Sire – Vom sakralen Königtum der Franken und dem Greuel der Revolution


„Sire“ von Jean Raspail
„Sire“ von Jean Raspail

Im Jahr 1989 wur­den wir als Gym­na­sia­sten ver­pflich­tet, einen fran­zö­si­schen Film anzu­se­hen, um „200 Jah­re Fran­zö­si­sche Revo­lu­ti­on zu fei­ern“. Die orga­ni­sie­ren­de Leh­re­rin (Deutsch und Geschich­te) lei­te­te den Film mit etwa die­sen Wor­ten ein. Ich hat­te ein schlech­tes Gefühl: Was gibt es da eigent­lich zu fei­ern? Aber in der herr­schen­den histo­rio­gra­phi­schen Dog­ma­tik ist das Blut­bad 1789ff ein fei­er­wür­di­ges Ereig­nis, ein Mei­len­stein, ein Erwa­chen der Mensch­heit oder wie die­se dum­men Phra­sen sonst noch hei­ßen mögen.

Anzei­ge

Es gab aus die­sem Grund damals Wider­spruch in einer Schü­ler­zei­tung. (Außer­dem war der Film zynisch und obszön.)

Aber im lin­ken bil­dungs­bür­ger­li­chen Milieu herrsch­te damals schon die Ein­heits­mei­nung, die den Schü­lern eine posi­ti­ve Beur­tei­lung der Revo­lu­ti­on zu oktroy­ie­ren such­te. Frei­lich zwängt die­ses Gedan­ken­kor­sett nicht nur eine öster­rei­chi­sche Lan­des­haupt­stadt ein, son­dern bil­det die histo­risch kor­rek­te Dog­ma­tik der gesam­ten „west­li­chen“ Welt. Seit „dem Kon­zil“ übri­gens auch der Kirche.

Wider­spruch fällt sofort auf und wird mit sozia­ler Aus­gren­zung geahndet.

Jean Raspail und die exorzierende Kraft der Ironie

Jean Raspail: Sire. Rezension von Wolfram SchremsIn Frank­reich nahm die­ser Wider­spruch die genia­le Form eines so tief­grün­di­gen wie span­nen­den Romans an, des­sen Autor vor den Gess­ler­hü­ten der „Moder­ne“ auf den Boden spuckt. Er hat weder Respekt vor den Revo­lu­tio­nä­ren des Jah­res 1789 und der von ihnen auf­ge­sta­chel­ten und ent­mensch­ten Mas­sen noch vor den hei­li­gen Kühen des gegen­wär­ti­gen Frank­reich mit sei­ner lügen­haf­ten Zele­bra­ti­on von „Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät“ und „Lai­zi­tät“.

Wer Jean Ras­pails älte­res Werk Das Heer­la­ger der Hei­li­gen kennt, weiß, wie respekt­los Ras­pail Wit­ze über die Göt­zen der Gegen­wart macht und sie damit zer­trüm­mert – und dadurch Wahr­heit erkenn­bar macht. Der Iko­no­klas­mus gegen die fal­schen Iko­nen, die Raf­fi­nes­se der Hand­lung und der ein­zel­nen Sze­nen und die exor­zie­ren­de Kraft grenz­wer­tig-kras­sen Humors sind in Sire zu noch höhe­rer Per­fek­ti­on getrie­ben. Das macht das Buch zu einem zeit­ge­nös­si­schen Klas­si­ker (über 100.000 ver­kauf­te Exem­pla­re in Frankreich).

Im Jahr 1991 erschien Sire im fran­zö­si­schen Ori­gi­nal (Edi­ti­ons de Fallois, Paris). „Sire“ ist die dem fran­zö­si­schen Mon­ar­chen zuste­hen­de Anrede.

Der enga­gier­te und fin­di­ge Ver­le­ger, Buch­händ­ler und Anti­quar Bene­dikt Trost brach­te im Dezem­ber 2013 in sei­nem klei­nen, fei­nen Ver­lag nova & vete­ra (Bonn) ver­dienst­vol­ler­wei­se eine deut­sche Über­set­zung auf den Markt. (Die­se ist aller­dings, wie ich vor kur­zem zufäl­lig in Erfah­rung brach­te, eine Neu­auf­la­ge. Offen­bar ver­kauf­te sich die erste Auf­la­ge von 2005 sehr gut.)

