Behaupten Sie stattdessen, dass die letzten Päpste keine Heiligen waren? „” Roberto de Mattei im Interview


time_roncalli_finalAm Diens­tag brach­te „Catho­lic Fami­ly News“ ein Inter­view mit dem bekann­ten Histo­ri­ker und katho­li­schen Intel­lek­tu­el­len Rober­to de Mat­tei zur  bevor­ste­hen­den Hei­lig­spre­chung zwei­er Päp­ste. Wir dan­ken um die Erlaub­nis zur Über­set­zung und Veröffentlichung.

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Pro­fes­sor de Mat­tei, die bevor­ste­hen­den Hei­lig­spre­chun­gen von Johan­nes XXIII. und Johan­nes Paul II. rufen aus ver­schie­de­nen Grün­den Zwei­fel und Ver­wir­rung her­vor. Zu wel­chem Urteil kom­men Sie als Katho­lik und Historiker?

Rober­to de Mat­tei: Ich kann mei­ner per­sön­li­chen Mei­nung Aus­druck ver­lei­hen, ohne vor­zu­ge­ben, die­ses kom­ple­xe Pro­blem zu lösen. Zunächst bin ich, im Gro­ßen und Gan­zen, ver­blüfft über die Leich­tig­keit, mit der in den letz­ten Jah­ren Hei­lig­spre­chungs­pro­zes­se begin­nen und zum Abschluss kom­men. Das Erste Vati­ka­ni­sche Kon­zil defi­nier­te den Juris­dik­ti­ons­pri­mat des Pap­stes und die Unfehl­bar­keit sei­nes Lehr­am­tes unter bestimm­ten Bedin­gun­gen, aber sicher­lich nicht die per­sön­li­che Makel­lo­sig­keit der Päp­ste. In der Kir­chen­ge­schich­te gab es gute und schlech­te Päp­ste, und die Zahl der zur Ehre der Altä­re erho­be­nen war gering. Heu­te hat man den Ein­druck, dass es das Bestre­ben gibt, den Grund­satz der Unfehl­bar­keit des Pap­stes durch das sei­ner per­sön­li­chen Makel­lo­sig­keit zu erset­zen. Alle Päp­ste, oder bes­ser, alle Päp­ste der jüng­sten Zeit seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil, wer­den als Hei­li­ge prä­sen­tiert. Es ist kein Zufall, dass die Hei­lig­spre­chun­gen von Johan­nes XXIII. und Johan­nes Paul II. die Hei­lig­spre­chung Pius IX. und die Selig­spre­chung Pius XII. haben ver­ges­sen las­sen, wäh­rend das Ver­fah­ren Paul VI. vor­an­ge­trie­ben wird. Es scheint bei­na­he so, als sol­le die Zeit des Kon­zils und die Nach­kon­zils­zeit mit einem Nim­bus der Hei­lig­keit umge­ben wer­den, um eine histo­ri­sche Epo­che „unfehl­bar“ zu machen, die in der Kir­che zur Erset­zung des Pri­mats der Leh­re durch den Pri­mat einer pasto­ra­len Pra­xis geführt hat.

Behaup­ten Sie statt­des­sen, dass die letz­ten Päp­ste kei­ne Hei­li­gen waren?

Rober­to de Mat­tei: Erlau­ben Sie mir, mich zu einem Papst zu äußern, den ich als Histo­ri­ker am besten ken­ne, über Johan­nes XXIII. Im Zusam­men­hang mit mei­nem Stu­di­um des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils unter­such­te ich ein­ge­hend sei­ne Bio­gra­fie und kon­sul­tier­te die Akten sei­nes Selig­spre­chungs­pro­zes­ses. Wenn die Kir­che einen Gläu­bi­gen kano­ni­siert, tut sie das nicht, um uns zu ver­si­chern, dass der Ver­stor­be­ne sich in der Herr­lich­keit des Him­mels befin­det, son­dern sie stellt ihn viel­mehr als Bei­spiel heroi­scher Tugend vor. Abhän­gig vom jewei­li­gen Fall sind es per­fek­te Ordens­leu­te, Hir­ten, Fami­li­en­vä­ter usw. Im Fall eines Pap­stes muss er, um als Hei­li­ger ange­se­hen zu wer­den, heroi­sche Tugend gezeigt haben in der Aus­übung sei­ner Mis­si­on als Pon­ti­fex, wie es bei­spiels­wei­se bei St. Pius V. oder St. Pius X. der Fall war. Nun, was Johan­nes XXIII. betrifft, so bin ich nach sorg­fäl­ti­ger Abwä­gung sicher, dass sein Pon­ti­fi­kat objek­tiv ein Scha­den für die Kir­che war, und es daher unmög­lich erscheint, bei ihm von Hei­lig­keit zu spre­chen. Der Domi­ni­ka­ter­pa­ter Inno­cen­zo Colo­sio – jemand, der etwas von Hei­lig­keit ver­stand und als einer der größ­ten Histo­ri­ker für Spi­ri­tua­li­tät in der Moder­ne gilt – ver­trat dies bereits vor mir in einem berühm­ten Arti­kel in der „Rivi­sta di Asce­ti­ca e Mistica“.

