Empörung über Showgirl, das für Teilnahme bei Big Brother abtreiben will – Keine Empörung, daß 54 Prozent aller Abtreibungen illegal sind


Josie Cunningham: das 23 Jahre alte Showgirl empört Großbritannien mit der Ankündigung, ihr ungeborenes Kind töten zu lassen, um an der Reality Show Big Brother teilnehmen zu können.(Lon­don) Ganz Groß­bri­tan­ni­en empört sich zurecht über ein Show­girl, das ihr unge­bo­re­nes Kind abtrei­ben las­sen will, um an der TV-Rea­li­ty Show Big Brot­her teil­neh­men zu kön­nen. Doch nie­mand empört sich dar­über, daß in Groß­bri­tan­ni­en allein 2012 fast 200.000 unge­bo­re­ne Kin­der getö­tet wur­den und davon gan­ze 54 Pro­zent trotz frei­zü­gi­gem Abtrei­bungs­ge­setz ille­gal, wie gleich­zei­tig bekannt wur­de. Der Unter­schied? Über das Show­girl berich­ten alle Medi­en. Ihre Geschich­te läßt sich als „Ein­zel­schick­sal“ medi­al unter ver­schie­den­sten Facet­ten „mensch­lich“ aus­leuch­ten und sorgt für Leser und Leser­de­bat­ten. Über die 98.000, allein 2012 ille­gal getö­te­ten Kin­der berich­ten die Medi­en kaum. Sie sind ein „ern­stes“ The­ma und vor allem ein poli­ti­sches Tabu. Das Volk darf sich kon­trol­liert empö­ren. Wor­über, das bestim­men die gro­ßen Medien.

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Josie Cun­ning­ham wird ihre Schwan­ger­schaft abbre­chen las­sen, um an Big Brot­her teil­neh­men zu kön­nen. Die Schwan­ger­schaft wird „abbe­stellt“, wie man einen Kurs absagt oder eine Rei­se stor­niert. Das fällt unter „Gos­sip“, Chro­nik und Klatsch. Die Nach­richt, daß 54 Pro­zent aller Abtrei­bun­gen in Groß­bri­tan­ni­en ille­gal erfol­gen, inter­es­siert die Medi­en­bran­che nicht.

Josie Cunningham will „berühmt“ werden. Dafür ist sie auch bereit ihr ungeborenes Kind töten zu lassen

Die skan­da­lö­sen Aus­sa­gen von Josie Cun­ning­ham empö­ren Groß­bri­tan­ni­en zurecht. Die 23jährige ist bereits zwei­fa­che Mut­ter. Dem Mir­ror erzähl­te sie nun, daß sie erneut schwan­ger sei, aber abtrei­ben las­sen wer­de, um an der Rea­li­ty Show Big Brot­her teil­neh­men zu kön­nen: „Ich ste­he davor, berühmt zu wer­den, und habe nicht die gering­ste Absicht, mir das jetzt rui­nie­ren zu las­sen. Eine Abtrei­bung wird mei­ne Kar­rie­re för­dern: Im kom­men­den Jahr will ich kein Kind bekom­men. Ich will berühmt wer­den am Lenk­rad eines rosa glän­zen­den Ran­ge Rovers und ich will mir ein gro­ßes Haus kau­fen. Nichts kann sich mir in den Weg stellen.“

