(Wien) Auf die Frage, was Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter unter einer „katholischen Ehe“ verstehe, antwortete der erst seit Dezember 2013 amtierende österreichische Bundesminister: „Meine Frau und ich sind kirchlich verheiratet, haben zwei Kinder – das ist alles. Das heißt nicht, dass ich ein altmodisches Familienverständnis habe. … Leider ist das Kinderbetreuungssystem bei uns im Vergleich zu Belgien aber rückständig – auch in Wien. Das Angebot gehört massiv ausgebaut. Aus meiner Sicht ist das die familienpolitisch wichtigste Aufgabe.“ Kinderbetreuung raus aus der Familie, fordert der christdemokratische Minister und spielt damit auf der Klaviatur der Linken.
Schlagzeilen bei Angelobung durch Hinweis auf das Herz Jesu
Neo-Minister Rupprechter hatte bei der Angelobung der österreichischen Bundesregierung für Schlagzeilen gesorgt, weil er die Gelöbnisformel nicht nur vor Gott ablegte, sondern auch das Heiligste Herz Jesu erwähnte („So wahr mir Gott helfe, und vor dem heiligen Herzen Jesu Christi“ – Amtseid von Landwirtschaftsminister Rupprechter). In seiner Heimat Tirol hat die Herz-Jesu-Verehrung eine lange Tradition und steht in direktem Zusammenhang mit dem Widerstand gegen den Josephinismus und den anti-napeoleonischen Freiheitskriegen.
Der Verweis auf das Herz Jesu scheint beim Land‑, Forst‑, Umwelt- und Wasserwirtschaftsminister jedoch so etwas wie eine Eintagsfliege gewesen zu sein. Im Interview mit der linksliberalen Tageszeitung Der Standard erklärte er auf die Frage, ob Andreas Hofer ein Vorbild für ihn sei:
„Mein Vorbild in der Tiroler Geschichte ist mehr der Michael Gaismair, der als Sekretär des Bischofs von Brixen vor 500 Jahren den ersten Entwurf für die Tiroler Landesverfassung geschrieben hat. Aber das Wehrhafte des Andreas Hofer nehme ich natürlich auch gern mit.“
Verworrene Gedankenwelt zwischen Trotzkismus, grüner Homo-Agenda und christlicher Soziallehre
Eine Aussage, die in direktem Widerspruch zu seiner Herz-Jesu-Verehrung steht. Gaismaier, Sozialrevolutionär in der Zeit der Bauernkriege, ist seit den 60er Jahren ein Liebling der neomarxistischen Linken und war es zuvor schon der Nationalsozialisten. Beide zogen ihn in bewußtem Widerspruch dem Katholiken Andreas Hofer vor. Rupprechter beruft sich weiters auf die christliche Soziallehre. Auch hier scheinen die Vorstellungen des Ministers ziemlich verworren. Denn gleichzeitig spricht er er sich für das Adoptionsrecht von Kindern für Homosexuelle aus. Dabei beruft er sich auf die neue Familienministerin Sophie Karmasin und deren Aussage: „Wo Kinder sich wohlfühlen, ist Familie. Ich denke, es gibt gute Beispiele dafür, dass sich Kinder in homosexuellen Partnerschaften wohlfühlen können. Ich vertrete da eine sehr viel liberalere Anschauung, als man von einem tief verwurzelten Tiroler Katholiken annehmen möchte.“
Neo-Relativist Rupprechter: In einem „offenen Weltbild“ gibt es keine Widersprüche
Die weltanschauliche Wirrnis des Ministers ist sogar dem Standard suspekt: „Warum bezeichnen Sie sich dann selbst immer wieder als Konservativen?“ Rupprechter in der Haltung eines Neo-Relativisten ist der Überzeugung, daß Weltanschauung täglich neu und situationsbedingt jonglierbar ist: „Ich sehe da keinen großen Gegensatz. Konservativ heißt, traditionelle Werte zu erhalten – und das kann man auch in einem offenen Weltbild tun.“
Der Minister ist jedoch optimistisch, daß sich die weltanschauliche Beliebigkeit in seiner Partei bald durchsetzen werde: „Die Neuausrichtung der Partei ist in vollem Gange – und ich werde mich mit einem offenen Ansatz einbringen.“
Sowohl Rupprechter als auch Karmasin gehören der christdemokratischen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) an. Die ÖVP ging nach den Parlamentswahlen vom September des Vorjahres erneut eine Große Koalition mit der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) ein, die seit 2007 besteht und zuvor bereits von 1987–2000 Österreich regierte.
Ehemaliger Trotzkist – „Habe viel politischen Verständnis mitgenommen“
Vielleicht erklärt sich Rupprechters Haltung mit dem Nachwirken seiner anarchistischen Vergangenheit während seiner Studentenzeit. Damals agitierte der ÖVP-Minister in den Reihen der Trotzkisten. „So wie Jacques Chirac und José Manuel Barroso auch“, fügt er halb entschuldigend, halb stolz hinzu. „Das waren kurze Phasen, aus denen ich aber viel politisches Verständnis mitgenommen habe. Stärker hat mich natürlich sozialisiert, dass ich als Grüner der ersten Stunde bei der Besetzung der Hainburger Au dabei war – wobei mich weniger das Kraftwerk an sich als das Drüberfahren der Regierung über die Bürgerrechte empört hat.“
Von den Trotzkisten über die Grünbewegung zu den Christdemokraten. Heute würde Rupprechter wahrscheinlich bei den Grünen Karriere machen. Denen habe er sich damals aber nicht angeschlossen „weil die Grünen die EU damals als „Moloch“ verunglimpft und gegen Österreichs Beitritt gekämpft haben.“ Das hat sich inzwischen ja geändert.
„Probleme“ mit Feldmarschall Radetzky und Bundeskanzler Dollfuß
Da paßt es nur ins Bild, daß Rupprechter auch „Probleme“ mit dem österrechischen Feldmarschall Josef Wenzel Graf Radetzky, weltberühmt durch den Radetzky-Marsch von Johann Strauß (Vater) hat. Ebensolche „Probleme“ hat der Minister aus Tirol, trotz seiner „Prägung“ durch die christliche Soziallehre, mit dem Ständestaat-Bundeskanzler Engelbert Dollfuß (1932–1934), der bei einem Putschversuch von Nationalsozialisten erschossen wurde. Diese „Avversionen“ runden das wirre Gedankenbild des neuen politisch korrekten österreichischen Landwirtschaftsministers ab.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons (Fotomontage)