Kirche darf zu Abtreibung nicht schweigen – 19 Jahre „Evangelium vitae“


Marsch fuer das Leben(Rom) Papst Fran­zis­kus zeigt eine irri­tie­ren­de Scheu, das The­ma Lebens­recht und Schutz der unge­bo­re­nen Kin­der anzu­spre­chen. Am 6. März sprach er vor den Pfar­rern der Diö­ze­se Rom über die vie­len Wun­den und Ver­wun­de­ten unse­rer Zeit. Als Grund für die Ver­wun­dun­gen nann­te er an erster Stel­le „mate­ri­el­le Pro­ble­me“. Die mil­lio­nen­fa­chen Wun­den durch den Abtrei­bungs­ho­lo­caust erwähn­te er nicht.
Dem steht ein Doku­ment leuch­tend gegen­über. Am 25. März 1995 gab Johan­nes Paul II. die Enzy­kli­ka
Evan­ge­li­um vitae (Evan­ge­li­um des Lebens) her­aus. Das päpst­li­che Lehr­schrei­ben rich­tet sich an „die Bischö­fe, Prie­ster und Dia­ko­ne, die Ordens­leu­te und Lai­en sowie an alle Men­schen guten Wil­lens“ und trägt den Unter­ti­tel „über den Wert und die Unan­tast­bar­keit des mensch­li­chen Lebens.“

Anzei­ge

Mit sei­ner elf­ten Enzy­kli­ka „Evan­ge­li­um vitae“ gab Johan­nes Paul II. eine blei­ben­de Ant­wort auf die Her­aus­for­de­rung unse­rer Zeit: die Gefähr­dung mensch­li­chen Lebens an sei­nem Beginn durch Abtrei­bung und an sei­nem Ende durch Euthanasie.

Ange­sichts des unge­heu­ren Mor­dens, das mit welt­weit 45 – 50 Mil­lio­nen Abtrei­bungs­op­fern jähr­lich epi­de­mi­sche Aus­ma­ße erreicht hat und der zuneh­men­den Bedro­hung mensch­li­chen Lebens durch Eutha­na­sie (sie­he zuletzt König unter­zeich­net Gesetz – Bel­gi­en welt­weit erstes Land das Kin­der eutha­na­siert), ist das Lehr­schrei­ben von bren­nen­der Aktua­li­tät und leuch­ten­der Klarheit.

Katho​li​sches​.info doku­men­tiert anläss­lich 19 Jah­re „Evan­ge­li­um vitae“ eini­ge Schlüs­sel­stel­len. Die Zwi­schen­ti­tel sind Text­zi­ta­te und wur­den von der Redak­ti­on gewählt.

Kirche darf nicht schweigen

Das fun­da­men­ta­le Recht auf Leben wird heu­te bei einer gro­ßen Zahl schwa­cher und wehr­lo­ser Men­schen, wie es ins­be­son­de­re die unge­bo­re­nen Kin­der sind, mit Füßen getre­ten. Wenn die Kir­che am Ende des vori­gen Jahr­hun­derts ange­sichts der damals vor­herr­schen­den Unge­rech­tig­kei­ten nicht schwei­gen durf­te, so kann sie heu­te noch weni­ger schwei­gen, wo sich in vie­len Tei­len der Welt zu den lei­der noch immer nicht über­wun­de­nen sozia­len Unge­rech­tig­kei­ten der Ver­gan­gen­heit noch schwer­wie­gen­de­re Unge­rech­tig­kei­ten und Unter­drückun­gen gesel­len, die mög­li­cher­wei­se mit Ele­men­ten des Fort­schritts im Hin­blick auf die Gestal­tung einer neu­en Welt­ord­nung ver­wech­selt werden.

Der Herr sprach zu Kain: „Was hast du getan? Das Blut dei­nes Bru­ders schreit zu mir vom Acker­bo­den!“ (Gen 4, 10). Das von den Men­schen ver­gos­se­ne Blut hört nicht auf zu schrei­en, von Gene­ra­ti­on zu Gene­ra­ti­on nimmt die­ses Schrei­en ande­re und immer neue Töne und Akzen­te an.

Verschwörung gegen das Leben

Man kann in gewis­ser Hin­sicht von einem Krieg der Mäch­ti­gen gegen die Schwa­chen spre­chen: das Leben, das mehr Annah­me, Lie­be und Für­sor­ge ver­lan­gen wür­de, wird für nutz­los gehal­ten oder als eine uner­träg­li­che Last betrach­tet und daher auf vie­ler­lei Wei­se abge­lehnt. Wer durch sei­ne Krank­heit, durch sei­ne Behin­de­rung oder, noch viel ein­fa­cher, durch sein blo­ßes Dasein den Wohl­stand oder die Lebens­ge­wohn­hei­ten derer in Fra­ge stellt, die gün­sti­ger daste­hen, wird zuneh­mend als Feind ange­se­hen, gegen den man sich ver­tei­di­gen bzw. den man aus­schal­ten muß. Auf die­se Wei­se wird eine Art „Ver­schwö­rung gegen das Leben“ ent­fes­selt. Sie invol­viert nicht nur die ein­zel­nen Per­so­nen in ihren indi­vi­du­el­len, fami­liä­ren oder Grup­pen­be­zie­hun­gen, son­dern geht dar­über hin­aus, um schließ­lich auf Welt­ebe­ne den Bezie­hun­gen zwi­schen den Völ­kern und Staa­ten zu scha­den und sie durcheinanderzubringen.

