Auf Doppelheiligsprechung folgt Seligsprechung von Paul VI. – Synodale Mitbestimmung


Seligsprechung von Paul VI.(Vati­kan) Nach der Dop­pel­hei­lig­spre­chung zwei­er Päp­ste am Wei­ßen Sonn­tag, folgt noch in die­sem Jahr die Selig­spre­chung eines wei­te­ren Pap­stes. Nach der Hei­lig­spre­chung von Johan­nes Paul II. und Johan­nes XXIII. wird dem­nächst die Selig­spre­chung von Paul VI. fol­gen. Bei ihrer heu­ti­gen Sit­zung appro­bier­te die Kon­gre­ga­ti­on für die Hei­lig- und Selig­spre­chungs­pro­zes­se ein Wun­der, das auf die Für­spra­che von Papst Mon­ti­ni zurück­ge­führt wird. Bereits für die näch­sten Tage wird die Unter­zeich­nung des ent­spre­chen­den Dekrets durch Papst Fran­zis­kus erwar­tet. Der Prä­fekt der Kon­gre­ga­ti­on, Kar­di­nal Ama­to könn­te bereits mor­gen den Papst über die Ent­schei­dun­gen der heu­ti­gen Sit­zung infor­mie­ren. Bei die­ser Gele­gen­heit wird Fran­zis­kus auch das Selig­spre­chungs­de­kret unter­zeich­nen. Als wahr­schein­li­cher Ter­min für die Selig­spre­chung wird der 19. Okto­ber genannt. Damit wür­de der Abschluß der Bischofs­syn­ode zum The­ma Fami­lie und die Selig­spre­chung zusam­men­fal­len. Was noch Spe­ku­la­ti­on ist, wird in weni­gen Tagen Sicher­heit werden.

Papst Montini der eigentliche „Konzilspapst“

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Gio­van­ni Bat­ti­sta Mon­ti­ni (1897–1978) ist der eigent­li­che „Kon­zils­papst“. Er wur­de 1963 mit­ten im tagen­den Kon­zil in einer Rich­tungs­wahl auf den Stuhl Petri erho­ben. Er ist der Papst, der gegen Ende des Kon­zils die trei­ben­den Pro­gres­si­ven ein­brem­ste, denen zuse­hends der Kamm stieg, er war aber auch der Papst der „Revo­lu­tio­nie­rung“ der Lit­ur­gie, wie jüngst US-Prä­si­dent Barack Oba­ma begei­stert fest­stell­te. Er war der Papst der radi­kal­sten Ver­wü­stun­gen der Nach­kon­zils­zeit. Er war der Papst der pro­phe­ti­schen Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae. Er war auch der Papst, der mit­an­se­hen muß­te, wie in Ita­li­en, vor der päpst­li­chen „Haus­tür“ mit Refe­ren­den die Ehe­schei­dung und die Abtrei­bung ein­ge­führt wur­de. Eine Zeit, die Paul VI. als ein­sa­men Mann im Vati­kan sah. Von sei­nen pro­gres­si­ven „Wäh­lern“ ver­las­sen, als er wegen der Ver­ant­wor­tung des Amtes nicht alle ihre Wün­sche erfüll­te. Ver­las­sen auch von den pro­gres­si­ven Ordens­leu­ten, die ihre Kut­ten in die Brennes­seln war­fen, ihre Ordens­na­men ableg­ten, aus den Klö­stern aus­spran­gen, ihr Prie­ster­tum auf­ga­ben und sich immer neu­en lit­ur­gi­schen, pasto­ra­len, syn­kre­ti­sti­schen, poli­ti­schen Expe­ri­men­ten hingaben.

