Libertas praestantissimum – Die Freiheit ist das Vorzüglichste


Leo XIII. über die wahre Freiheit
Leo XIII. über die wahre Freiheit

von Wolf­ram Schrems*

Verschwinden der Freiheit als Zeichen der Zeit

Anzei­ge

In einer Zeit rapi­den Ver­schwin­dens per­sön­li­cher, poli­ti­scher und öko­no­mi­scher Frei­heit welt­weit – auch und gera­de im „Westen“ – wird viel­leicht man­cher gei­stig erwach­ter Zeit­ge­nos­se mit den Alt­vor­de­ren, die uns die­ses Desa­ster ein­ge­brockt haben, zu hadern begin­nen. Er wird sich die Fra­ge stel­len, ob das „nor­mal“ ist, daß man heut­zu­ta­ge mehr und mehr Geß­ler­hü­te grü­ßen und Paga­ni­sie­rung und zivi­li­sa­to­ri­schen Rück­schritt, Isla­mi­sie­rung und Gen­der­wahn gut fin­den muß. Er wird auch fra­gen, wie­so heu­te ein Natio­nal­staat mehr und mehr dar­auf ver­zich­ten muß, legi­ti­me Eigen­in­ter­es­sen zu for­mu­lie­ren, ja, sich über­haupt als Staat und Nati­on zu behaupten.

Wenn die­ser Zeit­ge­nos­se tie­fer gräbt und nach den Wur­zeln der Frei­heits­ver­nich­tung fragt, wird er auf die welt­an­schau­li­chen Wei­chen­stel­lun­gen im 19. Jahr­hun­dert sto­ßen. Er wird viel­leicht auf die Lehr­ver­kün­di­gung der gro­ßen Päp­ste des 19. Jahr­hun­derts sto­ßen. Er wird Augen machen.

Er wird viel­leicht lamentieren:

„Hät­te man im 20. Jahr­hun­dert doch auf Papst Leo XIII. gehört! Hät­ten die Ent­schei­dungs­trä­ger nur im Auge behal­ten, daß Frei­heit Wahr­heit voraussetzt!“

Gewollter Freiheitsverlust

Aller­dings wird die­ser Zeit­ge­nos­se zu einer Min­der­heit gehö­ren. Denn die Mehr­heit – wenig­stens hier­zu­lan­de – scheint das sae­cu­lum als unaus­weich­li­ches Ver­häng­nis, als Natur­ge­setz oder als alter­na­tiv­lo­se Norm­vor­ga­be zu begrei­fen – und daher auch kei­ne gro­ße Sehn­sucht nach Frei­heit zu haben. Die sie ohne­hin über­for­dern wür­de. Denn es scheint so zu sein, daß vie­le Men­schen, die ech­te Frei­heit nicht ken­nen­ge­lernt haben, sich gar nicht mehr nach ihr aus­strecken kön­nen bzw. wol­len. Frei­heit ist anstrengend.

Libertas praestantissimum von Papst Leo XIII.Wenn man sich umblickt, gibt es mehr und mehr Zeit­ge­nos­sen, die mit ihrer ursprüng­lich gott­ge­ge­be­nen Frei­heit immer weni­ger anzu­fan­gen wis­sen. Vie­len Men­schen ist die Frei­heit eine Last. Sie wol­len lie­ber Zom­bies sein.

Das wird durch den abscheu­li­chen,  gras­sie­ren­den Brauch des „Zom­bie­walk“ sinn­bild­lich unter Beweis gestellt: Sich in eine Mas­se von fern­ge­steu­er­ten „Unto­ten“ ein­zu­fü­gen, ist offen­bar ange­nehm. Grunz­lau­te, Gri­mas­sen und kübel­wei­se gräß­li­che Schmin­ke als Zei­chen der Zeit? Offen­bar. „Untot“ zu sein ent­hebt einen der mora­li­schen Ver­ant­wor­tung und der Last der Lebens­ge­stal­tung? Vermeintlich.

Aber auch weni­ger grell-absto­ßen­de Mani­fe­sta­tio­nen der Ableh­nung der Frei­heit gibt es: Gera­de in (ver­meint­lich) gebil­de­ten Krei­sen gehö­ren deter­mi­ni­sti­sche Ideen zum guten Ton. Was für eine gran­dio­se neu­ro­lo­gi­sche Ent­deckung z. B., daß „eigent­lich“ das Gehirn ent­schei­det und die Frei­heit Illu­si­on ist! Das Bewußt­sein als „Epi­phä­no­men“. Wundervoll.