Zur Handlung

Phil­ip­pe Pha­ra­mond de Bour­bon, Nach­kom­me von Pha­ra­mond, des sagen­haf­ten Begrün­ders der Dyna­stie, befin­det sich im Jahr 1999 auf einer gehei­men Rei­se zu sei­ner Wei­he und Krö­nung zum König Frank­reichs. Beglei­tet wird er von sei­ner Zwil­lings­schwe­ster und drei Getreu­en. Die Grup­pe wird Zeu­gin des Hor­rors einer weit­ge­hend gott­ver­ges­se­nen Kir­che und der Bar­ba­rei einer dump­fen und grau­sa­men Welt.

Der fran­zö­si­sche Staat, dem sei­ne läp­pi­sche laï cité hei­lig ist, bekommt Wind von dem sub­ver­si­ven Restau­ra­ti­ons­pro­jekt und schickt sei­ne Schlapp­hü­te aus, um das zu verhindern.

Aber auch z. B. die recht­gläu­bi­gen Mön­che von Saint-Benoit-sur-Loire sind auf der Hut und akti­vie­ren ihre Abwehr (köst­lich die Kon­fron­ta­ti­on von Kom­mis­sar Raca­do mit Bru­der Ulrich) – ganz abge­se­hen vom Ein­grei­fen der ange­li­schen Autoritäten.

Ein Gusto­stück der schrei­end komi­schen Dar­stel­lungs­kraft des Autors ist die Sze­ne mit dem Bene­dik­ti­ner­kar­di­nal Felix Amé­dée und dem ara­bi­schen Taxi­fah­rer in Reims:

„Der Fah­rer wuß­te nicht, wo der Sitz des Erz­bi­schofs war. Die­se Bezeich­nung sag­te ihm über­haupt nichts. Sein Auto­ra­dio plärr­te eine Art Ori­ent-Rock, und am Rück­spie­gel schau­kel­te eine Micky-Maus-Figur mit einer Kef­fieh, einem Palä­sti­nen­ser­tuch, um den Kopf, Modell einer kul­tu­rel­len Sym­bio­se. (…) Lud­wig II. von Gui­se, Kar­di­nal von Loth­rin­gen, Erz­bi­schof von Reims, der die Stadt des Sacre und der Hei­li­gen Ampul­le für die Liga ver­tei­digt hat­te … was soll­te die­ser Name im dezi­bel­zer­stör­ten Hirn die­ses vor­treff­li­chen fran­zö­si­schen Staats­bür­gers her­vor­ru­fen, der am Steu­er sei­nes Taxis dahin­ra­ste und rhyth­misch Flü­che in einer unver­ständ­li­chen Spra­che aus­stieß? (…) Dann geschah etwas erstaun­li­ches. Zwi­schen zwei Hin- und Her­be­we­gun­gen der Micky­maus tra­fen sich die Blicke des Fah­rers und des schwarz­ge­klei­de­ten Grei­ses im Rückspiegel (…)“

Ein­drucks­voll ist der nächt­li­che Blick auf Paris, als der Thron­prä­ten­dent mit dem Olig­ar­chen Mon­sieur Ixe unter­wegs ist, um die tri­ste Rea­li­tät des zeit­ge­nös­si­schen Frank­reich scho­nungs­los in sich auf­zu­neh­men: „Jetzt war die Zeit der Fern­seh­an­ten­nen, die die Stadt von der Wahr­heit abschnit­ten. Die Stadt war schon tot, aber kein ein­zi­ger ihrer Bewoh­ner wuß­te es.“

Schließ­lich kommt es zur Krö­nung des Königs, nächt­lich und im klei­nen Kreis.
Den Schluß bil­det eine Ket­te poe­ti­scher Per­len, geist­lich stark und ermu­ti­gend, ohne banal oder bil­lig zu sein. Alles Erha­be­ne ist teu­er erkauft.

Der hohe Anspruch der Berufung eines Monarchen

Es han­delt sich bei Sire nicht um eine pau­scha­le kri­tik­lo­se Glo­ri­fi­zie­rung der histo­ri­schen fran­zö­si­schen Köni­ge. Ras­pail ist unbestechlich.