Papst von Humanae vitae und der „Liturgierevolution“ (Obama)

Es war die Zeit, als von den „fort­schritt­li­chen“ Krei­sen der Kir­che etwa die Pius­bru­der­schaft von Erz­bi­schof Lefeb­v­re als „Sek­te“ dis­kre­di­tiert wur­de, weil die Bru­der­schaft inmit­ten eines all­ge­mei­nen Opti­mis­mus und gene­rel­ler Auf­bruch­stim­mung in eine unbe­stimm­te, aber sicher „bes­se­re“ Zukunft beson­ders hart­näcki­gen Wider­stand lei­ste­te. Mit der Defi­ni­ti­on als „Sek­te“ ent­ban­den sich die­se Krei­se jeder Beach­tung, Rück­sicht­nah­me oder gar argu­men­ta­ti­ven Kon­fron­ta­ti­on mit der Kri­tik an Kon­zil und Nach­kon­zils­zeit. Papst Paul VI. wur­de damit im 20. Jahr­hun­dert zur schil­lernd­sten Gestalt auf dem Papst­thron. Sind per­sön­li­che Hei­lig­keit und die Amts­füh­rung wäh­rend des Pon­ti­fi­kats zwei unter­schied­li­che Din­ge? Nein, sagt der Histo­ri­ker Rober­to de Mat­tei. Ein hei­li­ger Papst müs­se sich vor allem durch Hei­lig­keit wäh­rend sei­nes Pon­ti­fi­kats aus­zeich­nen. Ein ambi­va­len­tes Pon­ti­fi­kat wirft daher umso mehr Fra­gen auf.

Grund für eine wahr­schein­lich Kop­pe­lung von Syn­oden­ab­schluß und Selig­spre­chung dürf­te sein, daß Paul VI. die Bischofs­syn­ode ein­führ­te. Bis dahin gab es kei­ne ver­gleich­ba­re Ein­rich­tung in der Katho­li­schen Kir­che. Eini­ge Kon­zils­vä­ter dräng­ten auf ein per­ma­nen­tes Kon­zil. Die Bischofs­syn­ode wur­de auf deren Druck hin eine redu­zier­te Aus­ga­be davon.

Seligsprechung zur Stärkung der „synodalen“ Mitbestimmung?

Auf das Kon­zil folg­te die Wel­le der „Mit­be­stim­mung“ als Zau­ber­wort des poli­ti­schen Dis­kur­ses. Eine kon­zi­lia­re Mit­be­stim­mung wur­de seit­her in immer neu­en Abstän­den von ein­zel­nen Kir­chen­ver­tre­tern gefor­dert. Eine Form, die von den Päp­sten der „Restau­ra­ti­on“, wie es in links­ka­tho­li­schen Krei­sen zu Johan­nes Paul II. und Bene­dikt XVI. heißt, jedoch nicht geför­dert, son­dern viel­mehr kana­li­siert und aus pro­gres­si­ver Sicht mar­gi­na­li­siert wurde.

Papst Fran­zis­kus beab­sich­tigt zwar nicht eine kon­zi­lia­re, so doch eine neue syn­oda­le Mit­be­stim­mung ein­zu­füh­ren. Zu die­sem Zweck berief er bereits zwei Bischofs­syn­oden für die Jah­re 2014 und 2015 ein. Bei­de befas­sen sich mit dem The­ma Fami­lie. Es ist zu erwar­ten, daß auch 2016 zu einem ande­ren The­ma eine Bischofs­syn­ode statt­fin­den wird. Wie es aus­sieht, scheint Papst Fran­zis­kus dar­aus eine jähr­li­che statt­fin­den­de Ein­rich­tung machen zu wollen.