Schließ­lich hat auch die Psy­cho­ana­ly­se mit ihren krau­sen Ideen zu einer – inten­dier­ten! – Reduk­ti­on mensch­li­cher Frei­heit, damit auch mensch­li­cher Ver­ant­wort­lich­keit beigetragen.

Soweit man die Psy­cho­ana­ly­se über­haupt auf einen ratio­na­len Nen­ner brin­gen kann.

Politische Unfreiheit als Entlastungsmechanismus

Auf poli­ti­scher Ebe­ne will man der­zeit offen­bar nichts sehn­li­cher, wenn man den maß­geb­li­chen öster­rei­chi­schen Poli­ti­kern zuhört, als in einem Kon­glo­me­rat, einem clu­ster, einer Ver­klum­pung der euro­päi­schen Staa­ten und ihrer Auf­lö­sung in einem all­wis­sen­den Super­staat aufzugehen.

Frei­heit ist schwer. Was soll man mit ihr anfan­gen? In Zei­ten rapi­de schwin­den­den Glau­bens ist näm­lich die Fra­ge nach dem Sinn der Frei­heit (bzw. nach dem Sinn des mensch­li­chen Lebens über­haupt) prak­tisch nicht mehr beant­wort­bar. Somit ist auch die Frei­heit im wahr­sten Sinn des Wor­tes „sinn-los“ gewor­den. Es lebt sich dann ange­neh­mer als „glück­li­cher“ Skla­ve von poli­ti­cal cor­rect­ness, „Integrations“-Rhetorik und EU-„Alternativlosigkeit“. Oder ver­meint­lich ange­neh­mer, denn das Gewis­sen signa­li­siert Unbehagen.

Papst Leo XIII. Enzyklika Libertas praestantissimum als aktueller Text

Anläß­lich der genann­ten Wei­chen­stel­lun­gen und anläß­lich der Ver­öf­fent­li­chung die­ses Doku­ments eines gro­ßen Pap­stes als Hör­buch wol­len wir daher eini­ge grund­sätz­li­che und aktu­el­le Erwä­gun­gen zur mensch­li­chen Frei­heit anstellen.

Begin­nen wir am Anfang (Text nach, mini­mal redigiert):

Die Frei­heit, die­se äußer­ste wert­vol­le Gabe der Natur, kommt nur dem Wesen zu, wel­che den Gebrauch der Intel­li­genz oder Ver­nunft besit­zen. Sie ver­leiht dem Men­schen jene Wür­de, wodurch er sich selbst in der Hand hat bei sei­nen Ent­schlüs­sen, und so Herr über sei­ne eige­nen Hand­lun­gen wird. Es kommt aber sehr dar­auf an, wie man sich die­ser Wür­de bedient, da aus dem Gebrauch der Frei­heit die höch­sten Güter, aber auch die größ­ten Übel erwach­sen. Gewiss steht es in den Men­schen Macht, der Ver­nunft zu gehor­chen, das sitt­lich Gute zu wäh­len und gera­den Wegs sein höch­stes Ziel zu ver­fol­gen. Doch kann er auch nach jeder Rich­tung hin abir­ren: er kann einem trü­ge­ri­schen Schein­gu­te fol­gen und so die sitt­li­che Ord­nung stö­ren und sich frei­wil­lig ins Ver­der­ben stür­zen (1).

Die Frei­heit, das Übel, das Min­der­wer­ti­ge, das Böse zu tun, gehört nicht zur Freiheit:

Miß­brauch der Frei­heit hebt sie selbst auf. Sich irren kön­nen und sich wirk­lich irren ist ein Feh­ler, der die Unvoll­kom­men­heit unse­res Ver­stan­des beweist; wenn auch das Ver­lan­gen nach einem trü­ge­ri­schen und nur schein­ba­ren Gute ein Beweis unse­rer Frei­heit ist, wie auch krank sein noch ein Beweis des Lebens ist, so ist jenes Ver­lan­gen doch ein gewis­ser Man­gel der Frei­heit. Dadurch also, dass der Wil­le vom Ver­stan­de abhän­gig ist, ver­dirbt er, wenn er etwas der gesun­den Ver­nunft Wider­spre­chen­des anstrebt, durch die­sen Feh­ler die Frei­heit in der Wur­zel und begeht einen Miss­brauch der­sel­ben. Aus eben die­sem Grun­de besitzt Gott, der unend­lich Voll­kom­me­ne, der die höch­ste Weis­heit und die wesen­haf­te Güte selbst ist, die höch­ste Frei­heit und kann das sitt­lich Böse in kei­ner Wei­se wol­len; eben­so wenig kön­nen es die Seli­gen des Him­mels, da sie die Anschau­ung des höch­sten Gutes besit­zen (6).