Es wird häu­fig behaup­tet, die siche­re und allen zugäng­lich gemach­te Emp­fäng­nis­ver­hü­tung sei das wirk­sam­ste Mit­tel gegen die Abtrei­bung. Sodann wird die katho­li­sche Kir­che beschul­digt, de fac­to der Abtrei­bung Vor­schuß zu lei­sten, weil sie wei­ter hart­näckig die mora­li­sche Uner­laubt­heit der Emp­fäng­nis­ver­hü­tung lehrt. Bei genaue­rer Betrach­tung erweist sich der Ein­wand tat­säch­lich als trü­ge­risch. Denn es mag sein, daß vie­le auch in der Absicht zu Ver­hü­tungs­mit­teln grei­fen, um in der Fol­ge die Ver­su­chung der Abtrei­bung zu ver­mei­den. Doch die der „Ver­hü­tungs­men­ta­li­tät“ „” die sehr wohl von der ver­ant­wort­li­chen, in Ach­tung vor der vol­len Wahr­heit des ehe­li­chen Aktes aus­ge­üb­ten Eltern­schaft zu unter­schei­den ist „” inne­woh­nen­den Pseu­do­wer­te ver­stär­ken nur noch die­se Ver­su­chung ange­sichts der mög­li­chen Emp­fäng­nis eines uner­wünsch­ten Lebens. In der Tat hat sich die Abtrei­bungs­kul­tur gera­de in Krei­sen beson­ders ent­wickelt, die die Leh­re der Kir­che über die Emp­fäng­nis­ver­hü­tung ableh­nen. Sicher­lich sind vom mora­li­schen Gesichts­punkt her Emp­fäng­nis­ver­hü­tung und Abtrei­bung ihrer Art nach ver­schie­de­ne Übel: die eine wider­spricht der voll­stän­di­gen Wahr­heit des Geschlechts­ak­tes als Aus­druck der ehe­li­chen Lie­be, die ande­re zer­stört das Leben eines Men­schen; die erste wider­setzt sich der Tugend der ehe­li­chen Keusch­heit, die zwei­te wider­setzt sich der Tugend der Gerech­tig­keit und ver­letzt direkt das gött­li­che Gebot „du sollst nicht töten“.

Empfängnisverhütung und Abtreibung Früchte ein und derselben Pflanze

Aber trotz die­ses Unter­schieds in ihrer Natur und mora­li­schen Bedeu­tung ste­hen sie, als Früch­te ein und der­sel­ben Pflan­ze, sehr oft in enger Bezie­hung zuein­an­der. Sicher­lich gibt es Fäl­le, in denen jemand unter dem Druck man­nig­fa­cher exi­sten­ti­el­ler Schwie­rig­kei­ten zu Emp­fäng­nis­ver­hü­tung und selbst zur Abtrei­bung schrei­tet; selbst sol­che Schwie­rig­kei­ten kön­nen jedoch nie­mals von der Bemü­hung ent­bin­den, das Gesetz Got­tes voll und ganz zu befol­gen. Aber in sehr vie­len ande­ren Fäl­len haben sol­che Prak­ti­ken ihre Wur­zeln in einer Men­ta­li­tät, die von Hedo­nis­mus und Ableh­nung jeder Ver­ant­wort­lich­keit gegen­über der Sexua­li­tät bestimmt wird, und unter­stel­len einen ego­isti­schen Frei­heits­be­griff, der in der Zeu­gung ein Hin­der­nis für die Ent­fal­tung der eige­nen Per­sön­lich­keit sieht. Das Leben, das aus der sexu­el­len Begeg­nung her­vor­ge­hen könn­te, wird so zum Feind, das abso­lut ver­mie­den wer­den muß, und die Abtrei­bung zur ein­zig mög­li­chen Ant­wort und Lösung bei einer miß­lun­ge­nen Empfängnisverhütung.

Lei­der tritt der enge Zusam­men­hang, der men­ta­li­täts­mä­ßig zwi­schen der Pra­xis der Emp­fäng­nis­ver­hü­tung und jener der Abtrei­bung besteht, immer mehr zuta­ge; das bewei­sen auf alar­mie­ren­de Wei­se auch die Anwen­dung che­mi­scher Prä­pa­ra­te, das Anbrin­gen mecha­ni­scher Emp­fäng­nis­hem­mer in der Gebär­mut­ter und der Ein­satz von Impf­stof­fen, die eben­so leicht wie Ver­hü­tungs­mit­tel ver­brei­tet wer­den und in Wirk­lich­keit als Abtrei­bungs­mit­tel im aller­er­sten Ent­wick­lungs­sta­di­um des neu­en mensch­li­chen Lebens wirken.