Die Öffent­lich­keit empört sich über sol­che Äuße­run­gen. Das ist durch­aus ein­kal­ku­liert. Cun­ning­ham ist für eine bestimm­te Art von Aus­sa­gen bereits bekannt. Sie sol­len Auf­merk­sam­keit erre­gen, das Show­girl bekannt­ma­chen. Ob mit einer guten oder einer schlech­ten Nach­richt spielt dabei kei­ne Rol­le. Wich­tig ist, in die Medi­en zu kom­men. Im ver­gan­ge­nen Jahr ließ sich Cun­ning­ham die Brust ver­grö­ßern und die Kosten vom bri­ti­schen Gesund­heits­dienst erstat­ten, weil sie behaup­te­te, unter einer zu klei­ne Brust wür­de ihr psy­chi­sches Gleich­ge­wicht lei­den. Auch ihre Aus­sa­ge, abtrei­ben las­sen zu wol­len, zielt offen­sicht­lich vor allem dar­auf ab, von sich reden zu machen. Sie sag­te auch, nicht sicher zu sein, wer der Kinds­va­ter sei. Es kön­ne ein Fuß­bal­ler oder ein rei­cher Kun­de sein, den sie als Escort ken­nen­lern­te. Im Inter­net ver­öf­fent­lich­te sie inzwi­schen eine Ultra­schall­auf­nah­me ihres Kindes.

Provokation als skrupellose Werbestrategie in eigener Sache

Ganz im Sin­ne eines vor­teils­be­zo­ge­nen Den­kens leg­te Cun­ning­ham noch einen Scheit ins Feu­er. Sie wol­le die Gra­tis­be­hand­lung beim Zahn­arzt in Anspruch neh­men, der schwan­ge­ren Frau­en in Groß­bri­tan­ni­en zusteht. Sie wäre ja „blöd“, wenn sie das nicht aus­nüt­zen wür­de, mein­te die 23-Jäh­ri­ge. Daß sie das Kind gar nicht wol­le und des­halb abtrei­ben las­se, sei ja schließ­lich ihre Sache. „Nicht, daß ich schwan­ger gewor­den bin, um mir gra­tis die Zäh­ne behan­deln zu las­sen“, ver­si­cher­te sie gegen­über der Sun, „aber das ist ein gro­ßer Vor­teil. Ich bin mir sicher, daß es die Leu­te stö­ren wird, daß ich die­ses Pri­vi­leg habe. Aber das ist mir sowas von egal.“

Jede Aus­sa­ge Cun­ning­hams gegen­über Medi­en scheint gezielt gewählt, um auf­zu­fal­len und um jeden Preis von sich reden zu machen. Sie beherrscht damit genau das Ein­mal­eins der Wer­bung. Das Pro­dukt, das Josie ver­kauft, ist sie selbst.

Gefilterte Empörung

Wirk­lich inter­es­sant an der trau­ri­gen Geschich­te ist die gera­de­zu ein­stim­mi­ge Empö­rung über das Show­girl bis hin zu Auf­ru­fen, die Sen­dung Big Brot­her zu boy­kot­tie­ren, soll­te Cun­ning­ham dar­an teil­neh­men kön­nen. Eine durch und durch ver­ständ­li­che Reak­ti­on eines gesun­den Volks­emp­fin­dens. Par­al­lel zur Dis­kus­si­on über Josie Cun­ning­ham wur­de bekannt, daß 2012 in Groß­bri­tan­ni­en 54 Pro­zent aller Abtrei­bun­gen ille­gal durch­ge­führt wur­den. Und das obwohl Groß­bri­tan­ni­en ein sehr frei­zü­gi­ges Abtrei­bungs­ge­setz hat. Ist die Tötung in Deutsch­land bis zur 12. Schwan­ger­schafts­wo­che straf­frei, kön­nen in Groß­bri­tan­ni­en bis zur 24. Schwan­ger­schafts­wo­che Abtrei­bun­gen legal durch­ge­führt wer­den. Damit kann das unge­bo­re­ne Kind wäh­rend sechs der neun Schwan­ger­schafts­mo­na­te getö­tet wer­den. 2008 wur­de selbst eine beschei­de­ne Ver­kür­zung auf nur mehr 20 Wochen von einer deut­li­chen Par­la­ments­mehr­heit abge­lehnt. Abtrei­bung ist in Groß­bri­tan­ni­en seit 1967 erlaubt. Gere­gelt wird sie heu­te durch den Abor­ti­on Act von 1990. Die Rege­lung ist sehr „libe­ral“. Aller­dings braucht die abtrei­bungs­wil­li­ge Frau einen Arzt, der die Kin­destö­tung nach einer Dia­gno­se bewilligt.