Der Kate­chis­mus der Katho­li­schen Kir­che von 1992 bringt es dies­be­züg­lich mit einer ein­gän­gi­gen For­mu­lie­rung auf den Punkt: „Je mehr man das Gute tut, desto frei­er wird man“ (KKK 1733).

Der Papst wuß­te auch um die Not­wen­dig­keit des Geset­zes, vor allem um das im Gewis­sen erkenn­ba­re natür­li­che Sittengesetz:

Der letz­te Grund, war­um dem Men­schen ein Gesetz not­wen­dig ist, liegt mit­hin in dem frei­en Wil­len; unse­re Wil­lens­ent­schlüs­se sol­len näm­lich mit der rech­ten Ver­nunft im Ein­klang ste­hen. Nichts ist des­halb so falsch und so unsin­nig, wie die Behaup­tung, der Mensch dür­fe die Fes­sel des Geset­zes nicht tra­gen, weil er von Natur aus frei ist. Wenn das wahr wäre, so wür­de dar­aus not­wen­dig fol­gen, zur Frei­heit gehö­re, dass sie mit der Ver­nunft nichts zu tun habe; gera­de das Gegen­teil ist zwei­fel­los richtig (…). 

Ein sol­ches Gesetz ist an erster Stel­le das Natur­ge­setz, wel­ches geschrie­ben steht und ein­ge­gra­ben ist in die See­le jedes ein­zel­nen Men­schen; es ist näm­lich die mensch­li­che Ver­nunft selbst, die da das Gute befiehlt und das Böse ver­bie­tet (7f).

Hier ist schon der Dis­sens unse­rer Zeit gegen die­se ewi­ge Wahr­heit zu erken­nen. Die Zei­chen sind an der Wand. Da und dort wird – trotz immer noch vor­kom­men­der empha­ti­scher Beru­fung auf das „Gewis­sen“, beson­ders wenn es um Recht­fer­ti­gun­gen für den Bruch gött­li­cher Geset­ze geht – das Gewis­sen als objek­ti­ve Stim­me im sub­jek­ti­ven Bewußt­sein geleug­net und umge­deu­tet. Es ist ja doch lästig.

In die­se Ker­be schlägt auch die „Moder­ne“ mit ihrer „Selbst­eman­zi­pie­rung“ und „Selbst­er­mäch­ti­gung“ und wie die Schlag­wor­te alle hei­ßen mögen. Alles Selbstbetrug.

Liberalismus als Täuschung: Ideologie gegen echte Freiheit

Poli­tisch bri­sant sind die Aus­füh­run­gen des Pap­stes zum „Libe­ra­lis­mus“ sei­ner Zeit. (Man soll mit die­sen Eti­ket­ten sehr vor­sich­tig sein, da sie ihre Bedeu­tung über die Zeit wan­deln oder – durch das Auf­tre­ten von Gegen­sät­zen – meh­re­re Facet­ten bekom­men. Man­che die­ser „-ismen“ sind auch Fremd­zu­schrei­bun­gen mit pole­mi­scher Absicht.) Die Grund­aus­sa­ge von Papst Leo ist, daß der zu sei­ner Zeit orche­strier­te „Libe­ra­lis­mus“ die Frei­heit nicht nur nicht garan­tiert, son­dern sie im Gegen­teil unter­mi­niert, und zwar durch die Zuer­ken­nung von Legi­ti­mi­tät an alle mög­li­chen Irr­tü­mer, die wie­der­um die Frei­heit auf­he­ben. Damit nützt er letzt­lich den skru­pel­lo­sen Mäch­ti­gen, die sich ihrer­seits von den Ansprü­chen des Sit­ten­ge­set­zes dis­pen­siert betrachten.

Nur wenn die (natür­lich erkenn­ba­re und geof­fen­bar­te) Wahr­heit durch das Gemein­we­sen geschützt wird, kann es in wei­te­rer Fol­ge Frei­heit geben.