Auch sind ihm Schmeich­ler, Hof­schran­zen und Spei­chel­lecker zuwi­der (für deren Exi­stenz es übri­gens kei­ner Mon­ar­chie bedarf, ganz und gar nicht). Am mei­sten sind ihm die­je­ni­gen zuwi­der, die ihre hei­li­ge ari­sto­kra­ti­sche Beru­fung, Die­ner einer Mon­ar­chie von Got­tes Gna­den zu sein, ver­ra­ten hat­ten: „Alle die­se Leu­te haben Sie ver­las­sen, Phil­ip­pe. Schon damals glaub­ten sie an nichts mehr. Sie haben Sie seit lan­gem ver­ges­sen. … Sie haben ihre Titel unter vier Repu­bli­ken, unter einer Kari­ka­tur von Kai­ser­reich und unter einer Kram­la­den-Mon­ar­chie klin­gen las­sen, aber sie haben nicht ein­mal den klei­nen Fin­ger gerührt, um ihren letz­ten König von Got­tes Gna­den, Karl X., zu verteidigen.“

Ras­pail impli­ziert auch, daß der reli­giö­se Ver­fall des König­tums nicht erst mit Lud­wig XVI. begon­nen hat. Er glo­ri­fi­ziert daher auch nicht das anci­en régime der letz­ten hun­dert Jah­re vor der Revo­lu­ti­on in unrea­li­sti­scher Wei­se. Damit ist aber die Revo­lu­ti­on mit ihren Greu­eln selbst­ver­ständ­lich nicht gerechtfertigt.

Man kann dar­aus m. E. die Schluß­fol­ge­rung zie­hen, daß Ras­pail die gegen das Kai­ser­reich gerich­te­te Poli­tik der fran­zö­si­schen Köni­ge und deren Unter­stüt­zung von Schwe­den und Tür­ken (mit Hil­fe von Kir­chen­män­nern – wie tra­gisch) als ent­setz­li­chen Ver­rat an deren Sen­dung betrach­ten muß. Wie unnö­tig und tra­gisch die­ser Ant­ago­nis­mus doch war!

Aber Ras­pail hält an der sakra­len Sen­dung der Köni­ge grund­sätz­lich fest – und etli­che von ihnen haben ihre Sache auch gut gemacht.

Die „wundertätigen Könige“ als Erbe des fränkischen Königtums

Der „Erfolg“ von Ras­pails Phil­ip­pe Pha­ra­mond ist – rein welt­lich gese­hen – beschei­den. Er besteht mehr in der Selbst­über­win­dung, zu sei­ner Beru­fung als König, trotz aller auf­tre­ten­den Zwei­fel Ja gesagt zu haben, als in äuße­ren Erfol­gen. Der „Erfolg“ besteht im Ja zu Glau­be und Sen­dung und im Nein zur Anma­ßung und Selbst­ge­fäl­lig­keit einer dump­fen und gott­lo­sen Pseudo-Zivilisation.

Der ein­zi­ge äuße­re „Erfolg“, der ihm gege­ben ist, ist die Hei­lung eines skrofu­lo­se­kran­ken Knaben.

Womit ist die Kon­ti­nui­tät der Rois thau­ma­tur­ges, der „wun­der­tä­ti­gen Köni­ge“, denen von Gott die Hei­lungs­ga­be für die Hals­drü­sen­ge­schwul­ste („Skro­feln“) gege­ben war, wie­der­her­ge­stellt ist. Das König­tum von Got­tes Gna­den ist eben nicht ein Job, für den man Sit­zungs­geld kas­siert. Das König­tum besteht im Lei­ten, Schüt­zen und Hei­len, wobei letz­te­res ange­sichts des Ekels der betref­fen­den Krank­heit eine erheb­li­che Selbst­ver­de­mü­ti­gung dar­stellt. Die Kro­ne ist christ­lich gedeu­tet eine Dor­nen­kro­ne, und wer sich selbst ernied­rigt, wird erhöht werden.

Aber mach das ein­mal einem fana­ti­schen Repu­bli­ka­ner klar.

