Salus animarum suprema lex? – Beginnt auch Zerschlagung der Franziskanerinnen der Immakulata?


Franziskanerinnern der Immakulata: Hat nun auch die Zerschlagung des weiblichen Ordenszweiges begonnen?(Rom) Seit dem 11. Juli 2013 ste­hen die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta unter kom­mis­sa­ri­scher Ver­wal­tung der Ordens­kon­gre­ga­ti­on. Der Fall über­schat­tet seit­her das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus, der die eben­so radi­ka­le wie unver­ständ­li­che Maß­nah­me aus­drück­lich bil­lig­te. Seit dem 19. Mai 2014 ste­hen nun auch die Fran­zis­ka­ne­rin­nen der Imma­ku­la­ta unter der Auf­sicht einer „Visi­ta­to­rin“ mit den Voll­mach­ten eines Kom­mis­sars. Geht die Zer­schla­gung eines der weni­gen in Euro­pa blü­hen­den Orden wei­ter, bis kein Stein über dem ande­ren bleibt? Dazu der bekann­te, tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei in sei­nem jüng­sten Auf­satz „Das Heil der See­len ist das höch­ste Gesetz“.

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Salus animarum suprema lex?

von Rober­to de Mattei

Die letz­ten Zwei­fel, falls jemand noch wel­che haben soll­te, sind end­gül­tig besei­tigt. Es exi­stiert ein Plan zur syste­ma­ti­schen Zer­stö­rung der Fran­zis­ka­ner und der Fran­zis­ka­ne­rin­nen der Imma­ku­la­ta, der bei­den von Pater Ste­fa­no Maria Manel­li gegrün­de­ten Orden, die von einem Sturm gebeu­telt sind.

Am 19. Mai 2014 teil­te Kar­di­nal Joà£o Braz de Aviz, Prä­fekt der Ordens­kon­gre­ga­ti­on, der Gene­ral­obe­rin der Fran­zis­ka­ne­rin­nen der Imma­ku­la­ta mit sofor­ti­ger Wir­kung die Ernen­nung einer „Visi­ta­to­rin“ des Ordens mit, die mit allen Voll­mach­ten aus­ge­stat­tet ist, eine eiser­ne Kon­trol­le über den Orden aus­zu­üben, und die jenen einer „Kom­mis­sa­rin“ ent­spre­chen. Im Gene­ral­haus der Fran­zis­ka­ne­rin­nen hat ipso fac­to Schwe­ster Fer­nan­da Bar­bie­ro vom Orden der Doro­thee­rin­nen von Vicen­za Ein­zug gehal­ten, eine „mün­di­ge“ und „aggioran­ta“ Ordens­frau von gemä­ßigt femi­ni­sti­schen Ten­den­zen, die mit eini­gen Jah­ren Ver­spä­tung den „inte­gra­len Huma­nis­mus“ Mari­ta­ins vertritt.

Starkes Apostolat und Liebe zur Tradition

Die Fran­zis­ka­ne­rin­nen der Imma­ku­la­ta sind ein Orden päpst­li­chen Rechts, der sich durch das jun­ge Durch­schnitts­al­ter sei­ner Ange­hö­ri­gen aus­zeich­net, durch die gro­ße Zahl an Beru­fun­gen und vor allem durch die Stren­ge und Ernst­haf­tig­keit, mit der sie ihr Cha­ris­ma nach der Regel des Hei­li­gen Franz von Assi­si leben. Ein Teil von ihnen bringt in Afri­ka, Bra­si­li­en und den Phil­ip­pi­nen ein inten­si­ves mis­sio­na­ri­sches Apo­sto­lat vor­an. Ein ande­rer Teil pflegt das kon­tem­pla­ti­ve Leben im Geist des Gebets und stren­ger Ein­fach­heit. Die Schwe­stern fol­gen dem Vor­bild des Hei­li­gen Maxi­mi­li­an Kol­be und ent­fal­ten ein umfang­rei­ches Medi­en­apo­sto­lat in ver­schie­de­nen Spra­chen durch eige­ne Ver­la­ge, Hör­funk, Fern­se­hen, Zeit­schrif­ten mit gro­ßen Ver­brei­tung, wie „Il Set­tim­ana­le di Pad­re Pio“ (Wochen­zei­tung Pater Pios). Die­ses Apo­sto­lat mit star­ker Außen­wir­kung und ver­bun­den mit der Lie­be zur Tra­di­ti­on ist sicher einer der Grün­de für den Haß, den sich der Frau­en­or­den genau­so wie ihre Brü­der von den Fran­zis­ka­nern der Imma­ku­la­ta zuge­zo­gen hat.

