Franziskus und die Diplomatie des Unmöglichen?


Bäumepflanzen im Vatikan
Bäum­epflan­zen im Vatikan

(Vati­kan) Ver­hand­lun­gen ersetzt er durch das Gebet. Den reli­giö­sen und nicht poli­ti­schen Antrieb für sei­ne Ein­la­dung der Prä­si­den­ten Isra­els und Palä­sti­nas beton­te Papst Fran­zis­kus immer wie­der. Zieht er die über­na­tür­li­chen Waf­fen vor? Ziel­te das Gebet in den Vati­ka­ni­schen Gär­ten aber tat­säch­lich auf die tran­szen­den­te Ebe­ne ab?
Papst Fran­zis­kus kal­ku­liert akri­bisch jedes sei­ner Wor­te, auch das Schwei­gen, wie etwa zum Fall der jun­gen suda­ne­si­schen Mut­ter, die zum Tode ver­ur­teilt wur­de, nur weil sie Chri­stin ist.
Der Vati­ka­nist San­dro Magi­ster ver­sucht eine vor­sich­ti­ge Ent­zif­fe­rung der diplo­ma­ti­schen Initia­ti­ven von Papst Fran­zis­kus. Auf wel­cher Ebe­ne spielt jedoch die­ses spe­zi­fi­sche päpst­li­che Enga­ge­ment? Han­delt es sich um ein diplo­ma­ti­sches, reli­gi­ons­po­li­ti­sches oder reli­gi­ons­psy­cho­lo­gi­sches Enga­ge­ment? Eine Fra­ge, die Magi­ster nicht zu beant­wor­ten wagt. Zu Fra­gen, die das Frie­dens­ge­bet im Vati­kan auf­ge­wor­fen hat, sie­he auch den Bei­trag Frie­den, Ver­wir­rung, Syn­kre­tis­mus – Unbe­ant­wor­te­te Fra­gen zum „Frie­dens­ge­bet“ des Pap­stes). Die Zwi­schen­ti­tel stam­men von der Redaktion.

Franziskus und die Diplomatie des Unmöglichen

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von San­dro Magister

Fran­zis­kus setz­te mit Kar­di­nal Pie­tro Paro­lin wie­der einen Voll­blut­di­plo­ma­ten an die Spit­ze des Staats­se­kre­ta­ri­ats. Doch mit ihm als Papst hat die Geo­po­li­tik des Vati­kans ihr Gesicht verändert.

Der Krieg der Wel­ten, der von einem Gigan­ten wie Johan­nes Paul II. aus­ge­foch­ten und gewon­nen wur­de, ist heu­te eine fer­ne Erin­ne­rung. In einer Epo­che der per­so­na­li­sier­ten Kon­flik­te, der Des­po­ten, der bewaff­ne­ten Frak­tio­nen, der zer­split­ter­ten und geschei­ter­ten Staa­ten, per­so­na­li­siert sich auch die Diplo­ma­tie. Sie wird „hand­werk­lich“, wie es Papst Fran­zis­kus zu sagen liebt.

Sein Argen­ti­ni­en ist nicht Polen, wo sich gegen die Dik­ta­tur eine kom­pak­te und treue Volks­kir­che erhob. Unter den Stie­feln der Mili­tärs zeig­te sich die Kir­che in Argen­ti­ni­en zer­ris­sen und ver­wirrt. Der jun­ge Jesu­it Jor­ge Mario Berg­o­glio han­del­te nach sei­nem eige­nen Kopf, im gehei­men und sou­ve­rä­nen Alleingang.
Heu­te macht er es nicht anders, aller­dings alles in der Öffent­lich­keit, aber immer mit ganz per­sön­li­chen Gesten, die Diplo­ma­ten der alten Schu­len völ­lig fremd erschei­nen. Dazu gehört auch die Ein­la­dung an die Prä­si­den­ten von Isra­el und Palä­sti­na, im Schat­ten der Peters­kup­pel zu beten.

