(Jerusalem) Die Uhren ticken in dem Land, das die Christen das „Heilige Land“ nennen, anders. Derzeit bereitet sich das Heilige Land auf den Besuch von Papst Franziskus vor. Die Vorbereitungen sind ganz unterschiedlich, so wie die Realitäten, die ethnischen und religiösen Gemeinschaften verschieden sind. Papst Franziskus wird von 400 Rabbinen willkommen geheißen, aber nicht von Rabbinen aus Israel, sondern den USA. Mit unbemannten Drohnen will Israel während des Papstbesuchs die Bewegungen im Westjordanland überwachen, nicht nur der christlichen und moslemischen Palästinenser, sondern auch der jüdischen Siedler.
Jüdische Willkommensbotschaft an Papst Franziskus
Auch das jüdische Israel bereitet sich auf die Ankunft des katholischen Kirchenoberhaupts vor. Der Besuch dauert vom 24.–26. Mai und sieht Etappen in Amman, Bethlehem und Jerusalem vor. Während die Behörden im Namen der „Sicherheit“ den Christen drückende Auflagen machen und sie dadurch von der Begegnung mit dem Papst und dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel fernhalten, scheint die Mehrzahl der Juden der Papstbesuch nicht sonderlich zu bewegen. Grundsätzlich wird der Besuch zwar positiv gesehen, sofern das katholische Kirchenoberhaupt als „Freund“ des Zionistenstaates kommt. Die israelische Regierung zeigt sich in jüngster Zeit gegenüber der Katholischen Kirche und dem Papstbesuch kälter. Die besonders seit den 90er Jahren an Einfluß gewinnenden Ultraorthodoxen und die radikale Siedlerbewegung stehen dem Besuch ablehnend gegenüber. Sie beherrschen daher weitgehend die Szene, wie neue antichristliche Parolen zeigen, die in Jerusalem und anderen Orten auf Kirchen und christliche Einrichtung geschmiert wurden.
Am kommenden Sonntag, den 25. Mai wird die israelische Tageszeitung Haaretz einen Offenen Brief veröffentlichen. Darin heißen 400 Rabbinen und jüdische Persönlichkeiten Papst Franziskus in Israel willkommen. Die Willkommensbotschaft soll vier ganze Seiten der wichtigsten israelischen Tageszeitung umfassen, wie der Osservatore Romano berichtete.
Interreligiöse Initiative amerikanischer Juden
Die Initiative geht von Angelica Berrie, der Vorsitzenden des Center for Interreligious Understanding mit Sitz in New York, und von Rabbi Jack Bemporad, Direktor des Centro Giovanni Paolo II per il Dialogo interreligioso (Zentrum Johannes Paul II. für den interreligiösen Dialog) mit Sitz an der Päpstlichen Universität Angelicum in Rom aus.
Zu den Unterzeichnern der Willkommensbotschaft gehören Rabbinen und jüdische Vertreter aller jüdischen Richtungen. „Von allen jüdischen Führern wird anerkannt, daß der Dialog von grundlegender Bedeutung für ein wirkliches Verständnis und gegenseitige Wertschätzung ist. Papst Franziskus hat klar gesagt, daß er zwischen allen Religionen Brücken bauen will, um den Frieden in die Welt zu bringen“, so Rabbi Bemporad.
Bemerkenswert dabei ist, daß 400 amerikanische Rabbinen und jüdische Vertreter den Papst in Israel willkommen heißen und nicht entsprechende Vertreter Israels.
Sicherheitsvorkehrungen um Abendmahlssaal verschärft
Die israelische Polizei hat unterdessen die Sicherheitsvorkehrungen vor allem rund um den Abendmahlssaal verschärft. Dort wird Papst Franziskus zum Abschluß seines Besuchs am Montag zusammen mit den Bischöfen des Landes eine Heilige Messe feiern. Der Ort ist im Zusammenhang mit dem Papstbesuch in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte in Israel geraten. Von katholischer Seite wird seit längerem darauf gedrängt, den Saal wegen seiner herausragenden Bedeutung für das Christentum (Letztes Abendmahl, Einsetzung des sakramentalen Priestertums, Stiftung des Altarsakraments, Fußwaschung, Erscheinung nach der Auferstehung, Pfingstereignis nach der Himmelfahrt) den Christen zurückzugeben. Angestrebt wird eine Übertragung an den Heiligen Stuhl mit dem Status eines exterritorialen Gebiets.
Dagegen laufen radikale jüdische Organisationen Sturm. Sie lehnen jede Abtretung von Souveränität ab. Zudem befürchten sie, daß nicht nur das Obergeschoß, sondern das gesamte Gebäude an die Katholische Kirche abgetreten werden könnte. Im Erdgeschoß befindet sich seit dem israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 eine Synagoge. Dort soll sich, laut jüdischen Angaben, das Grab König Davids befinden. Wegen dieser Überlieferung, die allerdings aus dem Spätmittelalter stammt, nahmen die Moslems im 16. Jahrhundert die Kirche den Christen weg und wandelten sie in eine Moschee um. Christen vermuten, daß sich hier unterhalb des Abendmahlssaal die älteste christliche Kirche der Welt befand, wie Kreuzgraffiti aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert zu belegen scheinen.
Da der Ort zwischen Christen, Juden und Moslems umstritten ist, und jüdische Abgeordnete hier ihren Widerstand gegen jede Form der Abtretung an die Christen ankündigten, wird das ganze Viertel, in dem sich auch die Dormitio-Abtei mit dem Ort der Entschlafung Mariens und das Haus des Kaiaphas befinden, in dem Jesus nach seiner Gefangennahme am Ölberg eingesperrt wurde, verstärkt überwacht.
Erhöhter Aktivismus radikaler Siedler – Drohnen-Einsatz
Der israelische Geheimdienst registriert einen erhöhten Aktivismus in der radikalen Siedlerbewegung, wo es Stimmen gibt, den Papstbesuch in Jerusalem zu verhindern. Zumindest Störaktionen, aber auch Attentate werden von den israelischen Sicherheitskräften nicht ausgeschlossen. Um die Sicherheit des Papstes zu gewährleisten, will Israel im Westjordanland Drohnen einsetzen, um Bewegungen von Palästinensern, aber auch radikalen jüdischen Siedlern überwachen zu können. Laut Angaben israelischer Sicherheitsexperten, wird es sich beim Papstbesuch um eine der logistisch und technisch größten Operationen der vergangenen Jahre handeln. „Eine Gelegenheit, uns selbst und auch neue Technik zu testen“, so ein Experte.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Asianews