Eugenische Abtreibung und Kindestötung: Rückfall in ein Stadium der Barbarei

Die vor­ge­burt­li­chen Dia­gno­sen, gegen die es kei­ne mora­li­schen Beden­ken gibt, sofern sie vor­ge­nom­men wer­den, um even­tu­ell not­wen­di­ge Behand­lun­gen an dem noch unge­bo­re­nen Kind fest­zu­stel­len, wer­den all­zu oft zum Anlaß, die Abtrei­bung anzu­ra­ten oder vor­zu­neh­men. Die angeb­li­che Recht­mä­ßig­keit der euge­ni­schen Abtrei­bung ent­steht in der öffent­li­chen Mei­nung aus einer Men­ta­li­tät „” sie wird zu Unrecht für kohä­rent mit den Ansprü­chen der „Behan­del­bar­keit mit Aus­sicht auf Hei­lung“ gehal­ten „”, die das Leben nur unter bestimm­ten Bedin­gun­gen annimmt und Begrenzt­heit, Behin­de­rung und Krank­heit ablehnt.

Infol­ge eben die­ser Logik ist man soweit gegan­gen, Kin­dern, die mit schwe­ren Schä­den oder Krank­hei­ten gebo­ren wur­den, die ele­men­tar­sten übli­chen Behand­lun­gen und sogar die Ernäh­rung zu ver­wei­gern. Noch bestür­zen­der wird das moder­ne Sze­na­ri­um dar­über hin­aus durch da und dort auf­tau­chen­de Vor­schlä­ge, auf der­sel­ben Linie wie das Recht auf Abtrei­bung sogar die Kin­destö­tung für recht­mä­ßig zu erklä­ren: damit wür­de man in ein Sta­di­um der Bar­ba­rei zurück­fal­len, das man für immer über­wun­den zu haben hoffte.

Ein alarmierendes Schauspiel

Die heu­ti­ge Mensch­heit bie­tet uns ein wahr­haft alar­mie­ren­des Schau­spiel, wenn wir nicht nur an die ver­schie­de­nen Berei­che den­ken, in denen die Angrif­fe auf das Leben aus­bre­chen, son­dern auch an ihr ein­zig­ar­ti­ges Zah­len­ver­hält­nis sowie an die man­nig­fa­che und macht­vol­le Unter­stüt­zung, die ihnen durch das weit­ge­hen­de Ein­ver­ständ­nis der Gesell­schaft, durch die häu­fi­ge gesetz­li­che Aner­ken­nung, durch die Ein­be­zie­hung eines Teils des im Gesund­heits­we­sen täti­gen Per­so­nals zuteil wird.

Wie ich anläß­lich des VIII. Welt­ju­gend­tref­fens in Den­ver mit allem Nach­druck sagen muß­te, „neh­men die Bedro­hun­gen des Lebens im Lau­fe der Zeit nicht ab. Im Gegen­teil, sie neh­men immer grö­ße­re Aus­ma­ße an. Es han­delt sich nicht nur um Bedro­hun­gen des Lebens von außen, von den Kräf­ten der Natur her oder von wei­te­ren ‚Kains?, die die ‚Abels? töten“; nein, es han­delt sich um wis­sen­schaft­lich und syste­ma­tisch geplan­te Bedro­hun­gen. Das 20. Jahr­hun­dert wird als eine Epo­che mas­si­ver Angrif­fe auf das Leben, als end­lo­se Serie von Krie­gen und an-dau­ern­de Ver­nich­tung unschul­di­ger Men­schen­le­ben gel­ten. Die fal­schen Pro­phe­ten und Leh­rer erfreu­en sich des größt­mög­li­chen Erfol­ges. Jen­seits der Absich­ten […] ste­hen wir tat­säch­lich einer objek­ti­ven „Ver­schwö­rung gegen das Leben“ gegen­über, die auch inter­na­tio­na­le Insti­tu­tio­nen ein­schließt, die mit gro­ßem Enga­ge­ment regel­rech­te Kam­pa­gnen für die Ver­brei­tung der Emp­fäng­nis­ver­hü­tung, der Ste­ri­li­sa­ti­on und der Abtrei­bung anre­gen und pla­nen. Schließ­lich läßt sich nicht leug­nen, daß sich die Mas­sen­me­di­en häu­fig zu Kom­pli­zen die­ser Ver­schwö­rung machen, indem sie jener Kul­tur, die die Anwen­dung der Emp­fäng­nis­ver­hü­tung, der Ste­ri­li­sa­ti­on, der Abtrei­bung und selbst der Eutha­na­sie als Zei­chen des Fort­schritts und als Errun­gen­schaft der Frei­heit hin­stellt, in der öffent­li­chen Mei­nung Anse­hen ver­schaf­fen, wäh­rend sie Posi­tio­nen, die bedin­gungs­los für das Leben ein­tre­ten, als frei­heits- und ent­wick­lungs­feind­lich beschreibt.

