(Vatikan) Gestern veröffentlichte das Generalsekretariat der Bischofssynode das Instrumentum laboris für die bevorstehende Bischofsversammlung über die Familie. Das Dokument wird die Diskussionsgrundlage für die Anfang Oktober in Rom versammelten Bischöfe sein. Das 77 Seiten umfassende Dokument liegt auch in deutscher Übersetzung vor und wurde auf der Internetseite des Vatikans veröffentlicht (hier). Eine detaillierte Analyse ist daher noch nicht möglich. Aber ein Bericht über die gestrige Pressekonferenz, auf der das Arbeitspapier vorgestellt wurde. Soviel kann bereits gesagt werden, daß das Dokument einige sehr klare Stellen enthält, während andere sich durch Unschärfe auszeichnen, was insgesamt einen gewissen ambivalenten Eindruck hinterläßt.
Verweigerung gegen Humanae vitae – Welche Schlußfolgerungen?
Das Dokument stellt laut Kardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär des ständigen Sekretariats der Bischofssynode, eine „Zusammenfassung“ aller Antworten auf einen Fragebogen dar, die von den Bischöfen der ganzen Welt in Rom eingegangen sind. Es befaßt sich mit wilden „Ehen“, den wiederverheiratet Geschiedenen und der Frage, ob diese zum Kommunionempfang zugelassen werden können. Es beklagt den Frauenmord und die Pädophilie zeigt aber besondere Aufmerksamkeit für Homosexuelle. Eheannullierungsverfahren sollen beschleunigt werden. Themen sind minderjährige Mütter, Verhütungsmittel und die Frage, warum das Volk Gottes sich so schwer tut, der Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. zu folgen.
Barmherzigkeit zwischen Angebot und (welcher) Nachfrage?
Der Kardinal stellte gleich an den Beginn der Pressekonferenz ein Zitat von Papst Franziskus, daß Gott nie müde werde, uns zu vergeben, daß bestenfalls die Menschen müde werden, um Vergebung zu bitten. Damit legte er das Schwergewicht auf die „Barmherzigkeit“, worin offenkundig eine päpstliche Vorgabe zu sehen ist. Diese Betonung der Barmherzigkeit, die das Pontifikat von Papst Franziskus durchzieht, förderte erst gewisse Erwartungen im Zusammenhang mit der katholischen Morallehre, die nicht mit der kirchlichen Lehre in Einklang zu bringen sind. Das Arbeitspapier ist unter anderem auch ein Widerhall dieser genährten Erwartungshaltung.
Kluft zwischen Lehre und Praxis
Die zweite zentrale Aussage des Dokuments ist die Feststellung, daß es eine dramatische Distanz zwischen der Lehre der Kirche und den Menschen gibt. Anders ausgedrückt: daß viele Gläubige die Kirche nicht verstehen würden.
Papst Franziskus veranschlagte von vorneherein zwei Bischofssynoden, die zwei Etappen ein und desselben Diskussionsprozesses sein sollen. Für den Oktober 2014 berief er eine außerordentliche Bischofssynode ein und für Oktober 2015 eine ordentliche. Das Instrumentum laboris weist die Richtung, in die die Diskussion gehen wird. „Das Arbeitspapier liefert ein besorgniserregendes Bild, wie wenig die katholische Lehre in Fragen der Sexualmoral bekannt ist, vor allem in Europa und Amerika“, so die Tageszeitung Il Foglio. Welche Schlußfolgerungen werden daraus gezogen? „Die Feststellung der mangelhaften Kenntnis der kirchlichen Lehre verlangt von den in der Seelsorge Tätigen eine bessere Vorbereitung und die Bereitschaft, das Verständnis bei den Gläubigen zu fördern“, so Kardinal Baldisseri. Das Dokument macht auch die Seelsorger dafür verantwortlich, daß die Gläubigen die Lehre der Kirche kaum kennen.
