Kardinal Kasper: Vom „Mißbrauch der Sakramente“ und der „Absurdität“ keine Frauen in Spitzenpositionen zu haben


Papst Benedikt XVI. und Kardinal Kasper (Hintergrund), die beiden theologischen Gegenspieler. Ratzinger wurde Papst, ist am Ende aber dennoch Kasper der lachende Sieger?(Rom) Kar­di­nal Wal­ter Kas­per ist durch sei­ne von Papst Fran­zis­kus gewoll­te Rede vor dem Kar­di­nals­kol­le­gi­um zu den wie­der­ver­hei­ra­tet Geschie­de­nen in den Mit­tel­punkt der Auf­merk­sam­keit gerückt. Nun sprach sich der Kar­di­nal in einem Inter­view mit der ita­lie­ni­schen katho­li­schen Tages­zei­tung Avve­ni­re dafür aus, die Lei­tung von Päpst­li­chen Räten Frau­en zu über­tra­gen: „An der Kurie gibt es zu vie­le Bischö­fe“, so der Kar­di­nal, der damit den Weg eines „Umbaus“ der Kir­che mit gesi­cher­tem Applaus fort­setzt. Ist Kar­di­nal Wal­ter Kas­per der Stich­wort­ge­ber für Papst Fran­zis­kus oder eines der Sprach­roh­re von Papst Fran­zis­kus für neue Ideen? Kas­per, der sich vor den Kar­di­nä­len ver­bal zur Unauf­lös­lich­keit des Ehe­sa­kra­ments bekann­te, gleich­zei­tig aber fak­tisch des­sen Auf­wei­chung anreg­te, sorgt sich im Avve­ni­re-Inter­view um den „Miß­brauch der Sakra­men­te“, weil Bischö­fe an der Römi­schen Kurie Ver­wal­tungs­auf­ga­ben wahr­neh­men. Dem Kar­di­nal scheint zum Stich­wort Miß­brauch der Sakra­men­te sonst nichts einzufallen. 

Die „Rolle der Frau“ und die „synodale Dynamik“ der Kirche unter Papst Franziskus

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„Die Rol­le der Frau­en in der Kir­che ist zu über­den­ken und in die Per­spek­ti­ve der syn­oda­len Dyna­mik und der mis­sio­na­ri­schen Aus­rich­tung zu inte­grie­ren, die vom Papst gege­ben wur­de“, so der deut­sche Kar­di­nal. Die Frau­en könn­ten füh­ren­de Posi­tio­nen in den Päpst­li­chen Räten und der künf­ti­gen Kon­gre­ga­ti­on für die Lai­en ein­neh­men. An der Römi­schen Kurie gebe es zu vie­le Bischö­fe. Um das Phä­no­men des Kar­rie­ris­mus ein­zu­däm­men, könn­ten, so die Anre­gung Kas­pers, zeit­lich begrenz­te Auf­trä­ge erteilt wer­den und Prie­ster beru­fen wer­den, die Erfah­rung in der Seel­sor­ge mitbringen.

„Bis­her haben die Frau­en bei den Syn­oden nur als Zuhö­re­rin­nen und in Posi­tio­nen von gerin­ger Bedeu­tung teil­ge­nom­men. Es gibt immer zwei oder drei Höre­rin­nen, die am Ende der Arbei­ten Stel­lung neh­men, wenn alle ande­ren bereits gespro­chen haben. Ich fra­ge mich: wie kann man zwei Syn­oden zur Fami­lie vor­be­rei­ten, ohne in pri­mis auch die Frau­en ein­zu­be­zie­hen? Ohne die Frau­en exi­stiert die Fami­lie gar nicht. Es ist sinn­wid­rig über die Fami­lie zu spre­chen, ohne sie anzu­hö­ren. Ich glau­be, daß sie schon jetzt in der Vor­be­rei­tungs­pha­se geru­fen und ange­hört wer­den sollen.“