Substantieller Totalitarismus

Das geschieht denn auch in der Tat im eigent­lich poli­tisch-staat­li­chen Bereich: das ursprüng­li­che, unver­äu­ßer­li­che Recht auf Leben wird auf Grund einer Par­la­ments­ab­stim­mung oder des Wil­lens eines „” sei es auch mehr­heit­li­chen „” Tei­les der Bevöl­ke­rung in Fra­ge gestellt oder ver­neint. Es ist das unheil­vol­le Ergeb­nis eines unan­ge­foch­ten herr­schen­den Rela­ti­vis­mus: das „Recht“ hört auf Recht zu sein, weil es sich nicht mehr fest auf die unan­tast­ba­re Wür­de der Per­son grün­det, son­dern dem Wil­len des Stär­ke­ren un-ter­wor­fen wird. Auf die­se Wei­se beschrei­tet die Demo­kra­tie unge­ach­tet ihrer Regeln den Weg eines sub­stan­ti­el­len Tota­li­ta­ris­mus. Der Staat […] ver­wan­delt sich in einen tyran­ni­schen Staat, der sich anmaßt, im Namen einer all­ge­mei­nen Nütz­lich­keit „” die in Wirk­lich­keit nichts ande­res als das Inter­es­se eini­ger weni­ger ist „” über das Leben der Schwäch­sten und Schutz­lo­se­sten, vom unge­bo­re­nen Kind bis zum alten Men­schen, ver­fü­gen zu können.

Das Recht auf Abtrei­bung, Kin­destö­tung und Eutha­na­sie zu for­dern und es gesetz­lich anzu­er­ken­nen heißt der mensch­li­chen Frei­heit eine per­ver­se, abscheu­li­che Bedeu­tung zuzu­schrei­ben: näm­lich die einer abso­lu­ten Macht über die ande­ren und gegen die ande­ren. Aber das ist der Tod der wah­ren Frei­heit: »Amen, amen, das sage ich euch: Wer die Sün­de tut, ist Skla­ve der Sün­de« (Joh 8, 34).

Kampf zwischen der „Kultur des Lebens“ und der „Kultur des Todes“

Auf der Suche nach den tief­sten Wur­zeln des Kamp­fes zwi­schen der „Kul­tur des Lebens“ und der „Kul­tur des Todes“ dür­fen wir nicht bei der oben erwähn­ten per­ver­sen Frei­heits­vor­stel­lung ste­hen blei­ben. Wir müs­sen zum Her­zen des Dra­mas vor­sto­ßen, das der heu­ti­ge Mensch erlebt: die Ver­fin­ste­rung des Sin­nes für Gott und den Men­schen, wie sie für das vom Säku­la­ris­mus beherrsch­te sozia­le und kul­tu­rel­le Umfeld typisch ist, der mit sei­nen durch­drin­gen­den Fang­ar­men bis­wei­len sogar christ­li­che Gemein­schaf­ten auf die Pro­be stellt. Wer sich von die­ser Atmo­sphä­re anstecken läßt, gerät leicht in den Stru­del eines furcht­ba­ren Teu­fels­krei­ses: wenn man den Sinn für Gott ver­liert, ver­liert man bald auch den Sinn für den Men­schen, für sei­ne Wür­de und für sein Leben; die syste­ma­ti­sche Ver­let­zung des Moral­ge­set­zes, beson­ders was die Ach­tung vor dem mensch­li­chen Leben und sei­ner Wür­de betrifft, erzeugt ihrer­seits eine Art fort­schrei­ten­der Ver­dun­ke­lung der Fähig­keit, die leben­spen­den­de und ret­ten­de Gegen­wart Got­tes wahrzunehmen.

Die Ver­fin­ste­rung des Sin­nes für Gott und den Men­schen führt unver­meid­lich zum prak­ti­schen Mate­ria­lis­mus, in dem der Indi­vi­dua­lis­mus, der Uti­li­ta­ris­mus und der Hedo­nis­mus gedei­hen. Auch hier offen­bart sich die ewi­ge Gül­tig­keit des­sen, was der Apo­stel schreibt: »Und da sie sich wei­ger­ten, Gott anzu­er­ken­nen, lie­fer­te Gott sie einem ver­wor-fenen Den­ken aus, so daß sie tun, was sich nicht gehört« (Röm 1, 28). Auf die­se Wei­se wer­den die Wer­te des Seins durch jene des Habens ersetzt. Das ein­zi­ge Ziel, auf das es ankommt, ist die Erlan­gung des eige­nen mate­ri­el­len Wohl­erge­hens. Die soge­nann­te „Lebens­qua­li­tät“ wird vor­wie­gend oder aus­schließ­lich als wirt­schaft­li­che Lei­stung, hem­mungs­lo­ser Kon­su­mis­mus, Schön­heit und Genuß des phy­si­schen Lebens aus­ge­legt, wobei die tie­fer rei­chen­den „” bezie­hungs­mä­ßi­gen, gei­sti­gen und reli­giö­sen „” Dimen­sio­nen des Daseins in Ver­ges­sen­heit geraten.