Paul VI. zugeschriebenes Wunder ereignete sich ungeborenem Kind in den USA

Das der Für­spra­che Pauls VI. zuge­schrie­be­ne Wun­der ereig­ne­te sich 2001 in den USA. Es betraf ein noch unge­bo­re­nes Kind, das in der 24. Schwan­ger­schafts­wo­che schwer­wie­gen­de Pro­ble­me hat­te. Alle Ver­su­che der Ärz­te blie­ben erfolg­los, die Dia­gno­se war dra­ma­tisch. Die Ärz­te gin­gen davon aus, daß das Kind noch im Mut­ter­leib ster­ben wür­de. Der katho­li­schen Mut­ter wur­de zur Abtrei­bung gera­ten, die die­se jedoch ablehn­te. Die Mut­ter wand­te sich auf Emp­feh­lung einer befreun­de­ten Ordens­frau an Paul VI. um Für­spra­che. Grund war sei­ne Enzy­kli­ka Hum­a­nae vitae über die Wür­de, die Hei­lig­keit und den Schutz des mensch­li­chen Lebens.

Zwei Wochen spä­ter ver­bes­ser­te sich der Gesund­heits­zu­stand des Kin­des abrupt und uner­war­tet. In der 39. Schwan­ger­schafts­wo­che erfolg­te durch Kai­ser­schnitt die Geburt. Der Fall wur­de dem Postu­la­tor des Selig­spre­chungs­pro­zes­ses, dem Jesui­ten Pao­lo Moli­na­ri in Rom bekannt. Pater Moli­na­ri ist ver­gan­ge­ne Woche ver­stor­ben. Er erleb­te jedoch, daß der Ärz­te­rat der Kon­gre­ga­ti­on am ver­gan­ge­nen 12. Dezem­ber die Hei­lung des Kin­des als wis­sen­schaft­lich nicht erklär­bar bestä­tig­te. Am 18. Febru­ar sprach sich auch der Theo­lo­gen­rat der Kon­gre­ga­ti­on für die Aner­ken­nung als Wun­der aus. Heu­te faß­te die Kon­gre­ga­ti­on ihren Beschluß unter Ver­weis auf die ent­spre­chen­den Emp­feh­lun­gen der bei­den Bera­tungs­gre­mi­en. Wenn nicht schon mor­gen, so sicher in die­ser Woche, wird das Selig­spre­chungs­de­kret durch Papst Fran­zis­kus folgen.

Neue Ära im Verhältnis zwischen Papsttum und Heiligkeit?

Eine so geball­te Erhe­bung von Päp­sten zu den Altä­ren hat die Katho­li­sche Kir­che seit dem 4. Jahr­hun­dert nicht mehr erlebt. Damals wur­den alle Päp­ste bis zur Kon­stan­ti­ni­schen Wen­de als Mär­ty­rer rück­wir­kend kano­ni­siert. Es war die Aner­ken­nung des Mär­ty­rer­zeit­al­ters der frü­hen Kir­che. Erst mit Papst Libe­ri­us, der in den 50er Jah­ren des 4. Jahr­hun­derts als bis­her ein­zi­ger Papst in der Kir­chen­ge­schich­te hart an einer Häre­sie vor­bei­schramm­te, riß die unun­ter­bro­che­ne Ket­te hei­li­ger Päp­ste ab. Bis zum Jahr 2000 blie­ben Selig- und Hei­lig­spre­chun­gen von Päp­sten eine ziem­li­che Sel­ten­heit. Nur wirk­li­che gro­ße Gestal­ten des Papst­tums und per­sön­li­cher Hei­lig­keit wur­den mit die­ser Ehre ausgezeichnet.

