Der Schlüssel zum Verständnis der Glaubenskrise – Fatima und die Pflicht der Hirten (1. Teil)


o-l-fatima-bust2-e1305212573542von Wolf­ram Schrems

Anzei­ge

„Weh euch Geset­zes­leh­rern! Ihr habt den Schlüs­sel zur Erkennt­nis weg­ge­nom­men. Ihr selbst seid nicht hin­ein­ge­gan­gen, und die, die hin­ein­ge­hen woll­ten, habt ihr dar­an gehin­dert“ (Lk 11, 52).

Im Hin­blick auf das Ein­hun­dert­jahr-Jubi­lä­um der Ereig­nis­se von Fati­ma im Jahr 2017 und im Anschluß an mei­nen Nach­ruf auf Bischof Kurt Krenn, in dem ich kurz auf das prak­tisch voll­stän­di­ge Feh­len der Fati­ma-Bot­schaft im kirch­li­chen Leben der letz­ten Jahr­zehn­te hin­wies, möch­te ich – unter obi­gem Mot­to – in drei Tei­len ein­schlä­gi­ge Infor­ma­tio­nen und Ana­ly­sen für die wer­ten Leser von Katho​li​sches​.info bie­ten. Sie rich­ten sich auch an Fern­ste­hen­de, die von der katho­li­schen Glau­ben­leh­re ein fal­sches Bild ver­mit­telt bekom­men haben. Sie sind für die prak­ti­zie­ren­den Katho­li­ken auch als spi­ri­tu­el­ler Impuls für die vor­öster­li­che Buß­zeit gedacht.

Fatima – eine verdeckte Offenbarung

Mei­ner Ein­schät­zung nach sind die Erschei­nun­gen von 1917, deren Umstän­de und Inhal­te sowie deren Rezep­ti­on und deren Kon­se­quen­zen, das zen­tra­le über­na­tür­li­che Ereig­nis des 20. Jahr­hun­derts – des­sen Unter­drückung durch die kirch­li­che Hier­ar­chie mit­hin der Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis der seit Jahr­zehn­ten immer schlim­mer gras­sie­ren­den Glau­bens­kri­se mit allen ver­hee­ren­den Aus­wir­kun­gen für Kir­che und Welt.

Per­sön­lich bin ich erst vor weni­gen Jah­ren mit der Fati­ma-Bot­schaft und ihrer Stel­lung im kirch­li­chen Leben inten­si­ver ver­traut wor­den. Was etwa die Situa­ti­on in Öster­reich betrifft, ist Fati­ma, abge­se­hen von eini­gen weni­gen Pri­vat­in­itia­ti­ven, der­zeit ja nicht prä­sent, sach­ge­mä­ße Infor­ma­ti­on nur schwer aufzutreiben.

Die exi­stie­ren­den, durch­schnitt­li­chen „Fati­mi­sten“ erschei­nen unter den Umstän­den des heu­ti­gen kirch­li­chen Lebens als Obsku­ran­ti­sten oder Psy­cho­pa­then. Ande­rer­seits schei­nen sich die kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten, ein­schließ­lich des eme­ri­tier­ten hl. Vaters Bene­dikt XVI., seit Jahr­zehn­ten um etwas her­um­zu­drücken, wenn es um Fati­ma geht. Was hat es also damit auf sich?

Historische Basis

Die Erschei­nun­gen der Mut­ter­got­tes von Fati­ma, derer die drei Hir­ten­kin­der Lucia dos San­tos und deren Cou­sins, die Geschwi­ster Jac­in­ta und Fran­cis­co Mar­to, jeweils am 13. der Mona­te Mai bis Okto­ber (außer August, in dem die Erschei­nung am 19. statt­fand) des Jah­res 1917 gewür­digt wur­den (nach den drei Erschei­nun­gen des „Engels von Por­tu­gal“ im Jahr davor), sind vom por­tu­gie­si­schen Epi­sko­pat 1930 als über­na­tür­lich aner­kannt wor­den. Augen­zeu­gen, die schon bald aus den ver­schie­den­sten Grün­den (aus Neu­gier oder Spott­lust oder aus ernst­haf­ten Beweg­grün­den) bei den Visio­nen zuge­gen waren, berich­te­ten eben­falls von außer­ge­wöhn­li­chen Phänomenen.