Trotz liberalem Abtreibungsrecht wurden 54 Prozent der Abtreibungen illegal durchgeführt

Ins­ge­samt 98.000 unge­bo­re­ne Kin­der wur­den 2012 ille­gal, das heißt außer­halb des gesetz­li­chen Rah­mens getö­tet. Bekannt wur­de der Skan­dal durch eine par­la­men­ta­ri­sche Anfra­ge. Eine inter­ne Unter­su­chung des bri­ti­schen Gesund­heits­we­sens ergab, daß 54 Pro­zent aller Abtrei­bun­gen nicht ein­mal die­se Min­dest­stan­dards ein­hal­ten. Die Unter­su­chung der Care Qua­li­ty Com­mis­si­on ergab, daß min­de­stens 67 Ärz­te Abtrei­bungs­schei­ne aus­stel­len, ohne je mit der betrof­fe­nen Frau gespro­chen zu haben. Die Abtrei­bungs­an­trä­ge waren von den Ärz­ten bereits im vor­aus unter­schrie­ben wor­den. Die Anga­ben der antrag­stel­len­den Schwan­ge­ren wur­den nach­träg­lich eingetragen.

Einer der Ärz­te hat­te so vie­le Bewil­li­gun­gen aus­ge­stellt, daß sie noch 2014 ver­wen­det wur­den, obwohl er bereits seit vier Jah­ren in Pen­si­on war. Die Ärz­te wur­den wegen der ille­ga­len Pra­xis für schul­dig befun­den, doch das Gene­ral Medi­cal Coun­cil, die bri­ti­sche Ärz­te­kam­mer gab bekannt, kei­ne Sank­tio­nen gegen die Ärz­te zu ver­hän­gen. Obwohl sie wegen offen­kun­di­ger Geset­zes­ver­let­zung ent­las­sen wer­den müß­ten, wer­den sie nicht ein­mal vom Dienst sus­pen­diert. Obwohl auf ihr Ver­ge­hen mehr­jäh­ri­ge Haft­stra­fen ste­hen, wird die Ärz­te­kam­mer ihre Namen nicht der Poli­zei mitteilen.

Ärztekammer „entehrt“, Abtreibungsgesetz „eine Farce“

Der Labou­r­ab­ge­ord­ne­te Jim Dob­bin kom­men­tier­te das Bekannt­wer­den des Skan­dals: „Das beweist, daß wir in einer Kul­tur leben, in der die Abtrei­bung auf Nach­fra­ge erfolgt. 67 Ärz­te, die Abtrei­bun­gen bewil­li­gen ohne das Gering­ste über die Frau­en zu wis­sen, die abtrei­ben las­sen wol­len. Schlim­mer noch: Die Rechts­an­wäl­te und die Ärz­te des Gene­ral Medi­cal Coun­cil haben beschlos­sen, die­se Ver­bre­chen für sich zu behal­ten. Das ent­ehrt die Ärz­te­kam­mer und macht aus dem Abtrei­bungs­ge­setz eine Farce.“

Der Kon­ser­va­ti­ve David Bur­ro­wes sag­te: „Es ist eine erschrecken­de Sache. Eine so gro­ße Zahl von Ärz­ten kann ohne zu zögern das Gesetz ver­let­zen und die älte­ste Ärz­te­ver­ei­ni­gung die­ses Lan­des mel­det ihre Ver­bre­chen nicht der Polizei.“
2012 wur­den in Groß­bri­tan­ni­en fast 200.000 Abtrei­bun­gen durchgeführt.

Jeden Tag wur­den 2012 in Groß­bri­tan­ni­en durch­schnitt­lich 500 Kin­der getö­tet, 270 davon illegal.

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Tempi

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