Als Bei­spiel sei nur die unbe­schränk­te Rede- und Pres­se­frei­heit her­aus­ge­grif­fen, die damals als Popanz auf­ge­baut wur­de, aber ihren Todes­keim schon in sich trug:

Wir brau­chen kaum zu erwäh­nen, dass eine sol­che unbe­schränk­te, alles Maß und alle Schran­ken über­schrei­ten­de Frei­heit kein Recht auf Exi­stenz besit­zen kann. Das Recht ist näm­lich eine sitt­li­che Macht, und es ist daher töricht zu glau­ben, das­sel­be sei von der Natur unter­schieds­los und in glei­chem Maße sowohl der Wahr­heit wie der Lüge, der Sitt­lich­keit wie dem Laster ver­lie­hen. Es besteht ein Recht: das, was wahr und sitt­lich ist, frei und wei­se im Staat aus­zu­brei­ten, damit es mög­lichst vie­len zu gute kom­me; mit Recht unter­drückt aber die Obrig­keit, so viel sie kann, lügen­haf­te Mei­nun­gen, die­se größ­te Pest des Gei­stes, wie auch Laster, wel­che die See­len und die Sit­ten ver­der­ben, damit sie nicht zum Scha­den des Staa­tes um sich grei­fen (23).

Wir sehen der­zeit ohne­hin mit eige­nen Augen, wie die unbe­schränk­te Pres­se­frei­heit mit inne­rer Logik in ihr Gegen­teil gekippt ist: Nach­dem lan­ge Zeit alles mög­lich war, ist aus Grün­den der Staats­rai­son eine rigi­de recht­li­che, poli­ti­sche und (pseudo-)moralische Beschrän­kung des­sen, was man sagen oder schrei­ben darf, oktroy­iert wor­den. Frei­heit, die sich nicht an das Gute und die Wahr­heit bin­det, führt zwangs­läu­fig in die Unfrei­heit der Lüge. Das Gute setzt sich eben nicht auto­ma­tisch durch. Es muß geschützt wer­den. Das soll­te gera­de im 20. Jahr­hun­dert klar­ge­wor­den sein.

Papst gegen den totalen Staatsutilitarismus

Die Enzy­kli­ka ist auch aus einem ande­ren Grund von aktu­el­ler Rele­vanz: Papst Leos Scharf­sicht ließ ihn die Ideo­lo­gie der USA kri­tisch bewer­ten. Der „Ame­ri­ka­nis­mus“ als gei­stes­ge­schicht­li­che Grö­ße ist zwar ein kom­ple­xes The­ma (der Aus­druck hat meh­re­re Facet­ten), in unse­ren Tagen spä­te­stens ist jedoch klar­ge­wor­den, daß der nack­te Staats­uti­li­ta­ris­mus („erlaubt ist, was uns nützt“) eine Gefähr­dung von Frie­den und Frei­heit dar­stellt. Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten unter­stütz­ten im 19. und 20. Jahr­hun­dert Revo­lu­tio­nen, wo es ihnen oppor­tun erschien, und tru­gen somit zur Zer­schla­gung gewach­se­ner Struk­tu­ren bei. Auch Öster­reich war im Visier die­ser Intri­gen­po­li­tik. (Es sei in die­sem Zusam­men­hang auf Hein­rich Drim­mels augen­öff­nen­des Werk „Die Anti­po­den – Die neue Welt in den USA und das Öster­reich vor 1918“ ver­wie­sen.) Das­sel­be tun sie heu­te. Heu­te bedie­nen sich die USA, wie wir sehen, auch jiha­di­sti­scher Grup­pen (die sie ja angeb­lich bekämp­fen: war on ter­ror) und rechts­ra­di­ka­ler Natio­na­li­sten, um ande­re Län­der zu desta­bi­li­sie­ren und sich dann dort als Ord­nungs­macht ins Spiel zu brin­gen, Zugriff auf Boden­schät­ze inklu­si­ve. Kol­la­te­ral­schä­den wer­den in Kauf genommen.

Hier ist der Uti­li­ta­ris­mus zur völ­li­gen Abscheu­lich­keit auf­ge­lau­fen. Davor hat­te Papst Leo gewarnt. Die falsch ver­stan­de­ne „Frei­heit“ als Selbst­er­mäch­ti­gung gegen andere.

