(Rom) Als ich vor wenigen Tagen in meiner Lieblingstrattoria im Schatten der Peterskuppel saß, bekam ich die E‑Mail eines „einfachen“ Priesters: „Ich hätte nie gedacht, daß ich in meinem Alter noch so viel leiden würde. Dabei wirke ich an einem Ort, aus dem einst viele Priester- und Ordensberufungen hervorgegangen sind. Neuerdings fragen mich immer wieder Pfarrangehörige, ob die Kirche ihr Gesetz geändert habe, vor allem jenes zur Scheidung und zur Moral ganz allgemein. Wenn das Kind unverheirateter Eltern vom Papst getauft wird…Wenn ein geschiedener Wiederverheirateter (was für ein Fremdwort für die Kirche) Taufpate sein kann…, sagen sie mir, weil auch meine Pfarrangehörigen Fernschauen und die Zeitung lesen. Wenn ich ihnen dann sage, daß die Kirche kein Gesetz geändert hat und auch gar nicht ändern kann, dann halten sie mir entgegen: ‚Aber Papst Franziskus hat gesagt…‘. Die einen fragend, die anderen ironisch-triumphierend, andere sogar forsch. Mir wurde schon vorgehalten, nicht mehr ‚ganz auf der Höhe‘, ‚rückwärtsgewandt‘ zu sein, denn jetzt ‚weht ein anderer Wind‘. Oben redet es sich leicht im Fernsehen, indem skurrile Interviews gegeben werden. Es sind dann aber die ‚einfachen‘ Priester, die im täglichen Kontakt mit den Menschen, den Familien die Schönheit des Evangeliums zu verkünden haben. Und das eine nützt nicht immer dem anderen.“
Wer in Tropenkleidung zum Nordpol marschiert, muß erfrieren
Die „einfachen“ Priester liegen nicht selten schlecht ausgerüstet im Schützengraben und müssen dem Sperrfeuer der Kirchengegner standhalten. Die schlechte Ausrüstung geht nicht nur auf Nachschubprobleme zurück, sondern reicht manchmal bis in die Ausbildung am Priesterseminar und den Theologischen Fakultäten zurück. Ihnen wurde das falsche Rüstzeug auf den Marsch mitgegeben. Wer zum Nordpol soll, aber Tropenausrüstung ausgehändigt bekam, muß erfrieren.
Manche resignieren. Resignation kann viele Gesichter haben. Sie kann Rückzug bedeuten, Formen von Gleichgültigkeit. Sie kann aber auch gemeinsame Sache mit dem Feind bedeuten. Ein Wechsel der Seite auf den Barrikaden.
Gute, treue Priester in allen Diözesen – Unterstützung durch Gebet
Es gibt aber die guten Priester, was entscheidender ist. Sie fallen nicht auf den ersten Blick auf. Diesbezüglich sind ihnen die Wendehälse meist überlegen. Wer aber hinsieht, findet sie, die treuen und tapferen Priester und zwar in jeder Diözese. Diesen Priestern, die sich nicht bequem in die Etappe abgesetzt haben, sondern an der Front ihre Stellung halten, ist beizustehen vor allem durch das Gebet der Gläubigen.
PR-Aktionen, die wahrscheinlich wenig hilfreich sind
Ihnen dürfte wahrscheinlich wenig geholfen sein, wenn ihnen zu Ostern, wie in der Diözese des Papstes und in ganz Italien das Paket „Freund Papst“ (Amico Papa) geschenkt wird. Das Lied ist Papst Franziskus gewidmet. Am 11. April erfolgt im Vatikan eine „feierliche Aufführung“. Eine PR-Aktion, die „vom Heiligen Stuhl genehmigt“ ist, wie der Manager bekanntgab. Gedacht ist das Lied „als Geschenk an Papst Franziskus zum ersten Jahr seines Pontifikats“, wie es in eine Presseerklärung heißt. Auf der Aufnahme sind auch Originalton-Auszüge aus Reden von Papst Franziskus an die Welt zu hören.
Fiktives Gespräch in der Ära von Papst Franziskus
Ob die Aktion wirklich hilfreich ist, einer Stimmung entgegenzuwirken, die sich zumindest im Westen ausbreitet? Eine Stimmung, die sich in einem fiktiven, aber ausgesprochen realistischen Gespräch wiedergeben läßt: Ein Pfarrangehöriger: Papst Franziskus ist großartig. Das ist ein Papst!“ Pfarrer: Ausgezeichnet, dann nehme ich an, daß Du jetzt zur Heiligen Messe kommst und gelegentlich auch zur Beichte. Ein Pfarrangehöriger: Nein, warum denn!? Das braucht man jetzt ja nicht mehr. Und überhaupt glaub ich nicht an die Priester und die Kirche.
200 Jahre Rückständigkeit aufgeholt: Papsttum entsakralisiert
Ob es da ein Trost ist, was ein anderer alter und etwas anders ausgerichteter Priester schwärmerisch in der März-Ausgabe der Jesuitenzeitschrift „Jesus“ geschrieben hat?
„Es ist seit der Wahl von Papst Franziskus am 13. März 2013 nur ein Jahr vergangen, doch der Eindruck ist, daß die Kirche enorme Schritte vorwärts gemacht und den Rückstand von 200 Jahren verkürzt hat, von dem Kardinal Martini sprach. Die Ausgabe von ‚Jesus‘ ist daher ganz ihm gewidmet. Nicht nur, um Franziskus als Schrittmacher in diesem Jahr zu zeigen, sondern auch, um über die Kirche der Zukunft nachzudenken, über die Perspektiven, die sich seit dem Rücktritt von Benedikt XVI. aufgetan haben, jenem prophetischen Schritt, der die Gestalt des Papstes entsakralisiert hat.“ [1]Don Antonio Rizzolo, in „Jesus“ von März 2014
Worte, die geschrieben wurden, als gleichzeitig Vandalen kirchenfeindliche Parolen auf das Eingangsportal der berühmten Marienkirche am Montmatre in Paris schmierten (siehe Bild). Ein Angriff auf die Kirche, die unter völliger Indifferenz der Öffentlichkeit erfolgte.
Text: Johannes Thiel
Bild: Messa in Latino
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↑1 | Don Antonio Rizzolo, in „Jesus“ von März 2014 |
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