Eine historische Betrachtung

Man stel­le sich nur vor, wie Euro­pa aus­se­hen wür­de, wenn sich das fran­zö­si­sche König­tum auf der spi­ri­tu­el­len und mensch­li­chen Höhe eines hl. Lud­wig IX. (1214 – 1270) gehal­ten hät­te. Wären Frank­reich und das hei­li­ge Römi­sche Reich eines Sin­nes gewe­sen, dann hät­ten weder Pro­te­stan­tis­mus noch Islam so tief­grei­fen­de Ver­wü­stun­gen in die Chri­sten­heit getragen.

Ras­pail greift in sei­ner histo­ri­schen Ver­an­ke­rung des sakra­len König­tums weit in die Geschich­te zurück, näm­lich bis zur Tau­fe des Mero­win­gers Chlod­wig im Jahr 499 durch Remi­gi­us von Reims. (Fas­zi­nie­rend ist auch, wie er den Ver­bleib der „hei­li­gen Ampul­le“ mit dem Salb­öl der Köni­ge nach­zeich­net. Nach Augen­zeu­gen­be­rich­ten wur­de sie von zur Tau­fe des heid­ni­schen Königs von einer Tau­be gebracht. Offi­zi­ell ist sie zwar durch die Revo­lu­tio­nä­re des unse­li­gen Jah­res 1789 zer­stört wor­den, aller­dings scheint das gar nicht bewie­sen zu sein.)
Man wirft dem katho­li­schen König­tum von Got­tes Gna­den Aber­glau­be und Rück­fall ins Hei­den­tum vor. Aber es ist im Gegen­teil so, daß die Leh­re Chri­sti die Herr­schen­den zu Lie­be (Absicht des Wohl­wol­lens), Für­sor­ge und Gerech­tig­keit mahnt und so einen zivi­li­sa­to­ri­schen Sprung nach vor­ne aus­löst. Die vol­le Wahr­heit der Offen­ba­rung macht auch aus der heid­ni­schen Intui­ti­on, der König müs­se Trä­ger von Hei­lungs­kräf­ten sein, eine greif­ba­re Realität.

Und auch ohne Hei­lun­gen im phy­si­schen Sinn wäre die Auf­ga­be eines Herr­schers, im Namen Got­tes heil­sam zu wir­ken, durch Wahr­heit, Frei­heit und Gerech­tig­keit sei­ne ihm Anver­trau­ten auf­at­men zu las­sen. Man kann sich gut vor­stel­len, daß man sich unter dem repu­bli­ka­ni­schen terr­eur der wacke­ren Bür­ger Robes­pierre und Saint-Just wahr­schein­lich förm­lich nach den Köni­gen gesehnt hat, sogar nach dem schlech­te­sten. Bei aller berech­tig­ten Skep­sis gegen­über einer roman­ti­schen Glo­ri­fi­zie­rung der Köni­ge muß man doch eben die Pro­por­tio­nen im Auge behal­ten: Wur­de es nach 1789, 1848, 1870 oder 1905 wirk­lich bes­ser? Oder seit der letz­ten Präsidentenwahl?

Noble und unnoble Charaktere

Bei Ras­pail sind die zeit­geist­hö­ri­gen Bischö­fe bedau­er­li­che, arm­se­li­ge Trau­er­ge­stal­ten. Nicht weil sie auf dem Weg eines unab­än­der­li­chen Schick­sals dazu gewor­den wären, son­dern weil sie den Wahn einer pein­li­chen Anbie­de­rung an die Mode­strö­mun­gen der Welt selbst voll­zo­gen haben. Kei­ner strahlt Hei­lig­keit aus, kei­ner Wür­de, kei­ner Auto­ri­tät. Dage­gen ist der in der zitier­ten Epi­so­de erwähn­te hoch­be­tag­te Mönch und Kar­di­nal, der aus sei­nem Exil auf den Färö­er-Inseln in Frank­reich ein­greift, ein Mann hei­li­ger Auto­ri­tät. Ihm wen­den sich die Pas­sa­gie­re im öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel spon­tan zu und bit­ten ihn um sei­nen Segen. Er ist ein Hir­te der Kir­che, der den Kra­wat­ten­bi­schof von Reims allei­ne durch sein Auf­tre­ten, sei­ne geist­li­che Klei­dung und sei­ne spi­ri­tu­el­le Auto­ri­tät sich ob des­sen schlech­ten Gewis­sens wie einen Wurm win­den läßt.