Fazit

Unse­re Zeit hat die ideo­lo­gi­schen Vor­ga­ben des „Libe­ra­lis­mus“ der Zeit von Papst Leo XIII. (heu­te eher das gan­ze links­li­be­ra­le Sam­mel­su­ri­um: poli­ti­cal cor­rect­ness, mit ihren Zau­ber­wör­tern „Inte­gra­ti­on“, „Inklu­si­on“, „Fort­schritt“ u. s. w., dabei kon­fis­kato­ri­sche Steu­er­sät­ze und Aus­ufern der Staats­kom­pe­ten­zen) der­ma­ßen inter­na­li­siert, daß sich nur ganz weni­ge fra­gen, ob Poli­tik, Kul­tur und Gei­stes­le­ben wirk­lich so sein müs­sen, wie sie sind, oder ob es nicht Alter­na­ti­ven gibt. Die Katho­li­sche Kir­che hät­te die Kom­pe­tenz, zur ech­ten Frei­heit im Gei­ste zu erzie­hen, da nur die Wahr­heit frei macht (vgl. Joh 8, 32). Sie hät­te auch die Kom­pe­tenz zur Aus­bil­dung sozia­ler Struk­tu­ren, die weit­ge­hend staats­un­ab­hän­gig sind, vor allem der christ­li­chen Familie.

Vie­le haben sich jedoch mit dem Sta­tus quo arran­giert. „Die glück­li­chen Skla­ven sind die ent­schie­den­sten Geg­ner der Frei­heit“, wie es sprich­wört­lich heißt.

Lei­der hat auch die kirch­li­che Lehr­ver­kün­di­gung ande­re Wege beschrit­ten – ohne aller­dings for­mal das älte­re Lehr­amt auf­zu­he­ben und auf­he­ben zu kön­nen. Der poli­ti­sche Opti­mis­mus des II. Vati­can­ums hat sich als trü­ge­risch und sur­re­al erwie­sen. Die Welt ist eben nicht so, wie man es in Dignita­tis hum­a­nae und ande­ren Doku­men­ten her­bei­ge­wünscht hat. Die Fol­gen rei­chen von poli­ti­scher Unfrei­heit über die kul­tu­rel­le Gleich­schal­tung bis zum per­sön­li­chen, selbst­ge­wähl­ten und inter­na­li­sier­ten Zom­bie­tum (s. o.).

Das gegen­wär­ti­ge Lehr­amt, in die­sem Fall Evan­ge­lii gau­di­um des regie­ren­den Pap­stes, ist übri­gens inhalt­lich äußerst schwer nach­zu­voll­zie­hen. Es bleibt offen, was hier über­haupt inten­diert ist. Im Gegen­satz zu den lehr­amt­li­chen Erklä­run­gen der Päp­ste des 19. Jahr­hun­derts ist die­se „exhorta­tio“ eine Äuße­rung des Lehr­am­tes, das die alten Maß­stä­be ver­lo­ren hat und sich in ufer­lo­se und ver­wor­re­ne Wort­kas­ka­den auflöst.

Daher wäre es ein gro­ßer Segen, sich an prä­zi­sen, nach­voll­zieh­ba­ren und rela­tiv knapp gehal­te­nen Aus­füh­run­gen von Leo XIII. zu orientieren.

Die Ver­öf­fent­li­chung einer histo­ri­schen, aber über­zeit­lich aktu­el­len und gegen­wär­tig über­aus rele­van­ten Enzy­kli­ka als Hör­buch ist eine ori­gi­nel­le und fort­set­zungs­wür­di­ge Idee. Der ver­le­se­ne Text ver­dient auf alle Fäl­le gründ­li­ches Studium.

Liber­tas prae­stan­tis­si­mum – Die Frei­heit ist das Vor­züg­lich­ste! Enzy­kli­ka Leo XIII., 20. Juni 1888; 2 Audio-CD, Spiel­dau­er 1:28, Sar­to, 2014. www​.sar​to​.de

*Wolf­ram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Linz und Wien, kirch­lich gesen­de­ter Katechist

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7 Kommentare

  1. Glück­wunsch und Dank. Die immer wie­der beschwo­re­ne Neu­ori­en­tie­rung soll­te genau auf sol­chen Fun­da­men­ten erfol­gen. Das Rüst­zeug für alle Wege fin­den wir in der Leh­re und Tra­di­ti­on der Kir­che, im immer­wäh­ren­dem Ver­trau­en auf Sei­ne Kirche.