Wenn, wie Sie glau­ben, Johan­nes XXIII. kein hei­li­ger Papst war, und wenn, wie es scheint, Hei­lig­spre­chun­gen ein unfehl­ba­rer päpst­li­cher Akt sind, sehen wir uns einem gro­ßen Wider­spruch gegen­über. Besteht hier nicht das Risi­ko, dem Sedis­va­kan­tis­mus anheimzufallen?

Rober­to de Mat­tei: Die Sedis­va­kan­ti­sten mes­sen der päpst­li­chen Unfehl­bar­keit eine zu über­mä­ßi­ge Bedeu­tung zu. Ihr Gedan­ken­gang ist grob ver­ein­fa­chend: Wenn der Papst unfehl­bar ist und etwas schlech­tes tut, so bedeu­tet dies, dass der Stuhl [Petri] vakant ist. Die Wirk­lich­keit ist viel kom­ple­xer, und die Prä­mis­se, dass jede Hand­lung – oder bei­na­he jede Hand­lung – des Pap­stes unfehl­bar sei, ist falsch. Wenn die bevor­ste­hen­den Hei­lig­spre­chun­gen auch für Pro­ble­me sor­gen, so sorgt der Sedis­va­kan­tis­mus in Wirk­lich­keit für unend­lich grö­ße­re Pro­ble­me vor dem Gewissen.

Nichts­de­sto­trotz bekräf­tigt die Mehr­heit der Theo­lo­gen – ins­be­son­de­re die sicher­sten, die der soge­nann­ten „Römi­schen Schu­le“ – die Unfehl­bar­keit von Heiligsprechungen.

Rober­to de Mat­tei: Die Unfehl­bar­keit von Hei­lig­spre­chun­gen ist kein Dog­ma des Glau­bens, sie ist die Mei­nung einer Mehr­heit von Theo­lo­gen, ins­be­son­de­re seit Bene­dikt XIV. – der sie oben­drein als pri­va­te Lehr­mei­nung äußer­te und nicht als Papst. Was die „Römi­sche Schu­le“ betrifft, so ist der ange­se­hen­ste heu­te leben­de Reprä­sen­tant die­ser theo­lo­gi­schen Schu­le Msgr. Bru­ne­ro Gherar­di­ni. Und Msgr. Gherar­di­ni äußer­te in der von ihm geführ­ten Zeit­schrift „Divi­ni­tas“ all sei­ne Zwei­fel bezüg­lich der Unfehl­bar­keit von Hei­lig­spre­chun­gen. Ich ken­ne bedeu­ten­de Theo­lo­gen und Kano­ni­sten in Rom, Schü­ler eines ande­ren her­vor­ra­gen­den Reprä­sen­tan­ten der römi­schen Schu­le, Msgr. Anto­nio Pio­lan­ti, wel­che die glei­chen Zwei­fel wie Msgr. Gherar­di­ni hegen. Sie behaup­ten, dass Hei­lig­spre­chun­gen nicht die Bedin­gun­gen erfül­len, die vom Ersten Vati­ka­num fest­ge­legt wur­den, um die Unfehl­bar­keit eines päpst­li­chen Aktes zu garan­tie­ren. Das Urteil der Hei­lig­spre­chung ist nicht unfehl­bar an sich, da es ihm an den not­wen­di­gen Bedin­gun­gen für die Unfehl­bar­keit man­gelt, begin­nend mit der Tat­sa­che, dass die Hei­lig­spre­chung als ihr direk­tes oder aus­drück­li­ches Ziel nicht eine Wahr­heit des Glau­bens oder der Moral hat, die in der Offen­ba­rung ent­hal­ten ist. [Statt­des­sen ist eine Hei­lig­spre­chung] nur eine indi­rekt mit Dog­ma ver­bun­de­ne Tat­sa­che, ohne streng genom­men eine „dog­ma­ti­sche Tat­sa­che“ zu sein. Das Feld des Glau­bens und der Moral ist breit, da es die christ­li­che Leh­re voll­stän­dig ent­hält – spe­ku­la­tiv und prak­tisch, mensch­li­cher Glau­be und die Akti­on –, doch eine Unter­schei­dung ist nötig. Eine dog­ma­ti­sche Defi­ni­ti­on kann nie eine neue Dok­trin im Feld von Glau­ben und Moral ein­schlie­ßen. Der Papst kann ledig­lich das zum Aus­druck brin­gen, was in Glau­ben und Moral impli­zit ent­hal­ten ist, und durch die Tra­di­ti­on der Kir­che über­lie­fert wur­de. Was die Päp­ste defi­nie­ren, muss in der Hei­li­gen Schrift und in der Tra­di­ti­on ent­hal­ten sein, und es ist das, was die Unfehl­bar­keit des Aktes sicher­stellt. Dies ist bei Hei­lig­spre­chun­gen natür­lich nicht der Fall. Es ist kein Zufall, dass die Leh­re zu Hei­lig­spre­chun­gen weder in den Codi­ces des kano­ni­schen Rech­tes von 1917 und 1983 ent­hal­ten ist, noch in den Kate­chis­men der katho­li­schen Kir­che, alt und neu. Auf die­ses The­ma bezieht sich neben der zuvor erwähn­ten Stu­die von Msgr. Gherar­di­ni auch ein exzel­len­ter Arti­kel von José Anto­nio Ure­ta, der im März 2014 im Maga­zin „Cato­li­cis­mo“ erschie­nen ist.