Das „Son­nen­wun­der“ vom 13. Okto­ber 1917 schließ­lich wur­de von etwa 70.000 Men­schen beob­ach­tet (auch von kilo­me­ter­weit ent­fernt woh­nen­den) und in den por­tu­gie­si­schen Medi­en aus­führ­lich berich­tet. Es wäre lächer­lich, das als kol­lek­ti­ve Sug­ge­sti­on o. a. abzutun.
Die wei­te­ren Ereig­nis­se ent­wickel­ten sich dann wie von der Mut­ter­got­tes vor­her­ge­sagt, beson­ders bedeu­tungs­voll der frü­he Tod von Jac­in­ta und Fran­cis­co nach einem heroi­schen Leben der Süh­ne und schwe­rer Krank­heit. Bedeu­tungs­schwer auch der blut­ro­te Nacht­him­mel, der in der Nacht vom 25. auf den 26. Jän­ner 1938 in der nörd­li­chen Hemi­sphä­re sicht­bar war. (Für die Ereig­nis­se sie­he.)

Theologische Basis

„Fati­ma“ ist eine kirch­lich aner­kann­te Bot­schaft. Daher ist auch die Rede von der „Pri­vat­of­fen­ba­rung“ irre­füh­rend, so als wäre die Bot­schaft nur für eini­ge weni­ge Men­schen von Relevanz.

Streng theo­lo­gisch gese­hen ist frei­lich kein Katho­lik ver­pflich­tet, dar­an zu glau­ben. Ande­rer­seits wäre es gegen­über dem sich offen­ba­ren­den Gott ein Zei­chen von Gering­schät­zung, wenn er sich die­se Bot­schaft nicht zu Her­zen nähme.

Inhalt­lich ste­hen die Bot­schaf­ten von Fati­ma fest im Zusam­men­hang von hl. Schrift und Tra­di­ti­on. Für heu­ti­ge Begrif­fe klingt man­ches sehr radi­kal (Sün­de, Höl­le, Buße, Genug­tu­ung u. dgl.). Alles das fin­det sich aber in der Bibel ebenso.

War­um jedoch plötz­lich die­se Dramatik?

Man muß sich in Erin­ne­rung rufen, daß im Jahr 1917 alle die teuf­li­schen Irr­leh­ren aus­ge­sät wor­den waren, die nur dar­auf war­te­ten, von skru­pel­lo­sen Prak­ti­kern in die Pra­xis umge­setzt zu wer­den. Das reicht vom Wahn­sinn des Kom­mu­nis­mus, dem man heu­te an die 100 Mil­lio­nen Todes­op­fer nach­sagt, bis zum Ras­sen­wahn aller Schat­tie­run­gen. Der Welt­krieg war noch am Toben, die rus­si­sche Revo­lu­ti­on mit ihrem Blut­bad stand knapp bevor. Die Wider­stands­kraft des Guten war durch Sit­ten­lo­sig­keit geschwächt. Der Glau­be durch das Ein­sickern ver­hee­ren­der Irr­tü­mer bedroht. Eine ern­ste War­nung war der Kir­che bereits 1846 in La Salet­te gege­ben wor­den. Offen­sicht­lich hat man sie nicht aus­rei­chend beachtet.

Wie bei allen ech­ten Offen­ba­run­gen fehlt bei der Fati­ma-Bot­schaft der extra­va­gan­te und über­spann­te Zug. Die Anwei­sun­gen der Mut­ter­got­tes sind zwar dra­ma­tisch, ent­spre­chen aber inhalt­lich einem ver­nünf­ti­gen, tra­di­tio­nell katho­li­schen Glau­bens­sinn. In die­sem Zusam­men­hang soll zur Vor­sicht ange­sichts gewis­ser aktu­el­ler Bot­schaf­ten auf­ge­ru­fen werden.