  2. „Er wird auch fra­gen, wie­so heu­te ein Natio­nal­staat mehr und mehr dar­auf ver­zich­ten muß, legi­ti­me Eigen­in­ter­es­sen zu for­mu­lie­ren, ja, sich über­haupt als Staat und Nati­on zu behaupten.“
    Die Natio­nen sol­len ver­schwin­den und die Völ­ker sol­len sich ver­mi­schen. Eine wur­zel­lo­se Mensch­heit ohne Tra­di­ti­on und LIe­be zum eige­nen Volk und ohne Wer­te ist genau die Mas­se die der Anti­christ braucht. Er will ja schließ­lich in sei­ner kur­zen Zeit die tota­le Macht haben. Wenn wir alle mit einem Chip ver­se­hen sind kann jeder sofort abge­schal­tet wer­den der auf­muckt. „Kau­fen kön­nen oder nicht mehr kau­fen dür­fen“. Tota­le Ver­skla­vung. Die Fra­ge ist nur ob sie­ben Mil­li­ar­den für ihre Plä­ne zuviel sind?
    Per Mari­am ad Christum.

  3. Ich weiß nicht, ob nun an der Natio­nal­staats­fra­ge, die ja auch nur ein Relikt aus dem 19. Jh ist, so sehr viel hängt.
    Aber etwas ande­res scheint geht mir dabei im Kopf her­um: vor der Ent­se­hung der moder­nen Natio­nal­staa­ten (mit der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on), hat­ten wir aus­schließ­lich Mon­ar­chien in Euro­pa (nicht aber in den USA!). Es ist für mich eine Fra­ge, ob die Abschaf­fung der Mon­ar­chien wirk­lich das Gel­be vom Ei war. Ein Sou­ve­rän als kon­kre­te Per­son, der sich eben auch per­sön­lich vor Gott in höch­stem Maße ver­ant­wor­ten muss, ist etwas ande­res als ein gesichts­lo­ses Abstrak­tum „Staats­na­ti­on“ oder womög­lich noch unschär­fer „Volk“, eine abstrak­te „Per­son“, inder nichts und nie­mand im Zwei­fels­fall zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wer­den kann als wie­der nur das „Volk“. Mit den Ver­sailler Veträ­gen und der vor­he­ri­gen Abdan­kung des Kai­sers hat­ten wir ja die­se absur­de Situa­ti­on, dass der, der eigent­lich hät­te gera­de­ste­hen müs­sen, nicht exi­stier­te und Vetre­ter des kom­plet­ten Vol­kes dann eine gigan­ti­sche Stra­fe für „alle“ in Emp­fang neh­men mussten.
    Die Debat­te um die „Kol­lek­tiv­schuld“ nach dem 2. WK offen­bart ebnfalls die­ses Dilem­ma. Der Füh­rer hat sich ins Reich des Todes ver­ab­schie­det samt den ande­ren schul­di­gen Her­ren­men­schen. Nie­mand stand vor dem „Volk“, und auf Gott woill­te man sich ja sowie­so nicht mehr beru­fen (hät­te man auch nach die­ser schwe­ren Sün­de kaum mehr kön­nen!). Also muss­ten wie­der „alle“ den Kopf hin­hal­ten und natür­lich waren an der „Kol­lek­tiv­schuld“ nicht alle in glei­cher Wei­se betei­ligt. Aber wenn inter­es­siert es?
    Heu­te wird ein Volks­kol­lek­tiv noch schlim­mer als je zuvor durch eine völ­lig anony­me „Regie­rung“ aus Brüs­sel aus­ge­saugt und es gibt kei­nen „Ansprech­part­ner“ mehr, der die­ses „Volk“ vetritt, außer eben die Illu­si­on, das „Volk“ sei sein eige­ner „Sou­ve­rän“, was natür­lich Unsinn ist. Das „Volk“ hat defi­ni­tiv nichts zu sagen.

    • ich stim­me Ihnen zu, denn auch für mich stellt sich seit der Ver­herr­li­chung erst des Sozia­lis­mus, jetzt der Demo­kra­tie, die Fra­ge, ob nicht die Mon­ar­chie die bes­se­re Form ist.