Sind Sie der Auf­fas­sung, dass Hei­lig­spre­chun­gen ihren unfehl­ba­ren Cha­rak­ter im Zuge der Ände­run­gen im Hei­lig­spre­chungs­pro­ze­de­re, vor­ge­nom­men von Johan­nes Paul II. im Jah­re 1983, ver­lo­ren haben?

Rober­to de Mat­tei: Die­se Posi­ti­on wird im „Le Cour­ri­er de Rome“ von einem exzel­len­ten Theo­lo­gen, P. Jean-Michel Glei­ze, ver­tre­ten. Außer­dem besteht eines der Argu­men­te, auf denen Pater [Josef] Löw im Arti­kel zu Hei­lig­spre­chun­gen in der „Enci­clo­pe­dia cat­to­li­ca“ sei­ne The­se von der Unfehl­bar­keit auf­baut, in der Exi­stenz eines mas­si­ven Kom­ple­xes von Ermitt­lun­gen und Erkennt­nis­sen, gefolgt von zwei Wun­dern, die der Hei­lig­spre­chung vor­aus­ge­hen. Es gibt kei­nen Zwei­fel dar­an, dass – nach der von Johan­nes Paul II. im Jahr 1983 ver­an­lass­ten Reform des Pro­ze­de­res – die­ses Ver­fah­ren, die Wahr­heit fest­zu­stel­len, viel schwä­cher gewor­den ist, und dass es eine Ver­än­de­rung in der Auf­fas­sung von Hei­lig­keit an sich gege­ben hat. Das Argu­ment erscheint mir indes nicht ent­schei­dend, denn das Hei­lig­spre­chungs­ver­fah­ren hat sich im Ver­lauf der Geschich­te stark ver­än­dert. Die Pro­kla­ma­ti­on der Hei­lig­keit des Ulrich von Augs­burg durch Papst Johan­nes XV. im Jah­re 993, die als erste Hei­lig­spre­chung durch einen Papst ange­se­hen wird, wur­de ohne jede Nach­for­schun­gen auf Sei­ten des Hei­li­gen Stuhls vor­ge­nom­men. Das Ver­fah­ren tief­ge­hen­der Ermitt­lun­gen geht haupt­säch­lich zurück auf Bene­dikt XIV. Er war etwa ver­ant­wort­lich für die Unter­schei­dung zwi­schen for­ma­ler Kano­ni­sa­ti­on, gemäß aller kano­ni­schen Regeln, und der gleich­wer­ti­gen Kano­ni­sa­ti­on, wenn ein Die­ner Got­tes zum Hei­li­gen erklärt wird auf­grund all­ge­mei­ner Ver­eh­rung. St. Hil­de­gard von Bin­gen erhielt den Titel einer Hei­li­gen nach ihrem Tod, und Papst Gre­gor IX. begann 1233 die Ermitt­lun­gen für eine Hei­lig­spre­chung. Aller­dings gab es nie­mals eine for­ma­le Kano­ni­sa­ti­on. Auch wur­de St. Katha­ri­na von Schwe­den, Toch­ter von St. Bir­git­ta, nie kano­ni­siert. Ihr Pro­zess fand statt zwi­schen 1446 und 1489, kam aber nie zum Abschluss. Sie wur­de als Hei­li­ge ver­ehrt, ohne je kano­ni­siert wor­den zu sein.