„Verwirrung“ im Volk Gottes
Im Dokument wird gesagt, daß Gläubige der Meinung sind, daß selbst die Priester die lehramtlichen Dokumente zu Ehe und Familie nicht ausreichend kennen würden: „In einigen Antworten findet sich auch eine gewisse Unzufriedenheit bezüglich einiger Priester, die im Hinblick auf einige moralische Lehren indifferent erscheinen. Ihre mangelnde Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche bewirkt Konfusion im Volk Gottes. Es wird daher darum gebeten, dass die Priester bei der Erklärung des Wortes Gottes und in der Darstellung der Dokumente der Kirche im Hinblick auf Ehe und Familie besser vorbereitet und verantwortungsvoller sein sollen.“
Akzeptanz, wo Lehre gelehrt wird
Grundsätzlich wird festgehalten: „Eine erhebliche Zahl von Bischofskonferenzen stellt fest, dass da, wo die Lehre der Kirche in ihrer eigenen menschlichen und christlichen Schönheit in Tiefe weitergegeben wird, sie auch von einem Großteil der Gläubigen mit Freude angenommen wird. Wenn es gelingt, eine dem christlichen Glauben entsprechende umfassende Sicht von Ehe und Familie darzulegen, dann kommt auch ihre Wahrheit, ihre Gutheit und ihre Schönheit zu Bewusstsein. Die Lehre wird weitgehend angenommen, wo es von Seiten der Gläubigen um einen echten Weg des Glaubens geht, und nicht nur um eine kurzfristige Neugier im Hinblick darauf, was die Kirche über die Sexualmoral denkt.“
Demgegenüber beklagen viele Bischöfe: „Darüber hinaus unterstreicht die überwiegende Mehrheit der Antworten den wachsenden Kontrast zwischen den Werten, die von der Kirche in Bezug auf Ehe und Familie vorgelegt werden, und den unterschiedlichen sozialen und kulturellen Situationen auf dem Planeten.“
Die Enzyklika Humanae vitae werde völlig mißachtet, so Msgr. Bruno Forte, der Sondersekretär der Bischofssynode. „In der überwiegenden Mehrheit der eingegangenen Antworten wird deutlich, dass die moralische Wertung der unterschiedlichen Methoden der Geburtenregelung heute von der vorherrschenden Mentalität als Einmischung in das Intimleben des Paares und Einschränkung der Gewissensfreiheit wahrgenommen wird.“ Im deutschen Sprachraum ist die Feststellung wenig verwunderlich, haben die Bischofskonferenzen ja mit offiziellem Beschluß der Enzyklika die Gefolgschaft verweigert. Ein Ungehorsam, der bis heute nicht revidiert wurde.
Nein zur „Homo-Ehe“ – Was heißt „nicht verurteilen“?
Einhellig ist die Ablehnung der Bischofskonferenzen gegenüber der „Homo-Ehe“. Das Arbeitspapier faßt die Position der Bischöfe mit den Worten der Glaubenskongregation zusammen: „Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn.“ Dennoch sei den Männern und Frauen mit homosexuellen Tendenzen „mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“. Die Betonung im Dokument der Glaubenskongregation liegt auf dem Wort „ungerecht“.
Das Arbeitspapier hebt hervor, daß im östlichen Mitteleuropa und in Osteuropa, die im Westen verbreitete Akzeptanz von Gesetzen zugunsten der Homosexualität als Aufdrängung einer „politischen oder fremden Kultur betrachtet“ und abgelehnt werde.
Die homophile Strömung im Westen wird im Dokument wie folgt beschrieben: „Ein dritter Kontext ist derjenige, in dem die Staaten eine Gesetzgebung eingeführt haben, welche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder Ehen zwischen Homosexuellen staatlich anerkennt. Es gibt Staaten, in denen man von einer echten Re-Definition der Ehe sprechen muss, welche den Blick auf das Paar auf einige juristische Aspekte wie die Gleichheit der Rechte und die „Nichtdiskriminierung“ reduziert, ohne dass ein konstruktiver Dialog über die einschlägigen anthropologischen Fragen stattfände. Auch das umfassende Wohl der Person, besonders das umfassende Wohl der Kinder, die in einer solchen Gemeinschaft leben, steht nicht im Zentrum des Interesses. Wo es eine rechtliche Gleichstellung zwischen der homosexuellen und der heterosexuellen Ehe gibt, erlaubt der Staat häufig die Adoption von Kindern (Kinder eines der beiden Partner, oder Kinder, die nach künstlicher Befruchtung geborgen werden). Dieser Kontext besteht vor allem in der englischsprachigen Welt und in Zentraleuropa.“
Gender-Ideologie will „Umstürzung der sexuellen Identität“