Gewissen auf dem Weg besorgniserregender Entartung und finsterster moralischer Blindheit

Das sitt­li­che Gewis­sen sowohl des ein­zel­nen wie der Gesell­schaft ist heu­te auch wegen des auf­dring­li­chen Ein­flus­ses vie­ler sozia­ler Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel einer sehr ern­sten und töd­li­chen Gefahr aus­ge­setzt: der Gefahr der Ver­wir­rung zwi­schen Gut und Böse in bezug auf das fun­da­men­ta­le Recht auf Leben. Ein Groß­teil der heu­ti­gen Gesell­schaft zeigt sich ähn­lich jener Mensch­heit, die Pau­lus im Römer­brief beschreibt. Sie besteht aus „Men­schen, die die Wahr­heit durch Unge­rech­tig­keit nie­der­hal­ten“ (1, 18): nach­dem sie von Gott abge­fal­len sind und glaub­ten, das irdi­sche Gemein­we­sen ohne Ihn auf­bau­en zu kön­nen, „ver­fie­len sie in ihrem Den­ken der Nich­tig­keit, und ihr unver­stän­di­ges Herz wur­de ver­fin­stert« (1, 21); „sie behaup­te­ten wei­se zu sein, und wur­den zu Toren“ (1, 22); sie wur­den zu Urhe­bern todes­träch­ti­ger Wer­ke und „tun sie nicht nur sel­ber, son­dern stim­men bereit­wil­lig auch denen zu, die so han­deln“ (1, 32). Wenn das Gewis­sen, die­ses leuch­ten­de Auge der See­le (vgl. Mt 6, 22–23), „das Gute böse und das Böse gut“ nennt (Jes 5, 20), dann ist es auf dem Weg besorg­nis­er­re­gen­der Ent­ar­tung und fin­ster­ster mora­li­scher Blindheit.

Die­ser Hori­zont von Licht und Schat­ten muß uns allen voll bewußt machen, daß wir einer unge­heu­ren und dra­ma­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung zwi­schen Bösem und Gutem, Tod und Leben, der „Kul­tur des Todes“ und der „Kul­tur des Lebens“ gegen­über­ste­hen. Wir ste­hen die­sem Kon­flikt nicht nur „gegen­über“, son­dern befin­den uns not­ge­drun­gen „mit­ten drin“: wir sind alle durch die unaus­weich­li­che Ver­ant­wort­lich­keit in die bedin­gungs­lo­se Ent­schei­dung für das Leben invol­viert und dar­an beteiligt.

In Treue und Übereinstimmung mit dem Gesetz des Herrn

Auch an uns ergeht klar und nach­drück­lich die Ein­la­dung des Mose: „Hier­mit lege ich dir heu­te das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor…; Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wäh­le also das Leben, damit du lebst, du und dei­ne Nach­kom­men“ (Dtn 30, 15. 19). Es ist eine Ein­la­dung, die wohl auch für uns gilt, die wir uns jeden Tag zwi­schen der „Kul­tur des Lebens“ und der „Kul­tur des Todes“ ent­schei­den müs­sen. Doch der Appell des Buches Deu­te­ro­no­mi­um ist noch tief­grün­di­ger, weil er uns zu einer im eigent­li­chen Sinn reli­giö­sen und mora­li­schen Ent­schei­dung anhält. Es geht dar­um, dem eige­nen Dasein eine grund­sätz­li­che Ori­en­tie­rung zu geben und in Treue und Über­ein­stim­mung mit dem Gesetz des Herrn zu leben: „… die Gebo­te des Herrn dei­nes Got­tes, auf die ich dich heu­te ver­pflich­te, … indem du den Herrn dei­nen Gott liebst, auf sei­nen Wegen gehst und auf sei­ne Gebo­te, Geset­ze und Rechts­vor­schrif­ten ach­test … Wäh­le also das Leben, damit du lebst, du und dei­ne Nach­kom­men. Lie­be den Herrn, dei­nen Gott, höre auf sei­ne Stim­me, und hal­te dich an ihm fest; denn er ist dein Leben. Er ist die Län­ge dei­nes Lebens“ (30, 16. 19–20).

Absolute Unantastbarkeit des unschuldigen Menschenlebens

Die abso­lu­te Unan­tast­bar­keit des unschul­di­gen Men­schen­le­bens ist in der Tat eine in der Hei­li­gen Schrift aus­drück­lich gelehr­te, in der Tra­di­ti­on der Kir­che stän­dig auf­rech­ter-hal­te­ne und von ihrem Lehr­amt ein­mü­tig vor­ge­tra­ge­ne sitt­li­che Wahr­heit. Die­se Ein­mü­tig­keit ist sicht­ba­re Frucht jenes vom Hei­li­gen Geist geweck­ten und getra­ge­nen „über­na-tür­li­chen Glau­bens­sin­nes“, der das Got­tes­volk vor Irr­tum bewahrt, wenn es „sei­ne all­ge­mei­ne Über­ein­stim­mung in Sachen des Glau­bens und der Sit­ten äußert.“

Mit der Petrus und sei­nen Nach­fol­gern von Chri­stus ver­lie­he­nen Auto­ri­tät bestä­ti­ge ich daher in Gemein­schaft mit den Bischö­fen der katho­li­schen Kir­che, daß die direk­te und frei­wil­li­ge Tötung eines unschul­di­gen Men­schen immer ein schwe­res sitt­li­ches Ver­ge­hen ist.

Unter allen Ver­bre­chen, die der Mensch gegen das Leben bege­hen kann, weist die Vor­nah­me der Abtrei­bung Merk­ma­le auf, die sie beson­ders schwer­wie­gend und ver­werf­lich machen.