Päpstlicher Alleingang-Diplomatie mit persönlichen Gesten

„Hier im Vati­kan sag­ten 99 Pro­zent, daß es uns nicht gelin­gen wird“, ver­trau­te Papst Fran­zis­kus in einem Inter­view der Welt­öf­fent­lich­keit an. Am Ende setz­te sich jedoch genau die­ses beharr­li­che eine Pro­zent durch, das durch ihn selbst per­so­ni­fi­ziert wird.

Auch bei der Vor­be­rei­tung des Tref­fens ent­schied der Papst bis ins Detail alles selbst. Den Berufs­di­plo­ma­ten über­ließ er nur die Bro­sa­men. Er zog den Diplo­ma­ten die Hil­fe eines Fran­zis­ka­ners vor, des Kustos des Hei­li­gen Lan­des, Pater Pier­bat­ti­sta Piz­za­bal­la. Und die eines jüdi­schen Jour­na­li­sten, des Isra­el-Kor­re­spon­den­ten der kata­la­ni­schen Tages­zei­tung La Van­guar­dia, Hen­ri­que Cymerman.

Wo die offi­zi­el­le Diplo­ma­tie ver­sagt, steigt Papst Fran­zis­kus auf sei­ne ganz eigen­wil­li­ge Art in den Ring. Zum Bei­spiel mit dem außer­plan­mä­ßi­gen Schwei­gen an der von Isra­el errich­te­ten Mau­er bei Bethlehem.

Mit dem Gebet und dem Fasten, wie für Syri­en am ver­gan­ge­nen 7. Sep­tem­ber, als er am Peters­platz kniend den Rosen­kranz vor einer Mari­en­iko­ne bete­te, oder am 8. Juli 2013, als er auf einem aus in See­not gera­te­nen Boo­ten errich­te­ten Altar auf Lam­pe­du­sa die Hei­li­ge Mes­se fei­er­te, am Weg der Flücht­lin­ge und Einwanderer.

Fran­zis­kus geht mit blo­ßen Hän­den an die Gren­zen der lei­den­den Welt, nur mit den über­na­tür­li­chen Waf­fen. Was die Men­schen nicht kön­nen, über­läßt er Gott. Syri­en ist heu­te zer­rüt­te­ter als vor­her. Das Mit­tel­meer ist immer über­füll­ter von Boo­ten, die nach Euro­pa drän­gen. Nur weni­ge Tage nach den Gebe­ten von Simon Peres und Abu Mazen in den vati­ka­ni­schen Gär­ten sind drei israe­li­sche Stu­den­ten ver­schwun­den. Seit­her eska­lier­te der israe­lisch-palä­sti­nen­si­sche Kon­flikt. Die Diplo­ma­tie von Fran­zis­kus lebt aber auch von sol­chen Nie­der­la­gen. Es ist die Diplo­ma­tie des Unmöglichen.

Ambitionen wie Gandhi und Martin Luther King?

Im katho­li­schen Lager hat die­ser Stil Vor­läu­fer. 1969, zwei Jah­re nach dem Sechs-Tage-Krieg ver­sam­mel­te der links­ka­tho­li­sche „hei­li­ge Bür­ger­mei­ster“ von Flo­renz, Gior­gio La Pira, in Hebron ara­bi­sche und israe­li­scher Ver­ant­wor­tungs­trä­ger, um gemein­sam am Grab Abra­hams für den Frie­den zu beten. Auch Gan­dhi und Mar­tin Luther King waren genia­le Uto­pi­sten, die jedoch ihren Traum mit der Kunst der Poli­tik zu ver­bin­den wußten.