Die Gender-Ideologie wird als „Umstürzung der sexuellen Identität“ abgelehnt: „Ein Faktum, das die pastorale Tätigkeit der Kirche herausfordert und die Suche nach einer ausgewogenen Haltung gegenüber diesen Realitäten komplex werden lässt, ist die Propagierung der Genderideologie, welche in einigen Regionen auch die Erziehung vom Kindergarten an zu beeinflussen sucht, indem sie eine Mentalität verbreitet, die, mittels der Idee der Beseitigung der Homophobie in Wirklichkeit eine Umstürzung der sexuellen Identität beabsichtigt.“
Das Dokument verhehlt nicht die Sorge von Teilen der Katholischen Kirche, daß die Art, wie „eine respektvolle und nicht verurteilende Haltung“ gegenüber Menschen mit gleichgeschlechtlicher Neigung, nicht zu einer versteckten Anerkennung homosexueller Partnerschaften wird: „Einige Antworten und Bemerkungen bringen die Sorge zum Ausdruck, dass die Aufnahme der Menschen, die in diesen Gemeinschaften leben in das kirchliche Leben, als eine Anerkennung ihrer Partnerschaften verstanden werden könnte.“
Klare Sprache schafft Klarheit, unklare Sprache…
Im Dokument heißt es weiter: „Die große Herausforderung wird darin bestehen, eine Pastoral zu entwickeln, der es gelingt, das rechte Gleichgewicht zwischen der barmherzigen Annahme der Menschen und ihrer schrittweisen Begleitung hin zur authentischen menschlichen und christlichen Reife zu wahren. Einige Bischofskonferenzen beziehen sich diesbezüglich auf bestimmte Organisationen als gelungene Beispiele einer solchen Pastoral.“ Die unvollständige Darstellung, die nicht näher ausführt, verhindert eine wirkliche Bewertung der Aussagen. Welche Organisationen sind hier gemeint. Was gilt als „authentische menschliche und christliche Reife“. Kann davon ausgegangen werden, daß unter den Bischöfen Konsens darüber herrscht? Mit Blick auf den deutschen Sprachraum muß dies bezweifelt werden. Unklare, inklusive, aber nicht explizite Formulierungen scheinen wenig geeignet, der beklagten „Verwirrung“ unter den Gläubigen Abhilfe zu schaffen.
Wiederverheiratet Geschiedene – In welche Richtung fährt der Zug?
Der breite Raum, der im Dokument der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen gewidmet wird, bestätigt, daß diese Frage einen, wenn nicht den Schwerpunkt bei der Bischofssynode bilden wird. In diese Richtung wies bereits der von Papst Franziskus gewollte Vortrag von Kardinal Walter Kasper beim Kardinalskonsistorium im vergangenen Februar mit seinen umstrittenen Thesen zu einer „Öffnung“. Gewarnt wird vor einer Mentalität, die im Ausschluß von den Sakramenten eine Strafe der Kirche sieht und nicht als Zustand, der durch das eigene Verhalten geschaffen wurde. „Weitgehend beständig ist die Zahl derer, die ihre eigene irreguläre Situation letztlich nicht interessiert. In diesen Fällen gibt es weder die Nachfrage zur Zulassung zur Kommunion, noch zur Feier des Sakramentes der Versöhnung.“ Kardinal Baldisseri interpretierte auf der Pressekonferenz die Aussagen des Arbeitspapiers zu den wiederverheiratet Geschiedenen: „Es ist dringend notwendig, den verletzten Menschen zu erlauben, gesund zu werden und sich zu versöhnen und dadurch neue Zuversicht und Gelassenheit zu finden. Es geht daher darum vorzuschlagen, nicht aufzuzwingen, zu begleiten, nicht zu drängen, einzuladen, nicht auszuschließen, zu sorgen, nicht zu desillusionieren“. Konkret fügte der Kardinal hinzu: „Die Kirche sieht sich aufgefordert, Lösungen zu finden, die mit ihrer Lehre vereinbar sind, die zu einem versöhnten und ausgeglichenen Leben führen.“ Als möglichen Weg nannte Kardinal Baldisseri ausdrücklich die Vereinfachung und Beschleunigung der Ehenichtigkeitsverfahren.
Msgr. Forte ergänzt: „Barmherzigkeit zielt nie ab, Schiffbruch zu fördern“
Erzbischof Forte ergänzte darauf, daß dies aber „nichts mit dem banalisierenden Slogan von einer ‚katholischen Scheidung‘“ zu tun habe. Denn: „die Medizin der Barmherzigkeit zielt nie darauf ab, den Schiffbruch zu fördern, sondern immer und allein, das Schiff zu retten, das auf hoher See in einen Sturm geraten ist und die Schiffbrüchigen aufzunehmen und ihnen die nötige Genesung und Unterstützung zukommen zu lassen“. Wenn man das nicht verstehe, laufe man Gefahr „hoffnungslos mißzuverstehen, was die Bischofssynode zur Situation der Geschiedenen, der wiederverheiratet Geschiedenen, den ohne Trauschein Zusammenlebenden, den in eingetragener Partnerschaft Lebenden oder zu den gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sagen kann“.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Infocaticana