Geni­al ist die Dar­stel­lung des Thron­prä­ten­den­ten und sei­ner Zwil­lings­schwe­ster. Bei­de jun­gen Leu­te – und auch ihre Beglei­ter – strah­len Rein­heit und Edel­mut der Gesin­nung aus. In einer bar­ba­ri­sier­ten Umge­bung fällt ein edles Ant­litz sofort auf. Es ist ein leben­di­ger Vor­wurf und pro­vo­ziert Haß und Neid. Ras­pail hebt damit die fünf jun­gen Leu­te über die­je­ni­gen Kle­ri­ker hin­aus, die sich in ihrer Medio­kri­tät und Belang­lo­sig­keit kei­ner­lei Wider­spruch durch die Welt aus­set­zen wollen.

Schließ­lich ist aus öster­rei­chi­scher Sicht auch die Hom­mage Ras­pails an die viel ver­leum­de­te Köni­gin Marie Antoi­net­te zu wür­di­gen: „Wir ken­nen ihre letz­ten Wor­te, mit die schön­sten, die in unse­rer Spra­che exi­stie­ren. In ihrer Eile, den Tod wie einen viel­ge­lieb­ten Bru­der zu emp­fan­gen, war sie dem Hen­ker auf den Fuß getre­ten und sag­te nun zu ihm: ‚Mon­sieur, ich bit­te Sie dafür um Verzeihung.‘“

Das Scheitern des republikanischen Frankreichs

Ein Ver­dienst des Buches ist die iko­no­kla­sti­sche Dar­stel­lung des durch Mas­sen­im­mi­gra­ti­on, Isla­mi­sie­rung und Pri­mi­ti­vi­sie­rung her­bei­ge­führ­ten Nie­der­gangs der fran­zö­si­schen Kul­tur und der dadurch ver­ur­sach­ten Tri­stesse und des dump­fen Unglücks der Menschen.

Gott wur­de bekämpft, das Gewis­sen betäubt, die ehr­wür­di­gen Tra­di­tio­nen abge­schafft – jetzt herr­schen die Gangs in den ban­lieus und die dis­kre­ten Seil­schaf­ten in der Politik.

Die desa­strö­sen Ver­hält­nis­se müß­ten nicht so sein, wie sie sind. Sie sind kein Ver­häng­nis. Sie sind das Pro­dukt miß­brauch­ter mensch­li­cher Frei­heit. Wer die Frei­heit für das Böse gebraucht, miß­braucht sie und schafft sie ab. Den Gip­fel patho­lo­gi­scher und neo-tota­li­tä­rer fran­zö­si­scher Poli­tik sehen wir im der­zei­ti­gen Regime nur all­zu deut­lich: Der Weg führ­te histo­risch von Guil­lo­ti­ne und terr­eur bis zur zwangs­wei­se ver­ord­ne­ten mar­ria­ge pour tous des Prä­si­den­ten Hol­lan­de und zum neu­en Chri­sten­haß des Mini­sters Peil­lon, durch den die Wühl­ar­beit kon­spi­ra­ti­ver Zir­kel ans hel­le Tages­licht dringt.

Ein König wür­de den Fran­zo­sen gut tun.

Fazit

Ras­pail ist nicht einer der­je­ni­gen der­zeit weit ver­brei­te­ten „Oppo­si­tio­nel­len“, von denen man sich des Ein­drucks nicht erweh­ren kann, daß sie als Agen­ten der Mäch­ti­gen in deren Auf­trag und Sold ste­hen und letzt­lich deren Agen­da betrei­ben. Er hat sich sei­ne Oppo­si­ti­on zu zeit­ge­nös­si­scher Kul­tur und Poli­tik viel kosten las­sen, nicht zuletzt Pro­zes­se wegen „Ver­het­zung“ – der­zeit das Lieb­lings­in­stru­ment der Mächtigen.

Inso­fern ist ein Buch wie das vor­lie­gen­de ein klei­nes Wunder.

Das Buch, so roman­tisch und uto­pisch es sein mag, gibt vom Stoff und der Gedan­ken­füh­rung viel her. Die Über­set­zung ist sehr gut les­bar, die Anmer­kun­gen sind kom­pe­tent und hilf­reich. Dem Lek­to­rat sind nur ganz weni­ge Druck­feh­ler entgangen.