Papst Fran­zis­kus hat die glei­chen Ambi­tio­nen. Er ist kein Naiv­ling. Er dosiert als wah­rer Jesu­it sei­ne Wor­te und sein Schwei­gen mit akri­bi­scher Genauigkeit.
Er sag­te und wie­der­hol­te mehr­fach, daß die Zahl der Chri­sten, die aus Haß gegen den Glau­ben das Mar­ty­ri­um erlit­ten haben, heu­te grö­ßer ist als in den ersten christ­li­chen Jahr­hun­der­ten. Er hütet sich jedoch davor, irgend­ei­nen der heu­ti­gen Chri­sten­ver­fol­ger offen her­aus­zu­for­dern. „Ich weiß vie­le Din­ge über die Ver­fol­gung, die zu erzäh­len, mir nicht klug erscheint“, sag­te er vor weni­gen Tagen zu La Van­guar­dia.

Päpstliches Schweigen zum Fall der sudanesischen Christin

Mit­te Mai, am sel­ben Tag, an dem im mos­le­mi­schen Sudan das Todes­ur­teil gegen die jun­ge Ehe­frau und Mut­ter Meri­am Yahya Ibra­him bekannt wur­de, nur weil sie Chri­stin ist, emp­fing Papst Berg­o­glio den neu­en suda­ne­si­schen Bot­schaf­ter im Vati­kan. Mit kei­nem Wort erwähn­te der Papst den schwer­wie­gen­den Fall. Auch nicht seit­her. Abso­lu­tes Schwei­gen trotz einer wach­sen­den inter­na­tio­na­len Kam­pa­gne für die Frei­las­sung der Frau.

„Der Hei­li­ge Stuhl sucht den geeig­net­sten Weg, um zu inter­ve­nie­ren, der nicht immer lau­tes Schrei­en ist“, recht­fer­tig­te Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Paro­lin das vati­ka­ni­sche Schwei­gen. Ob sich Papst Fran­zis­kus des­halb im La Van­guar­dia-Inter­view als Ver­tei­di­ger von Pius XII. zeig­te, „damit sie nicht mehr Juden töten“?

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Set­ti­mo Cielo

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2 Kommentare

  1. Gera­de in Bezug auf die Chri­sten Syri­ens und aller Men­schen guten Wil­lens hat­te Papst Fran­zis­kus sehr gut dar­an getan, daß alle Katho­li­ken für Syri­en beten soll­ten. Das ist auch die Mei­nung der Chri­sten in Syri­en selbst. Soll­te das dem Autor ent­gan­gen sein?
    Papst Fran­zis­kus hat mit sei­ner Initia­ti­ve und im Zusam­men­spiel mit dem Prä­si­den­ten Ruß­lands erreicht, daß die US-Aggres­so­ren gestoppt wer­den konn­ten. Seit­dem hat sich die Lage für die Men­schen vor Ort sta­bi­li­siert und ver­bes­sert. Die US- unter­stütz­ten Isla­mi­sten wur­den aus wich­ti­gen Regio­nen und Städ­ten ver­drängt. Was sie hin­ter­las­sen haben, sind zer­stör­te Kir­chen und vie­le Tote. 

    Ob das Tref­fen mit den bei­den Prä­si­den­ten Früch­te trägt, bleibt abzu­war­ten. Auf jeden Fall war es der Ver­such wert. Die bei­den Prä­si­den­ten aus den bei­den ver­fein­de­ten Lagern hät­ten auch absa­gen kön­nen. Daß sie es nicht getan hat­ten, zeigt ihre Bereit­schaft zum Frie­den im Hl. Land.
    Ja, es gibt lei­der immer Mißmutige/​Rechthuberer, die nur eins wol­len: näm­lich kei­nen Frieden.

    • Ist das noch zu fas­sen, guter Mann, was reden Sie für einen Unsinn! 

      Frie­den ohne Jesus Chri­stus im Hl. Land?? Der Frie­de wird erst in die­ses Land ein­keh­ren, wenn die Juden sich zu Jesus Chri­stus bekehrt haben, indem sie spre­chen: „Hoch­ge­lobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“!
      Ein syn­kre­ti­sti­sches „Frie­dens­ge­bet“ das Gott beleidigt?
      Einen Frie­den, den ein Imam durch Anru­fung A. her­ab­be­ten soll?

      Da war­ten Sie mal ruhig ab, bis zum Nimmerleinstag!

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