Die Inhalte

Die Inhal­te der Fati­ma-Bot­schaft sind, wie oben ange­deu­tet, nur einer klei­nen Min­der­heit von Zeit­ge­nos­sen bekannt.

Für dies­mal daher etwas aus­führ­li­cher der „erste Teil“ des Geheim­nis­ses, die Hölle.

Die letz­te der drei Seher von Fati­ma, Sr. Lucia dos San­tos, schreibt in ihrer Vier­ten Lebens­er­in­ne­rung im Dezem­ber 1941 über die Höl­len­vi­si­on vom 13.07.1917:

„Dann fuhr [die Mut­ter­got­tes, Anm.] fort: ‚Opfert euch auf die Sün­der und sagt oft, beson­ders wenn ihr ein Opfer bringt: O Jesus, das tue ich aus Lie­be zu Dir, für die Bekeh­rung der Sün­der und zur Süh­ne für die Sün­den gegen das Unbe­fleck­te Herz Mari­ens.‘ Bei die­sen letz­ten Wor­ten öff­ne­te sie auf neue die Hän­de wie in den zwei vor­her­ge­hen­den Mona­ten. Der Strahl schien die Erde zu durch­drin­gen, und wir sahen gleich­sam ein Feu­er­meer und ein­ge­taucht in die­ses Feu­er die Teu­fel und die See­len, als ob sie durch­schei­nend, schwarz und bron­ze­far­big glü­hen­de Koh­len in mensch­li­cher Gestalt waren, die in die­sem Feu­er schwam­men, empor­ge­schleu­dert von den Flam­men, die mit Rauch­wol­ken aus ihnen selbst her­vor­schlu­gen. Sie fie­len nach allen Sei­ten wie Fun­ken bei gewal­ti­gen Brän­den, ohne Schwe­re und Gleich­ge­wicht, unter Schrei­en und Heu­len vor Schmerz und Ver­zweif­lung, was uns erbe­ben und erstar­ren ließ. (Ich muß wohl bei die­sem Augen­blick „ai“ geschrien haben, wie es eini­ge Leu­te angeb­lich gehört haben.) Die Teu­fel unter­schie­den sich durch die schreck­li­che und scheuß­li­che Gestalt wider­li­cher, unbe­kann­ter Tie­re. Sie waren aber durch­schei­nend wie schwar­ze, glü­hen­de Koh­le. Erschrocken und wie um Hil­fe bit­tend erho­ben wir den Blick zu Unse­rer Lie­ben Frau, die voll Güte und Trau­rig­keit zu uns sprach: ‚Ihr habt die Höl­le gese­hen, wohin die See­len der armen Sün­der kom­men. Um sie zu ret­ten, will Gott die Andacht zu mei­nem Unbe­fleck­ten Her­zen in der Welt begrün­den. Wenn man tut, was ich euch sage, wer­den vie­le See­len geret­tet wer­den, und es wird Frie­de sein.‘“ (Zitat nach: Schwe­ster Lucia spricht über Fati­ma, Über­set­zung und Zusam­men­stel­lung von P. Luis Kon­dor SVD, Ein­füh­run­gen und Anmer­kun­gen von P. Joa­chim Alon­so CMF, Secre­ta­ria­do dos Pastor­in­hos, Fati­ma, 10. Auf­la­ge 2011, Impri­matur 2007 vom Ortsbischof)

Bei der Visi­on am 13. August 1917 zeig­te die Mut­ter­got­tes den Kin­dern einen Heils­weg für vie­le Menschen:

„Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sün­der, denn vie­le See­len kom­men in die Höl­le, weil sich nie­mand für sie opfert und für sie betet.“

Die­se Mah­nung zeigt auch die Ver­bun­den­heit der Mensch­heit auf: Die Bemü­hun­gen ein­zel­ner kom­men vie­len ande­ren zugu­te, das Schlech­te reißt die ande­ren mit ins Verderben.