Was hal­ten Sie von der The­se des hei­li­gen Tho­mas, die auch wider­klingt im Arti­kel zu Hei­lig­spre­chun­gen im „Dic­tion­n­aire de Théo­lo­gie catho­li­que“, wonach, wäre der Papst nicht unfehl­bar in einer fei­er­li­chen Erklä­rung wie einer Hei­lig­spre­chung, er sich selbst und die Kir­che täu­schen würde?

Rober­to de Mat­tei; Wir müs­sen zunächst ein seman­ti­sches Miss­ver­ständ­nis auf­lö­sen: Ein nicht-unfehl­ba­rer Akt ist kein fal­scher Akt der not­wen­di­ger­wei­se täuscht, son­dern nur ein Akt, der die Mög­lich­keit des Irr­tums beinhal­tet. In Wirk­lich­keit mag die­ser Irr­tum sehr sel­ten sein – oder über­haupt nie­mals vor­kom­men. St. Tho­mas, wie immer aus­ge­wo­gen in sei­nem Urteil, ist nicht unfehl­bar bis zum Ende. Er ist zu Recht dar­um besorgt, die Unfehl­bar­keit der Kir­che zu ver­tei­di­gen, und er tut dies doch mit einem theo­lo­gisch ver­nünf­ti­gen Argu­ment. Sein Argu­ment kann im wei­te­ren Sin­ne akzep­tiert wer­den, muss aber die Mög­lich­keit von Aus­nah­men erlau­ben. Ich stim­me ihm zu, dass die Kir­che als Gan­ze nicht irren kann. Das heißt nicht, dass jeder Akt der Kir­che, wie der Akt einer Hei­lig­spre­chung, an sich not­wen­di­ger­wei­se unfehl­bar ist. Die Zustim­mung, die man Akten der Hei­lig­spre­chun­gen ent­ge­gen­zu­brin­gen hat, ist eine kirch­li­chen, nicht gött­li­chen, Glau­bens. Das bedeu­tet, dass der Gläu­bi­ge glaubt, weil er das Prin­zip akzep­tiert, dass die Kir­che nor­ma­ler­wei­se nicht irrt. Die Aus­nah­me hebt die Regel nicht auf. Ein ein­fluss­rei­cher deut­scher Theo­lo­ge, [Hw.] Bern­hard Bart­mann, ver­gleicht in sei­nem „Lehr­buch der Dog­ma­tik“ die Ver­eh­rung (den Kult) eines fal­schen Hei­li­gen mit der Hul­di­gung, die dem fal­schen Bot­schaf­ter eines Königs ent­ge­gen­ge­bracht wird. Der Irr­tum beein­träch­tigt nicht das Prin­zip, wonach der König wah­re Bot­schaf­ter hat und die Kir­che wah­re Hei­li­ge kanonisiert.

In wel­chem Sin­ne kön­nen wir dann von der Unfehl­bar­keit der Kir­che bei Hei­lig­spre­chun­gen reden?