„Die Kirche ist ohne die Frauen ein verstümmelter Körper“

Und wei­ter: „Ich den­ke, daß die Frau­en auf allen Ebe­nen prä­sent sein soll­ten, auch an ver­ant­wort­li­chen Posi­tio­nen. Der Bei­trag des Reich­tums und der intui­ti­ven Fähig­keit des weib­li­chen Geni­us sind unver­zicht­bar. Die Kir­che ist ohne die Frau­en ein ver­stüm­mel­ter Kör­per. Vie­le sind heu­te aktiv in den kirch­li­chen Gre­mi­en ein­ge­setzt. Kön­nen wir uns heu­te gemein­schaft­li­che, kari­ta­ti­ve oder kul­tu­rel­le Struk­tu­ren ohne weib­li­chen Prä­senz vor­stel­len? Ohne sie wür­den die Pfar­rei­en noch mor­gen zusper­ren. In der Rea­li­tät und der vom Papst vor­her­ge­sag­ten Kir­che, die „hin­aus­geht“, sind die Frau­en bereits vor­ne und an den Fronten.“

Kas­per sag­te im Inter­view Papst Fran­zis­kus zitie­rend, daß „in der Kir­che die Auto­ri­tät der Wei­he­äm­ter und der Bischö­fe kei­ne Herr­schaft, son­dern immer Dienst am Volk Got­tes ist und von der Voll­macht her­rührt, das Sakra­ment der Eucha­ri­stie zu ver­wal­ten. Die Aus­übung der mit dem Wei­he­amt ver­bun­de­nen Auto­ri­tät im Sin­ne von Macht zu ver­ste­hen, ist Kle­ri­ka­lis­mus. Das zeigt sich auch in der gerin­gen Bereit­schaft vie­ler Prie­ster und Bischö­fe, den Lai­en die Kon­trol­le von Ent­schei­dungs­funk­tio­nen zu über­las­sen, die kein Wei­he­amt vor­aus­set­zen. In Evan­ge­lii gau­di­um fragt sich der Papst, ob es wirk­lich not­wen­dig ist, daß der Prie­ster an der Spit­ze von allem steht. Das führt zu einer kle­ri­ka­len Unbe­weg­lich­keit, die manch­mal Angst zu haben scheint, den Frau­en Raum zu geben, und damit auch, ihnen Raum zuzu­er­ken­nen, wo wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen getrof­fen werden“.

Laien und Frauen an die Spitze Päpstlicher Räte und vatikanischer Gremien

Nicht alle Ent­schei­dungs­po­si­tio­nen in der Kir­che wür­den ein Wei­he­amt vor­aus­set­zen, so der Kar­di­nal. „Die­se kön­nen daher Lai­en und damit auch Frau­en anver­traut wer­den. Wenn das nicht geschieht, kann man die­sen Aus­schluß der Frau­en aus den Ent­schei­dungs­pro­zes­sen der Kir­che nicht rechtfertigen“.

Als Bei­spiel für Gre­mi­en, in denen Frau­en auch die höch­sten Ämter beklei­den könn­ten, nann­te Kas­per „die Päpst­li­chen Räte zum Bei­spiel. In den Räten für die Fami­lie, die Lai­en, wo die Frau­en bereits die Hälf­te der Mit­glie­der stel­len, die Kul­tur, die sozia­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, die För­de­rung der Neue­van­ge­li­sie­rung, um nur eini­ge zu nen­nen. Der­zeit fin­den wir dort kei­ne Frau in füh­ren­der Posi­ti­on. Das ist absurd. In den Räten und in ande­ren vati­ka­ni­schen Orga­nis­men könn­te die Auto­ri­tät bei vol­ler Ver­ant­wort­lich­keit von Frau­en auch auf den höch­sten Ebe­nen aus­ge­übt wer­den.“ Das gel­te auch, so Kas­per, für die Ver­wal­tung, die wirt­schaft­li­chen Ange­le­gen­hei­ten und die Gerichtshöfe.