Im Jahr 2000 sprach Johan­nes Paul II. nach einem regu­lä­ren Selig­spre­chungs­ver­fah­ren Johan­nes XXIII. und Pius IX. selig. Die Dop­pelselig­spre­chung hat­te einen kir­chen­po­li­ti­schen Bei­geschmack, den man von zwei Sei­ten her lesen kann. Der Anti­mo­der­ni­sten­papst Pius IX. soll­te selig­ge­spro­chen wer­den, woge­gen es hef­ti­ge pro­gres­si­ve Wider­stän­de gab, die im „Aus­gleich“ dazu die Selig­spre­chung des Kon­zils­pap­stes Johan­nes XXIII. durch­setz­ten. Man kann es auch anders­her­um lesen. In der Sub­stanz ändert es aller­dings nicht viel. Am Wei­ßen Sonn­tag folg­te mit der Dop­pel­hei­lig­spre­chung ein Deja vu die­ses kir­chen­po­li­ti­schen Manö­vers. In die­sem Fall weiß man es genau: Papst Fran­zis­kus woll­te nicht der Papst sein, der Johan­nes Paul II. hei­lig­spricht, jeden­falls nicht allein. Es wird noch gerät­selt, ob die­se päpst­li­che Aver­si­on einer per­sön­li­chen Abnei­gung gegen das Pon­ti­fi­kat Johan­nes Pauls II. geschul­det ist, obwohl die­ser Jor­ge Mario Berg­o­glio zum Weih­bi­schof, dann zum Erz­bi­schof von Bue­nos Aires und schließ­lich zum Kar­di­nal mach­te. Oder ob Papst Fran­zis­kus aus „kli­ma­ti­schen“ Grün­den, wegen einer weit­ver­brei­te­ten Abnei­gung in gewis­sen latein­ame­ri­ka­ni­schen, aber auch west­li­chen Kir­chen­krei­sen gegen den pol­ni­schen Papst, nicht als der erschei­nen woll­te, der die­sen zu den Altä­ren erhebt, was zwangs­läu­fig den Ein­druck einer gewis­sen per­sön­li­chen „Nähe“ wecken mußte.

Nach Ansätzen einer kritischen Überprüfung unter Benedikt XVI. folgt „Heiligsprechung“ des Konzils durch Franziskus?

Zum „Aus­gleich“ wur­de daher auf päpst­li­chen Wunsch hin, dies­mal ohne regu­lä­res Ver­fah­ren, auch Johan­nes XXIII. zu den Altä­ren erho­ben. Nun folgt die Selig­spre­chung Pauls VI. und damit eine wei­te­re „gefühl­te“ Kano­ni­sie­rung des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils, das Bene­dikt XVI. gera­de erst begon­nen hat­te, einer gewis­sen kri­ti­schen Über­prü­fung zu unter­zie­hen. Das Zwei­te Vati­ka­num als nicht-dog­ma­ti­sches, son­dern pasto­ra­les Kon­zil ent­wickel­te sich in pro­gres­si­ven Köp­fen ohne­hin immer mehr zum imma­gi­nä­ren super­dog­ma­ti­schen Kon­zil. Mit der indi­rek­ten „Hei­lig­spre­chung“ wird eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung noch schwie­ri­ger. Dage­gen wird nur mehr die Histo­ri­sie­rung helfen.

Ein Selig­spre­chungs­ver­fah­ren ist auch für den Kurz­zeit-Papst Johan­nes Paul I. im Gan­ge. Papst Bene­dikt XVI. lebt noch. Damit ste­hen alle Päp­ste seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil im Ruf oder wie es in Rom auch heißt, im „Geruch“ der Hei­lig­keit. Damit wäre die Kir­che am Wei­ßen Sonn­tag in eine drit­te Pha­se ein­ge­tre­ten. Nach den Mär­ty­rer­päp­sten der frü­hen Kir­che, nach 1.600 Jah­ren der weni­gen hei­lig­ge­spro­che­nen Päp­sten der nach­kon­stan­ti­ni­schen Ära, wäre die Kir­che in der drit­ten Pha­se des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ange­langt, die wie­der­um nur hei­li­ge Päp­ste kennt, aller­dings kei­ne Mär­ty­rer mehr. Bleibt die Fra­ge, was mit Bene­dikt XVI. gesche­hen wird, der für pro­gres­si­ve Kir­chen­ver­tre­ter, denen erneut der Kamm steigt, als Hei­li­ger doch schwer ver­dau­bar wäre.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Wikicommons

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