      Übri­gens müs­sen wir uns nicht wun­dern, wes­halb es kei­ne Frei­heit mehr gibt. Selbst­ver­ständ­lich setzt die Frei­heit die Wahr­heit vor­aus. Da man aber kei­ne abso­lu­te Wahr­heit mehr akzep­tiert, son­dern die Wahr­heit rela­ti­viert, kann es natür­lich auch kei­ne wirk­li­che Frei­heit mehr geben.

      • Wenn ich das Abstrak­tum „Volk“ oder „Nati­on“ zum Maß­stab set­ze, der sich per­ma­nent wan­delt, je nach­dem, was das Volk in einem „kom­mu­ni­ka­ti­ven Pro­zess“ gera­de durch­paukt und wel­chen Zwän­gen es sich folg­lich ergibt, dann schwimmt ein Volk in mora­li­scher Hin­sicht. Es beruht ja auf nichts, was es über sich selbst hin­aus­wei­sen könn­te, erlaubt also letzt­end­lich auch nicht die Selbst­über­schrei­tung des Ein­zel­nen, lähmt also ergo die Kultur.
        In die­ser Läh­mung befin­den wir uns gera­de. Ich den­ke, es ist weni­ger rele­vant, ob die­se Läh­mung inner­halb eines Natio­nal­staa­tes oder einer über­na­tio­na­len Regie­rung statt­fin­det. Rele­vant ist, auf wel­chem Kob­strukt eine sol­che Regie­rung steht.

        Ganz wich­tig ist hier, dass auch die Kir­che eine sol­che über­na­tio­na­le „Mon­ar­chie“ sein soll­te, aber zuneh­mend davon abweicht, einen kol­le­gia­len Kir­chen-Natio­na­lis­mus pflegt, die Auto­ri­tät des Pap­stes auf­ge­ge­ben hat und das depo­si­tum fidei zur Dis­po­si­ti­on gestellt hat – eben wie ein moder­ner liebra­ler Staat uaf der Basis des „Volks­sou­ve­räns“, der hier dann „sen­sus fide­li­um“ genannt wird.

  4. @ MMag. Schrems:

    Her­vor­ra­gend die­ser Arti­kel, dan­ke sehr! Das Abhan­den­kom­men der Frei­heit ist glo­bal so unglaub­lich weit fort­ge­schrit­ten, und dies quer­beet alle Lebens­be­rei­che ver­kno­tend, dass einem Ban­ge wer­den könnte.
    Zitie­re von oben:
    *Daher wäre es ein gro­ßer Segen, sich an prä­zi­sen, nach­voll­zieh­ba­ren und rela­tiv knapp gehal­te­nen Aus­füh­run­gen von Leo XIII. zu orientieren.
    Die Ver­öf­fent­li­chung einer histo­ri­schen, aber über­zeit­lich aktu­el­len und gegen­wär­tig über­aus rele­van­ten Enzy­kli­ka als Hör­buch ist eine ori­gi­nel­le und fort­set­zungs­wür­di­ge Idee. Der ver­le­se­ne Text ver­dient auf alle Fäl­le gründ­li­ches Studium.*
    JA !!
    Ein wah­rer Jung­brun­nen ist die­se Enzy­kli­ka für mei­nen Jahr­gang 1961. Bin 1968 ein­ge­schult wor­den und mit all dem auf­ge­wach­sen, was seit 1968 See­le, Geist und Leib quer­beet ver­seucht und runiert. An ande­rer Stel­le sag­te ich schon mal, dass ich mich glück­lich schät­ze ein Eltern­haus gehabt zu haben, das für die Grund­le­gung des katho­li­schen Glau­bens bei uns 6 Kin­dern gesorgt hat . Das ist wohl der Grund dafür (?), dass ich mich heu­te (hof­fent­lich) nicht zu den „Unto­ten“ zäh­len muss, gleich­wohl die Stür­me der letz­ten 4 Jahr­zehn­te auch in mei­nem Leben „wund-gestal­tet“ haben. 

    So bleibt dies ein Gebot der Stun­de: Mit aller Kraft (Ver­stand und Wil­le), Gebet und Gott­ver­trau­en der wah­ren Frei­heit der Kin­der Got­tes nachzustreben. 

    Ich hof­fe auf wei­te­re Beträ­ge und Quel­len­hin­wei­se von Ihnen, die hel­fen, wei­ter fest im wah­ren Glau­ben zu ste­hen bzw. zu wach­sen, die Wahr­heit zu lie­ben und Gott näher zu kommen.

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