frie­dens, erhö­re unser Flehen!

Vie­le Male und über vie­le Jah­re hin haben wir ver­sucht, unse­re Kon­flik­te mit unse­ren Kräf­ten und auch mit unse­ren Waf­fen zu lösen; so vie­le Momen­te der Feind­se­lig­keit und der Dun­kel­heit; so viel ver­gos­se­nes Blut; so vie­le zer­bro­che­ne Leben; so vie­le begra­be­ne Hoff­nun­gen… Doch unse­re Anstren­gun­gen waren ver­geb­lich. Nun, Herr, hilf Du uns! Schen­ke Du uns den Frie­den, leh­re Du uns den Frie­den, füh­re Du uns zum Frie­den! Öff­ne unse­re Augen und unse­re Her­zen, und gib uns den Mut zu sagen: „Nie wie­der Krieg!“; „Mit dem Krieg ist alles zer­stört!“ Flö­ße uns den Mut ein, kon­kre­te Taten zu voll­brin­gen, um den Frie­den auf­zu­bau­en. Herr, Gott Abra­hams und der Pro­phe­ten, Du Gott der Lie­be, der Du uns erschaf­fen hast und uns rufst, als Brü­der zu leben, schen­ke uns die Kraft, jeden Tag Bau­mei­ster des Frie­dens zu sein; schen­ke uns die Fähig­keit, alle Mit­men­schen, denen wir auf unse­rem Weg begeg­nen, mit wohl­wol­len­den Augen zu sehen. Mach uns bereit, auf den Not­schrei unse­rer Bür­ger zu hören, die uns bit­ten, unse­re Waf­fen in Werk­zeu­ge des Frie­dens zu ver­wan­deln, unse­re Äng­ste in Ver­trau­en und unse­re Span­nun­gen in Ver­ge­bung. Hal­te in uns die Flam­me der Hoff­nung am Bren­nen, damit wir mit gedul­di­ger Aus­dau­er Ent­schei­dun­gen für den Dia­log und die Ver­söh­nung tref­fen, damit end­lich der Frie­de sie­ge. Und mögen die­se Wor­te – Spal­tung, Hass, Krieg – aus dem Her­zen jedes Men­schen ver­bannt wer­den! Herr, ent­waff­ne die Zun­ge und die Hän­de, erneue­re Her­zen und Geist, damit das Wort, das uns ein­an­der begeg­nen lässt, immer „Bru­der“ lau­te und unser Leben sei­nen Aus­druck fin­de in „Shalom, Frie­den, Salam“! Amen.

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