Man wird das Buch öfter zur Hand neh­men und ger­ne verschenken.
Es ist im besten Wort­sinn kon­ter­re­vo­lu­tio­när. Es ist ein heil­sa­mer aber nicht illu­so­ri­scher Kon­tra­punkt zur all­ge­gen­wär­ti­gen Häß­lich­keit, zur oktroy­ier­ten Zele­bra­ti­on des Bösen und zu von Leh­re­rin­nen ange­ord­ne­ten Revolutionsfeierlichkeiten.

„Neues und Altes“ (Mt 13, 52)

Auch auf die Gefahr hin, in die­sem Forum Eulen nach Athen zu tra­gen: Das Ver­lags­pro­jekt nova & vete­ra kann kaum über­schätzt wer­den. Es ist ver­dienst­voll, wert­vol­le Bücher des katho­li­schen Gei­stes­le­bens neu her­aus­zu­brin­gen. Viel gute Lite­ra­tur ist ver­grif­fen, man­ches ist nicht ins Deut­sche übersetzt.

Dazu kommt die gute Idee, lit­ur­gi­sche Bücher einem brei­te­ren Publi­kum leicht zugäng­lich zu machen. Eine Ver­lags­grün­dung ist immer ein Risi­ko. Möge die­ses Pro­jekt rei­che Frucht bringen.

Krone des Heiligen Römischen Reiches, Münze der Österreichische MünzprägeanstaltNoch etwas

Was ist übri­gens eigent­lich aus ein­gangs erwähn­ter Deutsch­leh­re­rin gewor­den, die uns 1989 die wun­der­vol­le Revo­lu­ti­on fei­ern hieß?

Nun, die hat mitt­ler­wei­le einen Sitz im grü­nen Par­la­ments­klub ein­ge­nom­men und ist als Vor­sit­zen­de eines repu­bli­ka­ni­schen Tri­bu­nals („Unter­su­chungs­aus­schuß“) zum Lieb­ling des Öster­rei­chi­schen Rot­funks geworden.

Ein biß­chen Revo­lu­ti­on macht sich also bezahlt, bringt Anse­hen und Benefizien.
In Linz fährt sie brav öko­lo­gisch mit der Stra­ßen­bahn. Bil­dungs­bür­ger­li­che Betu­lich­keit eben, Auf­stieg in eine selbst­ge­fäl­li­ge, mora­lisch selbst­ge­rech­te lin­ke high socie­ty inklusive.

Die Revo­lu­ti­ons­glo­ri­fi­zie­rung hat sie aber m. W. nie wider­ru­fen. Wir kön­nen also anneh­men, daß sol­che Poli­ti­ke­rin­nen unter ent­spre­chen­den Umstän­den jeder­zeit als Megä­ren akti­vier­bar sind.

Weh­ret den Anfängen.

Audi­ant episcopi.

Jean Ras­pail, Sire, nova & vete­ra, Bonn 2013; aus dem Fran­zö­si­schen von Joa­chim Volk­mann, mit einer Ein­lei­tung von Josef Johan­nes Schmid, 243 Sei­ten, 21 histo­ri­sche und theo­lo­gi­sche Anmer­kun­gen. www​.novaet​ve​te​ra​.de

MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge und Phi­lo­soph, kirch­lich gesen­de­ter Katechist

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2 Kommentare

  1. Wir soll­ten 1985 die Nie­der­la­ge Deutsch­lands fei­ern. Auch, weil Weiz­säcker damals eine sau-däm­li­che Rede zu dem The­ma gehal­ten hatte.

    Was waren unse­re Leh­rer ver­blüfft, als wir fast alle sag­ten, dass wir nicht fei­ern wollten. 

    Wir wären zwar froh, dass Hit­ler und sei­ne Dik­ta­tur weg wären, aber die Zer­stö­rung Deutsch­lands, den Ver­lust gro­sse Tei­le des Lan­des und die vie­len zivi­len Ver­lu­ste wären KEIN Grund zum feiern.

    Und da fast alle Schü­ler so dach­ten, konn­te man noch nicht ein­mal Sank­tio­nen verhängen.

    So ist das, wenn sich die Mehr­heit ein­mal gegen den poli­tisch kor­rek­ten Kon­sens stellt.

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