Bereits am 11. Juli 2013 setz­te Kar­di­nal Braz de Aviz die Ordens­lei­tung der Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta ab und ernann­te einen „Apo­sto­li­schen Kom­mis­sar“ mit allen Voll­mach­ten zur Lei­tung des Ordens. In weni­ger als einem Jahr ist es die­sem Kom­mis­sar gelun­gen, den Orden zu zer­set­zen, sodaß sich vie­le Brü­der gezwun­gen sehen, um Ent­bin­dung von ihren Ordens­ge­lüb­den zu bit­ten, um den zu einer Rui­ne zer­stör­ten Orden zu ver­las­sen und ihre Beru­fung auf ande­re Wei­se leben zu können.

Orden wegen Annäherung an die Tradition unterdrückt

Nun wird die Zer­schla­gung auf den weib­li­chen Zweig der Ordens­fa­mi­lie aus­ge­dehnt. Der Vor­wand für die „Visi­ta­ti­on“ und dann die kom­mis­sa­ri­sche Ver­wal­tung des männ­li­chen Zwei­ges war eine klei­ne, aber aggres­si­ve Grup­pe von „Dis­si­den­ten“, die von außen ermu­tigt und unter­stützt wur­de. Bei den Fran­zis­ka­ne­rin­nen der Imma­ku­la­ta, die einen Geist der Ein­heit und der brü­der­li­chen Lie­be leben, gibt es kei­ne sol­che Dis­si­den­ten­grup­pe. Fran­zis­ka­ne­rin­nen und Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta müs­sen vor allem wegen ihrer Annä­he­rung an die Tra­di­ti­on unter­drückt wer­den, die im Wider­spruch zur Pra­xis in den mei­sten Orden steht. Wir sagen Annä­he­rung, weil die bei­den fran­zis­ka­ni­schen Orden außer­halb der „tra­di­tio­na­li­sti­schen“ Welt ent­stan­den und auch kir­chen­recht­lich außer­halb ange­sie­delt waren.

Ange­sichts der theo­lo­gi­schen und pasto­ra­len Auf­lö­sungs­er­schei­nun­gen der Nach­kon­zils­zeit, haben sie eine Anhäng­lich­keit und Treue zur kirch­li­che Ortho­do­xie bewie­sen, die der heu­te vor­herr­schen­den dok­tri­nel­len und lit­ur­gi­schen Krea­ti­vi­tät widersprechen.

„Traditionelles“ sentire cum ecclesia unvereinbar mit Zweiten Vatikanum?

Die Ordens­kon­gre­ga­ti­on hält die­ses „tra­di­tio­nel­le“ sen­ti­re cum eccle­sia für unver­ein­bar mit dem sen­ti­re cum eccle­sia des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Konzils.
Die Ordens­kon­gre­ga­ti­on beging einen offen­sicht­li­chen Macht­miß­brauch, als sie den Anspruch erhob, den Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta die Zele­bra­ti­on der Hei­li­gen Mes­se im Alten Römi­schen Ritus zu unter­sa­gen. Die Brü­der begin­gen aller­dings eben­so einen offen­kun­di­gen Feh­ler, indem sie die­sen Will­kür­akt akzep­tier­ten und auf die Fei­er der über­lie­fer­ten Mes­se ver­zich­te­ten. Sie begrün­de­ten ihren Ver­zicht mit zwei Moti­ven: dem Gehor­sam und der Biri­tua­li­tät. Das eigent­li­che Pro­blem ist aber weder die Mono- noch die Birualität.

Fakt ist, daß über­lie­fer­te Mes­se nie abge­schafft wur­de und auch gar nicht abge­schafft wer­den kann und daß alle Prie­ster das Recht haben, sie zu zele­brie­ren. Der Angel­punkt des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI. vom 7. Juli 2007 fin­det sich in jener Zei­le, die das Recht eines jeden Prie­sters bekräf­tigt: „Dem­ge­mäß ist es erlaubt, das Meß­op­fer nach der vom sel. Johan­nes XXIII. im Jahr 1962 pro­mul­gier­ten und nie­mals abge­schaff­ten Edi­tio typi­ca des Römi­schen Meß­buchs als außer­or­dent­li­che Form der Lit­ur­gie der Kir­che zu feiern.“

Alter Ritus kann gar nicht abgeschafft werden?

Dabei han­delt es sich um eine uni­ver­sa­les Gesetz der Kir­che, die die Bul­le Quo pri­mum des Hei­li­gen Pius V. (1570) bestä­tigt. Nie wur­de ein Prie­ster bestraft oder könn­te bestraft wer­den, weil er die über­lie­fer­te Mes­se zele­brier­te. Nie wird den Gläu­bi­gen, ob Lai­en oder Schwe­stern, auf­ge­zwun­gen wer­den kön­nen, auf das Gut eines kano­ni­sier­ten und seit bald zwei Jahr­tau­sen­den gebrauch­ten Ritus zu verzichten.