Rober­to de Mat­tei: Ich bin über­zeugt, dass es ein schwer­wie­gen­der Feh­ler wäre, die Unfehl­bar­keit der Kir­che auf das außer­or­dent­li­che Lehr­amt des römi­schen Pap­stes zu redu­zie­ren. Die Kir­che ist nicht nur unfehl­bar, wenn sie auf außer­or­dent­li­che Wei­se lehrt, son­dern auch in ihrem ordent­li­chen Lehr­amt. Aber wie es Bedin­gun­gen für die Unfehl­bar­keit des außer­or­dent­li­chen Lehr­am­tes gibt, so exi­stie­ren auch Bedin­gun­gen für die Unfehl­bar­keit des ordent­li­chen Lehr­am­tes. Die erste [die­ser Bedin­gun­gen] ist die Uni­ver­sa­li­tät, die dann bewie­sen ist, wenn eine Wahr­heit des Glau­bens oder der Moral auf bestän­di­ge Wei­se im Lau­fe der Zeit gelehrt wird. Das Magi­steri­um kann eine Dok­trin unfehl­bar leh­ren durch den Akt einer Defi­ni­ti­on durch den Papst, oder durch einen nicht-defi­ni­ti­ven Akt des ordent­li­chen Magi­steri­ums, sofern die­se Dok­trin bestän­dig aner­kannt und über­lie­fert wur­de durch die Tra­di­ti­on sowie das ordent­li­che und uni­ver­sa­le Lehr­amt. Die Instruk­ti­on „Ad Tuen­dam Fidem“ der Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re vom 18. Mai 1988 (Nr. 2) bestä­tigt dies. Ana­log könn­te man argu­men­tie­ren, dass die Kir­che nicht irren kann, wenn sie im Lau­fe der Zeit mit dem Glau­ben ver­bun­de­ne Wahr­hei­ten bestä­tigt, dog­ma­ti­sche Fak­ten, lit­ur­gi­sche Gebräu­che. Hei­lig­spre­chun­gen fal­len mög­li­cher­wei­se auch in die­se Grup­pe von ver­bun­de­nen Wahr­hei­ten. Man kann sicher sein, dass St. Hil­de­gard von Bin­gen sich in der Herr­lich­keit der Hei­li­gen befin­det und als Bei­spiel vor­ge­stellt wer­den kann, nicht weil sie fei­er­lich durch einen Papst kano­ni­siert wur­de (wie erwähnt gab es in ihrem Fall nie eine for­ma­le Kano­ni­sa­ti­on), son­dern weil die Kir­che ihren Kult aner­kannt hat, ohne Unter­bre­chung, seit ihrem Tod. Umso mehr gilt für jene Hei­li­gen, die nie for­mal kano­ni­siert wur­den (wie St. Fran­zis­kus oder St. Domi­nik), dass die unfehl­ba­re Sicher­heit bezüg­lich ihrer Hei­lig­keit in einem dia­chro­ni­schen Sinn (ent­wickelt im Lau­fe der Zeit) von dem uni­ver­sa­len Kult stammt, den die Kir­che ihnen erwie­sen hat, und nicht von einem Urteil zur Kano­ni­sa­ti­on an sich. Die Kir­che täuscht nicht, in ihrem uni­ver­sa­len Lehr­amt, aber man kann einen Irr­tum von Sei­ten kirch­li­cher Auto­ri­tä­ten, begrenzt auf Zeit und Raum, zulassen.

Wie wür­den Sie Ihre Posi­ti­on zusammenfassen?

Rober­to de Mat­tei: Die Hei­lig­spre­chung von Papst Johan­nes XXIII. ist ein fei­er­li­cher Akt des Pap­stes, der abge­lei­tet ist von der ober­sten Auto­ri­tät der Kir­che – und dem soll­te mit Respekt begeg­net wer­den –, aber es ist kein Urteil, das an sich unfehl­bar ist. Der Gebrauch der Ver­nunft, unter­stützt durch eine sorg­fäl­ti­ge Unter­su­chung der Fak­ten zeigt recht deut­lich, dass das Pon­ti­fi­kat von Johan­nes XXIII. nicht zum Woh­le der Kir­che war. Wenn ich zuge­ben müss­te, dass Papst Ron­cal­li auf heroi­sche Wei­se Tugend aus­üb­te, als er sei­ne Rol­le als Papst aus­füll­te, wür­de ich die ratio­na­len Vor­aus­set­zun­gen mei­nes Glau­bens im Inner­sten unter­gra­ben. Im Zwei­fels­fall hal­te ich mich an das Dog­ma des Glau­bens, das vom Ersten Vati­ka­ni­schen Kon­zil fest­ge­setzt wur­de, wonach es kei­nen Wider­spruch zwi­schen Glau­be und Ver­nunft geben kann. Der Glau­be über­steigt die Ver­nunft und erhöht sie, aber er wider­spricht ihr nicht, weil Gott, die Wahr­heit selbst, nicht wider­sprüch­lich ist. Ich kann es vor mei­nem Gewis­sen ver­ant­wor­ten, all mei­ne Vor­be­hal­te bezüg­lich die­ses Aktes der Hei­lig­spre­chung aufrechtzuerhalten.

Über­set­zung: M. Bene­dikt Buerger

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