Gefährliche Krise des sittlichen Bewußtseins, das immer weniger imstande ist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden

Doch heu­te hat sich im Gewis­sen vie­ler die Wahr­neh­mung der Schwe­re des Ver­ge­hens nach und nach ver­dun­kelt. Die Bil­li­gung der Abtrei­bung in Gesin­nung, Gewohn­heit und selbst im Gesetz ist ein bered­tes Zei­chen für eine sehr gefähr­li­che Kri­se des sitt­li­chen Bewußt­seins, das immer weni­ger imstan­de ist, zwi­schen Gut und Böse zu unter­schei­den, selbst dann, wenn das Grund­recht auf Leben auf dem Spiel steht. Ange­sichts einer so ern­sten Situa­ti­on bedarf es mehr denn je des Mutes, der Wahr­heit ins Gesicht zu schau­en und die Din­ge beim Namen zu nen­nen, ohne beque­men Kom­pro­mis­sen oder der Ver­su­chung zur Selbst­täu­schung nach­zu­ge­ben. In die­sem Zusam­men­hang klingt der Tadel des Pro­phe­ten kate­go­risch: „Weh denen, die das Böse gut und das Gute böse nen­nen, die die Fin­ster­nis zum Licht und das Licht zur Fin­ster­nis machen“ (Jes 5, 20).

Die sitt­li­che Schwe­re der vor­sätz­li­chen Abtrei­bung wird in ihrer gan­zen Wahr­heit deut­lich, wenn man erkennt, daß es sich um einen Mord han­delt, und ins­be­son­de­re, wenn man die spe­zi­fi­schen Umstän­de bedenkt, die ihn kenn­zeich­nen. Getö­tet wird hier ein mensch­li­ches Geschöpf, das gera­de erst dem Leben ent­ge­gen­geht, das heißt das abso­lut unschul­dig­ste Wesen, das man sich vor­stel­len kann: es könn­te nie­mals als Angrei­fer und schon gar nicht als unge­rech­ter Angrei­fer ange­se­hen wer­den! Es ist schwach, wehr­los, so daß es selbst ohne jenes Mini­mum an Ver­tei­di­gung ist, wie sie die fle­hen­de Kraft der Schreie und des Wei­nens des Neu­ge­bo­re­nen dar­stellt. Es ist voll und ganz dem Schutz und der Sor­ge der­je­ni­gen anver­traut, die es im Schoß trägt. Doch manch­mal ist es gera­de sie, die Mut­ter, die sei­ne Tötung beschließt und dar­um ersucht und sie sogar vornimmt.

Man­che ver­su­chen, die Abtrei­bung durch die Behaup­tung zu recht­fer­ti­gen, die Frucht der Emp­fäng­nis kön­ne, wenig­stens bis zu einer bestimm­ten Zahl von Tagen, noch nicht als ein per­sön­li­ches mensch­li­ches Leben ange­se­hen wer­den. In Wirk­lich­keit „beginnt in dem Augen­blick, wo das Ei befruch­tet wird, ein Leben, das nicht das des Vaters oder der Mut­ter, son­dern eines neu­en mensch­li­chen Geschöp­fes ist, das sich eigen­stän­dig ent­wickelt. Es wird nie mensch­lich wer­den, wenn es das nicht von dem Augen­blick an gewe­sen ist. Für die Augen­fäl­lig­keit die­ser alten Ein­sicht… lie­fert die moder­ne gene­ti­sche For­schung wert­vol­le Bestä­ti­gun­gen. Sie hat gezeigt, daß vom ersten Augen­blick an das Pro­gramm für das, was die­ses Lebe­we­sen sein wird, fest­ge­legt ist: eine Per­son, die­se indi­vi­du­el­le Per­son mit ihren bekann­ten, schon genau fest­ge­leg­ten Wesens­merk­ma­len. Bereits mit der Befruch­tung hat das Aben­teu­er eines Men­schen­le­bens begon­nen, von des­sen gro­ßen Fähig­kei­ten jede ein­zel­ne Zeit braucht, um sich zu orga­ni­sie­ren und funk­ti­ons­be­reit zu sein“.

Exkommunikation latae sententiae

Die Rechts­ord­nung der Kir­che hat von den ersten Jahr­hun­der­ten an über jene, die sich der Abtrei­bung schul­dig mach­ten, Straf­sank­tio­nen ver­hängt. Die­se Pra­xis mit mehr oder weni­ger schwe­ren Stra­fen wur­de in den ver­schie­de­nen Abschnit­ten der Geschich­te bestä­tigt. Der Codex des kano­ni­schen Rech­tes von 1917 droh­te für die Abtrei­bung die Stra­fe der Exkom­mu­ni­ka­ti­on an. Auch die erneu­er­te kano­ni­sche Gesetz­ge­bung stellt sich auf die­se Linie, wenn sie bekräf­tigt: „Wer eine Abtrei­bung vor­nimmt, zieht sich mit erfolg­ter Aus­füh­rung die Tat­stra­fe der Exkom­mu­ni­ka­ti­on latae sen­ten­tiae zu“, das heißt die Stra­fe tritt von selbst durch Bege­hen der Straf­tat ein.