Der Gehor­sam ist eine Tugend, viel­leicht die höch­ste. Das Pro­blem, das sich heu­te in der Kir­che stellt, ist, wem und in was man zu gehor­chen hat. Wenn der Gehor­sam gegen­über mensch­li­chen Auto­ri­tä­ten statt zur Ver­voll­komm­nung des geist­li­chen Lebens, die­ses beein­träch­tigt und das eige­ne See­len­heil aufs Spiel setzt, muß er ent­schie­den zurück­ge­wie­sen wer­den, weil man Gott mehr mehr gehor­chen muß als den Men­schen (Apo­stel­ge­schich­te 5,29).

Neuorganisation, um die eigene Berufung ohne willkürlichen Zwang zu leben

Viel­leicht will Kar­di­nal Braz de Aviz die Schwe­stern dazu drän­gen, in gro­ßer Zahl zur Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. zu wech­seln, um dann bewei­sen zu kön­nen, daß es zwi­schen den „schis­ma­ti­schen“ Tra­di­tio­na­li­sten und der „Kon­zils­kir­che“ kei­nen Spiel­raum gibt. Er scheint jedoch zwei Din­ge zu ver­ges­sen: in erster Linie, daß vie­le Bischö­fe und sogar gan­ze Bischofs­kon­fe­ren­zen heu­te in weit grö­ße­rem Maß vom Glau­ben der Kir­che getrennt sind als die Pius­bru­der­schaft von der kirch­li­chen Auto­ri­tät getrennt ist; zwei­tens, daß das Kir­chen­recht den Schwe­stern und den Brü­dern erlaubt, sich von ihren Gelüb­den ent­bin­den zu las­sen, um sich in der Form einer pri­va­ten Ver­ei­ni­gung von Gläu­bi­gen neu orga­ni­sie­ren und ihre Beru­fung außer­halb jedes will­kür­li­chen Zwangs leben zu kön­nen (Cano­nes 298–311).

Wür­de die Ordens­kon­gre­ga­ti­on 400 Schwe­stern, die dar­um ersu­chen, die Ent­bin­dung ver­wei­gern? Das wäre eine bru­ta­le Ver­let­zung jener Gewis­sens­frei­heit, von der heu­te so viel und oft genug unan­ge­bracht die Rede ist. Die über­lie­fer­te Glau­bens­leh­re der Kir­che betrach­tet die Gewis­sens­frei­heit im inne­ren Bereich (forum inter­num) als unver­letz­lich, weil nie­mand in sei­nen Ent­schei­dun­gen gezwun­gen wer­den kann. Sie lehnt sie aber im öffent­li­chen Bereich (forum exter­num) ab, weil nur die Wahr­heit und nicht der Irr­tum Rech­te hat. Die Fana­ti­ker des Zwei­ten Vati­ka­nums theo­re­ti­sie­ren die Reli­gi­ons­frei­heit im forum exter­num, indem sie die Rech­te aller Kul­te und Sek­ten aner­ken­nen, leug­nen sie aber im forum inter­num, indem sie den Inten­tio­nen den Pro­zeß machen und in den Bereich des indi­vi­du­el­len Gewis­sens eindringen.

Rettung der eigenen Seele Auftrag jedes Getauften

Ist es aber mög­lich mit Gewalt den Brü­dern und Schwe­stern auf­zu­zwin­gen, in einem Orden zu blei­ben, mit dem sie sich nicht iden­ti­fi­zie­ren, weil des­sen Iden­ti­tät zer­stört wur­de? Der Grund­satz salus ani­ma­rum supre­ma lex ist das Fun­da­ment nicht nur des Kir­chen­rechts, son­dern des geist­li­chen Lebens eines jeden Getauf­ten, des­sen unver­zicht­ba­re Regel des eige­nen Han­delns die Ret­tung der eige­nen See­le sein muß.

Wenn unter die­sem Blick­win­kel jemand unge­rech­ten Befeh­len wider­ste­hen soll­te, indem er sei­nem rech­ten Gewis­sen folgt, was wür­de ihn erwar­ten? Eine dia­lo­gi­sie­ren­de und barm­her­zi­ge Umar­mung oder die har­te Poli­tik des Knüp­pels? Aus­schluß, Zen­sur, Sus­pen­die­rung a divi­nis, Exkom­mu­ni­ka­ti­on und Inder­dikt sind inzwi­schen für jene reser­viert, die am ortho­do­xen Glau­ben festhalten?

Eine letz­te Fra­ge bleibt für den Augen­blick unbe­ant­wor­tet. Steht der Knüp­pel von Kar­di­nal Braz de Aviz in offe­nem Wider­spruch mit der Poli­tik der Barm­her­zig­keit von Papst Fran­zis­kus oder ist er ein merk­wür­de Aus­drucks­form derselben?

Erst­ver­öf­fent­li­chung: Cor­ri­spon­den­za Romana
Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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