Frauen als „Untersekretäre“ der römischen Kongregationen

Die Kon­gre­ga­ti­on der Kurie wür­den sich in ihrer Auto­ri­tät von den Räten und ande­ren Gre­mi­en unter­schei­den, den­noch kön­ne auch dort „eine Frau bei den Ent­schei­dun­gen immer anwe­send sein und die Auf­ga­be eines Unter­se­kre­tärs bestens erfül­len. Ich bin daher über­zeugt, daß man auch mit den gel­ten­den kir­chen­recht­li­chen Bestim­mun­gen in den Kon­gre­ga­tio­nen etwas machen kann, indem man die ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten prüft“. Bei den Kon­gre­ga­tio­nen nann­te der Kar­di­nal beson­ders die Bil­dungs­kon­gre­ga­ti­on. Füh­rungs­po­si­tio­nen schloß der Kar­di­nal „aus nahe­lie­gen­den Grün­den“ für die Kon­gre­ga­tio­nen für die Bischö­fe und den Kle­rus aus. „Aber auch in der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on, zum Bei­spiel, gibt es eine Theo­lo­gen­ver­samm­lung, die alle Sit­zun­gen vor­be­rei­tet und in der heu­te Frau­en noch völ­lig feh­len. Dabei haben wir vie­le Theo­lo­gin­nen, die auch Dozen­tin­nen an den päpst­li­chen Uni­ver­si­tä­ten sind. Ein Bei­trag von ihnen wäre wün­schens­wert. Das gilt umso mehr für die Ordens­kon­gre­ga­ti­on: 80 Pro­zent der geweih­ten Men­schen sind weiblich.“

Frauen als „Heilmittel“ gegen „schreckliches Laster des Klerikalismus und Karrierismus“

Die Kri­te­ri­en für die Aus­wahl weib­li­cher Füh­rungs­kräf­te „soll­te sich auf Kom­pe­tenz und Dienst­geist stüt­zen. Natür­lich kön­nen auch Frau­en wie die Män­ner vom Drang Kar­rie­re zu machen, gelei­tet wer­den. Es gibt eini­ge, die die­ses Pro­blem haben, aber vie­le ande­re nicht. Es ist daher nötig, mit Unter­schei­dungs­ga­be die rich­ti­gen Per­so­nen aus­zu­wäh­len.“ Als posi­ti­ves Bei­spiel nann­te der Kar­di­nal Mary Ann Glen­don, Pro­fes­so­rin in Har­vard, der der Hei­li­ge Stuhl „die wich­ti­ge Auf­ga­be anver­traut hat, ihn bei den UNO-Kon­fe­ren­zen zu ver­tre­ten, wo sie einen exzel­len­ten, von allen aner­kann­ten Dienst gelei­stet hat. Ich den­ke, eine gewis­se Anzahl sol­cher Frau­en könn­te den Kle­ri­ka­lis­mus und den Kar­rie­ris­mus an der Kurie, die ein schreck­li­ches Laster sind, heilen.“

Bischöfe in der Verwaltung ein „Mißbrauch der Sakramente“

Gegen den „kuria­len Kar­rie­ris­mus“ könn­te sich Kas­per auch „Beauf­tra­gun­gen auf Zeit“ vor­stel­len: „Zum Bei­spiel für fünf Jah­re“. Am Ende die­ser Peri­ode könn­ten eini­ge blei­ben, wäh­rend alle ande­ren wie­der in ihre Diö­ze­sen zurück­ge­schickt wer­den, „um ihre Erfah­rung in die Orts­kir­chen zu brin­gen“. Zudem denkt der Kar­di­nal an den Ein­satz von Prie­stern, die seel­sorg­li­che Erfah­run­gen auf­wei­sen können.

Schließ­lich stell­te der Kar­di­nal die Fra­ge, ob es not­wen­dig sei, daß „alle Sekre­tä­re der vati­ka­ni­schen Dik­aste­ri­en Bischö­fe sein müs­sen“. An der Kurie „gibt es heu­te eine hohe Kon­zen­tra­ti­on von Bischö­fen. Vie­le üben Funk­tio­nen von Büro­kra­ten aus und das ist nicht gut. Der Bischof ist ein Hir­te. Die Bischofs­wei­he ist kein Ehren­ti­tel, er ist ein Sakra­ment, er betrifft die sakra­men­ta­le Struk­tur der Kir­che. War­um ist es also not­wen­dig, daß ein Bischof büro­kra­ti­sche Funk­tio­nen aus­übt? Hier ris­kiert man, mei­nes Erach­tens, einen Miß­brauch der Sakramente.“

Text: Giu­sep­pe Nardi
Bild: Vigna del Signore

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