Die Exkom­mu­ni­ka­ti­on trifft alle, die die­se Straf­tat in Kennt­nis der Stra­fe bege­hen, somit auch jene Mit­tä­ter, ohne deren Han­deln sie nicht began­gen wor­den wäre. Mit die­ser erneut bestä­tig­ten Sank­ti­on stellt die Kir­che die­se Straf­tat als eines der schwer­sten und gefähr­lich­sten Ver­bre­chen hin und spornt so den, der sie begeht, an, rasch auf den Weg der Umkehr zurück­zu­fin­den. Denn in der Kir­che hat die Stra­fe der Exkom­mu­ni­ka­ti­on den Zweck, die Schwe­re einer bestimm­ten Sün­de voll bewußt zu machen und somit eine ent­spre­chen­de Umkehr und Reue zu begünstigen.

Kein Umstand, kein Zweck, kein Gesetz wird jemals eine Hand­lung für die Welt statt­haft machen kön­nen, die in sich uner­laubt ist, weil sie dem Gesetz Got­tes wider­spricht, das jedem Men­schen ins Herz geschrie­ben, mit Hil­fe der Ver­nunft selbst erkenn­bar und von der Kir­che ver­kün­det wor­den ist.

Euthanasie: schwere Verletzung des göttlichen Gesetzes

[…] bestä­ti­ge ich in Über­ein­stim­mung mit dem Lehr­amt mei­ner Vor­gän­ger und in Gemein­schaft mit den Bischö­fen der katho­li­schen Kir­che, daß die Eutha­na­sie eine schwe­re Ver­let­zung des gött­li­chen Geset­zes ist, inso­fern es sich um eine vor­sätz­li­che Tötung einer mensch­li­chen Per­son han­delt, was sitt­lich nicht zu akzep­tie­ren ist. Die­se Leh­re ist auf dem Natur­recht und auf dem geschrie­be­nen Wort Got­tes begrün­det, von der Tra­di­ti­on der Kir­che über­lie­fert und vom ordent­li­chen und all­ge­mei­nen Lehr­amt der Kir­che gelehrt.

Eine sol­che Hand­lung setzt, je nach den Umstän­den, die Bos­heit vor­aus, wie sie dem Selbst­mord oder dem Mord eigen ist.

Gemein­sa­me Wur­zel all die­ser Ten­den­zen ist der ethi­sche Rela­ti­vis­mus, der für wei­te Tei­le der moder­nen Kul­tur bezeich­nend ist.

Das menschliche Leben ist heilig und unantastbar

Gleich­zei­tig gilt es sämt­li­che Kon­se­quen­zen auf­zu­zei­gen, die sich aus die­sem Evan­ge­li­um erge­ben und die man wie folgt zusam­men­fas­sen kann: das mensch­li­che Leben, ein wert­vol­les Geschenk Got­tes, ist hei­lig und unan­tast­bar und daher sind ins­be­son­de­re die vor­sätz­li­che Abtrei­bung und die Eutha­na­sie abso­lut unan­nehm­bar; das Leben des Men­schen darf nicht nur nicht aus­ge­löscht, son­dern es muß mit aller lie­be­vol­len Auf­merk­sam­keit geschützt wer­den; das Leben fin­det sei­nen Sinn in der emp­fan­ge­nen und geschenk­ten Lie­be, in deren Blick­feld Sexua­li­tät und mensch­li­che Fort­pflan­zung vol­le Wahr­heit erlan­gen; in die­ser Lie­be haben auch das Lei­den und der Tod einen Sinn und kön­nen, wenn­gleich das Geheim­nis, das sie umfängt, wei­ter­be­steht, zu Heils­er­eig­nis­sen wer­den; die Ach­tung vor dem Leben erfor­dert, daß Wis­sen­schaft und Tech­nik stets auf den Men­schen und sei­ne ganz­heit­li­che Ent­wick­lung hin­ge­ord­net wer­den; die gan­ze Gesell­schaft muß die Wür­de jeder mensch­li­chen Per­son in jedem Augen­blick und in jeder Lage ihres Lebens ach­ten, ver­tei­di­gen und fördern.

Bischöfe als erste dazu angehalten, unermüdliche Verkünder des Evangeliums vom Leben zu sein