Theologische Überlegungen

Die For­mu­lie­rung „weil sich nie­mand für sie opfert“ ist in die­sem Zusam­men­hang im Deut­schen heut­zu­ta­ge leicht mißverständlich.
Um zwei bibli­sche Illu­stra­tio­nen zu die­sem The­ma zu bringen:

Moses will sich, nach­dem das Volk das Gol­de­ne Kalb gemacht hat, für das Volk opfern, indem er Gott anbie­tet, ihn aus dem Buch zu strei­chen: „Mose kehr­te zum Herrn zurück und sag­te: Ach, die­ses Volk hat eine gro­ße Sün­de began­gen. Göt­ter aus Gold haben sie sich gemacht. Doch jetzt nimm ihre Sün­de von ihnen! Wenn nicht, dann streich mich aus dem Buch, das du ange­legt hast. Der Herr ant­wor­te­te Mose: Nur den, der gegen mich gesün­digt hat, strei­che ich aus mei­nem Buch“ (Ex 32, 32f).

Und Pau­lus sagt in einer ver­gleich­ba­ren Situation:

„Ich bin voll Trau­er, unab­läs­sig lei­det mein Herz. Ja, ich möch­te sel­ber ver­flucht und von Chri­stus getrennt sein um mei­ner Brü­der wil­len, die der Abstam­mung nach mit mir ver­bun­den sind“ (Röm 9, 2f).

Er drückt hier aus, gleich­sam sein Heil opfern zu wol­len – was natür­lich wider­sin­nig ist.

Was wir aus die­sen bei­den Stel­len ler­nen kön­nen, ist, daß sowohl Moses als auch Pau­lus sich mit ihren irren­den Volks­ge­nos­sen „soli­da­risch“ machen, sie emp­fin­den – bei aller Kri­tik – Mit­leid mit ihnen und sprin­gen sozu­sa­gen für sie „in die Bre­sche“ (vgl. Ps 106, 23). Bei­de wol­len sich in einem bestimm­ten Sin­ne für ihre Mit­men­schen „opfern“.

Die­se Gesin­nung wird von der Mut­ter­got­tes in Fati­ma wie­der­um den Gläu­bi­gen auf­ge­tra­gen – ganz biblisch also.
Wenn wir also die Bot­schaft der Mut­ter­got­tes von Fati­ma umset­zen wol­len, geht es dar­um, „Opfer zu brin­gen“, das „Auf­op­fern“ all­täg­li­cher Beschwer­nis­se, Unbil­den, Krank­hei­ten, Belei­di­gun­gen u. dgl. Es geht um selbst­auf­er­leg­te Opfer wie zusätz­li­ches Gebet, Fasten und Almo­sen­ge­ben. Es geht um die Got­tes­lie­be usque ad con­temp­tum sui, wie der hl. Augu­sti­nus sagt, „bis zur Ver­ach­tung sei­ner selbst“, was das Kenn­zei­chen der Civi­tas Dei ist, die der civi­tas ter­re­na ent­ge­gen­steht, in der die Selbst­lie­be usque ad con­temp­tum Dei, „bis zur Ver­ach­tung Got­tes“, herrscht.

Die­se Glau­bens­in­hal­te sind lei­der seit Jahr­zehn­ten aus der kirch­li­chen Lehr­ver­kün­di­gung zurück­ge­drängt wor­den, nicht zuletzt aus Rück­sicht­nah­me auf den Pro­te­stan­tis­mus, der das „Opfern“ grund­sätz­lich ablehnt – und sich auch hier als unbi­blisch erweist: Kol 1, 24.

Schlußfolgerungen

Aus dem Gesag­ten sol­len wir für jetzt min­de­stens drei Schluß­fol­ge­run­gen ziehen:

1. Fati­ma ruft in Erin­ne­rung: Es gibt die Höl­le. Sie ist der selbst­ver­schul­de­te Aus­schluß vom Heil. An vie­len Stel­len im Neu­en Testa­ment, schon in der Berg­pre­digt (Mt 5–7), bei den Gleich­nis­sen (Mt 13), in der Gerichts­re­de (Mt 25), wird vor ihr gewarnt. Es ist daher falsch, mit dem Evan­ge­li­um eine Art von harm­lo­ser Frie­de-Freu­de-Eier­ku­chen-Men­ta­li­tät zu ver­bin­den. Ja, es gibt eine Droh­bot­schaft für die­je­ni­gen Men­schen, die aus­drück­lich nicht guten Wil­lens sind.