Wäh­rend wir von den wider­sprüch­lich­sten Stim­men umge­ben sind und vie­le die gesun­de Leh­re über das Leben des Men­schen ver­wer­fen, spü­ren wir, daß die instän­di­ge Bit­te des Pau­lus an Timo­theus auch an uns gerich­tet ist: „Ver­kün­de das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; wei­se zurecht, tad­le, ermah­ne, in uner­müd­li­cher und gedul­di­ger Beleh­rung“ (2 Tim 4, 2). Die­se Ermah­nung muß beson­ders im Her­zen derer kräf­ti­gen Wider­hall fin­den, die in der Kir­che auf ver­schie­de­ne Wei­se an ihrer Sen­dung als „Leh­re­rin“ der Wahr­heit am unmit­tel­bar­sten teil­ha­ben. Sie soll vor allem bei uns Bischö­fen Wider­hall fin­den: wir sind als erste dazu ange­hal­ten, uner­müd­li­che Ver­kün­der des Evan­ge­li­ums vom Leben zu sein; uns ist auch die Auf­ga­be anver­traut, über die zuver­läs­si­ge und getreue Wei­ter­ga­be der in die­ser Enzy­kli­ka neu vor­ge­leg­ten Leh­re zu wachen und die geeig­net­sten Maß­nah­men zu ergrei­fen, damit die Gläu­bi­gen vor jeder Leh­re, die ihr wider­spricht, geschützt wer­den. Beson­de­re Auf­merk­sam­keit müs­sen wir dar­auf legen, daß an den theo­lo­gi­schen Fakul­tä­ten, in den Prie­ster­se­mi­na­ri­en und in den ver­schie­de­nen katho­li­schen Insti­tu­tio­nen die Kennt­nis der gesun­den Leh­re ver­brei­tet, erklärt und ver­tieft wird.  Die Ermah­nung des Pau­lus möge von allen Theo­lo­gen, von den Seel­sor­gern und von allen ande­ren ver­nom­men wer­den, die Auf­ga­ben der Leh­re, Kate­che­se und Gewis­sens­bil­dung wahr­neh­men: mögen sie im Bewußt­sein der ihnen zukom­men­den Rol­le nie­mals die schwer­wie­gen­de Ver­ant­wor­tung auf sich neh­men, die Wahr­heit und ihren eige­nen Auf­trag dadurch zu ver­ra­ten, daß sie per­sön­li­che Ideen vor­tra­gen, die im Gegen­satz zum Evan­ge­li­um vom Leben ste­hen, wie es das Lehr­amt getreu vor– und auslegt.

Nicht Unpopularität fürchten, jeden Kompromiß und Zweideutigkeit ablehnen

Bei der Ver­kün­di­gung die­ses Evan­ge­li­ums dür­fen wir nicht Feind­se­lig­keit und Unpo­pu­la­ri­tät fürch­ten, wenn wir jeden Kom­pro­miß und jede Zwei­deu­tig­keit ableh­nen, die uns der Denk­wei­se die­ser Welt anglei­chen wür­de (vgl. Röm 12, 2). Wir sol­len in der Welt, aber nicht von der Welt sein (vgl. Joh 15, 19; 17, 16) mit der Kraft, die uns von Chri­stus kommt, der durch sei­nen Tod und sei­ne Auf­er­ste­hung die Welt besiegt hat (vgl. Joh 16, 33).

Bildung des sittlichen Gewissens

Der erste und grund­le­gen­de Schritt für die Ver­wirk­li­chung die­ser kul­tu­rel­len Wen­de besteht in der Bil­dung des sitt­li­chen Gewis­sens hin­sicht­lich des uner­meß­li­chen und unver-letz­li­chen Wer­tes jedes Men­schen­le­bens. Von größ­ter Bedeu­tung ist die Wie­der­ent­deckung des untrenn­ba­ren Zusam­men­han­ges zwi­schen Leben und Frei­heit. Das sind von­ein­an­der untrenn­ba­re Güter: wo das eine ver­letzt wird, wird zum Schluß auch das ande­re ver­letzt. Es gibt kei­ne wah­re Frei­heit, wo das Leben nicht auf­ge­nom­men und geliebt wird; und Leben im Voll­sinn gibt es nur in der Freiheit.

Nicht min­der ent­schei­dend bei der Gewis­sens­bil­dung ist die Wie­der­ent­deckung des Zusam­men­han­ges, der zwi­schen Frei­heit und Wahr­heit besteht. Wie ich wie­der­holt her­vor-geho­ben habe, macht es die Ent­wur­ze­lung der Frei­heit von der objek­ti­ven Wahr­heit unmög­lich, die Rech­te der Per­son auf einer festen ratio­na­len Basis zu begrün­den, und schafft die Vor­be­din­gun­gen dafür, daß sich in der Gesell­schaft die unlenk­ba­re Will­kür ein­zel­ner oder der beschä­men­de Tota­li­ta­ris­mus der staat­li­chen Macht durchsetzen.

Evangelium vom Leben: ein Wert, den jeder Mensch auch im Lichte der Vernunft erfassen kann

Das Evan­ge­li­um vom Leben ist nicht aus­schließ­lich für die Gläu­bi­gen da: es ist für alle da. Die Fra­ge des Lebens und sei­ner Ver­tei­di­gung und För­de­rung ist nicht allei­ni­ges Vor­recht der Chri­sten. Auch wenn es vom Glau­ben außer­or­dent­li­ches Licht und Kraft emp­fängt, gehört es jedem mensch­li­chen Gewis­sen, das sich nach der Wahr­heit sehnt und um das Schick­sal der Mensch­heit bedacht und besorgt ist. Es gibt im Leben sicher­lich einen hei­li­gen und reli­giö­sen Wert, aber er betrifft kei­nes­wegs nur die Gläu­bi­gen: es geht in der Tat um einen Wert, den jeder Mensch auch im Lich­te der Ver­nunft erfas­sen kann und der des­halb not­wen­di­ger­wei­se alle betrifft.

Es kann in der Tat kei­ne ech­te Demo­kra­tie geben, wenn nicht die Wür­de jeder Per­son aner­kannt wird und sei­ne Rech­te nicht respek­tiert werden.

Und es kann auch kei­nen wah­ren Frie­den geben, wenn man nicht das Leben ver­tei­digt und fördert.

Ein­lei­tung und Zusam­men­stel­lung: Mar­tha Weinzl
Bild: Gian­ni Alemanno/​flickr

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