Es ist fahr­läs­sig, daß die Kir­che die Ver­kün­di­gung die­ser Glau­bens­wahr­heit wei­test­ge­hend auf­ge­ge­ben hat. Sagen wir es ganz bru­tal: Gäbe es eine gesun­de und rea­li­sti­sche Angst vor der Höl­le, wür­den vie­le Ver­bre­chen und Greu­el­ta­ten nicht pas­sie­ren. Nach dem, was wir von Fati­ma wis­sen, wür­de die Ver­kün­di­gung die­ser Glau­bens­wahr­heit das ewi­ge Unheil vie­ler Men­schen zu ver­hin­dern hel­fen. Eine schau­der­re­gen­de Einsicht.

2. Es ist illu­so­risch zu glau­ben, der Mensch wür­de immer aus eige­nem Antrieb und von selbst gut han­deln. Auch gläu­bi­ge Men­schen benö­ti­gen manch­mal einen heil­sa­men Schrecken! Der hl. Igna­ti­us von Loyo­la schreibt in sei­nem Exer­zi­ti­en­buch: „Obschon man es über alles schät­zen soll, Gott unse­rem Herrn aus rei­ner Lie­be eif­rig zu die­nen, müs­sen wir doch die Furcht vor Sei­ner Gött­li­chen Maje­stät sehr loben; denn nicht allein die kind­li­che Furcht ist etwas From­mes und sehr Hei­li­ges, son­dern auch die knecht­li­che Furcht; denn wo der Mensch etwas Bes­se­res und Nütz­li­che­res nicht erreicht, ver­hilft sie viel dazu, daß er aus der Tod­sün­de her­aus­kom­me; und hat er sich ein­mal dar­aus befreit, so gelangt er leicht zur kind­li­chen Furcht, die Gott unse­rem Herrn ganz ange­nehm und wohl­ge­fäl­lig ist, weil sie eins ist mit der Gött­li­chen Lie­be“ (EB 370, 18. Regel zum Gespür, das wir in der die­nen­den Kir­che haben sollen).

3. Es ist zwar jeder in aller­letz­ter Instanz nur für sich selbst ver­ant­wort­lich, den­noch hängt die Mensch­heit bzw. die Kir­che auf eine bestimm­te, geheim­nis­vol­le Wei­se zusam­men. Daher trägt jeder eine gewis­se, gra­du­ell abge­stuf­te Mit­ver­ant­wor­tung für das Wohl und das Heil sei­nes Näch­sten. Nach­dem Kain sei­nen Bru­der Abel ermor­det hat, fragt ihn Gott: „Wo ist dein Bru­der Abel?“ Kain ant­wor­te­te: „Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter mei­nes Bru­ders?“ (Gen 4, 9) Die Gegen­fra­ge ist aus der Lüge im Satz zuvor gebo­ren: Kain wuß­te ja, wo sein Bru­der geblie­ben war. In gewis­ser Hin­sicht sind wir sehr wohl Hüter unse­res Mit­men­schen und tra­gen eben eine gewis­se Mitverantwortung.
Papst Pius XII. schrieb in sei­ner Enzy­kli­ka Mysti­ci Cor­po­ris Chri­sti 1943 zu genau die­sem Thema:

„Über­dies will unser Erlö­ser, soweit Er per­sön­lich auf unsicht­ba­re Wei­se die Kir­che regiert, die Mit­wir­kung der Glie­der sei­nes mysti­schen Lei­bes bei der Aus­füh­rung des Erlö­sungs­wer­kes. (…) Wäh­rend Er näm­lich am Kreu­ze starb, hat Er den uner­meß­li­chen Schatz der Erlö­sung sei­ner Kir­che ver­macht, ohne daß sie ihrer­seits dazu bei­trug. Wo es sich aber dar­um han­delt, den Schatz aus­zu­tei­len, läßt Er sei­ne unbe­fleck­te Braut an die­sem Wer­ke der Hei­li­gung nicht nur teil­neh­men, son­dern will, daß dies sogar in gewis­sem Sin­ne durch ihre Tätig­keit bewirkt wer­de. Ein wahr­haft schau­der­er­re­gen­des Myste­ri­um, das man nie­mals genug betrach­ten kann: daß näm­lich das Heil vie­ler abhän­gig ist von den Gebe­ten und frei­wil­li­gen Buß­übun­gen der Glie­der des geheim­nis­vol­len Lei­bes Jesu Chri­sti, die sie zu die­sem Zweck auf sich neh­men; und von der Mit­wir­kung, die die Hir­ten und Gläu­bi­gen, beson­ders die Fami­li­en­vä­ter und ‑müt­ter, unse­rem gött­li­chen Erlö­ser zu lei­sten haben“ [1]Her­vor­he­bung WS.

Unse­re Taten und Unter­las­sun­gen haben Aus­wir­kun­gen auf die ande­ren – im Guten wie im Schlech­ten. In Fati­ma wird deut­lich gesagt, daß es an den Gläu­bi­gen liegt, ande­re durch Gebet und Opfer zum Heil zu füh­ren. Wie das im ein­zel­nen wirkt, bleibt ein Geheim­nis. Daß es wirkt, soll uns Ansporn sein.

Fazit

Daß die Situa­ti­on in Kir­che und Welt fast 97 Jah­re nach den Erschei­nun­gen in Fati­ma auf dra­ma­ti­sche Wei­se schlech­ter gewor­den ist, soll­te – der x‑te Appell an die Bischö­fe – die kirch­li­chen Auto­ri­tä­ten dazu ver­an­las­sen, zu regel­rech­ten Gebets­kreuz­zü­gen und zum Fasten in den Anlie­gen von Fati­ma auf­zu­ru­fen – immer­hin leben wir in Zei­ten, in denen auch Bischö­fe und Kar­di­nä­le in aller Offen­heit der über­lie­fer­ten Leh­re in Glau­ben und Moral widersprechen.

Im Gegen­teil wird den Gläu­bi­gen die­se heil­sa­me Bot­schaft jedoch vorenthalten.

Was muß man zudem gera­de in der Fasten­zeit nicht alles an Klim­bim aus diö­ze­sa­nen Kanz­lei­en über sich erge­hen las­sen – bis hin zu dem alber­nen „Auto­fa­sten“!

Was für ein schrei­en­der Kon­trast: Hier der flä­chen­decken­de Glau­bens­ab­fall, das Abtrei­bungs­elend, die zer­bro­che­nen Fami­li­en, das aus­ein­an­der­bre­chen­de Gemein­schafts­ge­fü­ge in Kir­che und Welt – dort das „Auto­fa­sten“ als hilf­lo­se Aus­flucht von kirch­li­chen Stel­len, die nichts ande­res mehr zu sagen haben.

Das Zen­tra­le im Glau­ben, „das Eine, das not tut“ (Lk 10, 42), muß man mit der Lupe suchen.

Es ist der­zeit ganz offen­sicht­lich so, wie in der ein­gangs zitier­ten Dro­hung aus­ge­sagt: Die moder­nen „Geset­zes­leh­rer“ haben die cla­vis sci­en­tiae, den Schlüs­sel zur Erkennt­nis, weggenommen.

Das ist aber kein rein lokal­kirch­li­ches Phä­no­men. Es hängt von wei­ter­rei­chen­den Wei­chen­stel­lun­gen ab, von einer höhe­ren Ebe­ne. Und es hängt mit der Bot­schaft von Fati­ma als gan­zer zusammen.

Dazu mehr im geplan­ten zwei­ten Teil.

*MMag. Wolf­ram Schrems, Linz und Wien, katho­li­scher Theo­lo­ge und Phi­lo­soph, kirch­lich gesen­de­ter Katechist

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1 Her­vor­he­bung WS
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